Peter Rehberg (Musiker sowie Co-Gründer und Betreiber des Musiklabels Mego) und Tina Frank (Graphic Designer und Visual Artist) im Gespräch mit Gerald Weber. (das Gespräch fand englisch/deutsch statt und ist in seiner ursprünglichen Form widergegeben.)
In dieser Interview-Reihe geht es ja um das Verhältnis von Musik (vorwiegend elektronischer Musik) und dem bewegten Bild. Ihr beide gehört ja gewissermaßen zu den Pionieren in diesem Bereich von abstrakten Videos in Verbindung mit elektronischer Musik, du Peter hast mit Ramon Bauer das Label Mego in den neunziger Jahren gegründet und du, Tina, hast schon sehr früh, ausgehend von deiner grafischen Tätigkeit, mit der Herstellung abstrakter Musikvideos begonnen. Eure Arbeit iii kann in diesem Kontext ja als eine der ersten betrachtet werden. Das war 1996. Von einer heutigen Perspektive ist das ja schon fast eine historische Dimension, es hat sich seit damals ja technisch sehr viel getan. Deshalb vielleicht zum Beginn mal die Frage nach den Anfängen: wie ist eure Kollaboration zustande gekommen und wie würdet ihr diese Periode retrospektiv einschätzen?
Tina Frank: Das ist ganz schon lange her und mir kommt vor, das war schon immer so. Seitdem Peter in Wien lebt, arbeiten wir eigentlich zusammen.
Peter Rehberg: I think the collaboration came on when Tina was heavily involved in Mego as graphic artist.
Tina Frank: … und ein ganz pragmatischer Grund schon davor war, dass wir beide auf Studiosuche waren. Mego war eben gegründet und ich hatte mich gerade als Grafikerin selbständig gemacht. Da war es fast selbstverständlich, dass wir etwas gemeinsam gesucht haben. Und wenn man schon gemeinsam einen Ort bezieht, dann überlegt man auch andere Dinge zusammen, die mit dieser Arbeit zu tun haben.
Du hast die Grafik für das Label Mego gemacht, das war sozusagen nahe liegend. Wann kam die Idee, daraus audiovisuelle Produkte, sprich „Musikvideos“ zu machen?
Peter Rehberg: That’s what you had to do! (lacht)
Tina Frank: Es gab einen Anruf, oder eine Mail, aber wahrscheinlich war es ein Fax, von MTV, die sagten, sie wollen unsere Musik spielen, aber sie brauchen dazu ein Video.
Peter Rehberg: …but never played it.
Tina Frank: Und wenn man schon Platten raus bringt und die natürlich verpackt mit einem Cover, braucht man auch Videos.
Peter Rehberg: Now this is all on youtube – it’s all very easy. But there was an idea that to sell records you need a video, and even though we were making abstract music we were still in a kind of mainstream business, or mainstream independet music business. So it was not naturely thought but somehow clear for us that we won’t make pop-videos because it was not pop music but that was the platform in the beginning. And then we found another platform and that was the idea of doing things live. But that came much later, when the technology allowed it to happen. So initially it was just promotional videos and those videos and films were actually not sold although we made a few video cassettes which were sent to people to say: „this is good stuff“.
Tina Frank: So im Sinne eines Gesamt-Packages, um das Verständnis und auch Gedankenwelt dieser Art der Musik zu transportieren.
Die live-acts kamen also erst später?
Peter Rehberg: In the beginning you could not really do live video because the computer technology was not developed.
Tina Frank: Wir machten schon so etwas wie „live visuals“ zu den Konzerten, etwa beim Love-Boat 1997 aber wir hatten dafür nur jede Menge VHS-Tapes, mit denen wir da hantierten.
Peter Rehberg: But the real „live video“-setting: two laptops, one video, one audio, that came much later, that was when the Apple G3 was coming out. That was the turning point. But then you could do music properly as well. Before that you could somehow, but it was all more or less just playing prepared files.
So for us that was end of 1998 to 1999. With the G3 you had enough processing power to create real-time video
Gehen wir aber noch mal einen Schritt zurück: iii ist eines eurer ersten Videos. Bemerkenswert daran ist, wie auch an den anderen frühen Stücken u.a. auch seine Kürze mit nur einer Minute Dauer. War das eine reine grafische Visualisierung eines Stücks, das in dieser kurzen Form bereits als Musiktrack existiert hat oder ist es ein Stück, das auch musikalisch erst in diesem Prozess – also gleichzeitig zur visuellen Ebene – entstand?
Tina Frank: Das Stück existierte bereits. Die Entscheidung für iii als ein nur einminütiges Musikstück war zum Teil auch in den technischen Limits, also der Rechenleistung der Computer begründet, aber es war sehr wohl auch eine ästhetische Entscheidung. Es gab die einzelnen Sounds, aus denen Peter das Musikstück bereits komponiert hatte und diese reinen raw-files, also die bits der Sounds wurden im Photoshop geöffnet und übersetzt in die schwarz-weiss-Struktur der visuellen Ebene. Daraus ergab sich dann das abstrakte Bild. Und dann kam noch die Verwendung der ovalen und runden Maske dazu.
Peter Rehberg: But in fact this track was chosen, because it was only one minute long. It took less space on the computer , to make a 5 minute video you would have needed a much bigger computer for that.
Tina Frank: But I don’t think it was only technical limitation to decide for that piece because in fact it was our second video – we did one before with General Magic where we edited already in „Premiere“. There were some other thoughts for using this one minute piece which came from the sound.
Deine Videos sind ja im Grunde auf sehr unterschiedliche Weise entstanden, neben den komponierten Tracks wie iii, entwickelte sich vieles auch aus Exzerpten von live acts, und darüber hinaus gab es auch Kompositionen, wo das Bild als Quelle für die Musik diente?
Tina Frank: Ja, wir haben eine Zeit lang, das waren allerdings nur einige Konzerte, mit einem Kinder-Zeichen- und Malprogramm experimentiert. Dieses Zeichenprogramm hat eigentlich selbst Sounds produziert, also etwa zum Pinsel gab es einen Ton oder zum Stempel einen anderen. Wir haben dieses Programm dann sozusagen aufgebrochen und eigene Sounds hineingestopft, also „eigene Pinsel“ kreiert und danach dieses veränderte Tool als Instrument benutzt. Letztlich habe ich eigentlich auf der Bühne dann eine dreiviertel Stunde lang gezeichnet und die Sounds, die dabei entstanden sind, waren wieder als Quelle für die Musiker vorhanden, um das als Material zu benutzen. Das war sozusagen eine Umkehrung vom bisherigen. Während normalerweise die Sounds in meine Visualisierungs-Umgebung einflossen und erst gewisse sichtbare Prozesse ermöglichten, war es in diesem Fall umgekehrt, dass die Sounds, die ich gezeichnet habe als Quellmaterial für die Komposition der Musik herhielten. Aber nicht mehr zurückflossen in die visuelle Gestaltung. Das waren damals drei oder vier Konzerte und daraus entstanden wiederum Videoveröffentlichungen, die danach unter dem Titel Kidds-Fuzz als Serie von Exzerpten aus diesen Konzerten destilliert wurden. Das war so 2002/2003.
Peter Rehberg: And then we started to do our own live-shows, which were totally improvised (in Den-Haag and Buenos Aires and other places). But that was the time when it really became easy to do real-time audio and video. Until the mid 2000 you could not get good enough computers. And then you just can turn on the laptop and say: „Here’s some video – here we go!“
War das auch für eure Arbeit ein großer Einschnitt, in dem Sinne, dass man sagte: „Ok, jetzt kann man wirklich ganz andere Dinge machen?“
Tina Frank: Das erkennt man aber generell ab 2003/2004 über die gesamte Visualisierungs-Szene, das ab diesem Moment „generated material“ oder „generated visuals“ sichtbar werden. Das ist wirklich ein deutlicher „software-generation gap.“
Peter Rehberg: Before it was more or less „file-manipulation“ and that was in fact the same with audio, maybe just a little bit earlier. And doing realtime, that was what everyones wants to do. Playing sound-files was kind of nice but it was a bit limited. And in fact it was not really live then, because then you just became a DJ playing sampled files.
Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen euch in diesen settings vorstellen, die ihr als „total improvisiert“ bezeichnet? Gab es da dennoch so etwas wie vorher besprochene Module oder Strukturen?
Peter Rehberg: If you play together for longer times you got to know what to do, accustomed to the other player’s work.
Tina Frank: Actually of course we had some kind of a board, some kind of a rough idea. And I mostly had of course some conceptional visual ideas and then we talked about it – sometimes just on the plane.
Peter Rehberg: I remember we once played in Buenos Aires, that was a long plane ride. But nevertheless Buenos Aires was very weird because we then ended up playing in a disco at a film festival. (lacht)
Tina Frank: Normally we were playing at electronic arts festivals or music festivals so that was really exceptional at that time.
Nochmals kurz zurück zu den „klassischen“ Videoarbeiten die du für Peter oder General Magic und andere gemacht hast, also jene Videos, die zu bereits existierenden Musikstücken geschaffen wurden (wie etwa glambox, aka, Vergence, chronomops, Starlight 1, oder andere). Gab es da visuelle Konzepte, die ihr im Vorfeld diskutiert habt im Zusammenhang mit der Musik oder lagen die Entscheidungen, wie das Video nun optisch oder grafisch aussah, ausschließlich bei dir?
Tina Frank: Peter war eigentlich bekannt dafür, dass er extreme und „harsche“ Sounds macht, die für ungeübte Ohren wirklich wehtun können, und daher sollte es von meiner Seite auch auf der visuellen Ebene entsprechend „harsch“ sein.
Die Entscheidung, wie dann aber so eine visuelle Übersetzung auszusehen hat, war das dann alleine eine Entscheidung von Tina?
Peter Rehberg: Tina was absolutely free to do what she wants. We never said: „no, you can’t do that“ but she always showed us what she was doing. I mean, we were in the same office, so we always could see what she was doing. It was a real collaboration.
Tina Frank: Es gab einfach so etwas wie ein prinzipielles Grundeinverständnis darüber, was man eigentlich erzählen möchte, und dadurch, dass man schon über mehrere Jahre gemeinsam gearbeitet und vieles auch gemeinsam erlebt hat, brauchte man auch nicht immer sonderlich viel darüber reden.
Und ist das bei anderen Musikern, mit denen du zusammengearbeitet hast, dann ähnlich gelaufen?
Tina Frank: Mit Florian Hecker ist es immer viel definierter, viel stringenter und viel definierter abgelaufen, wo man etwa schneidet oder einen break setzt. Da wurde generell anfangs mehr darüber gesprochen, wie man es konzeptionell oder inhaltlich angeht. Mit Peter war und ist das immer eher „free floating“ und improvisiert. Das sind auch die Hauptmusiker mit denen ich kontinuierlich zusammengearbeitet habe. Alle anderen Projekte waren fast mehr im Sinne eines klassischen Musikvideos als „Auftragsarbeiten“, etwa für Potuznik oder auch für Fennesz, wobei man „Auftragsarbeit“ hier nicht wirklich in einem kommerziellen Sinne verstehen darf. Aber da gab es dann auch Entwürfe oder Skizzen, die man besprach.
In der frühen Zeit eurer Zusammenarbeit, in der auch Fennesz und Radian und andere „gross“ geworden sind und diese Art der elektronische Musik fast „populär“ wurde, war Mego ja so etwas wie ein Kristallisationspunkt. Wie habt ihre diese Zeit erlebt und wie ist es zu diesen verschiedenen Kollaborationen gekommen, aus denen später ja auch fast so etwas wie ein „label“ mit den Austrian Abstracts bei der Diagonale, dem österreichischen Filmfestival wurde?
Peter Rehberg: That was kind of logical, I would say. Lots of those musicians were using laptops so the performance’s visual aspect was very boring – most people didn’t like the idea of just watching someone sitting behind his computer. So naturally the actual thing was to do some visuals. And at that time all the muscicians kind of knew people working in the visual domain or with film, so „why not let’s combine it and then it looks more interesting?“ But at the same time it was a very grey area because a lot of it was like – you know – all this electronic music – sometime it was the danger of becoming a backdrop to a DJ-set, which was nothing one wanted to do. So it was very important that the visuals and the audio were linked and that was done properly and correctly to avoid becoming a visual backdrop or wallpaper. So that was always the challenge to make it look like a concert situation. I think that was the main reason why all that happened.
Tina Frank: … and there are two other reasons, one was that Vienna was so small and there were only a few places where everybody was going out to, and one of them was the RHIZ and it did not matter whether you were a musician or visual artist or studying at one of the art universities. You just met there and listened to the same music and had a beer. And logicaly you startet talking about the things you just experienced and that was all felt as absolutely fresh and new. So there was already a vivid music scene that had just established itself on the „international market“ and visual artists studying at the Media Art class and other people coming in more like autodidacts like Lia or Michaela Schwentner, who wanted to do something with music. And they just started out by doing something, often not even on a – let’s say – „official“ level but in close relation to the musicians whom they were friends with.
Peter Rehberg: And that was exactly the time – we talked about it before – when the G3 came out and things became possible on a technical level. I mean, the idea of having visuals with music concerts did not start in the 90ies, that goes back to the 60ies with Velvet Undergouind and Warhol and all the industrial groups or Pink Floyd, or one can even think much further with the Magic Lantern shows which could go on forever. But suddenly in the mid 90ies there was a raise in affordable technology which made it possible to work both in audio and video not only on the same level but on the same instrument!
But that was then, now things are different again, nowadays the use of a laptop in music concerts is looked down as something rather old fashioned. And its all gone back to analog synthesizers. It’s always very interesting about technolgy: it’s never gonna be the latest. It can be the latest technology in a moment and then it’s gonna be used or abused by people creatively and then the next thing comes on out of that. When Apple or Sony or whoever invented the laptop they did not have people like musicians or abstract video makers in the primary marketing or business plan. But they got to make use of that technology.
And now it’s the time of re-analogization.
Weil das eben angesprochen wurde mit den Andy Warhol Performances mit Velvet Underground und dieser Idee einer Synaesthesie, die den Ton, das Bild und auch den Raum mit einschließt, als Erfahrungsraum. Diese Idee ist ja noch älter, wie Peter ja schon angesprochen hat. Und diese Idee prägt ja auch sehr diese abstrakten elektronischen Arbeiten, über die wir hier sprechen. Ist das etwas, was dieser Form inhärent ist? Oder anders herum: Verlangt die abstrakte Form danach, die Bedeutung des Raumes, die Art der Präsentation, die Gleichwertigkeit von Bild und Ton von vornherein mitzudenken?
Tina Frank: Die Problematik war, das die Performance der Musiker nicht gegeben werden konnte wie bei einem Rockkonzert, das allein auch durch die Bühnenshow der Musiker zu einem Gesamterlebnis wird. Daher war, wie schon angesprochen, der erste Schritt, dass man die Konzerte durch die Visualisierungen in ihrem Erlebnisfaktor „aufwertet“, gleichzeitig aber auch darauf zu achtet, dass das nicht flach bleibt, sondern der Raum selber ein Aktionsraum wird. Mego hat damals sehr früh und sehr schnell – etwa mit dem Mego-Loveboat oder mit Elektronika-Potent – begonnen, Events aus diesen Konzerten zu gestalten.
Peter Rehberg: Yeah, to make it all look a bit more interesting. Because it was abstract music and the visuals were abstract at all, the whole thing was very untouchy in some way. It was completly different to a rock concert. A rock band is quite limited because they can only do one thing, play their rock music. So they might be confronted with a bad sound and then the whole concert is a bad concert. Whereas with electronic music – because it is abstract – you could tweak things. And that’s also a reason why those things happened on various locations which not necessarily needed to be classical concert places but for example on boats. But that was also partly ironic: abstract music being played on a boat going up and down the danube. So the whole things was playing around with different ideas. And that makes it a bit more interesting because it was not only musicians performing and you have some egos on stage. The whole space and the surrounding was taken into account. And then there were the visuals. One could say that is all much more democratic in a way.
Die Reihe Filmmusikgespräche findet im Rahmen der Kooperation zwischen mica – music austria, sixpackfilm und Diagonale – Festival des österreichischen Films, statt.
Foto Tina Frank: Lukas Beck