Die Zusammenarbeit der klassischen Pianistin MARIALENA FERNANDES mit der österreichischen World-Music-Band HOTEL PALINDRONE reicht bis ins Jahr 2008 zurück. Im Haydn-Gedenkjahr 2009 gab es einen ersten gemeinsamen Auftritt, der sich mit dem Komponisten auseinandersetzte. Jetzt, im Jahr 2016, liegt die gemeinsame CD „Tambdde Roza“ (Gramola) vor. MARIALENA FERNANDES und JOHN MORRISSEY sprachen mit Jürgen Plank.
Wie haben Sie einander gefunden?
John Morrissey: Das reicht ins Jahr 2008 zurück, unser Saxofonist, Pianist, Bassist und grandioser Arrangeur Peter Natterer kannte Marialena von einem anderen Projekt und hat ihr von Hotel Palindrone erzählt. So ist im Gespräch die Idee gereift: Wir lieben Haydn – vor allem Stoney [Stephan Steiner; Anm.] und ich – und Marialena mag Haydn auch, also machten wir etwas miteinander. Wir haben uns zu einer ersten Probe getroffen und ich muss sagen, das klingt zwar kitschig und pathetisch: Es war Liebe auf den ersten Blick und ich habe mich vom ersten Moment an wohlgefühlt, es hat von Beginn an funktioniert.
Wie war für Sie der Moment, in dem Ihre Zusammenarbeit begonnen hat?
Marialena Fernandes: Ich komme aus Indien, ursprünglich aus Goa, das ist ein Ort, der immer von Eroberern besetzt war und an dem ich schon als Kind immer Musik jeglicher Art gehört habe. Ich habe Klassik gespielt und studiert und das war mein Lebensinhalt, bis ich die Band Hotel Palindrone kennengelernt habe. Wir haben mit dem französischen Komponisten Claude Bolling begonnen, der sich während des Krieges als klassischer Pianist in seiner Haut unwohl gefühlt hat und deshalb in die USA ging, wo er sich mit den Hispanics und Afroamerikanern zusammentat und Cross-over-Musik zwischen Klassik und Jazz initiierte. Ich habe begonnen, Bolling mit meinen Studentinnen und Studenten zu spielen. Peter Natterer von Hotel Palindrone hat das gehört und daraufhin gemeint, dass ich die Band kennenlernen müsste.
Wie ging es dann weiter?
Marialena Fernandes: Es ging einfach harmonisch weiter, ich habe gemerkt, dass sie komponieren, improvisieren und arrangieren, und das war für mich immer schon ein Lebenswunsch gewesen. Albin Paulus und Stephan Steiner, die Connaisseurs und Koryphäen der wissenschaftlichen Volksmusik sind, haben genau gewusst, welche Art von Musik zusammenpasst.
Welches Material haben Sie denn in weiterer Folge gesucht und herangezogen?
John Morrissey: Wir hatten ja schon Erfahrung mit klassischem Material, weil wir schon – auch Marialena – Mozart und Haydn gespielt und uns auch mit Schubert und Beethoven beschäftigt hatten. Das hat aber nie den Weg ins dauerhafte Repertoire gefunden. Mit ihr gemeinsam haben wir gemerkt, dass wir uns musikalisch überall hinwagen können. Das geht dann sehr schnell, da bringt einer ein Stück zur Probe mit. Viele Klassikvorschläge kamen von Albin Paulus und Stephan Steiner und Marialena hat zum Beispiel Domenico Scarlatti bearbeitet. Im CD-Booklet haben wir den Begriff „Cross-Worldmusic“ geprägt, weil Haydn, Scarlatti und Bartók ohnehin Cross-over-Musiker waren.
„Es haben sich fünf Leute gefunden, die mit großem Respekt und gleichzeitig relativ unbekümmert mit dem alten Material umgehen.“
Wie ist Ihr Zugang etwa zu Werken von Scarlatti oder Bartók?
John Morrissey: Aus dem rund 200 Jahre alten Cross-over-Material machen wir mit unserem Konzept wiederum ein Cross-over mit dem Klavier Marialenas und unserem Instrumentarium. Es haben sich fünf Leute gefunden, die mit großem Respekt und gleichzeitig relativ unbekümmert mit dem alten Material umgehen. Wir versuchen, rhythmische Feinheiten und diese tollen Melodien auszuloten. Wir haben auch in den Biografien geforscht. Da kommt man drauf, dass Scarlatti Neapel verlassen hatte, er in Lissabon, in Madrid und schließlich in Sevilla und hat all diese Einflüsse verarbeitet. Es war für uns aber ziemlich einfach, dieses Grundmaterial zu bearbeiten.
Marialena Fernandes: Mir fällt, wenn ich mit Hotel Palindrone spiele, ein Wort ein: Leidenschaft. Das Brennen in einem, verbunden mit der Sehnsucht nach etwas Neuem. Wie John sagt, das funktioniert bei uns fließend.
Letztes Jahr waren Sie gemeinsam in Indien, wie war das?
John Morrissey: Es war fantastisch! Die Idee kam von Marialena. Wir waren zwölf Tage lang dort, hatten zehn Konzerte, fünf Workshops, davon drei Musik- und zwei Fußballworkshops. Wir waren in Mumbai, Mangalore, Goa und Bangalore. Wir sind nach 18 Stunden Flug angekommen und haben nach einer Dusche sofort ein Konzert vor etwa 800 Kindern gespielt, für die Organisation Pratham, die versucht, das indische Schulsystem neu zu definieren. Das Konzert ist irgendwann in ein Fest der Kinder übergegangen, mit Selfies und Umarmungen, es war ein Wahnsinn! Indien hat meinen Blick aufs Leben und meinen musikalischen Blick geschärft und neue Koordinaten gesteckt.
Marialena Fernandes: Für mich ist es ein nachhaltiges Projekt, nach Indien zu gehen. Ich sehe nicht nur die Spielfreudigkeit der Musiker von Hotel Palindrone, sondern ich erlebe sie auch als musikalische Erzieher. Die Band hat sehr viel geforscht und hat mir letztlich vertraut. Mumbai, Mangalore, Goa und Bangalore sind Städte, die stark von Europa beeinflusst worden sind.
„Meine Utopie ist, dass Fußball und Musik zusammengehen. Das größte Musikphänomen der Welt sind schließlich die Fangesänge im Fußball.“
Haben Sie auch Fußball gespielt?
Marialena Fernandes: Ja, ich habe auch gespielt, das war für mich wie Musik!
John Morrissey: Der Fußball hat den Hintergrund, dass ich professionell ausgebildeter Fußballer bin und 15 Jahre lang Fußballpädagoge an einer Schule war. Cricket hat in Indien eine koloniale Konnotation und gerade sozial engagierte Projekte und Schulen setzen daher auf Fußball, auch weil die Cricket-Ausrüstung teurer ist. Meine Utopie ist, dass Fußball und Musik zusammengehen. Das größte Musikphänomen der Welt sind schließlich die Fangesänge im Fußball.
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Nochmals zurück zu Ihrer Musik: Wie schwierig war die Auswahl der Einflüsse für die vorliegende neue CD?
Marialena Fernandes: Das ist seit 2009 ein ständiger Prozess. Mich fasziniert, dass bei jeder Probe ein neues Stück da ist und während jeder Probe etwas passiert, was nicht vorhergesehen war. Das heißt, das ist eine dauernde Inspiration, ein dauerndes Musizieren.
John Morrissey: Als wir gewusst haben, dass wir die CD machen, war auch klar, dass wir die neuen indischen Stücke hineinnehmen müssen.
Marialena Fernandes: Konkani ist keine indische Musik, sondern eine südindische Sprache und bezieht sich auf Goa und Mangalore. Die Gesänge sind Hybride aus Volksliedern und dem portugiesischen Kunstlied. Das sind Balladen, aber immer in der Konkani-Sprache.
Wo haben Sie außer in Indien schon miteinander gespielt?
Marialena Fernandes: Wir waren auch schon in Deutschland und in Griechenland unterwegs, in Wien haben wir zum Beispiel im Wiener Musikverein, in der Sargfabrik und im Bockkeller gespielt, aber auch in Eisenstadt, auf der Burg Perchtoldsdorf, in Rohrau und Hainburg. Je nach Location wird das Programm angepasst, das ist bei Hotel Palindrone sehr professionell.
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In Indien gibt es – vergleichbar mit der europäischen klassischen Musik – auch indische klassische Musik. Haben Sie bereits überlegt, klassische indische Musik miteinander zu spielen?
Marialena Fernandes: Was noch nicht ist, kann noch werden. Es gibt ja sehr viele Lieder, die man durch die weltgrößte Filmindustrie, Bollywood, kennt. Lieder, die auch in Europa populär sind.
Wie geht es weiter?
Marialena Fernandes: Das ist nur der Anfang.
John Morrissey: Genau, wir müssen unser Projekt in Indien weiterführen, da hängt mein Herz dran, und das heißt in diesem Fall: Musik und Fußball.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Jürgen Plank
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