Vor knapp zwölf Monaten hat das Team um FLORIAN RICHLING und CHRISTOPH MUCK den Musikdatenanalysedienst FORTUNES veröffentlicht. FORTUNES ist das erste Analysetool für Musikdaten, das sich an den Bedürfnissen der UrheberInnen orientiert. Genutzt wird es wird hauptsächlich von DIY-KünstlerInnen. Ruth Ranacher sprach mit FLORIAN RICHLING und CHRISTOPH MUCK über das Schöne am Streamen, wachsende Arbeitsbelastungen und darüber, warum Musik zu veröffentlichen heute ein wahrer Teamsport ist.
ForTunes hat es sich zum Ziel gemacht, Musikschaffenden umfassende Analysen von Musikdaten zur Verfügung zu stellen. Datenanalyse ist nicht unbedingt das Allererste, das einem einfällt, wenn man an den kreativen Part des Schaffens von Musik denkt. Welchen Vorurteilen sind Sie in der Anfangsphase von ForTunes begegnet?
Florian Richling: Das vielleicht am häufigsten verbreitete Vorurteil ist, dass Künstlerinnen und Künstler per se nicht an Daten interessiert sind. Die gute Nachricht ist, dass sich die Meinungen in dieser Hinsicht in den letzten Jahren verändert haben. Und das zu Recht.
Nehmen wir kurz an, wir schrieben das Jahr 1998. In dem Moment, in dem man damals das Studio nach einer Aufnahmesession verlassen hat, verlor man auch den Kontakt zur Aufnahme. Fragen wie beispielsweise „Welche Lieder mögen die Menschen am liebsten?“, „Wie oft hören sie meine Musik?“ und auch „Teilen sie sie mit anderen?“ waren nicht einfach zu beantworten. Heute, da unzählige Social-Media- und Streamingdienste die Musikschaffenden unterstützen, mit ihrer Musik wahrgenommen zu werden, liegen viele dieser Antworten nur einen Klick entfernt.
Was hat sich seitdem geändert und wo steht ForTunes heute?
Florian Richling: Heute liegt ein großer Teil der Verantwortung in Bezug auf Vermarktung und Veröffentlichung auf den Schultern der Musikschaffenden selbst. Gehen wir aber noch mal kurz ins Jahr 1998 zurück. Damals war es die Verantwortung des Labels gewesen, die Platten gepresst und in die Läden zu bekommen, um den Fans überhaupt die Möglichkeit zu geben, sie zu kaufen. Heute ist es keine große Herausforderung mehr, Musik verfügbar zu machen. Die Herausforderung besteht nicht darin, Musik zu veröffentlichen, sondern die unvorstellbar große Zahl an Veröffentlichungen, die jeden Tag herauskommen, zu durchbrechen.
Social Media in all ihren Erscheinungsformen und Funktionen wurden hier zu einem wichtigen Bestandteil fast jeder Release-Strategie. Das bedeutet für Musikschaffende mehr Arbeit, mehr Dinge, an die man denken und für die man sich engagieren muss. Das ist auch der Grund, warum es für das gesamte Team wichtig ist, hier die richtigen Antworten zu bekommen und die Bedeutung für die weitere Karriere der Künstlerin bzw. des Künstlers zu verstehen. Damit meine ich Labels, Musikschaffende, ihre Managerinnen und Manager und die Booker. Heute Musik zu veröffentlichen ist ein echter Teamsport. Mit ForTunes wollten wir den einfachsten und überzeugendsten Service für Teams aufbauen, der alle notwendigen Fragen beantwortet.
Auf Ihrer Webseite beschreibt FAQ #2 die Vorgehensweise von ForTunes recht gut: „Nachdem Sie uns auf Ihre Kanäle auf Social Media- und Streaming-Plattformen hingewiesen haben, sammeln, holen und visualisieren wir Daten und geben Ihnen Einblicke, die Ihnen helfen, besser zu verstehen, wer Ihre Musik abspielt und hoch lädt, wer über Ihre Musik schreibt und wie Ihr Publikum wächst.“ Können Sie uns hier bitte noch ein paar Einblicke gewähren?
Florian Richling: Die Anzahl der Datenquellen und unterschiedlichen Informationen, wie Blogs, Playlists sowie Kuratorinnen und Kuratoren, ist überwältigend. Man kann diese Quellen und Dienstleistungen als Inseln betrachten, die, wenn sie einmal erschlossen sind, sehr viel zu bieten haben. Der Versuch, auf viele Inseln zu reisen, ist hingegen sehr zeitaufwendig. Also versuchen wir, diese Inseln aus dem Blickwinkel einer bzw. eines Musikschaffenden heraus näher zusammenzuführen. Dann kann man mühelos von einer Insel zur anderen wandern. Wir glauben, dass die Segmentierung der Daten ein großes Problem darstellt. Diese Lücken zu schließen und als Dienstleistung anzubieten hat eine enorme Qualität. Eine, von der wir hoffen, dass sie unsere Userinnen und User zu schätzen wissen.
Wie viel Prozent Ihrer Kundinnen und Kunden sind selbst Musikerinnen und Musiker? Nutzt ForTunes nicht eher deren Management?
Christoph Muck: Der größte Teil unserer Nutzerinnen und Nutzer sind tatsächlich DIY-Künstlerinnen und -Künstler, Produzentinnen und Produzenten sowie Bands. Mit all den großartigen Möglichkeiten – wie der Weiterentwicklung von Streamingdiensten und Social Media –, die der DIY-Community gebracht wurden, ging auch mehr Arbeit einher. Diese liegt jetzt mehr auf den Schultern der Künstlerinnen und Künstler selbst, insbesondere was die Promotion angeht. Mit zunehmender Karriere wachsen die Teams. Und genau wie Musikerinnen und Musiker profitieren auch ihre Managerinnen und Manager oder Labels von ForTunes. Wir ermöglichen Teamarbeit auf die bestmögliche Weise: Wenn das gesamte Team ForTunes verwendet, sind alle auf der gleichen Stufe.
Welche Social-Media-Kanäle kann ForTunes derzeit „anzapfen“ und in die Datenanalyse einfließen lassen?
Christoph Muck: Die Hälfte bei ForTunes sind selbst professionelle Musikerinnen und Musiker. Viele der von uns integrierten Anwendungen sind Dienstleistungen, die wir auch in unserem täglichen Leben als Musikschaffende oder Produzentinnen und Produzenten nutzen. Im Moment beziehen wir Daten von Spotify, SoundCloud, YouTube, Twitter, Facebook und Instagram ein. Außerdem haben wir uns mit zwei tollen Blog-Services zusammengetan, die uns persönlich gefallen und die wir sehr gerne nutzen, Hype Machine und SubmitHub. Diese Kooperationen ermöglichen es uns, Tausende von Blogs und zusätzliche Playlists weltweit zu beobachten. Wir arbeiten ständig daran, neue Dienste hinzuzufügen und die Einblicke in die vorhandenen Daten zu vertiefen.
Dass das Musik-Business ein hart umkämpfter Markt ist, ist unter Profis kein Geheimnis. Gibt es Dienste, die mit ForTunes vergleichbar sind? Was unterscheidet ForTunes von anderen Anbietern?
Christoph Muck: Bisher war der Markt für Musikdatenanalyse von zwei Ansätzen geprägt. Erstens von Unternehmen, die den größten Labels öffentlich zugängliche Daten über Künstlerinnen und Künstler zur Verfügung stellen. Und zweitens von Unternehmen, die Marken helfen, Musik für ihre Kampagnen zu entdecken. ForTunes ist der erste auf Urheberinnen und Urheber ausgerichtete Analysedienst für Musikdaten. Wir sind stolz darauf, als mobile Champions Einblicke in verschiedene Plattformen für Solokünstlerinnen und -künstler, Bands, Produzentinnen und Produzenten und deren Teams zu sammeln.
Online bedeutet zugleich weltweit. Wo konnten Sie als Start-up bereits Fuß fassen?
Florian Richling: Das stimmt, ForTunes ist weltweit verfügbar. Wenn Sie unsere Website fortunes.io besuchen, führen von dort Links zum iOS-Shop und zu unserer Browserversion. Unsere stärksten Märkte sind derzeit die europäischen Länder sowie die USA und Kanada. Wir haben auch mit gleichgesinnten Organisationen und Unternehmen weltweit zusammengearbeitet, wie beispielsweise der Association of Independent Music UK (AIM), Startup Sesame und Europavox, um nur einige zu nennen.
Was sind Ihre Ziele für 2019?
Florian Richling: Wir haben die ForTunes-App vor weniger als zwölf Monaten veröffentlicht und gerade erst angefangen. Es steckt viel in der Pipeline. Eine Zusammenarbeit mit dem großartigen Dienstleister WARM ist in Sichtweite und es gibt noch einige andere Anbieter, mit denen wir gerne zusammenarbeiten würden. Es gibt so viele Leute da draußen, die einen tollen Job machen. Bandcamp zum Beispiel ist sehr weit oben. Aber natürlich wollen wir auch die Beziehungen zu den Anbietern ausbauen und pflegen, die wir bereits realisiert haben.
Wenn ich Sie um eine Einschätzung bitten darf: Welcher österreichische Act macht sich global gesehen gerade besonders gut und warum?
Christoph Muck: Wenn Sie einen Blick auf unsere Socials werfen, werden Sie feststellen, dass wir Filous featuren. Er ist ein äußerst talentierter Musiker und Produzent und es ist sehr inspirierend, seine Karriere zu beobachten. Aber es gibt noch viel mehr Künstlerinnen und Künstler, die weit über die Grenzen der österreichischen Musikszene hinaus für Aufsehen sorgen. Acts wie Palastic, Klei, Mavi Phoenix, Leyya, Avec, HVOB, 5K HD, Wandl, Cid Rim, Dorian Concept, Elektro Guzzi, Mother’s Cake, Jugo Ürden und viele andere mehr.
Das Schöne am Streamen und an Social Media ist, dass alle die Möglichkeit haben, Musik zu veröffentlichen und nahe an der Hörerin und dem Hörer zu sein. Playlists und Streamingdienste ermöglichen es Musikschaffenden, mühelos Grenzen zu überschreiten und internationale Karrieren zu verwirklichen. ForTunes ist das Werkzeug, das sie auf dem Weg dorthin unterstützt.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Ruth Ranacher – übersetzt aus dem Englischen Artikel
Links:
ForTunes.io