FRIEDRICH CERHA feiert heute seinen 95. Geburtstag – dass es um den Doyen der Neuen Musik keineswegs ruhig wird, ist äußerst erfreulich. Bewundernswert erscheint dies angesichts der Tatsache, dass dieser Umstand nicht nur auf bereits bestehenden Werken beruht, die glücklicherweise ihren Weg ins Repertoire der führenden Ensembles gefunden haben, sondern auch darauf, dass Friedrich Cerha weiterhin aktiv ist. Tatsächlich existiert noch eine Reihe an Werken, die bisher weder verlegt sind noch aufgeführt wurden.
So etwa einige Lieder. Dass im letzten Jahr kaum Aufführungen möglich waren, haben der Bariton Wolfgang Holzmair und der Pianist Florian Müller auf Einladung des ORF zum Anlass für Aufnahmen genommen. Sie spannen einen Bogen vom frühen Zyklus „Ein Buch von der Minne“ (1946–1964) bis hin zu den 2014 entstandenen Liedern nach Texten von Ilija Jovanovic – und tragen die Hoffnung in sich, dass sie in absehbarer Zeit auch zur Aufführung gelangen können.
Die letzte Uraufführung liegt erst wenige Monate zurück: Das Klangforum Wien, dem Friedrich Cerha seit langem verbunden ist und das ihn als Ehrenmitglied aufgenommen hat, präsentierte letzten November im Rahmen von Wien Modern die Neufassung der „Mikrogramme“ dem interessierten Online-Publikum – ein Werk, dessen ursprüngliche Version 2017–2018 entstanden war. Zahlreiche seiner Geburtstagskonzerte müssen nun zwangsläufig verschoben – die Vorfreude darauf jedoch bleibt. Etwa auf den Festakt, den der ORF im RadioKulturhaus mit Ernst Kovacic, Walter Vogelmayr und der Webern Kammerphilharmonie für März vorgesehen hatte. Oder jenes im Musikverein, ebenfalls mit Ernst Kovacic und u. a. dem Klangforum Wien und dem Boulanger Trio (verschoben auf den 21. Juni 2021).
Wer sich intensiv mit den Werken des prägenden Komponisten auseinandersetzen möchte, sei auf den Herbst dieses Jahres verwiesen. Dann nämlich präsentiert das Archiv der Zeitgenossen an der Donau-Universität Krems, wo sich Cerhas Vorlass seit 2010 befindet, die aus einem umfassenden Forschungsprojekt hervorgehende interaktive Plattform „Friedrich Cerha Online“. Diese ermöglicht es, Musikhandschriften, (musikwissenschaftliche) Texte sowie zahlreiche weitere Archivalien zu sichten. Die Plattform sieht ihre Aufgabe allerdings nicht nur im Zugänglichmachen der Dokumente für die Wissenschaft, sondern auch in der „lebendigen Vermittlung“.
Ein Zugang, der Friedrich Cerha entgegenkommen dürfte, denn auch er selbst hat sich auf vielfältige Weise der Vermittlung Neuer Musik verschrieben und stets – anders als manche seiner Zeitgenossen – nachvollziehbare Klangsprachen gesucht und auch in unterschiedlichen stilistischen Ausprägungen gefunden. Dessen kann man sich derweil bei ZeitTon-Sendungen oder auch auf den etwa bei KAIROS erschienenen CDs vergewissern.
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