„gestern mit Herz – heute mit Hirn” – ONK LOU im Mica-Interview

ONK LOU spricht anlässlich seiner aktuellen EP „Before Midnight“, die am 08.09.23 via LKMTV veröffentlicht wurde. Im Interview erzählt LUKAS WEISER von Produzenten, die sich seiner Erfahrung nach in zwei verschiedene Kategorien einteilen lassen, von seiner Magie im Studio, die in jeder Produktion einen Vorgeschmack seiner energetischen Live Performance hinterlässt und zuletzt auch darüber, wie er seinen Frieden mit den sozialen Medien geschlossen hat. Das Interview mit dem niederösterreichischen Sänger und Songwriter führte Dominik Beyer.

„Before Midnight“ klingt wie eine Ankündigung auf etwas größeres?

Onk Lou: Haha ja. „Before Midnight“ als eine schöne Vorbereitung auf das Album „Midnight“. Ich habe fünf Songs ausgesucht, die alle Facetten vom zukünftigen Album beleuchten. Mehr oder weniger. Jedenfalls ist der Titel auch eine schöne Metapher für einen Neuanfang. 24 Uhr ist ja gleichzeitig 00:00 Uhr.

Bist du ein Nachtmensch?

Onk Lou: Absolut. Früher wollte ich jede Nacht einen Song schreiben. Das hat immer bis zehn am Vormittag gedauert. Aber da sag ich irgendwie nie das, was ich sagen will. Eher das, was am schnellsten geht.
Mittlerweile ist mein Prozess eher vergleichbar mit dem eines Akkus, der sich idealerweise dann erst entlädt, nachdem er voll aufgeladen wurde. Sobald ich eine Woche keine Termine hab, lass ich alles raus. Wenn man inspiriert ist, geht alles. Dann wird auch eine Nummer an einem Tag fertig.
Im Moment arbeite ich mit Andi Häuserer an meinem neuen Album. Mit ihm habe ich auch die EP produziert. Vielleicht stimmst du mir zu, meiner Meinung nach gibt es zwei Arten von Produzenten.
Der eine hört deinen Song und versucht, die Essenz bestmöglich herauszuarbeiten. Der andere hat eine Vision und möchte dich dazu bringen, diese Vision zu erreichen. Er scheißt auf alles, was du bis dahin gemacht hast. Man muss dann ein Jahr dafür kämpfen, dass sich das Album am Ende noch nach einem selbst anhört. Andi Häuserer ist definitiv erster. 

Die Demo bleibt also immer im Songprojekt als Vorlage, von der aus dann weiter gearbeitet wird, oder? 

Onk Lou: Ja genau. So kommt man nie an den Punkt des Zweifelns und läuft nicht Gefahr, die Vision zu verlieren, alles löschen zu wollen und das Bedürfnis zu haben, ganz von vorne anfangen zu müssen.

Also kein „Klangschloss“ zu entwerfen, sondern so gut als möglich den Vibe der Demo herauszuarbeiten.

Onk Lou: Genau. Denn man muss es ja auch live auf die Bühne bringen. So authentisch wie möglich. 

In welcher Besetzung stehst du gerade auf der Bühne?

Onk Lou: Ich spiel jetzt gerade im Trio. Pandemiebedingt waren wir die letzten drei Jahre immer im Duo unterwegs. Schlagzeuger und ich an der Gitarre und Octaver. Jetzt freu ich mich wieder, dass es los geht. Denn interessanterweise sagen mir oft Leute, die mich zwar als Livemusiker sehr schätzen, dass ihnen die Produktionen zu „produziert“ klingen. Diesmal habe ich bewusst drauf geachtet, dieses Live Feeling auf der Platte einzufangen.

Interessant. Denn besonders das find ich bei deinen Aufnahmen so spannend. Eben, dass man dieses Live Feeling vom ersten Ton bereits spürt. Man sieht vor seinem geistigen Auge sofort deine Liveperformance. Unabhängig auf welcher Platte und mit welchem Produzenten. Das scheint dir aus meiner Sicht wirklich immer zu gelingen. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man meinen, ihr steht wirklich als ganze Band im Studio und performt, was geht. Da dem aber nicht so ist, muss es wohl wirklich an deiner energetischen Vocal Performance liegen. 

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Onk Lou: Vielen Dank. Das ist schon mein Approach. Der Versuch, auch in der Aufnahme alles nieder zu reißen. Ansonsten macht es für mich keinen Sinn. 

Ich glaube, das wollen eh alle. Was sagt deine Erfahrung, wie man da hinkommt?

Onk Lou: Die ersten Takes nehmen. Die Gitarrenspuren aus der Demosession in der Nacht. Auch wenn sie ein wenig „shakey“ sind. Aber die Takes werden ja meist nicht viel besser. 

Du hast jeden Release mit einem anderen Produzenten gemacht. Nach welchen Kriterien triffst du deine Wahl?

Onk Lou: Je nachdem, wie es sich anspürt. Florian Richling wurde mir fürs erste Album empfohlen. Produziert hat es dann eigentlich der Michael Schatzmann, nachdem der Flo keine Zeit hatte. Für das „Quarterlife“ Album wollte ich bewusst mehr Synthpop machen.  Deswegen bin ich zu dem Gitarristen von Tagtraeumer gekommen – Kevin Lehr. Jetzt war wieder Zeit für etwas Erdiges. Das ist schon eine Stärke von Andi Häuserer. Eine poppige Produktion, die trotzdem nicht steril klingt. Mit echten Drums und Gitarren. 

Siehst du dich mehr als Pop- oder als Indie Act?

Onk Lou: Puh. Die meisten kommen schon wegen zwei Songs, die sie aus dem Radio kennen. Auf dem Konzert werden die meisten sicher überrascht. Positiv hoffe ich. 
Pop oder Indie – all mein musikalisches Schaffen hat das Ziel, auf die Bühne gebracht zu werden. Daran denk ich als erstes. In der nach Priorität geordneten Reihenfolge käme dann Songwriting; Aufnehmen; vieles andere. Am Schluss stehen auf der Liste dann Steuer machen und Videos drehen.

„Ich glaube, dass nur sehr wenige gar nicht darüber nachdenken, was in den Ohren der anderen ankommt.”

Hast du ein gutes Team, das dir unangenehme Arbeit abnimmt?

Onk Lou: Ich habe ein gutes Team. Aber natürlich ist einem selbst das eigene Projekt am nächsten. Man muss immer alles im Blick haben. Die meisten Partner, die mit Indie Acts zusammenarbeiten, haben auch viele andere Bands in ihrem Roster.

Zurück zu der vielleicht blöden Frage: Pop oder Indie? Eine mögliche Trennlinie dieser Genres könnte sein, als welche Art von Produkt ein Künstler sein Werk versteht. Entweder als das Produkt seiner sehr individuellen Vorlieben, oder als ein solches, das eine möglichst große Menge potentieller Käufer immer mit im Blick hat.   

Onk Lou: Das ist schon interessant. Es gibt schon viele, die behaupten, ihnen sei das egal, was die anderen sagen. Aber in dem Moment, wenn du merkst, dass keiner deinen Song klickt, bist du auch traurig. Ich glaube, dass nur sehr wenige gar nicht darüber nachdenken, was in den Ohren der anderen ankommt. Trotzdem muss man natürlich sich selbst treu bleiben. Ich könnte mit gewissen Produzenten arbeiten und auf Deutsch singen. Tatsächlich habe ich aber angefangen, Musik zu machen, die mir gefällt. War das jetzt eher eine Indie Antwort?

Ja das war eine poppige Indie Antwort.

Onk Lou: Was ich schon merke, ist, dass ich mir bei Songwriting Sessions mit anderen schwer tu. Ich mag das nicht teilen. Vor allem dann, wenn es um Texte geht, sehe ich nicht warum ich die Wörter von jemanden anderem singen sollte. 

Arbeitest du manchmal an alten Songideen weiter?

Onk Lou: Es gibt schon hin und wieder nächtliche Flirts mit alten Ideen. Aber mit einer neuen Idee fühlt es sich schon frischer an. Wobei man schon hier und da ein paar Fetzen einer alten Session aufgreifen und die mit dem aktuellen Mindset weiterspinnen kann. So nach dem Motto: gestern mit Herz – heute mit Hirn. Das sind aber meistens keine Songs, sondern eher kurze Riffs, Vocal Lines oder so. Oft wach ich ganz gespannt auf und hör mir die Memos vom Vortag an und hoffe, dass ich die auch mit klarem Kopf noch gut finde. Manchmal täuscht einen die natürliche Ekstase, in die man sich beim Jammen spielt. Manchmal aber eben auch nicht. 

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Wird ein Song besser, je länger man daran arbeitet?

Onk Lou: Nein, er wird nur anders. Was glaubst du, was mehr Sinn ergibt – Alte Texte zu recyclen oder die Musik?

Ich glaub, dass Texte oft enger an eine Lebensphase gebunden sind. Somit würde ich mich schwerer tun, alte Textideen zu recyclen. Musik ist da für mich etwas zeitloser. 

„Und erst am Ende sinniere ich darüber, was mir der Song sagen möchte.”

Was ist bei dir zuerst da? Musik oder Text?

Onk Lou: Ich fang immer mit einem Rhythmus an. Ein Pattern auf der Gitarre oder ein Beat. Und erst am Ende sinniere ich darüber, was mir der Song sagen möchte. Außer bei „Delight“. Dem Duett mit AVEC auf der jetzigen EP. Da hatte ich die Textzeile schon seit langer Zeit. Die Nummer ist erst viel später entstanden. Für die zweite Strophe habe ich Miriam von AVEC gefragt. Ich dachte, das passt super. Und genauso war es auch. 

Perfect match! Seid ihr auf der Bühne auch zusammen unterwegs?

Onk Lou: Am 13. Oktober zum Beispiel auf der Geburtstagsfeier vom Rockhouse Salzburg.

Gibt es eine Geschichte zu Lion King?

Onk Lou: In einem Museum in Tallin habe ich englische Kunstmärchen gesehen. Da war auch eine Geschichte von einem Löwenkönig, dem die Kraft und das Selbstbewusstsein ausgegangen ist. Woraufhin er zu seinem Berater gegangen ist, der auch sein Frisör war. Der schlug ihm als Lösung einen Look vor, indem er ihm die Mähne abzuschneiden riet.  Sukzessive kam der Löwe dann darauf, dass ihn sein Berater eigentlich nur klein machen möchte, anstatt zu stärken. 

Eine schöne Metapher, um noch über Social Media zu sprechen.

Onk Lou: Ja voll. Das ist in Wahrheit natürlich auch dieser Frisör. 

Also die Gretchen Frage unserer Zeit: Wie hältst du es mit den sozialen Medien? Magst du sie?

Onk Lou: Ich glaub, keiner mag Social Media, oder? Ich denk mir auch immer, es muss doch auch ohne gehen. Aber es gibt für Bands in meiner Größe kaum einen anderen Weg, als darüber die Leute zu seinem Konzert zu bewegen. Und das ist am Ende das, was ich unbedingt möchte. 
Ich sage mir, es ist völlig egal, etwas zu posten, das sich keiner anschaut. Es ist gut, wenn es jemand mitbekommt. Das Schlimmste ist jedoch, wenn man gar nichts macht. So habe ich meinen Frieden damit gefunden und versuche so, wenigstens mich damit zum Lachen zu bringen. 

Vielen Dank für das Gespräch

Dominik Beyer

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