„Für die grauen Zellen eine Schocktherapie á la: oida was machts ihr da“ – VIBERQUEEN IM MICA INTERVIEW

VIBERQUEEN sind Magdalena Hahnkamper, Daniel Aebi, Constanze „Cozy“ Friedel und Nina Feldgrill. Die bunte Truppe hat heuer ihr Debütalbum „ART!POP!“ veröffentlicht. Wer die herrlich abenteuerlichen Songs schonmal gehört hat, wird nicht überrascht sein, dass Leadsängerin Magdalena sich vor jedem Auftritt intensiv mit den Songtexten beschäftigt, um ihnen einmal mehr neues Leben einzuhauchen. Im Interview mit Sophia Olesko erzählt das Vierer-Gespann über Reaktionen zum Release sowie dem Mut zum Wahnsinn.

Hallo VIBERQUEEN, ich freue mich, dass ihr heute da seid. Mich würde gleich interessieren: wie habt ihr euch kennengelernt?

Magdalena Hahnkamper: Ich bin 2014 von Amsterdam zurückgekommen. Ein Jahr darauf habe ich Daniel [Aebi; Anm.] für ein Jazzprojekt empfohlen bekommen.

Daniel Aebi: Ich bin vor zehn Jahren nach Wien gezogen. Wir haben zuerst Videos voneinander angesehen und geschrieben, bevor wir uns getroffen haben. Dann habe ich beim Projekt megalodonna‘ plus von Magdalena mitgespielt. Vor etwa 5 Jahren kam dann das Projekt The Mata Hari Jazz Collective. Und jetzt VIBERQUEEN, vormals FRÄULEIN H3 [Fräulein hoch drei; Anm.], gibt’s seit etwa zwei Jahren.

Magdalena Hahnkamper: Ja, da kam auch dazwischen die Pandemie und damit ein bisschen ein Cut. Cozy [Friedel; Anm.]  hat sich in dieser Zeit bei mir gemeldet. 

Cozy Friedel: Ich habe Magdalena, als ich neu in Wien war, bei Konzerten gesehen und noch so ein starkes Bild in Erinnerung, das mich total angesprochen hat. Und zwar die Verbindung von Text und freier Improvisation, die sich miteinander verweben. Dann habe ich sie einfach mal kontaktiert und gefragt, ob sie auf so etwas Lust hätte. Das war ein Volltreffer und es hat gleich gefunkt. Wir hatten zuerst ein Duo, das Schneeweißchen und Rosenrot hieß. Mit diesem sind wir etliche Male aufgetreten und haben unsere Duostücke geprobt, zusammen komponiert und unseren Stil entwickelt. Das hat sich weiterentwickelt, gemeinsam mit Daniel wurde es erst mal Fräulein H3.

„Aller guten Dinge sind doch noch nicht drei!“

Magdalena Hahnkamper: Daniel ist dazugekommen, da es ein Feedback vom Publikum der Mariahilfer Frauenwochen gab, dass unsere Musik zwar groovt, es aber an einem Schlagzeug fehle. Vor allem, weil die Stücke teils auch stilistisch sehr unterschiedlich waren. Das ist etwas, was ich als Komponistin und Künstlerin oft als Feedback bekomme: dass ich mich beschränken soll. Aber ich will mich nicht beschränken [lacht]. Das Schlagzeug ist wie ein Rahmen. Cozy spielt auch sehr facettenreich. Mit Schlagzeug kann man das alles vielleicht auch ein bisschen besser nehmen. Also sind wir als Quartett schon durch viele Transformations- und Zusammenwachsprozesse durchgegangen, obwohl wir noch nicht so alt sind. Jedenfalls, beim Komponieren kamen dann die Basslinien aus mir heraus und wir haben überlegt, ob Cozy das noch irgendwie gleichzeitig machen kann. Aber für sie ist es mit Geige, Stimme und Effekten eh schon mehr als kompliziert genug. Dann noch Basslinien dazu spielen …

Cozy Friedel: Ich übernehme verschiedene Dinge, die mich in ihrer Gleichzeitigkeit sehr ansprechen: Melodien, die ich mit der Geige spiele oder/und gleichzeitig dazu eine andere Melodie dazu singe, die Harmoniefunktion einer Gitarre oder eines Klavieres, da wir das ja nicht haben. Manchmal zupfe ich auch Begleitpattern auf der Geige wie auf einer Gitarre und singe dazu ein Scat Solo. Dann sind oft einige Effekte auf der Geige, wie z.B. ein Harmonizer [Effektgerät, dass aus einem einzelnen Geigenton einen ganzen Akkord macht; Anm.]. Wenn ich dann noch dazu singe, können schnell mal 2–5-stimmige Tonsätze entstehen. Singen tu ich gern, besonders auch, weil es sich von unseren Stimmfarben gut angeboten hat. Magdalena hat eine tiefe, warme Stimme, meine ist heller und das ergänzt sich gut. Ich mag es extrem, zu experimentieren. Beim Bass war ich dann aber so: Okay nein, da bin ich raus. Das wird mir dann doch zu viel gleichzeitig.  Wir brauchen auf jeden Fall noch jemanden für den Bass.

Magdalena Hahnkamper: Genau, und jetzt kommen wir zur Nina [Feldgrill; Anm.]. Die Schöpfung braucht immer ihre Zeit.

Cozy Friedel: Aller guten Dinge sind doch noch nicht drei!

Nina Feldgrill: Ich bin 2022 eingestiegen. Ich habe Cozy eigentlich schon länger gekannt und ihr bei ihren Projekten immer wieder ausgeholfen. Sie hat mich angeschrieben und mir gleich ein paar Sachen geschickt, sowohl in Duo- als auch Trio-Formation. Mich hat das total fasziniert. Die Konstellation aus Geige, Stimme und Schlagzeug habe ich sehr spannend gefunden, besonders weil die Instrumente und die Stimme oft nicht in ihrer üblichen Art oder auch Funktion zu hören sind. Ich habe mir das sehr gut vorstellen können, alle zu treffen und bei einer Probe ein paar Stücke auszuprobieren. Daniel habe ich von Hörensagen gekannt, wir haben uns eh auch schon vorher ein paar Mal bei Jamsession getroffen. Magdalena habe ich bei der ersten Probe kennengelernt. Dann hat alles seinen Lauf genommen.

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Ich habe mich gefragt, woher der Name VIBERQUEEN kommt. In der SoundCloud-Beschreibung steht, man solle doch mal den Namen auf Deutsch aussprechen. Dann wird aus der Stimmungs- die Weiberqueen. Was hat´s damit auf sich?

Magdalena Hahnkamper: Vor dem Release habe ich mir gedacht, manchmal muss man auf die heilige Kraft des Feuers vertrauen und Raum für Neues schaffen [lacht]. Ich bin als Künstlerin nach wie vor Fräulein Hahnkamper, beim Namen FRÄULEIN H3, wussten die Leute aber teils nicht, wie man ihn ausspricht. Alleine und gemeinsam wurde also gefinkelt; schließlich ist es VIBERQUEEN geworden. Ich wollte etwas, das kurz und knackig ist und auch international funktioniert. Der Name ist durchaus ein bisschen zweischneidig. Die „Viber“ Queen kann man sehen als eine, die dasteht und vermittelt „bäm, here I come. Aber wenn es dann die „Weiber“-Queen ist, nimmt man sich amal nicht mehr so ernst. Es ist wichtig, dass sich das Publikum miteingebunden fühlt, auch über Humor.

Es sind drei Songs auf der EP „ART!POP!“. Sie sind jeweils etwa fünf Minuten lang. Mich interessiert im Detail: wie entwickelt ihr sie?

Cozy Friedel: Am Anfang war es hauptsächlich so, dass wir zu zweit komponiert haben. Ich habe den harmonischen Rahmen gestrickt, Magdalena Texte und Melodien. Auch habe ich Magdalena oft musikalische Elemente von meinen eigenen Sessions mit der Effekt-Station geschickt, sie konnte sich dann aussuchen, was sie anspricht und diese Fragmente zu Stücken weiterentwickeln. „Indigo“, vormals „Km/h“, ist eines unserer ehemaligen Duo-Stücke, welches wir immer noch im Repertoire haben. Ausgang dafür war ein super cooler Arpeggiator-Effekt, der unsere Kreativität sehr angeregt hat. Dieses Stück haben wir jetzt richtig cool auf unsere heutige Quartettbesetzung um arrangiert. „Kraftkonsum“, ehemals „Drehmoment“, ist auch ein Lied aus dieser Zeit. Die anderen Stücke hat Magdalena dann später direkt für das Quartett geschrieben. Ich finde es sehr interessant, wenn sich alles verwebt, auch durch unsere Sessions in den Proberäumen. Dort kommt dann noch der musikalische Input von uns anderen hinzu und die Stücke formen sich. Da geht die Reise von dem, was im Kopf ist, zu dem, was dann live realisiert wird.

„Für Musik muss man brennen, es gibt viele Hürden und es ist ein hartes Business“

Es passiert auch viel im Jam, kann man sagen?

Daniel Aebi: Das würde ich so nicht sagen.

Vorher ist also schon das Konzept da.

Daniel Aebi: Wenn Magdalena etwas schreibt, ist es oft auf den Text ausgerichtet, mit genauen Anweisungen, was rhythmisch dazu passieren muss. Wir müssen dann einen Weg finden, damit umzugehen. Das ist aber auch interessant, weil unsere Kreativität als Musiker:innen gefordert sind.

Nina Feldgrill: Ich glaube dadurch, dass sich die Besetzung ein paar Mal verändert hat, sind auch immer wieder Neuerungen entstanden. Zum Beispiel ist bei „Papageier Playa“ die Bassline dazugekommen, die das ganze Lied jetzt sehr stark trägt. Beim Mittelteil von „Indigo“ war nicht klar, was der Bass macht. Dass ich da die Akkorde arpeggiere, das ist dann im Prozess entstanden. Das war ein bisschen ein Jam, die fixe Form hat es aber schon gegeben.

Magdalena Hahnkamper: Es ist oft so, dass ich im Schaffensprozess zuhause tief in eine eigene Welt eintauche, eng verwoben mit der Komposition, sowohl textlich als auch musikalisch. Manche noch nicht ganz ausgereifte Stellen benötigen dann aber trotzdem in der Probe noch Aufmerksamkeit. Ich habe dann das Gefühl, ich bringe einen kleinen Garten mit einigen noch ganz jungen Pflanzen mit, denen sich dann jede einzelne Person hier mit ihrem individuellen musikalischen Knowhow und Persönlichkeit widmet, um sie zum Wachsen und Blühen zu bringen. Das ist wirklich ein Geschenk, da krieg ich die Ganslhaut, links, rechts, oben, unten. Für Musik muss man brennen, es gibt viele Hürden und es ist ein hartes Business – da ist eben Erzähltes der Treibstoff, der einen weitermachen lässt; dafür bin ich einfach wirklich dankbar. Genau dieses Phänomen des gemeinsamen kreativen Wachsens und Wachsen-Lassens dürfte ich nicht erfahren, wenn ich alles alleine machen würde. Dann hat man mit der Organisation weniger Herausforderungen, aber die gemeinschaftliche Arbeit ist etwas Besonderes, auch mit den unterschiedlichen Persönlichkeiten. Wir sind ja eine ungewöhnliche Kombination.

Ihr seid keine homogene Gruppe.

Magdalena Hahnkamper: Gar nicht. Ich bin Feministin, mir ist das Frauenanliegen wichtig. Ich finde aber trotzdem, man muss nicht nur mit Frauen spielen.

Daniel Aebi: Ich bin der Quoten-Mann.

Magdalena Hahnkamper: Du bist der Quoten-Cis-Mann, genau. Also das find ich auch sehr spannend, dass wir schon versuchen, verschiedene gesellschaftliche Gruppen auch anzusprechen. Vielleicht sieht sich jemand selbst in der Band auch wieder.

Der Sound von den Aufnahmen ist toll, es ist super produziert. Ich habe mir gedacht wow – was ist das, wer ist das, was ist passiert? Wie war so der Prozess im Studio?

Daniel Aebi: Das haben wir in meinem Studio aufgenommen, unserem Proberaum. Das hatte den Vorteil, dass wir nicht so einen Zeitdruck hatten, wie in einem normalen Studio. Wir haben Alex Yannilos als Engineer angestellt. Er hat ein mobiles Equipment mitgenommen. Wir haben uns sehr Mühe gegeben. Wir haben gut geprobt, gut aufgenommen und schon im Vornherein genau überlegt, wie es eigentlich klingen soll.

„Das finde ich super, wenn die Kunst polarisiert. Wenn nicht alle nur finden, ja super, eh gut, sondern, dass man da ein bisschen aneckt“

Magdalena Hahnkamper: Editing und Overdubs war noch ordentlich Arbeit, das haben ich und Daniel gemacht.

Daniel Aebi: Ja die Basic Tracks, Rhythm Section, eben Schlagzeug, Bass und Geige haben wir in einem Tag gemacht, für drei Stücke. Dann noch ein, zwei Tage für weitere Geigenaufnahmen und Overdubs. Wir haben bereits beim ersten Mal effektiv alles zusammengespielt, um die Energie zu spüren und damit man weiß, wie die Songs klingen. Auch mit Magdalena. Zum Teil haben wir die Vocals nachträglich ersetzt, aber zum Teil auch nicht.

Magdalena Hahnkamper: Genau. Es gibt so Typen, die stellen sich hin und knallen das rein. Aber ich bin so perfektionistisch, ich möchte es nochmal und nochmal aufnehmen. Dann möchte ich es mit Abstand anhören – es ist ein Prozess. Es war sehr angenehm, mit Alexander Yannilos zusammenzuarbeiten. Er ist ein großartiger Partner im Produktionsprozess und hat selber super Ideen. Ich habe auch selber viel Input für Effekte, dafür ist er sehr offen und ein absoluter Fachmann. Nicht Auto-Tune, das würden wir nie machen. Die Vocals haben wir mit seinem guten Mikrophon und seiner wunderbaren Ausstattung im Studio Freifeld aufgenommen. Daniel und ich haben beim Mastering dann zuhause viel Lauscharbeit vorgenommen und die Aufnahmen immer wieder hin- & her gespielt. Da bin ich auch sehr dankbar für Daniels Geduld.

Daniel Aebi: Ich habe ja auch in meinen Jahren so einige Produktionen gemacht, wo ich Mischungen begleitet oder zum Teil selber gemischt habe. Da konnte ich ein bisschen Erfahrung einbringen.

Also es gab sehr viel Know-how, um da herumtüfteln zu können. Die Bandbreite der Reaktionen auf eure Musik ist wahrscheinlich sehr facettenreich.

Magdalena Hahnkamper: [lacht]

Wie ist so die Resonanz von der breiten Masse?

Daniel Aebi: Ich glaube von der breiten Masse kann man schonmal grundsätzlich nicht sprechen.

Magdalena Hahnkamper: Nein, noch nicht.

Daniel Aebi: Ja, noch nicht. Mich hat es wahnsinnig gefreut, auf YouTube völlig verstörte Reaktionen auf das Video zu „Papageier Playa“ bekommen. Das finde ich super, wenn die Kunst polarisiert. Wenn nicht alle nur finden, ja super, eh gut, sondern, dass man da ein bisschen aneckt, sich ins Bewusstsein drängt und Fragen aufwirft.

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„eS IST IMMER eine Suche nach Schönheit in all ihren Facetten“

Nina Feldgrill: Ich habe sehr lustig gefunden, dass ich von Leuten, von denen ich normalerweise nicht so viele Reaktionen kriege bewusst angeschrieben worden bin. VIBERQUEEN ist wirklich etwas, das extrem viele Leute sehr positiv anspricht. Ich habe sehr viele Nachrichten, vor allem zum Musikvideo, bekommen und zwar von Personen, die eigentlich nichts mit Musik zu tun haben, bis hin zu Leuten, die sehr viel damit zu tun haben. Es passiert wirklich laufend, oft werde ich einfach drauf angesprochen: „Hey, ich habe dich in dem Video gesehen, voll cool!“.

Cozy Friedel: Also hat es schon das Potential, eine große Bandbreite von Menschen anzusprechen.

Magdalena Hahnkamper: Man muss auch allen positiv ankreiden, dass die Band aus so tollen Musikern und Musikerinnen besteht, die super spielen und offen dafür sind, vor der Kamera Dino-Tatzen oder eine Dino-Maske anzuziehen.

Wie im Video zu „Papageier Playa“. Es ist total witzig. Die Kommentare auf YouTube dazu lauten zum Beispiel: „Ich habe ein paar Tage gebraucht, um es zu verarbeiten/verstehen, aber es wurde als banger klassifiert.“ Oder „Der Song wurde mir grad Random vorgeschlagen. Ich bin etwas verwirrt aber ich liebs“. Im Video seid ihr mit Schnauzer, im 90ies Hemd, mit Dino-Klauen und Taubenmaske zu sehen. Das spiegelt euren Mut zur Schönheit und zur Hässlichkeit wider. Was ist für euch das Spannende am Hässlich sein? Wobei „hässlich“ ein starkes Wort ist, weil das ist es ja nicht, sondern einfach schräg.

Magdalena Hahnkamper: Das ist ganz spannend: hier haben sich zwei Partner:innen von Bandmitgliedern geäußert. Mein Freund ”unterstellte” mir – im Positiven – einen “Mut zur Hässlichkeit”. Man ist auf der Bühne, trägt vielleicht eine gewisse Art von Outfit und bricht das mit Mimik und Gestik oder auch Stimmkunst komplett. Das Problem dabei: wenn jemand genau das nicht versteht, wird die Beschreibung vielleicht ernst genommen, und das wäre schade. Im Gegenteil: es ist immer eine Suche nach Schönheit in all ihren Facetten.

Daniel Aebi: Meine Frau meinte dazu, dass es Hässlichkeit nicht ganz trifft. Wir schauen nicht schiach aus, wir spielen auch nicht schiach. Es ist eher ein Mut zum Wahnsinn. Es sind halt ungewohnte Kombinationen und ausgefallene Sujets, sowohl musikalisch als auch visuell.

Ja, da stimme ich zu. Ändern wir die Frage: Was ist das Spannende für euch an dieser Schrägheit, diesem Wahnsinn? Wobei Wahnsinn auch ein starkes Wort ist, weil es nicht so wahnsinnig ist, dass man es nicht nehmen kann.

Daniel Aebi: Für manche schon. Anderer Kommentar auf YouTube: „Ich habe versucht, es wegzuklicken. Ging nicht.“ Spricht Bände.

Magdalena Hahnkamper: Wir leben in einer Gesellschaft, wo es irrsinnig viele Dogmen gibt dafür, wie man klingen soll, wie man ausschauen soll. Wahnsinnig viel Druck auch über Social Media und ich glaube, da hilft einem dieses Wort. Ein Hilfswort! Sozusagen: „Sind wir mal wahnsinnig alle“. Wir stehen auf der Bühne und machen gute Musik und ihr macht jetzt Tiergeräusche. Im Loop [Lokal in Wien; Anm.] haben wir einmal ein Megaphon herumgegeben und Call-and-Response mit Dada-Rap gemacht. Die Leute haben getanzt, wir haben uns alle sowohl auf der Bühne als auch im Publikum einfach die Haxen ausgefreut, einfach mal auszubrechen aus diesem “wir-müssen-so-und-so-sein”. Es geht auch darum, diesen spielerischen Zugang zu finden und zu leben.

“Ich finde es sehr toll, dass VIBERQUEEN sich traut, trotzig zu sein und frech, das kommt auch gut an, glaube ich. Ich als Quoten-Mann steh da voll dahinter”

Das beantwortet eine Frage, die ich noch gehabt hätte: warum dieses Dadaistische-Sprachkünstlerische im Zusammenhang mit Musik so viel Spaß macht.

Daniel Aebi: Ich könnte noch was dazu sagen. Ich habe ja auch eine musikalisch sehr breite Fächerung von Swing und Jazz bis Funk und spiele seit dreißig Jahren in einer Funkband, wo es eigentlich immer darum geht, das Publikum auf die Beine zu holen. Das ist eine völlig andere Musik. Was ich an der Magdalena so schätze, ist, dass sie es versteht, mitzureißen durch intelligente Texte und ausgefallene Performance-Ideen, und auf diese Art aus einem Konzert ein Happening zu machen. Ich finde das wahnsinnig bereichernd auch für meine musikalische Tätigkeit.

Magdalena Hahnkamper: Zum Thema Dada-Texte. Bei „Papageier Playa“ wollte ich einfach was schreiben, das groovt. Ich habe mir gedacht, man hört so viel im Radio und man könnte versuchen, einen Text zu schreiben, der als Straight-Ahead-Groove-Track wahrgenommen wird. Wenn man dann aber genau hinhört, denkt man sich: „Ah Moment, Padauz, hier geht’s wo anders lang, als ich es ursprünglich gedacht hab.“ Für die grauen Zellen eine Schocktherapie á la „oida was machts ihr da“.

Die Texte von VIBERQUEEN sind scheinbar unzusammenhängend. Ich finde das spiegelt ein bisschen wider, wie sinnbefreit die Gesellschaft manchmal handelt. Ihr seid feministisch, kapitalismus- und konsumkritisch, auch Politik kommt ein bisschen vor. Kann man sagen, dass das eure kleinsten gemeinsamen Nenner sind, neben Jazz? Ist diese gesellschaftskritische Haltung, etwas, das euch drive gibt?

Nina Feldgrill: Also ich glaube, dass wir alle schon sehr ähnlich gepolt sind in dem, wie wir politisch denken und in unseren Einstellungen zu vielen Themen. Ich glaube, sonst könnten wir das mit vielen Texten nicht so rüberbringen. Es ist auf jeden Fall eine Gemeinsamkeit, kann man sagen.

Cozy Friedel: Ja, ich stimme Nina auf jeden Fall zu, aber ich glaube, es ist nur ein Element. Es sind wahrscheinlich auch noch andere Dinge, zum Beispiel, dass wir alle gerne basteln, aus ungewöhnlichen Situationen etwas Neues machen, weil es sonst fad wird. Mit der Geige spiele ich sonst Melodien, deswegen finde ich es hier sehr anregend, auch andere Funktionen zu erfüllen.

Daniel Aebi: Ich habe mich immer ein bisschen dagegen verwehrt, in meinen musikalischen Projekten allzu politisch zu werden. Aber was hier sicher der gemeinsame Nenner ist, ist, dass es oft Satire und eine kunstvolle Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Phänomenen ist, da bin ich voll dabei. Was ich auch sagen muss, ich finde es super, in einer Frauenband mitzumachen, die nicht so feminin ist, wie das Klischee. Es kommt allzu oft vor, dass Frauenprojekte sehr brav daherkommen. Ich finde es sehr toll, dass VIBERQUEEN sich traut, trotzig zu sein und frech, das kommt auch gut an, glaube ich. Ich als Quoten-Mann steh da voll dahinter.

Was bedeutet euch Lady Gaga? Der Titel vom Album POP!ART! ist eine Referenz an ihr drittes Studioalbum. War das Absicht?

Magdalena Hahnkamper: Das war keine Absicht. Ich muss gestehen, ich komme mir manchmal vor, wie jemand, der hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen lebt. Oder in meinem eigenen Planetensystem mit sprechenden Dinosauriern und ein paar netten Leuten. Was unterbewusst passiert, weiß man natürlich nie. In einem Artikel wurde dann erwähnt, dass der Titel eine Referenz an Lady Gagas Album „Artpop“ ist. Ich habe das gelesen und dachte mir: „Ups, ahja, okay.“ Bewusst war das überhaupt nicht. Der Titel „ART!POP!“ kam einfach, weil wir lange überlegt haben, was das eigentlich für ein Stil ist.

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Cozy Friedel: Pop ist es auf jeden Fall, aber nicht purer Pop.

Magdalena Hahnkamper: „Art“, weil das künstlerische Element bei uns im Vordergrund steht. Die Hörerschaft soll ein bisschen verstehen, ein bisschen spüren, was auf sie zu kommt.

Aber gut, die Konnotation mit Lady Gaga ist ja keine Negative. Cool, dass ihr die gleiche Entscheidung getroffen habt wie Lady Gaga, sehr witzig! Arbeitet ihr schon an neuen Nummern?

Magdalena Hahnkamper: Ja. Wir haben schon mehr Programm als die drei Nummern vom Album. Zum Beispiel das satirische Reggaestück „Kanalsystemische Familientherapie“, da geht es um Wien. Oder „Feminismusen“, „Under Water“, „Papagei“, „Kosmos“. Es gibt neue Stücke, die richtig hart grooven, im kreativen Backrohr.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sophia Olesko

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VIBERQUEEN live

04.04.2024 Porgy & Bess Strenge Kammer, Wien

08-10.08.2024 Buskers Bern, Bern (CH)

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