Am 26. September findet die nächste Ausgabe der Community-Music-Reihe KÄFIGKONZERTE in Wien statt. Diesmal treten ehemals Obdachlose gemeinsam mit Wiener Symphonikern auf, Yasmo wird zusammen mit Anna Buchegger performen, und außerdem wird die Blasmusikkapelle aus dem 15. Bezirk ihren Käfig im Rohrauerpark zum Klingen bringen. Im Interview spricht der künstlerische Kurator und Mitbegründer der KÄFIGKONZERTE, Martin Schlögl, über den Reiz des Themas Community Music, die gesellschaftliche Bedeutung der Wiener Fußballkäfige sowie die besonderen Highlights der kommenden Ausgabe. Die Fragen stelle Arianna Fleur Alfreds.
Wie lange gibt es die Käfigkonzerte jetzt schon?
Martin Schlögl: Das Format begann 2018 mit der vagen Idee, einen Fußballkäfig im 15. Bezirk künstlerisch zu bespielen. Zunächst haben wir einfach experimentiert: Wir hängten verschiedenste Tonabnehmer an die Käfiggitter und animierten die Kids aus der Umgebung, den Käfig als Klanginstallation zu nutzen. Dazu kamen musikalische Live-Vertonungen von Fußballspielen. Rückblickend waren diese ersten Schritte etwas holprig, aber mein Kompagnon Tobias Pichler und ich blieben den Käfigen treu – obwohl es nicht immer leicht war, ein so komplexes Projekt fertig zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen.
Heute, bei der 8. Ausgabe, haben sich die Käfigkonzerte zu einem beispielhaften Community-Music-Projekt ausgewachsen. Hier bringen wir Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebenshintergründen spielerisch im musikalischen Sinn im Käfig zusammen. Unser Ziel ist es, durch Musik eine Grundlage für ein vielfältiges Miteinander zu schaffen und der Community rund um die Käfige neue Impulse und Möglichkeiten zu bieten.
Was hast du über die Jahre als Mitbegründer, künstlerischer Leiter und Verantwortlicher für Community Engagement gelernt?
Martin Schlögl: Dabei habe ich für mich selbst gelernt, dass Community Music aus Sicht des Veranstalters und „Kurators“ eine Ausdauer-Sportart ist. Für einen authentischen Einbezug von unterschiedlichen Communities wie z.B. diesmal ehemals obdachlose Menschen, braucht es viel Zeit und Vertrauens- bzw. Freundschaftsaufbau. Für die Teilnehmenden der Workshops ist es nicht selbstverständlich, sich zu öffnen oder gar auf eine Bühne zu treten – besonders mit sehr persönlichen Botschaften.
Aber genau das ist auch der Reiz am Thema Community Music: Wenn Menschen mit einer besonderen Lebensrealität die Möglichkeit bekommen, sich über Musik zu mitzuteilen, können eindrückliche künstlerische Äußerungen entstehen.
Warum überhaupt ein Konzert in einem (Fußball-)Käfig?
Martin Schlögl: Fußballkäfige sind Soziotope, wie mein Kollege Tobias Pichler immer sagt. Wir haben im Rahmen der vergangenen Käfigkonzerte auch dokumentarisch gearbeitet und die vielfältigen Nutzungen fotografisch und filmisch festgehalten. Der Bogen spannt sich über die täglichen Morgenroutinen von Shaolin-Mönchen bis hin zu Fußballtrainings von Mädchen-Teams. Diese Buntheit und Freiheit im Käfig ist inspirierend. Außerdem sind die Käfige von sich aus tolle Bühnen. Also arbeiten wir mit dem, was da ist: Es gibt z.B. keine Bühnenpodeste für Musiker:innen – wir bringen lediglich Ton, Licht und die Menschen, die künstlerisch performen.
Was sind die übergreifenden Themen, die das diesjährige Festival behandelt? Was verwebt das Programm miteinander?
Martin Schlögl: In meiner Rolle als Kurator für dieses Projekt folge ich immer einem Grundgefühl, ohne es in der Öffentlichkeitsarbeit auszuformulieren. Diesmal dreht sich implizit alles um die Themen „fremd sein“ und „aufgenommen werden“. So gibt es beispielsweise mit Anna Buchegger eine fantastische, junge Musikerin, die erst kürzlich nach Wien gezogen ist und nach ihrem Erfolg bei Starmania nun künstlerisch neue sehr persönliche Wege beschreitet. Sie wird musikalisch mit der Rapperin Yasmo in Kontakt treten, die seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der Wiener Musikszene ist. Gemeinsam werden die beiden Musikerinnen auch einen Song performen.
Passend zum Thema des Abends ist auch die Zusammenarbeit mit dem Musikverein Rudolfsheim-Fünfhaus. Das ist eine tolle, eher traditionelle Blasmusikkapelle, die zu einem Song von Anna Buchegger im urbanen Käfig des Rohrauerparks aufspielen wird.
Was können wir als Zuschauer:innen und Teilnehmer:innen in diesem Jahr bei den Käfigkonzerten erwarten? Worauf können wir uns freuen?
Martin Schlögl: Besonders gespannt bin ich auf den Beitrag von ehemals wohnungs- bzw. obdachlosen Musiker:innen, der unter der Leitung von Flip Philipp entsteht und gemeinsam mit Musiker:innen der Wiener Symphoniker aufgeführt wird.
Anna Buchegger und Yasmo werden jeweils ein Live-Set spielen und auch gemeinsam auftreten. Dabei gibt es die seltene Gelegenheit, Yasmo in Begleitung von Musiker:innen der Wiener Symphoniker zu erleben.
Außerdem darf man sich, wie erwähnt, auf die 35 Musiker:innen des Musikvereins Rudolfsheim-Fünfhaus freuen, die gemeinsam mit Anna Buchegger den Käfig zum Klingen bringen werden.
Was bedeutet das Wort „Community“ für dich? Warum ist es deiner Meinung nach so wichtig, sich in diesen Zeiten darauf zu konzentrieren und sie zu unterstützen?
Martin Schlögl: Ich bin froh, in „Community Music“ mein persönliches Schlüsselthema gefunden zu haben. Es bereitet mir große Freude, mit Menschen aus völlig unterschiedlichen Lebenswelten musikalisch zu arbeiten und mich dabei nicht in den großen, etablierten Orten der Musik zu bewegen. „Community Music“ ist für mich auch, Musik an dezentrale, überraschende Orte zu bringen, wo die Musik zum Publikum kommt und nicht umgekehrt, so wie wir es vom gängigen Konzertbetrieb kennen. Gerade jetzt ist es besonders wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem die vielfältigen Lebensrealitäten von uns allen gegenseitig wahrgenommen und respektiert werden.
Wie hat die Community um Sie herum Ihrer Erfahrung nach in den letzten Jahren die Käfigkonzerte aufgenommen? Welchen Eindruck haben sie hinterlassen?
Martin Schlögl: Angespornt durch den positiven künstlerischen und gesellschaftlichen Impact der Reihe möchten wir den öffentlichen Raum weiterhin nutzen, um überraschende künstlerische Ausdrucksformen zu ermöglichen, die aus der Community heraus entstehen. Die Resonanz war bei allen Käfigkonzerten extrem positiv. Besonders gefreut haben uns Nachrichten von spontanen Parkbesucher:innen, die sich oft sehr darüber gefreut haben, dass bei ihnen im Grätzl „auch mal was los“ ist. Das hat uns immer motiviert weiter zu machen. Ich persönlich habe durch das Projekt enorm viel gelernt über das Potenzial von Community Music für eine vielfältige und offene Gesellschaft.
Will the show go on? Sind weitere Käfigkonzerte geplant?
Martin Schlögl: Die ARGE Henriette, die hinter den Käfigkonzerten als Veranstalter steht, hat sich in den letzten Jahren zu einer Plattform von Menschen entwickelt, in der alle Beteiligten – von Tontechnik, Lichttechnik bis Visuals – starke künstlerische Persönlichkeiten sind, die sich mit ihrem persönlichen Engagement für die Sache einbringen. Mit den Wiener Symphonikern haben wir einen fantastischen festen Partner an unserer Seite, die Stadt Wien und unsere Fördergeber sind vom weitreichenden positiven Einfluss der Käfigkonzerte überzeugt. Also, wenn es uns weiterhin gelingt, jedes Jahr einen neuen Käfig zu erkunden und künstlerisch zu bespielen, bin ich happy. Darüber hinaus wollen wir als ARGE Henriette auch vermehrt unsere Erfahrungen und unser Know-how teilen und das Thema „Community Music“ weiter in der Stadt Wien verankern.
Vielen Dank für das Interview! Wir sehen uns am 26. September im Käfig!
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