„Hauptsache laut!“ – DAS SCHREI im mica- Interview

DAS SCHREI sind LOTTI, MIA und LENA – eine Wiener Punkband. Wild, laut, bunt und politisch. „Wir sind zwischen 15 und 16 Jahren alt, machen seit Sommer 2017 gemeinsam Musik. Wir singen auf Deutsch und Englisch, tauschen je nach Lied unsere Instrumente und mögen Ringelstrümpfe, Krach und David Bowie.“ DAS SCHREI ist Beweis dafür, dass es auch vor den Uni-Jahren ein Interesse für Kultur, Mensch & Politik gibt, sich auch in der Schulzeit klare Meinungen bilden – und diese im Falle von DAS SCHREI deutlich, auch philosophisch verkündet werden. Im Gespräch mit Julia Philomena betont DAS SCHREI die Wichtigkeit der Lautstärke, die Energie von Wut und den blöden Fußball, der Menschen taub gemacht hat.

Das Schrei heißt Das Schrei, weil?

Lotti: Weil wir etwas Lautes wollten!

Mia: Etwas Wütendes.

Lena: Und etwas Genderneutrales. Außerdem, wie blöd klingt denn bitte Der Schrei?

Wann und aus welcher Motivation heraus entstand die Band?

Lena: Wir haben „Das Schrei“ ziemlich genau vor einem Jahr haben gegründet. Vor paar Tagen gab es Geburtstagskuchen.

Mia: Vor einem Jahr haben wir uns noch gar nicht so gut gekannt. Wir wussten nur, dass wir ähnliche Musik gut finden, weil wir die gleichen Band-Shirts anhatten. Irgendwann haben wir alle das Buch „Stirb nicht im Warteraum der Zukunft“ gelesen. Da geht’s um Punks in der DDR. Danach war klar, dass wir derselben Meinung sind, uns gut verstehen und Lena und Lotti haben mich gefragt, ob wir eine Band gründen wollen.

Welchen Zugang hatten Sie zu Instrumenten?

Lena: Ich nehme Schlagzeug-Unterricht, bin aber nicht sehr gut [lacht]. Sonst gibt es noch Gitarre und Bass in der Band, können wir aber auch nicht sehr gut.

Lotti: Mia und ich könnten Klavier und Blockflöte spielen [lacht]. Wollten wir aber nicht.

Bei Ihren Konzerten tauschen Sie untereinander die Instrumente aus.

Mia: Weil wir die Instrumente wirklich nicht besonders gut spielen können, ist die Idee entstanden, dass wir einfach nach jeder Nummer herum tauschen. So wird’s für niemanden langweilig, weil sich niemand beschränken muss.

Lotti: Wir hauen einfach drauf. Hauptsache laut!

Gibt es irgendwo den Wunsch nach Perfektion?

Mia: Auf keinen Fall.

Wie kann man sich die Proben vorstellen?

Lena: Wir liegen oft einfach nur herum und reden. Manchmal kommt eine von uns mit Text oder Gitarrenriff, dann jammen wir.

Mia: Wir treffen uns fix einmal in der Woche, aber Druck gibt’s keinen. Wir machen das ja zum Spaß.

Lotti: Wenn wir mal ein Lied nicht fertigbekommen, dann stört uns das nicht. Bei unserem letzten Konzert haben wir ein paar unfertige Sachen gespielt und die sind eigentlich auch gut angekommen.

Welche Musik gefällt und beeinflusst euch?

Mia: Wir hören sehr gerne David Bowie. Zwar eine ganz andere Musik, aber seine Person beeindruckt uns.

Lena: Sonst hören wir natürlich gerne Punk-Bands, die vielleicht andere gar nicht als Punk-Bands bezeichnen würden. Zum Beispiel Green Day, die Toten Hosen oder die Ärzte.

Sex Pistols?

Lena: Ich habe eine CD von den Sex Pistols – aber das sind ziemliche Arschlöcher. Wahrscheinlich hat das zu ihrem Image gehört, aber Leute niederschlagen in Nazi- Kleidung, das finde ich eher nicht so cool.

Bild (c) Das Schrei
Bild (c) Das Schrei

Ihre Songtitel „Ich töte“, „I’m not sorry“ oder „Immer lauter“ sind ja ganz gute Ankündigungen. Welche Inhalte interessieren Sie?

Lena: Ich würde sagen, dass wir sehr politisch sind.

Mia: „Immer lauter“ war auch unser erster Song. Es geht darum, dass man sich politisch engagieren soll und sich mit seiner Meinung nicht zurücknimmt. Das ist uns wichtig – und Feminismus.

Lotti: Wir vertreten linke Grundsätze, ganz oberflächlich gesagt. Womit wir uns konkret auseinandersetzten ist davon abhängig, was gerade passiert.

Mia: Vor ein paar Tage habe ich zum Beispiel mitbekommen, wie nach einem WM Fußballspiel auf der Ottakringer Straße in der Fanmeile Menschen verletzt worden sind.

Das ist so absurd. Wieso muss ein Mensch für immer taub sein – wegen eines Fußballspiels?

Lena: Wütend hat uns auch das Verschleierungsverbot gemacht. Wir sind natürlich dagegen.

Lotti: Und bei „ich töte“ geht’s um eine tiefe Frustration, eigentlich weniger politisch als philosophisch, dass unsere bloße Existenz anderen Lebewesen schadet. Dass wir essen müssen und dafür töten müssen, um zu überleben.

Kann Musik etwas nachhaltig Politisches bewirken?

Lena: Kunst kann auf jeden Fall etwas bewirken. Außerdem will ich keine Politikerin werden. Ich glaube, mit Bildung kann man viel verändern und erreichen, deswegen möchte ich später unterrichten.

Mia: Politikerin wäre auch nichts für mich, ich kann überhaupt nicht sprechen, vor vielen Menschen.

Lena: Ich würde auch nicht so viele Kompromisse eingehen wollen. Und was macht man sonst in einer Partei?

Würde Das Schrei für politische Veranstaltungen auftreten?

Mia: Wenn’s die richtigen sind, auf jeden Fall!

Lena: Die SJ hat uns schon gefragt, für die werden wir wahrscheinlich bald auftreten. Einen politischen Rahmen finde ich eigentlich sogar den coolsten.

Ist Punk Politik? Wie würden Sie Punk definieren?

Lena: Schwierig. Wenn sich jemand als Punkmusiker bezeichnet, kann man ihm das nicht absprechen finde ich. Punk ist eine Einstellung. Punk ist Politik!

Mia: Punk ist frei sein, sein wie man will, gegen Autorität und Hierarchie.

Lotti: Und auf jeden Fall gegen Gewalt, Brutalität.

Lena: Aggression und Wut sind aber gute Energien.

Mia: Die man ja auch in etwas Produktives stecken kann. Zum Beispiel in Musik.

Welche Reaktionen gab es auf Ihre Musik?

Lena: Wir hatten bisher sechs Konzerte. Einmal haben sich die Leute die Ohren zugehalten [lacht].

Mia: Wir wurden vom Aktionstheater Ensemble nach Bregenz eingeladen. Die Veranstaltung hieß „Salon d’amour“. Da sind ganz viele und ganz unterschiedliche Künstlerlinnen aufgetreten, haben gespielt, gelesen usw. Der Raum war nicht groß und die Leute mussten ganz nahe bei einander sitzen. Auf uns war keiner vorbereitet. Ich denke sie haben sich die Ohren zugehalten, weil es einfach sehr laut gewesen ist.

Lotti: Das war irgendwie verständlich. Außerdem finde ich Ohren zuhalten keine schlechte Reaktion [lacht].

Gab es andere, „schlechte“ Reaktionen?

Lotti: Als wir am Reindorfgassenfest im 15. Bezirk gespielt haben, war die Bühne neben einem Caféhaus aufgebaut, in dem die ganze FPÖ-Wählerschaft gesessen ist. Die haben sich sehr aufgeregt [lacht]. Das war schön!

Lena: Eine Lehrerin meinte vor kurzem, sie fände uns sehr süß.

Steht für Sie der unmittelbare Kontakt zum Publikum im Vordergrund?

Mia: Es wäre schon cool, ein Album aufzunehmen, sich ganz auf die Musik zu konzentrieren aber wir haben noch keine Pläne geschmiedet. Momentan macht das live spielen einfach Spaß.

Lotti: Außerdem vermittelt sich ein Inhalt vielleicht besser, wenn man ein Gesicht dazu hat. Live ist schon cool.

Was wäre noch cool? Gibt es ein Ziel?

Mia: Dass es Das Schrei lange geben wird. Und sollten wir mal ein Album aufnehmen, dann würden wir eher ein eigenes Label gründen, oder ein kleines Label finden wollen – Universal wäre eher nix für uns. Aber wir wollen mit der Musik ja auch kein Geld verdienen. Nach der Schule wär’s vielleicht schon praktisch. Dann müssten wir keine nervigen Studenten-Jobs finden. Naja, mal sehen.

Lena: Mal sehen! Ein Ziel ist zu endgültig.

Vielen Dank für das Gespräch!

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