„FESTIVALS MIT LICHT SIND FÜR ALLE RELEVANT“ – LEO BETTINELLI (Blockheide leuchtet) IM MICA INTERVIEW

Von 17. bis 20. August 2023 findet im Waldviertel das Festival BLOCKHEIDE LEUCHTET statt: Kurator LEO BETTINELLI hat einen Hintergrund in der zeitgenössischen Musik und stammt ursprünglich aus Argentinien. Im Gespräch mit Jürgen Plank erzählt BETTINELLI von den Besonderheiten eines Festivals für Licht und Musik, von der Verortung in der Nähe von Gmünd und der Vernetzung mit anderen Festivals in Niederösterreich.

Wie kam es zur Gründung des Festivals Blockheide leuchtet?

Leo Bettinelli: Ich komme aus der zeitgenössischen Musikszene und ich bin schon mein ganzes Leben lang Veranstalter. Ich habe Festivals in Buenos Aires, Berlin und Barcelona gemacht und in Wien das zeitgenössische Kunstfestival Niños Consentidos organisiert. Vor rund zehn Jahren bin ich in Österreich gelandet und seitdem beschäftige ich mich mit Lichtkunst. In ganz Europa habe ich bereits mit Lichtinstallationen gearbeitet. Vor 6 Jahren habe ich eine Förderung des Viertelfestivals bekommen, um eine Ausstellung meiner Werke im Naturpark Blockheide zu machen. Es war zu Beginn noch als kleines Projekt geplant, aber es hat mehr Aufmerksamkeit bekommen als erwartet und plötzlich hatten wir tausend Besucher:innen am Gelände. Das Festival hat gut funktioniert und dann haben wir entschieden, dass wir weiter machen. Seitdem arbeiten wir mit Bund, Gemeinde und dem Land zusammen.

Wieso bist du von der Musik zum Licht gewechselt?

Leo Bettinelli: Ich habe mich einfach mit Licht beschäftigt, das macht viel Spaß. Für mich war das ein interessanter Wandel, denn mit Musik habe ich mich intellektuell beschäftigt, ich habe einfach begonnen die Lichtinstallationen zu bauen. So habe ich auch ein anderes Publikum erreicht. Mittlerweile baue ich Lichtinstallationen, die richtig groß sind und ich bin bei Festivals dabei, die von hunderttausenden Menschen besucht werden.

„DIE MUSIKER:INNEN BESUCHEN DIE VERSCHIEDENEN LICHTINSTALLATIONEN UND SPIELEN ÜBERALL AM GELÄNDE“

Inwiefern ist Musik Teil von Blockheide leuchtet?

Leo Bettinelli: Musik ist ein großer Teil des Festivals. Wir arbeiten nur mit akustischer Musik und mit außergewöhnlichen Instrumenten. Außerdem mit zeitgenössischer Musik und mit improvisierter Musik. Für uns ist wichtig, dass die Musik ruhig ist, wir wollen keine Bühnen haben, sondern alle Musiker:innen sind ständig in Bewegung. Die Musiker:innen besuchen die verschiedenen Lichtinstallationen und spielen überall am Gelände. Und ein wichtiger Teil sind auch die Improvisationen der Performer:innen. Sie treffen einander am Weg und so entstehen performative Improvisationen. Unser Ziel ist, dass das Publikum nicht zum Festival kommt, sich hinsetzt und konsumiert, sondern dass es sich auch bewegt und seinen eigenen Weg findet, um eine wunderschöne Erfahrung zu machen.

Bild Leo Bettinelli
Bild (c) Leo Bettinelli

Du hast von außergewöhnlichen Instrumenten gesprochen. Welche besonderen Instrumente sind heuer in Verwendung?

Leo Bettinelli: Zum Beispiel Didgeridoo oder Handpan, das sind Instrumente, die die Leute am Land vielleicht nicht so gut kennen. Oder wir haben alte Instrumente wie eine Drehleier, aber auch ganz normale Instrumente wie Klarinette, Bass, Trompete oder Kontrabass. Die werden aber nicht konventionell gespielt, sondern von Musiker:innen, die aus der improvisierenden Musikszene kommen.

Welche Musiker:innen hast du für das heurige Festival eingeladen?

Leo Bettinelli: Dieses Jahr spielt Elisabeth Kelvin an der Bassklarinette, sie kommt aus Australien und wohnt in Wien. Außerdem die Sängerin Vera Baumann aus der Schweiz, Marcel Hutter spielt Handpan und Brigitte Lienbacher spielt interessante Instrumente wie die Lyra, Hackbrett und die Shruti-Box. Eva-Maria Karbacher aus der Schweiz wird Saxofon spielen. Das Festival dauert vier Tage und wir haben zwei verschiedene Programme: am Donnerstag und Freitag bzw. am Samstag und Sonntag. Wer uns zwei Mal besuchen möchte, kann also zwei verschiedene Programme sehen.

Spielen die Musiker:innen während die Lichtinstallationen gezeigt werden?

Leo Bettinelli: Genau. Das Gelände ist von 20 bis 24 Uhr geöffnet und die Performer:innen sind zwischen 21 und 23 Uhr aktiv. Sie spielen an den einzelnen Stationen. Es gibt verschiedene Performer:innen, etwa von Aka Frantschesko von der Performance-Gruppe Slow Forward. Er ist the slowest man in the world und bewegt sich ganz langsam. Eine Gruppe aus England wird mit in der Hand gehaltenen Lichtobjekten eine Performance machen. Und am Lagerfeuer gibt es auch einen Geschichtenerzähler.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

„DURCH DAS FESTIVAL KOMMEN DIE MENSCHEN IN DIE NATUR, ERLEBEN DIE NATUR UND RESPEKTIEREN SIE“

Licht ist der Kontrapunkt zur Nacht und zu viel Licht stört natürlich die Natur, etwa die Insekten, Stichwort Lichtverschmutzung. Wie würdest du diesen Aspekt im Zusammenhang mit Blockheide leuchtet sehen?

Leo Bettinelli: Einige wenige Menschen kritisieren unser Festival, für uns kann ich sagen: Ein Jazz-Festival ist für Menschen, die Jazz lieben, und ein Rock-Festival für andere, die Rock lieben. Festivals mit Licht sind für alle relevant. Das können alle genießen, auch Familien mit kleinen Kindern, bis hin zu den Großeltern.

In Bezug auf den Umweltschutz: wir passen auf den Naturpark sehr gut auf. Wir bespielen zwar den Abend, aber es gibt keinen Tanz und keine Lautsprecher. Durch das Festival kommen die Menschen in die Natur, erleben die Natur und respektieren sie. Der Naturpark Blockheide ist ein rund 200 Hektar großes Naturschutzgebiet, wir verwenden davon nur rund 10 Hektar. Auch tagsüber kommen Menschen hierher, die Natur dort kennt die Situation, dass viele Menschen unterwegs sind. Wir stören die Natur also nicht durch unser Festival.

Wir werden uns in Zukunft noch mehr mit Naturschutz beschäftigen und das Festival als Plattform dafür verwenden. Viele Menschen kommen zur Blockheide, weil es dort wunderschön ist, diese Menschen wollen wir in Zukunft über Umweltschutz informieren.

Im Pressetext steht zu lesen, dass euch die Verortung in der Region Waldviertel wichtig ist und dass es Verbindung zu anderen Festivals wie etwa dem Schrammelklang gibt. Welche Verknüpfungen bestehen?

Leo Bettinelli: Für uns ist das Schrammelklang-Festival eine große Inspiration, weil es die Naturkulisse für die Performances verwendet. Im nördlichen Waldviertel gibt es mehrere relevante Festivals. Waldviertel Tourismus hat heuer eine Kampagne für alle Festivals in der Region begonnen, immer mit dem Fokus auf Natur- und Umweltschutz. Das Waldviertel ist zwar eine etwas marginalisierte Region und die Menschen kommen nur zum Urlaub und haben ein wenig Angst davor, dass es kalt sein könnte, aber im Sommer passiert hier sehr viel. So wurde ein cooles Netzwerk mit den anderen Festivals aufgebaut.

Bild Blockheide leuchtet 2020
Blockheide leuchtet 2020 (c) Andreas Biedermann

„WIR ARBEITEN MIT PROJEKTIONEN UND ILLUSIONEN, DIE MAN MIT LICHT ERZEUGEN KANN“

Gibt es für dich ein Highlight, im wahrsten Sinne des Wortes, aus den ersten Jahren von Blockheide leuchtet?

Leo Bettinelli: Das kann ich nicht sagen. Wir haben zwischen 16 und 18 Stationen, kleine, mittelgroße und ganz große Stationen und es ist jedes Jahr etwas Besonderes dabei. Sehr cool ist bei Lichtinstallationen, dass sie sehr vielfältig sind. Wir arbeiten mit Projektionen und Illusionen, die man mit Licht erzeugen kann. Heuer kommt ein Künstler aus England, der mit ganz schnell blinkendem Licht arbeitet, das Blinken ist für das Auge unsichtbar. Kombiniert mit Seilen, die sich schnell bewegen und man kann auf die Seile projizierte Farben sehen.

Was ist noch geplant?

Leo Bettinelli: Die Künstler:innengruppe RaumZeitPiraten aus Deutschland baut vor Ort eine Lichtinstallation mit Sachen, die sie gerettet haben: viele Recycling-Objekte, etwa bei Motoren oder Sensoren, die auf die Bewegungen der Menschen reagieren. Langfristig möchten wir, dass die Künstler:innen etwas mit Bezug zu unserer Location kreieren, ähnlich wie artists in residence.

Welche Rückmeldungen habt ihr in den letzten Jahren vom Publikum bekommen?

Leo Bettinelli: Großartige! Die Menschen freuen sich total, es ist ganz besonders, weil es vor allem am Land nicht viel in diese Richtung gibt. In den letzten Jahren haben wir viele Menschen kennengelernt, die das Festival unbedingt besuchen wollten. Es ist nicht mehr regional, die Besucher:innen kommen aus ganz Österreich und auch aus den Nachbarländern.

Welche Unterschiede hast du als Veranstalter zwischen Argentinien, Spanien und Österreich festgestellt?

Leo Bettinelli: Als Veranstalter kann man in Österreich ein Festival mit guten finanziellen Rahmenbedingungen organisieren und veranstalten. Es ist in Buenos Aires und Barcelona sehr schwierig Förderungen zu bekommen, außer man ist im Mainstream unterwegs. Als ich in Österreich begonnen habe, habe ich meine Festivals fast ohne finanzielle Mittel gemacht. Bei Blockheide leuchtet hatten wir zuerst eine Förderung vom Viertelfestival und seitdem von nationalen und internationalen Institutionen. Das ist für mich als Veranstalter der große Unterschied, den hier viele nicht sehen: obwohl alle Künstler:innen unterbezahlt sind, ist die Situation im Vergleich zu anderen Ländern hier sehr privilegiert.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

++++

Blockheide leuchtet
17.8. – 20.8.
Naturpark Blockheide
Gmünd – Waldviertel

++++

Links:
Blockheide leuchtet
Blockheide leuchtet (Facebook)
Blockheide leuchtet (Instagram)