In den kommenden Wochen widmet sich mica-music austria der Film- und Medienmusik in Österreich. Zusammengestellt und geschrieben wurde die Serie von dem Komponisten und Vize-Präsidenten des Österreichischen Komponistenbundes Alexander Kukelka. Der erste Teil befasst sich mit der Geschichte der Film- und Medienmusik in Österreich von 1930 bis 1969.
1930 – 1945
Bis 1930 wurden in Österreich hauptsächlich Stummfilme hergestellt, da sowohl Kinos als auch Filmproduzenten noch nicht auf Tonfilmgeräte umgestellt hatten. Die ersten Kurztonfilme ausländischer Produktion erreichten Österreich am 8. Juni 1928, wo sie in der Wiener Urania mit großem Erfolg aufgeführt wurden. Diese Filme wurden nach dem Tri-Ergon-Verfahren der Erfinder Massolle, Vogt und Engel nach einem deutschen Lichttonverfahren aufgeführt. Der erste abendfüllende Tonfilm erreichte Österreich am 21. Jänner 1929 – im Wiener Central-Kino in der Taborstraße. Es war Alan Croslands „Der Jazzsänger“, welcher in den USA bereits am 23. Oktober 1927 premierte, und in Österreich unter dem Titel „Der Jazzsänger“ lief. Der Ton wurde synchron zum Film auf einer Schallplatte abgespielt.
Ab Anfang der 1930er-Jahre entstanden nach den ersten Gehversuchen mit den neuen Möglichkeiten des Tonfilms richtige Sing- und Musikfilme mit bekannten Sängern dieser Zeit. So erschien 1933 Abenteuer am Lido von Regisseur Richard Oswald mit den Sängern Alfred Piccaver, Nora Gregor und dem Komiker Szöke Szakall in den Hauptrollen. Der österreichische Musikfilm, wie er nach dem Zweiten Weltkrieg in zahlreichen Musikkomödien seine Fortsetzung fand, wurde in diesen Jahren geboren. Zwar war damit auch das Schicksal der Kinomusiker besiegelt, doch entstand mit dem Fach des Filmkomponisten ein neuer Beruf. Von diesen war der Deutsche Willy Schmidt-Gentner ein begehrter Vertreter, für den Wien zur zweiten Heimat wurde.
Zu den viel beschäftigten in- und ausländische Filmkomponisten in Österreich zählten: Frank Fox, Hans J. Salter, Franz Lehár, Paul Abraham, Jara Benes, Artur Guttmann, Hans May, Giuseppe Becce, Anton Profes, Eduard Künneke, Ralph Benatzky, Max Niederberger, Peter Kreuder, Michael Jary, August Pepöck, Heinz Sandauer, Hans Lang, Robert Katscher sowie die später in Hollywood erfolgreichen Robert Stolz, Bronislau Kaper und Walter Jurmann. Einige davon stammten aus dem Operettenfach, welches in den 1930er-Jahren in die Krise gekommen war.
Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland erlitt das Filmwesen aufgrund massiver Beschneidung der Meinungsfreiheit und Einführung einer strengen Zensur einen erneuten Rückschlag. Die Vertreibung und Tötung jüdischer, ausländischer und regimekritischer Bürger setzte ein, und nur Befürworter oder Anpassungswillige blieben zurück.
Das Filmschaffen zur Zeit des Nationalsozialismus in Österreich war von der Herstellung sogenannter Kultur- und Heimatfilme geprägt. Diese berichteten aus der Natur und vom ländlichen Leben. 60 solcher Filme wurden zwischen 1939 und 1944, als die letzte derartige Produktion entstand, produziert. Dem gegenüber stand die Produktion von rund 50 Spielfilmen. Bei diesen handelte es sich um scheinbar gewöhnliche Komödien oder Historienfilme aus dem alten Wien und dessen Musikwelt. Diese transportierten jedoch teils unterschwellig, teils offensichtlich, nationalsozialistisches Gedankengut mit sich.
Während der 1930er-Jahre wurde der spezifische Hollywood-Klang vor allem durch emigrierte europäische Komponisten geprägt. Nicht zuletzt vertriebene Komponisten aus dem deutschsprachigen Raum (vor allem Deutschland und Österreich) wie Max Steiner (King Kong und die weiße Frau), Bernhard Kaun (Frankenstein), Franz Waxman (Frankensteins Braut) oder Erich Wolfgang Korngold (Robin Hood, König der Vagabunden) leisteten wichtige Arbeit bei der Übertragung der wagnerschen Leitmotivtechnik auf die noch junge amerikanische Filmmusik. Korngold wie Steiner gehören zu den großen Golden Age-Komponisten (Der Schatz der Sierra Madre, King Kong). Auch Hugo Riesenfeld (* 26. Jänner 1879 in Wien; † 10. September 1939 in Los Angeles) war ein österreichisch-US-amerikanischer Filmkomponist. Als Kinodirektor begann er 1917 eigene Orchesterkompositionen für Stummfilme zu schreiben und war somit Mitbegründer der modernen Filmmusik, die eine der Handlung angemessene, eigene Komposition darstellt.
Bis 1945 war Österreich Bestandteil des nationalsozialistischen Deutschlands und existierte offiziell nicht. Die ehemals österreichische Filmindustrie war deutschen Anweisungen untergeordnet. Freies Filmschaffen existierte nicht. Die Produktionen bis 1945 sind jene, die auf dem Gebiet des nun „Ostmark“ heißenden Österreichs produziert wurden.
1945 – 1969
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Filmindustrie aufgrund der Kriegsfolgen wie Zerstörung, Armut und Hunger und der Auswirkungen des Nationalsozialismus nur sehr schleppend wieder ins Laufen. Zu den neu- und wiedergegründeten Filmgesellschaften zählen in Wien die Sascha-Film, die Belvedere-Film und die Neue Wiener Filmproduktionsgesellschaft, in Salzburg entstand 1947 die Österreichischen Filmgesellschaft m.b.H. (ÖFA), in Graz 1949 die Alpin-Film-Ausria und in Wels 1953 die Bergland-Film. Die einzige in den Jahren der Besatzung gegründete Filmgesellschaft, die auch heute noch Spielfilme herstellt, ist die 1954 gegründete Epo-Film.
Die größte Filmgesellschaft auf österreichischem Boden, die Wien-Film, wurde als „deutsches Eigentum“ von den Alliierten beschlagnahmt. Deren Filmstudios in Sievering und Schönbrunn sowie der Firmensitz fiel an die Amerikaner, das Unternehmen wurde unter gleichem Namen weitergeführt. Die Filmstudios Rosenhügel lagen in der sowjetischen Besatzungszone und wurden als Teil der USIA als „Wien-Film am Rosenhügel“ betrieben.
In der ersten Hälfte der 1950er-Jahre erlebten vor allem leichte Musik- und Reisekomödien ihren Höhepunkt. Von der Kritik abgelehnt und von den Intellektuellen belächelt, erreichten solche Filme jedoch große Akzeptanz unter der Bevölkerung. Wichtige Regisseure dieser Jahre waren Franz Antel, Alfred Stöger, Hubert Marischka, Harald Reinl, Gustav Ucicky, Hans Schott-Schöbinger, Alfred Lehner oder Alfons Stummer, wobei sie in der Regel keine ästhetischen Neuerungen durchsetzten, sondern für eher konventionelle Inszenierungen sorgten. Was die Wiener Produktionen nicht schafften, bewerkstelligte 1950 die britische Produktion „Der dritte Mann“. Der Agentenfilm mit seiner berühmten Zithermusik von Anton Karas machte diesen und Wien weltberühmt.
Neben Heimatfilmen und (musikalischen) Komödien erlebten auch Operettenverfilmungen Hochkonjunktur. Von 1950 bis 1954 entstanden jährlich zwei Operettenverfilmungen, in denen Werke von Edmund Eysler, Jara Benes, Leo Fall, Robert Stolz, Fred Raymond, Carl Zeller und Johann Strauß verarbeitet wurden. Die bekanntesten Darsteller dieser Filme waren Elfie Mayerhofer und Curd Jürgens in Küssen ist keine Sünd (1950), Paul Hörbiger in Der fidele Bauer (1951), Johannes Heesters und Waltraut Haas in Tanz ins Glück (1951) sowie Hannerl Matz in Saison in Salzburg (1952) und Die Perle von Tokay (1954). Auch Opern wurden verfilmt, so etwa Mozarts Don Juan (1955) mit Cesare Danova, Josef Meinrad und Marianne Schönauer. Der Film zeichnet sich auch durch eine hervorragende Kameraführung von Willi Sohm und Hannes Fuchs aus. 1953 versuchte Regisseur Ernst Marischka mit der Richard Tauber-Biografie Du bist die Welt für mich den Sängerfilm wiederzubeleben. Der Versuch wurde 1954 mit dem Zirkusfilm König der Manege fortgesetzt. Damalige Hörfunk- und Plattenstars wie Rudi Schuricke, Vico Torriani und Rudolf Schock sollten solche Filme bereichern.
Die ersten Nachkriegsfilme, die aus dem Einheitsbrei der Komödien und Operettenfilme hervorstachen, waren Herbert Veselys „Und die Kinder spielen so gern Soldaten“ (1951) nach Franz Kafka und „An diesen Abenden“ (1952) nach Trakl. Mit einer in Österreich bisher noch nie gesehenen Filmproduktion tauchte 1951 Wolfgang Kudrnofsky auf. Er produzierte eine 15-minütige Demontage von Edgar Allan Poes „Der Rabe“. 1955 folgte der erste, 16-minütige, Experimentalfilm von Ferry Radax, Peter Kubelka und Konrad Bayer: „Mosaik im Vertrauen“. Beliebtes Treff für die avantgardistische Kunstszene Wiens war in den 1950er-Jahren der „Art Club“, wo sich neben eben genannten auch alternative Filmschaffende wie Kurt Steinwender, Gerhard Rühm, Peppino Wieternik, Paul Kont und Wolfgang Hutter trafen.
1955 startete in Österreich der Probebetrieb des Fernsehens, welches es in Westdeutschland bereits gab. Eine neue Konkurrenz für das Kino zeichnete sich ab. Doch vorerst stiegen österreichweit die Kinobesuchszahlen noch. Lediglich in Wien sanken die Besucherzahlen bereits. Vorerst nur langsam, ab 1959 jedoch drastisch – wie auch im restlichen Österreich.
In den 1960er-Jahren versuchte man dem Besucherschwund in den Kinos mit der Internationalisierung des Films entgegenzutreten. Italienische, deutsche, französische und amerikanische Produktionsgesellschaften, Schauspieler und Regisseure wurden für Nachahmungen erfolgreicher ausländischer Produktionen, wie etwa den James Bond-Filmen, engagiert. An Stelle der Heimatfilme und Komödien blühte nun der Avantgardefilm mit Arbeiten von Peter Kubelka oder Kurt Kren auf, die heute internationale Wertschätzung genießen und zu den wesentlichen Werken dieses Genres zählen.