„Für uns war es wirklich entscheidend, dass das, was wir tun, uns Spaß macht.“ – ELSA im mica-Interview

ELSA spielen Alternative Rock, der doch etwas anders daherkommt, als vieles aus derselben musikalischen Ecke. Die Songs der vierköpfigen Band sind tiefgründiger, sie klingen vielfältiger, weil sich PIPO FUHS, LUKAS MAYER, MICHAEL STÖGER und MAX ZAUNER sich trauen, auch andere Musikstile in ihren Sound einzuarbeiten, und sie besitzen auch die notwendigen Kanten, die sie unterscheidbar machen. Anfang September erschien bei Assim Records das selbstbetitelte Debüt der Wiener Band. PIPO FUHS und LUKAS MAYER im Interview mit Michael Ternai über den Entstehungsprozess des Albums, musikalische Einflüsse und warum man plötzlich auf Deutsch gesungen hat.

Ihr habt euer Debüt vor ein paar Wochen veröffentlicht. Gearbeitet habt ihr am Album aber mehr als zwei Jahre. Warum habt ihr euch so lange Zeit gelassen?

Pipo Fuhs: Ich glaube, warum es so lange gedauert hat, hat damit zu tun, wie alles entstanden ist. Ich habe in der Schule in zwei Bands gespielt, aus denen ich dann aber nach dem Abschluss ausgestiegen bin. In einer hat ja auch Lukas mitgespielt. Irgendwie sind wir nie auf das Level gekommen, wo es Sinn gemacht hätte, ins Studio zu gehen. Ich habe mit dem Songschreiben aber nicht aufgehört, weil ich immer noch das Ziel hatte, professionell Musik zu machen. So sind im Laufe der Zeit dann einige Nummern entstanden. Unter anderem „76 Jahre“, bei der auch Lukas mitgeschrieben hat, und „Hölle“. Mit denen und ganz vielen anderen Songs bin ich dann zu Andi Fennes, unserem Produzenten, und habe sie ihm vorgespielt. Ihm haben besonders die beiden erwähnten Songs sehr gefallen und er meinte, dass er die mit uns machen will. Ich fand das cool und dachte mir, jetzt machen wir zumindest diese beiden Solonummern. Lukas und ich haben dazu aber weiter an neuen Songs geschrieben. Und das hat echt gut funktioniert, sodass wir uns dazu entschieden, ein größeres Projekt auf die Beine zu stellen. So ist das peu à peu dann weitergegangen, bis wir an dem Punkt waren, an dem wir uns sagten, dass wir jetzt eigentlich eine Platte zusammenhaben. Wir haben dann mit Max Zauner und Michi Stöger einen Schlagzeuger und einen Basser dazugeholt und die Songs noch weiter und weiter verfeinert.
Wir konnten uns auch deswegen diese Zeit nehmen, weil wir mit Andi, der mit der Zeit ein echter Freund geworden ist, jemanden an unserer Seite hatten, der uns wirklich unterstützt hat und uns sein Studio, wann immer es möglich war, zur Verfügung gestellt hat. Wir haben so lange weitergemacht, bis jedem von uns unterbewusst klar war, dass die Songs im Grunde genommen fertig sind.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Hört sich danach an, dass ihr sehr viel herumprobiert habt. Seid ihr perfektionistisch veranlagt?

Lukas Mayer: In gewisser Weise sind wir aber schon auch ein wenig perfektionistisch. Die Nummern sollen schon passen. Ich glaube, dass wir zu Beginn noch nicht wirklich wussten, wohin das Ganze hinsoll. Wir haben einfach ohne einen großen Plan Songs aufgenommen. Die Idee, dass wir eigentlich ein Album haben, ist uns eigentlich erst dann gekommen, als wir damit begannen, neue Songs zu schreiben, die aber irgendwie nicht mehr wirklich zu den alten gepasst haben. Dann war uns klar, dass wir dieses Kapitel einfach schließen und ein neues aufmachen müssen. Es hat sich einfach nicht mehr stimmig angefühlt, noch mehr an den Song noch herumzufeilen. Insgesamt hat der ganze Aufnahmeprozess ungefähr zwei Jahre gedauert, wobei wir natürlich die Zeit nicht durchgehend im Studio verbrachten.

Pipo Fuhs: Was dazukommt, ist, dass wir erst lernen mussten, wie man als Musiker im Studio funktioniert. Wir mussten erst draufkommen, wo für was Platz ist, musikalisch wie auch zwischenmenschlich, was man sich leisten kann, wo man im Vordergrund und wo man im Hintergrund agieren muss, wann es besser ist, einmal zuzuhören. Man muss auch lernen, Sachen zu verwerfen. Ich erinnere mich an zwei Demos, von denen wir glaubten, dass wir aus ihnen etwas machen können. Nachdem wir ewig an ihnen herumgefeilt haben, mussten wir uns eingestehen, dass aus diesen Songs nichts wird. Daraufhin haben wir uns einfach beinhart gesagt: „Okay, die löschen wir jetzt.“

Lukas Mayer: Ich würde sagen, dass sich vieles einfach ergeben hat. Wenn ich mir vorstelle, das Album wäre schon vor zwei Jahren rausgekommen, es wäre wohl ganz anders geworden. Im Endeffekt war für uns alle jetzt genau der richtige Zeitpunkt, es zu veröffentlichen. 

Was eure Platte auszeichnet, ist auch diese große musikalische Vielfalt, die ihr in euren Songs durchklingen lasst. War die Idee für so einen Sound vom Anfang an da?  

Pipo Fuhs: Bei mir persönlich schon. Ich wollte die ersten beiden Nummern, mit denen ich ins Studio gegangen sind, schon ganz genau so klingen lassen, wie ich es wollte. Ich dachte mir, es sind ja schließlich Songs, die ich zu Hause zusammengebastelt habe. Zum Glück hat Andi mir hier sehr, sehr schnell einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er meinte: „Wenn du eigene Musik schreibst, warum willst du sie absichtlich so klingen lassen, als wäre es etwas anderes.“ Das habe ich mir zu Herzen genommen. Wir mussten unseren Sound einfach finden und sind immer mehr draufgekommen, was wir wirklich wollten. Ich glaube, dass die Platte so klingt wie sie jetzt klingt, ist dem geschuldet, dass wir uns einfach darauf zu fokussieren begannen, was sich für uns gerade gut anfühlt. Und da ist es egal, wenn sich etwas auch einmal etwas weird anhört.

„Manchmal ist es aber auch so, dass ein Lied es entscheidet, wohin es geht.“

Lukas Mayer: Für uns war es wirklich entscheidend, dass das, was wir tun, uns Spaß macht. Nimm nur den Song „Wunderwelt“ her, der mit einem abgefahrenen ABBA-artigen Synth endet. Den haben wir einfach am Schluss, ohne uns darüber richtig viele Gedanken zu machen, darüber gespielt. Als wir uns die Nummer dann später angehört haben, fanden wir es richtig cool. Bei uns ist also vieles möglich.
Was unseren Sound betrifft, kann man, glaube ich, schon sagen, dass dieser so vielfältig ist, weil wir alle in der Band sehr viel verschiedene Musik hören. Das beginnt bei argen Metalsachen und geht bis hin zu ultrapoppigen Songs. Das was bei uns aber den Roten Faden bildet ist, ist der Überbegriff Rockmusik. Der zieht sich durch alles, was wir tun, durch. Manchmal ist es aber auch so, dass ein Lied es entscheidet, wohin es geht. Wenn man so etwas wie „Sag`s mir“ oder „76 Jahre“ schreibt, ist das von Grund auf schon etwas zugänglicher oder poppiger. Bei „Hölle“ wiederum ist es dann klar, dass das Gitarrensolo mehr Punch braucht.

Bild ELSA
ELSA (c) Leon Bergmann

Pipo Fuhs: Ich habe, während wir die Platte gemacht haben, sehr viel Deftones gehört. Und ich wollte speziell bei dem Song „Weiße Nächte“ diesen „White Pony“-Vibe hinbekommen. Und es ist wirklich erstaunlich, wie Andi das hinbekommen hat, indem er an ein paar Knöpfen gedreht hat. Ich finde es schön, dass uns das gelungen ist, weil dieser Song meine Lieblingsnummer des Albums ist. Mir zieht es bei dem Song immer noch die Schuhe aus. Ich kann mich erinnern, dass ich damals, nachdem ich sie eingesungen habe, nach Hause gekommen bin und geweint habe.

Es ist wahnsinnig hilfreich mit jemandem wie Andi zusammenzuarbeiten, der mit seinem Know-How und seiner jahrelangen Erfahrung jungen Menschen diesen entscheidenden kleinen Stoß in eine Richtung gibt, ohne ihnen aber etwas aufzuzwingen. Am Ende stehst du mit einer Nummer da, die dich zufrieden macht, in der du dich emotional ausgelebt hast und die einfach arg klingt. Das ist einfach wunderbar.

Welche sind die Themen, die in ihr euren Songs besingt?  

Lukas Mayer: Wir haben immer schon beobachtet, was musikalisch um uns herum passiert. Und wir haben natürlich auch in den Mainstream reingehorcht. Nur haben wir zu diesem nie Anschluss gefunden. Wir empfinden einfach vieles, was von dort kommt, als seicht. Jedes Jahr erscheint irgendein Sommerhit, der nach ein paar Monaten niemanden mehr interessiert. Wir haben für uns daher beschlossen, dass anders zu machen und das ganze Ding und alles, was wir schreiben, einfach ehrlich durchzuziehen. Und genau darum geht es auch in den Liedern, einmal ist es etwas Schmerzhaftes, das wir zum Thema machen, einmal etwas Schönes, aber es ist immer etwas Persönliches von Pipo oder von mir. Alles was uns, sei es positiv oder negativ berührt, wird irgendwann einmal ein Lied von uns.

Pipo Fuhs: Ich finde, Texte haben auch etwas Selbsttherapeutisches. Sie geben dir die Möglichkeit, Dinge, die dich berühren, beschäftigen oder stören, anzusprechen und sie dir von der Seele schreiben. Ich bin jemand, der schon auch einmal an sich zweifelt, und ich denke, dieses Gefühl fließt auch in die Texte ein.  Ich denke auch, dass man ein positives Erlebnis auch nicht jedem umhängen muss. Ich möchte ein solches genießen. Aber alles, womit ich nicht im positiven Sinne umgehen kann, kann ich in meiner Musik verarbeiten. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum unser Album keine happy-peppy Platte geworden ist.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

„Ich habe wirklich lange gebraucht, um mich in dieser Rolle wohlzufühlen.“

War es eigentlich immer klar, dass ihr auf Deutsch singt? 

Pipo Fuhs: Nein, überhaupt nicht. Ich habe mich lange ganz, ganz lange heftig dagegen gewehrt.

Lukas Mayer: Das war ein jahrelanger Kampf. 

Pipo Fuhs: Auf den ersten Demos habe ich noch auf Englisch gesungen. Und es hat damit begonnen, dass ich eigentlich nicht wirklich singen wollte und ich den Part des Sängers quasi übernehmen musste. Ich habe wirklich lange gebraucht, um mich in dieser Rolle wohlzufühlen. Und dann sollte ich plötzlich auf Deutsch singen, was mich anfangs extrem verunsichert hat. Aber Andi meinte, ich sollte es einfach einmal probieren, denn meine Stimme würde auf Deutsch viel erwachsener klingen. Ich habe lange damit gehadert, weil ich auch das Gefühl hatte, dass man sich mit Englisch viel leichter in die Melodien fallen lassen kann, man kann Worte länger ziehen, wohingegen Deutsch eine sehr hart konsonantische Sprache ist. Aber letztlich habe ich diesen Sprachenwechsel als Ansporn genommen, die Sachen noch besser zu machen. „Hölle“ war dann die erste Nummer, die ich auf Deutsch eingesungen habe. Und als ich die dann zum ersten Mal im Vergleich zur englischen Version gehört habe, musste ich mir dann eingestehen, dass das doch Sinn macht.

Lukas Mayer: Wir haben ja früher in der Schule auch schon Musik gemacht und da war alles auf Englisch. Und irgendwann bin ich selber zum Punkt gekommen, wo ich das Gefühl hatte, dass man sich hinter dem Englischen viel zu gut verstecken kann. Ich dachte mir dann: „Ich spreche deutsch, ich denke deutsch, ich träume auf Deutsch, warum drücke ich das, was ich sagen will, eigentlich auf Englisch aus?“ Es hat für mich irgendwann dann keinen Sinn mehr gemacht. Obwohl es ist dann halt doch so, dass die ersten Sachen, die man auf Deutsch schreibt, zum Teil grauslig nach Schlager klingen.

Pipo Fuhs: Aber wir halten es uns schon noch offen, dass wir hin und wieder mal – quasi als Stilmittel – eine Bridge oder einen Refrain auf Englisch schreiben. Ganz ausschließen will ich das nicht.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Das Album dürfte in den Redaktionsstuben, liest man sich Kritiken durch, gut angekommen zu sein. Bestätigt euch darin, dass ihr es richtig gemacht habt? 

Pipo Fuhs: Ich finde diese Kritiken sind ein schöner Schulterklopfer.  Interessant ist aber, dass unsere Singles davor eigentlich nicht so gut funktioniert haben. Ich dachte mir schon, dass wir eigentlich nicht mehr viel poppiger werden können, ohne dass die Qualität der Songs verloren geht. Das heißt, dass man sich mit seinen Erwartungen schon irgendwie einpendelt. Wobei so ein gutes Feedback natürlich schön ist. Vor allem in einem so schwierigen Jahr, das dich nur schwer in die Zukunft planen lässt. Schön wäre es natürlich gewesen, wenn wir das Album live mehr vorstellen hätten können. 

Ich nehme einmal an, dass die fehlende Möglichkeit, euer Album live vorzustellen, der wohl größte Wehrmutstropfen ist. 

Pipo Fuhs: Aus Ermangelung eines professionellen Bookings hätten wir jetzt nicht unbedingt eine riesen Tour gespielt. Aber es ist schon so, dass wir jetzt von Venues, die von der Größe her für uns passen, die Antwort bekommen: „Wir wissen nicht, ob ihr zu dem Zeitpunkt bei uns spielen könnt, weil wir nicht einmal wissen, ob es uns dann noch gibt.“ Irgendwie ein Plan für nächstes Jahr zu machen, der dann doch nicht zu halten ist, ermüdet halt. Es tut weh, zu wissen, dass man nicht einmal die paar Handvoll Konzerte spielen kann. Wir nutzen die Zeit jetzt halt dafür, im Studio wieder an neuem Material zu arbeiten.

Lukas Mayer: Was wir am liebsten machen, ist halt live zu spielen und ordentlich draufzuhauen. Aber ich denke, dass wir schon ein wenig mehr Glück gehabt haben als andere. Andere Bands hat es sicher schwerer getroffen. Wenn man eine ganze Tour verschieben oder sogar ganz absagen muss. Das haben wir nicht gehabt. Ursprünglich wollten wir die Platte ja schon im März rausbringen und haben das dann verschoben, weil wir gehofft haben, dass im Herbst vielleicht mehr möglich sein wird. Eigentlich sind wir im Moment nur froh, dass wir sie veröffentlicht haben. Am anderen können wir nicht viel ändern.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Links:
ELSA (Facebook)
Assim Records