Er ist eine der umtriebigsten Persönlichkeiten in der österreichischen Kulturszene, als Veranstalter der „art acts“ in St. Johann in Tirol hat er sich einen Namen gemacht und wenn es in Tirol um zeitgenössische Kultur geht steht er ebenfalls immer im Scheinwerferlicht.Hans Oberlechner ist einer der, wenn nicht „Der“ wichtigste, Verursacher von Kultur in Westösterreich. Die Aktivitäten des Vereins „MUKU“ sind untrennbar mit der Person Hans Oberlechner verbunden. Wie er dazu kam, was er alles erlebt hat und warum es ihm immer noch Spaß macht, sich gegen tradierte, klischeebehaftete Bilder der österreichischen Kulturlandschaft zu wehren, erzählte er Alfred Krondraf.
Als langjähriger Obmann von „MUKU“, dem Verein für Musik und Kultur in St. Johann in Tirol hat er unbezahlbare Aufbauarbeit geleistet. Seit nunmehr 18 Jahren gibt es den Verein, viele Jahre war Hans Oberlechner als Obmann für den Verein tätig und seit einiger Zeit übt er diese Funktion nicht mehr aus, der Verein hat inzwischen eine Obfrau. Hans Oberlechner ist nun Angestellter des Vereins und in dieser Funktion als Organisator tätig.
Visionen und Realitäten
Visionär war der Verein unter seiner Leitung schon immer. Sieben Konzerte pro Jahr wollte man auf die Beine stellen. Alles angesiedelt im Bereich „Improvisierte Musik“, „Free Jazz“ und „Avantgarde“. Kein leichtes Unterfangen in einem Ort wie St. Johann. Den absoluten Anfang seines Interesses für diese Form der Musik verortet Hans Oberlechner in Ulrichsberg. Ein Freund hatte ihn damals auf diese Konzerte aufmerksam gemacht und er war begeistert, von der Musik, von der Atmosphäre, von Allem wie er sagt. Mit einigen Freunden war er dann auch auf diversen Festivals unterwegs, was dort so geboten wurde gefiel der Truppe und dann wollte man selbst als Veranstalter in Erscheinung treten. Entstanden ist die Idee „aus einer Laune heraus“, sagt er. „Die Kraft und Intensität dieser Musik hat mich fasziniert und wir wollten ganz einfach auch in St. Johann solche Musik bieten und es etablieren.“ An den unterschiedlichsten Locations wurde er aktiv. Gasthäuser, ein Hinterzimmer in einem Cafehaus, im Pfarrsaal, in der Aula der Hauptschule, wo immer sich Platz bot wurde veranstaltet. „Nicht nur die Musik kam aus dem Bereich Improvisation, auch die Veranstaltungen an sich waren oft genug Kompromisse, waren improvisiert“ zieht Hans Oberlechner einen passenden Vergleich. Wenn im Hinterzimmer der Gastwirtschaften gespielt wurde und der Kellner das Schnitzel durch das Zimmer trug dann gab es „eine Art von Romantik auf die ich im Grunde genommen leichten Herzens verzichten kann“ erinnert er sich.
Nach den unromantischen Jahren an wechselnden Veranstaltungsorten erfüllte sich im Jahr 2000 die große Vision der Musikbegeisterten. „In einem Ort, der auf Tourismus, auf Massentourismus ausgerichtet ist, hat so eine Überlegung natürlich auch einen ideologischen Hintergrund. Auch heute bekommen wir noch Ratschläge von außerhalb. Warum macht ihr nicht, um ein Beispiel zu nennen, Roland Neuwirth. So sehr ich die Musik von Roland Neuwirth auch schätze, es war halt nie unsere Intension. Wir wollten Anderes.“ Hans Oberlechner sah die Programmgestaltung nie als Provokation, in erster Linie handelte er aus Liebe zu dieser Musik. Dass es nicht ganz friktionsfrei ablaufen würde war ihm natürlich klar, „ ein kleines bisschen Provokation war natürlich dabei“. Bei den Gemeindeverantwortlichen herrschte Skepsis als sie von den Plänen erfuhren. Wirklich begeistert stand man den Gedanken und Visionen des Vereins nicht gegenüber. Trotz allem verweist Hans Oberlechner darauf, dass man mit „wohlwollender Skepsis“ finanziell unterstützt wurde.
Die Überzeugungsarbeit leistete er selbst und bis heute ist er ein Naturtalent wenn es darum geht, Gelder aufzustellen und die Finanzierung zu sichern. Seinem Feuer und seinem Engagement kann sich kaum jemand entziehen. Seine Qualitäten als Ideenvermittler und Überzeuger stellte er auch in den nun kommenden Jahren nachdrücklich unter Beweis. Trotz vieler scheinbar unüberwindbarer Hindernisse gelang es ihm, den Aus – und Umbau der „Alten Gerberei“ zu finanzieren.
„Ich habe mich dabei weit aus dem Fenster gelehnt und auch Eigenkapital eingesetzt. Einiges an Geld habe ich dabei eingebüßt, aber schlussendlich ist das Konzept aufgegangen, der Verein hatte sein eigenes Haus und irgendwie habe ich auch den Verlust verschmerzt.“
Kulturprostitution und der Knödeltisch
Begonnen hat man dann auch mit soziokulturellen Projekten, mit nicht austauschbaren, speziell auf die Situation von St. Johann zugeschnittenen Veranstaltungen. Die mediale Situation wurde bearbeitet, zehn Tage lang wurde Kulturradio gemacht, Kulturvereine und Kulturinitiativen aus der Umgebung wurden eingeladen, eigene Beiträge zu produzieren, der Massentourismus inklusive der, wie Hans Oberlechner es damals nannte, „Kulturprostitution“ wurde kritisch beleuchtet und hinterfragt. Diesen Themen erzeugten gehörigen Widerstand und es kam zu härteren Konfrontationen mit den Vertretern der Gemeinde und dem Fremdenverkehrsverband. Beispielhaft ist die Aktion „Knödeltisch“.
Der St. Johanner Knödeltisch ist eine Erfindung der Fremdenverkehrswirtschaft und wird seit vielen Jahren den Touristen als Brauchtum verkauft. Auf einem etliche Meter langem Tisch werden schlicht und ergreifend Knödelvariationen angeboten. Immer im Verbund mit absonderlichen musikalischen Darbietungen und sonstigen Seltsamkeiten und Belustigungen. Hans Oberlechner und seine Mitstreiter erweiterten dieses seltsame Treiben um eine spektakuläre Aktion. „Wir wollten dem entgegenwirken und zeigen, dass der Tiroler, im speziellen der St. Johanner nicht nur der Lederhosenfuzzi ist sondern dass hier im Ort auch die zeitgenössische Musik ihre Heimat hat.“ Am Tag vor der offiziellen Eröffnung des „Knödeltisch“ bot er dem staunenden Publikum eine Performance mit Helge Hinteregger, Franz Hautzinger, der örtlichen Blasmusikkapelle, einem Feuerkünstler und einer weiteren Lichtkünstlerin die mit Neonlicht arbeitete. Es entspann sich eine Auseinadersetzung zwischen künstlichen, elektronischen Klängen und der vererdeten Musik der Blaskapelle sowie dem natürlichen Licht des Feuers und dem Neonkunstlicht. „Der Erfolg war durchschlagend, es war eine unfassbare Provokation für den Fremdenverkehrsverband“, erinnert er sich schelmisch. „Am Tag danach trat der Obmann des Fremdenverkehrsverbands aus Protest gegen die Aktion zurück um drei Tage später den Rücktritt vom Rücktritt bekannt zu geben.“
Inzwischen hat sich auch auf diesem Sektor einiges geändert und die Erzählung, die Aktion liegt nun schon mehr als zehn Jahre zurück, hat eher reminiszenten Charakter. Sowohl der Verein MUKU als auch deine Aktionen und last but not least Hans Oberlechner sind inzwischen in der Gemeinde anerkannt.
Nicht ganz so provokativ aber trotz dem die Aufmerksamkeit der einschlägigen Medien erregend ging es bei einer anderen Aktion zu. „Sie hatte eine quasi archaische Ausgangsituation zum Inhalt. In drei großen Badewannen saßen je zwei Jungfrauen, nur bekleidet mit einem weißen Badegewand. Die stilisierten wurden mit Milch übergossen und dann nahmen wir Anleihen an eine Tradition. Die Badewannen wurden von ebenfalls stilisierten Teufeln in die Dunkelheit, also abseits der Scheinwerfer, gezogen. Das vordergründig Gute gegen das ebenfalls vordergründige Böse. Die rund 500 Besucher haben das performative Spektakel durchwegs positiv aufgenommen. Auch die Presse war bei dem Spektakel zugegen und besonders amüsiert und auch gefreut hat mich die Berichterstattung der „Tiroler Bauernzeitung“. Wir waren mit unserer Aktion auf der Titelseite mit einem wunderschönen Bild und die Headline dazu lautete „Weltmilchtag“ und der Subheadline „Wenn Kunst zu Käse wird“. Es folgte ein furchtbarer Verriss in der Zeitung.“ Aber, Hans Oberlechner amüsiert sich auch heute noch über diese Aktion und den Verriss. „Was Besseres kann einem eigentlich nicht passieren. Immerhin haben wir rund 500 Besucher auf das vorzüglichste unterhalten und hoffentlich auch ein wenig zum denken und nachdenken über archaischen Riten angeregt.“
Selbstkritik, auch sie hat Zukunft!
Ein wenig leidet Hans Oberlechner unter der Ignoranz der überregionalen Medien. Aber selbstkritisch wie Hans Oberlechner nun mal ist, sucht er den Fehler eher bei sich und seinem Umfeld. „Es kann sein, wir agieren mit unsere Öffentlichkeitsarbeit ein wenig an unserem Zielpublikum und an den Medien vorbei“ sagt er. Änderungen sind vorgesehen, weil wirklich glücklich ist er mit dieser Situation nicht. Sowohl die Printmedien als auch der Rundfunk lassen in ein wenig im Regen stehen, Einsehen mit dieser angespannten Situation hat er, Verständnis nicht.
Trotzdem freut er sich über wachsende Besucherzahlen bei den Festivals „art acts“ und fühlt sich in seiner Arbeit bestätigt. Heuer, 2010, gab es die zehnte Auflage des Festivals und Hans Oberlechner ist mit den Besucherzahlen zufrieden, obwohl, auch hier fehlt es nicht an Selbstkritik. „Wir haben bei unseren Festivals ein wunderbares und auch fachkundiges Publikum“ streut er den Besuchern Rosen. „Aber mehr könnte nicht schaden. Auch bei unseren Einzelveranstaltungen, immerhin haben wir das ganze Jahr über Programm, sei es nun in der musikalischen Welt, oder auf dem cinematographischen Sektor, ob es sich nun um soziokulturelle Projekte oder anders handelt, man kann nie Besucher haben.“
Angenehm respektlos und immer nach vorne blickend arbeitet sich Hans Oberlechner durch das Leben und plant bereits für 2011.
Alfred Krondraf
http://www.muku.at