GORILLA MASK – „Bite My Blues“

Nun, all jenen, die die eher traditionellen, gediegenen und zugänglicheren Jazzklänge zu schätzen wissen, denen sei schon im Vorhinein gesagt, dass sie bei der kanadisch-deutsch-österreichischen Formation Gorilla Mask vermutlich mit großer Sicherheit an der falschen Adresse sind. Denn das, was das fulminant aufspielende Dreiergespann auf seiner eben erschienenen CD “Bite My Blues” (Clean Feed Records) in erfrischend kompromissloser Form vorexerziert, ist der Bruch mit so ziemlich allen möglichen vorherrschenden Konventionen und Regeln. Was regiert, ist der freie musikalische Geist, der in seinen unterschiedlichsten Ausformungen voll ausgekostet wird.

Ein Bogen von Charlie Parker über Peter Brötzmann bis hin zu Black Flag

Sich in stilistischen Fragen erwartungsgemäß nicht ganz eindeutig zeigend, haben sich die drei Protagonisten hinter Gorilla Mask, der kanadische Alt- und Sopransaxophonist und Komponist Peter Van Huffel, der deutsche E-Bassist Roland Fidezius und der aus Oberösterreich stammende Schlagzeuger Rudi Fischerlehner für ihr zweites Album einen Sound zusammengebastelt, der vor allem in einer wirklich großen Abwechslung und einer enormen Dynamik und Dichte lebt. Will man dem Gehörten unbedingt ein ausformuliertes Etikett umhängen, was im Grunde unmöglich ist, so muss man sich mit schon mit einer sehr unscharfen Umschreibung zufrieden geben.

Denn alles was sich im musikalischen Sinne abspielt, tut dies in einem wirklich weit gefassten Spannungsfeld irgendwo zwischen den Polen Freejazz, Improvisation, Rock, Metal, Noise, Punk und Blues, einem Spektrum also, das von den klassischen Ansätzen eines Charlie Parkers und Eric Dolphys über die avantgardistische Eigenwilligkeit eines Peter Brötzmann und ein wenig eines John Zorn bis hin zur puren und entfesselten Energie von Bands wie den Melvins und Black Flag reicht.

Das Drehen an der Energieschraube

Auf jeden Fall, und ist das Schöne an dem Album „Bite My Blues“, wird von den Beteiligten vom ersten Moment an, ohne wirklich nach links oder rechts zu blicken, richtig Gas gegeben und unentwegt an der Energieschraube gedreht. Mal wird das geradlinig getan, dann wieder vollkommen vertrackt und hochkomplex. So richtig vorhersehbar ist das ganze musikalische Treiben daher nie, was aber letztlich auch egal ist, gewinnen die Stücke des aktuell in Berlin ansässigen Trios doch genau aus diesem Umstand ihren besonderen Reiz.

Wirklich viel Zeit zum Verschnaufen bietet dieses musikalische Feuerwerk der Hörerschaft nur in den wenigen Passagen, in denen Gorilla Mask es etwas ruhiger, in der Fläche weiter und ein wenig elegischer angehen lässt, um dann im nächsten Moment mit gesammelter Kraft wieder voll loszulegen und sich im positiven Sinne dem reinen Wahnsinn hinzugeben. „Bite My Blues“ ist ein richtig lässiges Album geworden, eines auf dem das Licht aus einer unüblichen Perspektive auf den Jazz fällt. Eine spannende Sache.

Michael Ternai

http://www.petervanhuffel.com
http://www.rudifischerlehner.net/
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