Der Gitarrist MAHAN MIRARAB hat den Dezember in den USA verbracht, mehrere Konzerte an Ost- und Westküste gespielt – jetzt sitzen wir in einem übervollen Café Eiles in Wien, zwischen uns ein Tisch, auf dem sich die Teller und Tassen der vorherigen Gäste stapeln. „Tschuldigung“, sagt MAHAN zu einem Kellner, der genervt an uns vorbeirauscht. MAHAN lächelt. „Das war für unsere Kaffehaus-Verhältnisse fast schon nett, oder?“
Mit „Say Your Most Beautiful Word“ veröffentlichte MAHAN MIRARAB vor Kurzem ein Album, das man im Plattenladen unter der Kategorie „Zeitgenössischer Jazz“ findet. Dabei greift die Einordnung viel zu kurz. MAHAN, der allein 2022 über 70 Konzerte auf der ganzen Welt spielte, hat mit dem Album eine Art der Artikulation gefunden, die über das Spiel an der Gitarre hinausreicht.
Wenn MAHAN sagt, dass es „sein Leben“ abbilde und „inspirieren“ könne, dass er eine „Verantwortung“ spüre, mit der ein Drang für das „Neue“ und eine „Bereitschaft zum Risiko“ einhergehe, wirkt das nicht, als würde er mit leeren Hülsen hantieren. In seinen Worten schwingt viel mehr eine Einstellung zum Leben mit, die in Vertrauen gründet und in einem Wort gipfelt: Hoffnung.
Mich hat „Say Your Most Beautiful Word“ durch die letzten Monate begleitet, weil das Album so unaufgeregt ist. Es war ein Gegenpol zum Gesamtzustand des vergangenen Jahres.
Mahan Mirarab: Weißt du wieso? Ich hatte zum ersten Mal in meinem Musikerleben Zeit, mich vor einer Aufnahme vorzubereiten. Nicht nur musikalisch – das passiert natürlich immer –, sondern seelisch. Ich konnte mich fragen: Was bin ich gerade? Was erwarte ich mir von diesem Projekt? Fragen, die ich ehrlich beantworten muss – vor allem für mich.
Du hast diese Fragen gestellt. Welche Antworten hast du gefunden?
Mahan Mirarab: Die Sache ist: Ich fühle mich in meiner Arbeit wohl, weil ich kein Perfektionist bin. Trotzdem habe ich während den Lockdowns darüber reflektiert. Schließlich habe ich die Realität – wie so viele andere Menschen – gesehen und mich gefragt: Was kann man besser machen, wie entwickelt man sich weiter?
Das hat man oft gehört, es wurde zur Floskel. Ich hab aber selten von Personen gehört, bei denen das Nachdenken in ein Tun übergegangen wäre. Wie war das bei dir?
Mahan Mirarab: Ich hab mich mit Wien versöhnt!
Du hattest davor einen Konflikt mit Wien?
Mahan Mirarab: Ich habe die Stadt nie gehasst, aber schlechte Erfahrungen gemacht. Das hat mein Verhältnis zu Wien lange belastet. Während Corona konnte ich vergeben. Vielleicht hat es diesen Umbruch gebraucht, jedenfalls weiß ich jetzt, wie lange es braucht, um Vergebung zu finden.
Weil man die Verletzung erst akzeptieren muss, bevor man sie vergeben kann?
Mahan Mirarab: Lass es mich so beantworten: Ich wohne seit 14 Jahren in Wien, habe die Entwicklung der Stadt mitverfolgt. Das Wien von 2009 war ein anderes, sei es menschlich, sozial oder in Fragen der Integration. Gerade die jüngeren Generationen geben mir heute Hoffnung. Sie sind sich so vielen Dingen bewusst und …
Viel reflektierter als wir es in diesem Alter jemals waren?
Mahan Mirarab: Genau! Das macht sich überall bemerkbar. Ich denke an meine Anfangszeit in Wien zurück. Wie jeder Migrant konnte ich nicht gut Deutsch. Wien ist keine Stadt, die vorbereitet ist, mit anderen Sprachen umzugehen. Schon mit Englisch tut man sich hier schwer. Das ist heute noch so, war damals aber noch schlimmer. Deshalb hat es einige Jahre gedauert, bis ich mich zurechtfinden konnte. Mittlerweile beherrsche ich nicht nur die Sprache, ich bin auch stärker geworden.
Wie alt warst du, als du 2009 nach Wien kamst?
Mahan Mirarab: 25. Ich hab Musikmanagement studiert, aber sogar auf der Uni gab es keine Bereitschaft zur Flexibilität in der Sprache. Dabei hätte man immer Lösungen finden können – auch für Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
Das ist Diskriminierung. Wenn du sagst, dass die jüngere Generation ein größeres Bewusstsein dafür entwickele, habe ich das Gefühl: Es tut sich was.
Mahan Mirarab: Inzwischen sogar in Wien, ja! Ich habe einige Zeit in Berlin gelebt. Dort war es ganz anders. Man kam durch, selbst wenn man kein Deutsch sprach. Ich will aber nicht nur die Sprache betonen, es geht generell um Diversität. Schau dir die Ensembles oder Big Bands in Österreich an. Du wirst keine Schwarze Person finden. Dabei geht es gerade im Jazz um Freiheit und Vielfalt! Trotzdem gibt man den Leuten, die anders aussehen, keine Chance.
Ich erinnere mich an eine Aussage in einem Interview. Du hättest dich nie getraut, dich bei der Jazzwerkstatt Wien zu bewerben – bis sie dich angeworben haben.
Mahan Mirarab: Oft schwingt darin auch mit: Man muss als Ausländer ein perfekter Musiker sein. Das stimmt nicht. Man kann ein normaler Musiker sein und trotzdem den Job bekommen. Viele iranische Musiker*innen in Wien sind überqualifiziert. Sieh dir Rojin [Sharafi] oder Golnar [Shahyar] an – sie arbeiten so viel in der Hoffnung, für ihre Arbeit Anerkennung zu bekommen.
Nicht nur so viel, sondern: so viel mehr.
Mahan Mirarab: Genau! Mehr als alle anderen, die es für selbstverständlich erachten, gesehen und gehört zu werden, ohne permanent zu pushen.
Ich verstehe gut, warum du sagst, dass du Wien vergeben konntest.
Mahan Mirarab: Ja, ich beziehe mich dabei aber auf meine persönlichen Erfahrungen. Mir sind hier schlimme Dinge passiert …
Möchtest du darüber reden?
Mahan Mirarab: Nein, lieber nicht. Diese Erfahrungen sind vergangen, ich habe mit ihnen abgeschlossen und Frieden gefunden. Das hat lange genug gedauert.
Das tut mir leid!
Mahan Mirarab: Dabei bin ich der Privilegierte. Ich komme von einer wohlhabenden Familie, musste nie – wie manch andere Studierende – nebenbei zwei Schichten arbeiten, um mich finanzieren zu können. Trotz all der schlimmen Erfahrungen, die ich gemacht habe, bin ich mir meiner Privilegien bewusst und auch dankbar dafür. Sie haben mir geholfen, weiterzumachen. Schließlich konnte ich in meine Musik investieren. Nicht alle haben diese Möglichkeit.
Man muss sich die Musik leisten können, meinst du?
Mahan Mirarab: Nicht nur die Musik, sondern auch die Zeit, die man braucht, um andere Musiker kennenzulernen. Ich hatte großes Glück, ein paar Monate nach meiner Ankunft auf Wolfi Rainer und Robert Jukic zu treffen. Sie waren eine große Unterstützung, mit ihnen nahm ich mein erstes Album auf. Später lernte ich Golnar kennen …
Die seit Jahren ein großer Bestandteil deines Lebens ist.
Mahan Mirarab: Seit elf Jahren arbeiten wir zusammen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel ich von ihr musikalisch und menschlich lernen durfte.
Wenn du an das „Most Beautiful Word“ denkst, woran denkst du?
Mahan Mirarab: Hoffnung, das ist ein schönes Wort.
Darin schwingt Sehnsucht mit. Bist du ein sehnsuchtsvoller Mensch?
Mahan Mirarab: Na ja, ich will immer weiterlernen und Neues erleben. Das geht …
Mit einem Risiko einher, bestimmte Wege, die man schon begangen hat, nicht mehr gehen zu können.
Mahan Mirarab: Immer! Es braucht das Risiko, um sich weiterzuentwickeln. Deshalb riskiere ich in der Musik permanent und lass mich nicht in eine Schublade stecken. Natürlich hätte ich sagen können: Ich komme aus dem Iran, ich mache iranische Musik. Das würde alle Kriterien erfüllen, um auf World-Music-Festivals aufzutreten.
Trotzdem hast du das nie gemacht. Gleichzeitig verschleierst du deine Herkunft nicht. Ich sage: Du arbeitest mit ihr.
Mahan Mirarab: Ich komme aus einer Hauptstadt, dort dominiert die europäische Klassik. Außerdem hörten wir Popmusik, die aus Großbritannien oder den USA kam. Die kulturellen Unterschiede sind also nicht so groß, wie man glaubt.
Das mein ich gar nicht. Ich will nur sagen: Die Popmusik der 80er und 90er hatte einen stärkeren Fokus auf die Nationalität. Ich denke an Austro-, Italo- oder Britpop. Stilistische Eigenheiten, die heute gestreamlined sind.
Mahan Mirarab: In südamerikanischen Ländern, in vielen Teilen Afrikas oder in der Region des ehemaligen Kanaan besteht die Popmusik aus vielen Rhythmen, Texturen und Techniken, die regionale Hintergründe haben. Das kann man anerkennen und darin eine eigene Sprache finden. Hör dir Tigran Hamasyan an, der armenische Stilmittel in den Jazz bringt.
Ist das eine Appropriation oder eine Appreciation?
Mahan Mirarab: Es kommt darauf an, wie man die Kulturen wahrnimmt und was man ihnen zurückgeben kann. Auch wenn ich Peter Gabriel als Sänger liebe, war seine Herangehensweise cultural approrpriation. Er hat einfach genommen, sich nicht integriert. Das ist aber wichtig. Der Perkussionist Bernhard Schimpelsberger ist ein gutes Beispiel in Wien. Er hat sich in Indien jahrelang mit der Musik beschäftigt, später mit seinem Guru in Großbritannien weitergelernt, sowohl Kultur als auch musikalische Sprache kennengelernt. Deshalb kann er etwas zurückgeben.
„MEINE MUSIK IST PERSÖNLICH. SIE BESTEHT AUS EINER ANDEREN CHEMIE.“
Du fasst das schön zusammen. Appropriation und Appreciation schließen sich nicht aus. Es ist immer ein Dialog mit dem Vergangenen in der Gegenwart.
Mahan Mirarab: Deshalb muss man ehrlich zu sich selbst sein. Meine Musik ist persönlich. Sie besteht aus einer anderen Chemie.
Wie meinst du das?
Mahan Mirarab: Es ist kein Job, den ich einfach jeden Tag erledigen kann. Mit Musik kann man Menschen inspirieren und beeinflussen. Man hat also eine Verantwortung, die sich aus der eigenen Philosophie ergibt.
Du hast einmal eine Person erwähnt, die dich in dieser Hinsicht stark beeinflusst hat: Wahagn Hajrapetjan. Er habe dir nicht nur Spieltechniken beigebracht, sondern auch eine Lebensphilosophie gezeigt. Was hast du von ihm gelernt?
Mahan Mirarab: In Teheran war ich in einer kleinen Jazz-Community. Wir haben Kassetten gehört und zusammen die Musik gelernt. Wahagn kam aus Armenien. Er hat uns manchmal besucht und mit uns gelernt, aber auch beigebracht, wie wichtig es ist, sich als Mensch weiterzuentwickeln und eine eigene Sprache zu finden – selbst wenn diese Sprache verrückt ist. Als 15-Jähriger war das eine wichtige Erkenntnis.
Das hört sich nach einer Befreiung aus der Konvention an. Wie war das für dich?
Mahan Mirarab: Die Musik wurde zum Tool, mich zu befreien, ja! Meine Mutter arbeitete als Ärztin, mein Vater war Geschäftsmann – sie lebten gezielt und innerhalb von Strukturen. Ich wollte das nicht. Als ich auf der Gitarre den ersten Ton gespielt hab, konnte ich ein anderes Leben sehen.
War in diesem Ton schon Hoffnung?
Mahan Mirarab: Total!
Du bist ausgebrochen und hast es geschafft. Damit lebst du dir die Bestätigung vor, dass das Hoffen auch aufgehen kann.
Mahan Mirarab: Hoffnung ist der Schlüssel. Schau dir die gegenwärtige Situation im Iran an. Schau dir an, wie Frauen in Afghanistan nicht mehr studieren dürfen. Schau in die Ukraine oder zu den Kurd*innen nach Rojava. Alles ist schwierig, aber: Die Menschen leben nur mit der Hoffnung.
Ich habe vorhin gesagt, dass in der Hoffnung eine Sehnsucht verborgen ist. Das war falsch. In der Hoffnung liegt das Vertrauen in eine Zukunft, oder?
Mahan Mirarab: Ja, Hoffnung bedeutet Macht im guten Sinn. Menschen, die Macht ausnützen, sind schwach. Sie haben gar keine Macht. Meine Großmutter hatte dagegen viel Macht – sie war die erste Frau, die in ihrem Dorf arbeiten konnte, weil sie dafür gekämpft hatte. Alle Migranten, die für ein besseres Leben kämpfen, sie haben Macht.
Ich finde es schön, dass du das so ausdrückst. Es ist ein Kampf gegen ein System, das viele Menschen aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt. Die davon profitieren, wissen das oft gar nicht, weil sie ihre Privilegien nie hinterfragt haben. Dafür muss man ein Bewusstsein schaffen.
Mahan Mirarab: Das ist es: Wie kann man Menschen empowern, damit sie Hoffnung finden? Indem man sie anerkennt, sieht und hört! Dafür muss man die Schuld nicht in der Vergangenheit suchen. Man muss sich aber mit der Frage auseinandersetzen, warum manche Privilegien nicht selbstverständlich sind. Das schafft ein Bewusstsein für die Verantwortung. Manchmal können es Kleinigkeiten sein. Weißt du, wie viel Kraft es mir gibt, wenn meine Freunde mich anrufen und sich nach meiner Familie im Iran erkundigen? Ich kann das nicht beschreiben. Man merkt einfach, dass man verbunden, ein Teil von etwas, inkludiert ist.
Die Inklusion …
Mahan Mirarab: Ist alles – auch in der Musik! Sie wäre bunter und diverser als sie jetzt ist. Schau nur, was in Paris passiert ist. Musiker aus dem Senegal, aus Kamerun, Marokko und Ghana haben sich mit den Musikern vor Ort vermischt und einen Raum geschaffen, in dem sich eine starke Szene etablieren konnte.
Dafür brauchte es den Willen zur Veränderung, meinst du nicht? Hier wird sie viel zu oft nicht wahrgenommen. Es gibt keine Hoffnung.
Mahan Mirarab: Stell dir vor, was passierte, würde man ein bisschen Diversität in den Jazz bringen. Alle würden profitieren! Schließlich ist Jazz kein Musikstil, sondern eine Art des Denkens, die sich nicht nur verändern kann, sondern verändern muss, um weiterzuleben. Ich wiederhole mich: Es geht um das Risiko, das ist ein Teil des Jazz. Hört man die Solos von Charlie Parker, findet man darin viele Fehler – genau das ist super!
Heute suggeriert man allzu oft, dass jeder Fehler der letzte sein könnte, weil alles noch besser, noch schneller und größer sein könnte …
Mahan Mirarab: Dabei gibt es keine Perfektion. Man kann wie eine Maschine Musik machen, selbst das ist nicht perfekt. Weißt du, in den letzten 200 Jahren hat die ganze Welt europäische Musik gelernt. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt dafür zu erkennen, dass man hier in Europa auch lernen kann – von anderen Kulturen und ihren Stilen.
„MAN STELLTE SICH GEGEN DIE TRADITION UND ORIENTIERTE SICH AM EUROPÄISCHEN VORBILD: GERADE SITZEN, NICHT BEWEGEN UND NUR AUF DIE MUSIK KONZENTRIEREN.“
Hast du das Gefühl, dass diese Bereitschaft vorhanden ist?
Mahan Mirarab: Nein, überhaupt nicht! Einzelne Menschen, die sich für das Neue dedicaten, gibt es natürlich. Aber sonst sehe ich keine Bereitschaft. Dabei müsste man sich nur umschauen. Jede:r Musiker:in sollte kubanische und indische Rhythmen kennen. Den Groove, das Timing, das Gefühl! Viele Musiker verstehen zwar, wie die Musik funktioniert. Aber sie haben die Verbindung zu ihrem Körper verloren.
Sie analysieren mehr, als sie fühlen, meinst du?
Mahan Mirarab: Die Analyse ist wichtig, aber der Körper muss sich beim Musizieren bewegen. Manche meinen, das sei ein europäisches Problem, aber sogar in der iranischen Musik haben viele Musiker*innen die Verbindung zu ihrem Körper verloren.
Warum?
Mahan Mirarab: Am Beispiel des Iran kann ich das genau sagen: Kurz vor der Revolution sind viele Musiker, die klassische iranische Musik gemacht haben, nach Europa gegangen. Dort haben sie die europäische Klassik gelernt. Nach dem Ende der Revolution kehrten sie in ihre Heimat zurück. Es ist eine Community entstanden, die die regionale Musik vernachlässigt hat. Zum Beispiel lehnte man plötzlich die Musik ab, die in Kabaretts gespielt wurde. Man stellte sich gegen die Tradition und orientierte sich am europäischen Vorbild: gerade sitzen, nicht bewegen und nur auf die Musik konzentrieren.
Dadurch …
Mahan Mirarab: Ist eine musikalische Identität ausgestorben!
Wenn ich deine Musik höre, will ich das nicht glauben. Darin ist Ratio und Emotion.
Mahan Mirarab: Ich hab ein Buch von Joe Diorio gelesen, ein US-amerikanischer Jazzlehrer, der Übungen aufgeschrieben hat, wie man die linke und rechte Gehirnhälfte balancieren kann. Eine Seite analysiert nämlich, die andere ist für das körperliche Gefühl. Wie kommt man also von der Analyse zur Emotion?
Wie?
Mahan Mirarab: Ich schreibe nie, ohne zu hören, im Gegenteil: Ich versuche zuerst zu hören und dann zu schreiben. Außerdem ist mir wurscht, wie Mozart oder Schumann ihre Kontrapunkte komponiert haben. Ich höre, was ich höre – und schreibe auf, wenn es mich berührt.
Du vertraust deinem Gehör.
Mahan Mirarab: Ich vertraue generell, auch den Musiker*innen, mit denen ich spiele. Sie kennen mein Arrangement, aber sie sollen spielen, was sie im Moment fühlen.
Du drückst das schön aus: ein Vertrauen, dass nicht alles so sein muss, wie es ist. Es könnte immer auch anders sein – weil es im Moment besser passt. Das lässt sich auf viele andere Lebensbereiche umlegen.
Mahan Mirarab: Man adaptiert unterschiedliche Umstände und legt Vertrauen in sie. Das eröffnet viele Räume. Andere hingegen bleiben zu, weil manche sie nicht öffnen wollen. Viele Projekte verlangen zum Beispiel nach Noten. Was aber, wenn jemand keine Noten lesen kann und trotzdem einen interessanten Zugang mitbringt?
Diese Frage fasst deinen Zugang zur Musik zusammen: Es ist die Bereitschaft, sich auf das Andere einzulassen, weil du ein Vertrauen entwickelt hast, dass gut ist, was wird. Man würde hoffen, dass es das in Wien öfter gibt.
Mahan Mirarab: Auch in Wien gibt es Hoffnung! So viele qualifizierte und talentierte Musiker kamen und kommen hierher. Man muss es nur sehen wollen!
Das heißt: Man muss das Andere anerkennen, um das eigene Privileg zu erkennen.
Mahan Mirarab: Ich habe den letzten Monat in den USA verbracht. Natürlich gibt es dort viele Probleme, ich übersehe das nicht. Mir ist aber aufgefallen: Niemand hat mich nach meiner Herkunft gefragt, es war egal! Das schafft ein Umfeld, in der spezielle Szenen entstehen können – egal ob in San Francisco oder New York, man tauscht sich aus, experimentiert. Weißt du, wie oft ich in Österreich gehört habe, dass man Angst habe, das Publikum zu enttäuschen, würde man etwas Neues probiert. Warum? Weil man es nicht probiert!
Weniger Angst, mehr Hoffnung, das bräuchte es, oder?
Mahan Mirarab: Natürlich, geben wir uns und den anderen eine Chance!
Danke dir für deine Zeit!
Christoph Benkeser
++++
Links:
Mahan Mirarab (Homepage)
Mahan Mirarab (Facebook)
Mahan Mirarab (Instagram)
Mahan Mirarab (YouTube)
Mahan Mirarab (mica-Datenbankeintrag)