RAPHAEL WRESSNIG, Musiker, Songwriter und Bandleader, ist der Inbegriff des modernen Hammond-Organisten. Seine Mischung aus Funk, Jazz, Soul und Blues ist eigenständig und explosiv. Sein letztes Album „Soul Gumbo“ hat er mit seiner Band und Südstaatenlegenden wie Tad Robinson, George Porter jr. oder Jon Cleary als Gäste in New Orleans produziert. Damit ist Wressnig derzeit auf Europatour, die ihn auch einige Male in Österreich haltmachen lässt. Im Interview mit Petra Ortner erzählt der Musiker über sich und sein aktuelles Werk.
Wie sind Sie auf die Hammond-Orgel gestoßen und was fasziniert Sie an diesem Instrument besonders?
Raphael Wressnig: Begonnen habe ich mit Klavier und schon relativ bald hatte ich meine ersten Bands. Die Musik, die mir schon damals besonders gut gefallen hat, also Rhythm and Blues, Blues, Soul, Jazz und Funk haben immer coole Tasteninstrumente dabei. Ich begann herumzuexperimentieren und fand so die Instrumente, die für meine Art von Musik am besten passen: akustisches Klavier, Fender Rhodes, Wurlitzer-Piano und Hammond-Orgel. Begonnen hat alles mit einem Keyboard und schließlich musste das echte Möbel her. Die Musik, die ich mache, kann man zum Beispiel mit einer Gitarre ziemlich kräftig, feurig und explosiv spielen. Am Klavier ist mir das schwergefallen. Man endet immer im selben Schema, wenn man Blues auf einem Klavier explosiv spielen will. Nicht so bei der Orgel, sie hat die Ausdrucksmöglichkeit, Dynamik und vor allem Explosivität, die mich an meinem Instrument fasziniert und fesselt.
Was genau ist ein Wurlitzer-Piano?
Raphael Wressnig: Das ist ein legendäres Analogpiano. Darin sind Tonzungen, wo, wie bei einem Klavier, ein Hämmerchen auf die Zunge – in der aber ein Tonabnehmer ist – anschlägt. Dieses Instrument kann man über einen Verstärker spielen. Musiker wie Ray Charles hatten ein Wurlitzer-Piano. Beim Song „Breakfast in America“ von Supertramp hört man es auch.
Sie spielen Blues, Jazz, Soul, Funk. Was waren die ersten Platten in diesen Sparten, die Sie gehört haben?
Raphael Wressnig: Als ich begann, mich mit Musik intensiv zu beschäftigen, war die Zeit von „MTV Unplugged“. Nirvana waren gerade ganz groß und das Rotzige, Freche, Kräftige hat mir imponiert. Die Unplugged-Konzerte waren großartig. Die Musik stand wirklich im Vordergrund. Es war ein guter Zugang. Bald interessierten mich Bluesmusiker wie Buddy Guy oder Muddy Waters. Irgendwann war ich auf einem Maceo-Parker-Konzert, dann hörte ich Dr. John zum ersten Mal. Und jetzt habe ich mein aktuelles Album in New Orleans in dem Studio aufgenommen, in dem auch diese Leute schon gespielt haben.
„New Orleans ist funky, dreckig, dort wird gekifft ohne Ende in den Clubs, dort spielen alle um ihr Leben, da ist das Gumbo würzig.“
Wie hat sich die Möglichkeit, in New Orleans zu produzieren, ergeben?
Raphael Wressnig: Das ergab sich über eine sehr lange Zeit. Als ich zwanzig, einundzwanzig Jahre alt war, spielte ich einige Zeit mit Larry Garner und seiner Band. Die kommen alle aus Louisiana, Larry ist aus New Orleans. In den letzten fünf Jahren war ich dann immer öfter in den USA und habe in der Zeit viele Musikerinnen und Musiker aus Louisiana und New Orleans kennengelernt. New Orleans als Musikstadt hat mich immer schon fasziniert. Und dann spielt man mit Leuten von dort. Das ist alles schon rund 15 Jahre her, und es hat bis jetzt gedauert, um dort ins Studio zu gehen. Es war mir immer klar, dass ich das machen möchte. Der Auslöser dafür ist eigentlich der, dass ich die Musikstile, die Sie vorhin erwähnt haben – Rhythm and Blues, Soul, Funk und Jazz –, zusammenführen wollte. Bei uns macht man entweder das eine oder das andere. Vielleicht auch beides. Aber es wird nie „eins“. In New Orleans ist das völlig anders. Diese Stadt ist einerseits bekannt als Geburtsstätte des Jazz, sie ist aber auch die Geburtsstätte des Rock ’n ’Roll mit Little Richard und so weiter.<Außerdem gibt es viele Funk-, Soul- und Jazz-Bands. Und all das geht sehr gut zusammen. Wenn man etwas macht, dann mit der nötigen Authentizität und mit Spirit. Vielleicht gibt es dort den gemeinsamen Nenner der Funkiness und Leichtfüßigkeit. Wenn in New Orleans jemand Jazz spielt, ist es in einer gewissen Weise auch funky. Jemand, der von dort kommt und Rhythm and Blues spielt, macht das funkier. Das wollte ich ein wenig als Vehikel benützen, um die Leute bei uns darauf aufmerksam zu machen, dass alles eins sein kann. Darum auch der Titel meines Albums, „Soul Gumbo“. Gumbo ist ein Eintopf mit einer Menge Zutaten. So sehe ich das auch bei meiner Musik. Ein gut abgeschmeckter Mix, gewürzt mit Musikerinnen und Musikern von vor Ort, die ein wenig Authentizität bringen, und das Ganze dann feurig serviert.
Wie lange haben Sie an den Songs für Ihr aktuelles Album gearbeitet?
Raphael Wressnig: Auf dem Album sind ein wenig mehr als die Hälfte der Songs von mir. Das sind zum Großteil neue. Diese Songs zu schreiben hat vielleicht drei Monate gedauert. Erst sammle ich Ideen, die ich überall, zum Beispiel im Auto, haben kann. Das Auto ist ein gutes Ausscheidungskriterium. Weiß man die Idee nachher noch? Wenn man sich daran noch erinnert, dann war sie gut genug. Nachdem ich davon die besten Ideen herausgefiltert und bearbeitet habe, schaue ich, was die Band macht, dann wird arrangiert. Eigentlich mache ich es simpler. Ich schicke Skizzen an die Musikerinnen und Musiker, man trifft sich dann mal und arbeitet an der Musik. Die Songs haben wir einige Male durchgespielt, mit dem Telefon mitgeschnitten und die Aufnahmen dann an die Musikerinnen und Musiker geschickt. In New Orleans schließlich haben wir das Album dann ganz „old school“ aufgenommen. Zwei Tage hatten wir das Studio gebucht. Das Old-school-Ding machte ich einerseits, weil es eine Kostenfrage ist, andererseits wollte ich mich der Herausforderung stellen, nur zwei Tage Zeit zu haben.
New Orleans ist funky, dreckig, dort wird gekifft ohne Ende in den Clubs, dort spielen alle um ihr Leben, da ist das Gumbo würzig. Dort monatelang ein Studio zu buchen wäre so weit weg von dem „Echten“. Darum nur zwei Tage Studio. Mir war aber auch klar, dass die Aufnahmen gut werden, weil ich wirklich erstklassige Musikerinnen und Musiker mit dabei hatte.
Wenn man mit vielen Topmusikerinnen und -musikern zusammenarbeitet, nimmt man auch viel für sich selbst mit. Welcher Musiker war bisher der wichtigste „Lehrmeister“ für Ihren Weg?
Raphael Wressnig: Das möchte ich jetzt über einen Umweg erklären. Denn einen rauszusuchen, da würde ich mir schwer tun. Die Zusammenarbeit mit großartigen Musikern war irrsinnig wichtig für meine Laufbahn. So habe ich gelernt. Andere gehen auf das Konservatorium, um zu studieren, sie lernen erst die Theorie und die Praxis kommt erst später. Ich habe das nicht gemacht. Ich bin einfach losgestürmt. Es trifft genau auf mich zu, was Sie gesagt haben. Aber einen einzigen Musiker zu nennen, das ist ehrlich schwer. Die erste Band, mit der ich gespielt habe, war zum Beispiel Oliver Mally’s Blues Distillery. Und da war es nicht speziell Oliver der Musiker oder das, was er gemacht hat, was mich geprägt hat, sondern das Umfeld war der Nährboden. Eine gute Band, mit der ich international gespielt habe. Sie hat mir, damals ein junger Musiker, das geboten, was ich gebraucht habe, um mich zu entwickeln und weiterzumachen. Relativ bald danach bin ich auch mit Larry Garner auf Tour gegangen. Mit ihm war die Zusammenarbeit irgendwie direkter. Er hat mir auch schon mal in den Hintern getreten – auf gut Deutsch gesagt. Er hat mein Potenzial gesehen und hat es gefördert. Er hatte ein wenig diese Ghetto-Macho-Mentalität. Wir spielen einfach, egal wie es klingt. Es hat was, ins kalte Wasser gestoßen zu werden. Es war eine gute Schule für mich. Es gab noch einige weitere Musiker, aber im Grunde genommen lernt man von jedem und immer etwas dazu. Auch von den Leuten in meiner Band, die alle super Musiker sind.
„Mir gefallen Orte, wo die Leute etwas Ungehobeltes, Rohes haben.“
Sie touren sehr viel um die ganze Welt. Gibt es Orte, wo Sie sich besonders wohlfühlen, wo Sie immer wieder gerne spielen?
Raphael Wressnig: New Orleans ist definitiv einer dieser Plätze. Wien mag ich auch sehr. Budapest ist großartig, Spanien ist cool. Mir gefallen Orte, wo die Leute etwas Ungehobeltes, Rohes haben. Wir sind eine kräftige, druckvolle Band und bei Konzerten in der Schweiz zum Beispiel, wo eher die „Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber“ sind, wollen die Leute die Musik „portiönchenweise“, kleine Happen und alles soll nett sein, nicht zu ungehobelt. Da sagen die Leute dann Sachen wie: „Ihr seid großartig. Tolle Musik, tolle Band, aber ein wenig zu laut.“ Mir gefallen Plätze, wo man aber auch mal laut sein darf. Wir haben irrsinnig coole und treue Fans in Serbien und wenn wir dort loslegen, dann gibt es einen echten Ausbruch. Da fühle ich mich sehr wohl, denn die Leute geben einem die Power auch wieder zurück. Das spüre ich auch in mir selbst. Ein Konzert in Belgrad ist für mich und meine Band eigentlich das Beste, was passieren kann.
Was ist Ihr großes Ziel für 2015? Musikalisch.
Raphael Wressnig: (Lacht) Das ist jetzt gut, dass Sie das dazugesagt haben. Ich kann Ihnen das nicht beantworten, denn ich habe eigentlich nie wirklich genaue, konkrete Ziele. Vor allem keine großen. Für mich zählt die Situation, etwas Neues und es stehen schon viele Sachen auf dem Plan. Ich weiß, dass das, was auf mich zukommt, toll sein wird. Gesunder Ehrgeiz und reelle Ziele. Das bin ich. Ich habe nicht dieses „Ich möchte im Wembley-Stadium spielen oder in der Royal Albert Hall“. Ich weiß, dass das nicht sehr realistisch ist. Wenn es natürlich irgendwann mal passiert, ist das natürlich cool.
Danke für das Gespräch.
Petra Ortner
CD-Tipp: Raphael Wressnig – „Soul Gumbo“ – Pepper Cake/ZYX Music
Fotos Raphel Wressnig: Mirjam Koch