Hans-Udo Kreuels hat die „Passion Jesu“ in Musik gefasst

Vor ein paar Monaten hat sich der Pianist und Komponist Hans-Udo Kreuels, langjähriger Professor am Vorarlberger Landskonservatorium, in die Pension verabschiedet. Von Ruhestand kann jedoch keine Rede sein, denn aktuell beschäftigen den vielseitigen Musiker und Musikwissenschaftler mehrere Projekte. Am Sonntag, 6. April 2014 wird die „Passion Jesu“ nach Texten von Markus Hofer mit dem Kammerchor Feldkirch, einer Choralschola sowie einem Bläserensemble des Landeskonservatoriums unter der Leitung von Benjamin Lack uraufgeführt. Renate Bauer inszeniert die rituell dargestellten Kreuzwegstationen mit acht Schauspielern in der Kapelle des Landeskonservatoriums. In Berlin interpretiert Hans-Udo Kreuels im Rahmen eines Gesprächkonzertes Schuberts „Winterreise“ und es entsteht ein Buch über Schumanns Liederzyklus „Frauenliebe und -leben“. Über die „Passion Jesu“ und weitere Vorhaben berichtet Hans-Udo Kreuels im Gespräch mit Silvia Thurner.

Seit Beginn des Jahres bist du nicht mehr am Landeskonservatorium tätig. Wie bist du in der Pension angekommen?

Ich bin sehr gut angekommen. Schon vorher hatte ich das Gefühl, genügend Ideen zu haben, die mich beschäftigen werden. Deshalb hatte ich keine Angst, den Parkbanktod erleiden zu müssen. Dass es jedoch so organisch gehen würde, habe ich nicht gedacht. Nun kann ich ohne Druck an meinen Projekten arbeiten und diese mit gutem Gefühl realisieren.

Als ich zum ersten Mal davon gehört habe, dass du eine Passionsmusik komponierst, habe ich mich gewundert. Was hat dich an dieser Thematik angesprochen?

Da hast du dich mit Recht gewundert. Ich komme aus einem sehr katholischen Haus und habe in diesem Dunstkreis leben müssen. Im Laufe der Zeit habe ich mich weitgehend davon freigemacht, aber emotionale Strukturen sind erhalten geblieben. Schon vor der „Passion Jesu“ habe ich das religiöse Werk „Ne dona Eis requiem“ komponiert. Dieser Titel verrät noch mehr meine Intentionen.

Eine groß angelegte, szenische Werkdeutung

Die „Passion Jesu“ wird in der Kapelle des Landeskonservatoriums mit dem Kammerchor Feldkirch, sechs Bläsern, Improvisation, Choralschola, acht Schauspielern und Sprecher in der Regie und Dramaturgie von Renate Bauer uraufgeführt. Wird sich das Publikum bei der Aufführung im Raum bewegen?

Es ist in dieser Passion zwar ein Weg in sieben Stationen vorgezeichnet, wir werden diesen jedoch optisch in eine symbolische Form bringen und nicht als Zug durch den Kirchenraum umsetzen. Jede Station hat eine neue Aufgabenstellung, die von den Schauspielern symbolisch und gestisch dargestellt wird.

Was hat dich am Text von Markus Hofer angesprochen?

Die Passion von Markus Hofer ist volksnah verfasst und diesen Gedanken wollte ich auch musikalisch aufgreifen. Sein Text fügt die biblischen Texte mit aktuellem Gedankengut sehr schön zusammen.

Kontraste ausloten

Wie hast du das Werk musikalisch angelegt?

Zuerst habe ich die Chorsätze komponiert, „die rituellen Szenen“, wie sie Markus Hofer überschrieben hat. Die vierzehn Chorsätze bilden die Pfeiler der Passion. Diese werden von den Antiphonen aus der Totenmesse eingerahmt, die die Rückbindung an die Tradition gewährleisten.

Die Passion ist sehr kontrastreich angelegt, Gegensätze prallen aufeinander und sie endet mit einem offenen Schluss.  Die größten Kontraste bilden wahrscheinlich die letzte Chorpassage, die eine meditative Öffnung schafft, und ein Chorsatz in der Mitte des Werkes, wo die weinenden Frauen Jesus begegnen. Diese Passage stellt eine Art ‚Klagemauer’ dar.

Viermal werden digitale Basssounds eingespielt, sie tragen viel zum Charakter des Werkes bei. Wenn beispielsweise das Lacrimosa erklungen ist, folgen von weit her tiefe, unterschwellige Geräusche. Unvermittelt und mit voller Wucht setzt der Chor „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“ ein.

„Ich wollte nicht modern sein“

Die Musik entwickelt sich um einen tonalen Kern herum. Die Instrumentation mit Flöten, Klarinetten und Posaunen wirkt dabei eher spröd. Welche emotionale Botschaft möchtest du zum Ausdruck bringen?

Insgesamt wollte ich überhaupt nicht modern sein, weil ich das Gefühl hatte, dass es in diesem Werk darum geht, möglichst viel Herzblut einzubringen. Im Hinblick auf die Besetzung habe ich zuerst überlegt, ob das klappt. Aber durch die individuellen Farben der Instrumente, die sich wenig mischen, soll ein ausgezehrter, klanglich herber Eindruck entstehen.

Das Werk endet nicht mit einem erlösenden Heilsgedanken. Wie möchtest du den Schluss der Passion verstanden wissen?

Das vorrangige Erlebnis soll sein, dass die Erlösung stattfinden könnte, aber nicht stattfindet. Darum endet das Werk auch wie mit einem tiefen Seufzer. Im Moment ist das Leid zwar gemildert, aber wir sind noch nicht viel weiter gekommen.

Sind Gesprächskonzerte intellektuell?

In Berlin hast du im Rahmen von Studiokonzerten den zweiten Teil von Schuberts Winterreise interpretiert und erläutert. Möchtest du derartige Veranstaltungen auch in Vorarlberg etablieren?

Ich werde Schuberts Winterreise selektiv ganz genau und mit Leuten betrachten, die wirklich Interesse haben und vielleicht Grundsätzliches herausfinden möchten. In Vorarlberg ist es schwer, für derartige Studiokonzerte einen Veranstalter zu finden. Viele haben Bedenken, das sei zu intellektuell. Das Publikum wird hier oft unterschätzt.

Bedenkliches Frauenbild in ein anderes Licht rücken

Beschäftigst du dich derzeit auch musikwissenschaftlich?

Ich schreibe ein Buch über den Liederzyklus „Frauenliebe und –leben“ von Robert Schumann nach dem Gedichtzyklus von Adelbert von Chamisso. Heutzutage sind die Textvorlage und die dargestellte Unterwürfigkeit der Frau schwer zu ertragen. Ich versuche, den Textinhalten historisch nachzuspüren und die Qualität der Schumannlieder setzt sich ja ohnehin über gesellschaftliches Normdenken hinweg.
An welcher neuen Komposition arbeitest du derzeit?

Es sind einige Werke entstanden, auch kleinere Kompositionen für Wettbewerbe. Im Juli findet im Rahmen einer Feldkircher Kunstausstellung ein Liederabend „Musik und Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts in Vorarlberg“ statt. Dort wird unter anderem die ‚Slapstick-Komposition’ „Mannheim“ nach einem Text von Ringelnatz uraufgeführt.

Das Interview ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im April 2014 erschienen.

Termin:
Sonntag, 6. April 2014, Kapelle des Landeskonservatoriums, Feldkirch 19 Uhr
Passion Jesu von Hans-Udo Kreuels für vierstimmigen gem. Chor, 6 Bläser, Improvisation (Bass-Sounds), Choralschola, 8 Schauspieler, Sprecher, nach den Texten der „Götzner Passion“ von Markus Hofer in 7 Kreuzweg-Stationen und 14 Chorsätzen.
Feldkircher Kammerchor, Leitung: Benjamin Lack; Regie und Dramaturgie Renate Bauer in Zusammenarbeit mit dem Vorarlberger Landeskonservatorium.

 

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