„SOLANGE ES MUSIK GIBT, WIRD ES TECHNO GEBEN […]“ – FELIX BENEDIKT (ALPHA TRACKS) IM MICA-INTERVIEW

Dass sich Techno in Rückbezug auf seine Geschichte weiterentwickeln lässt und deshalb noch lange nicht an sein Ende gekommen ist, beweist der Wiener FELIX BENEDIKT mit seinem Projekt ALPHA TRACKS. Groß geworden unter den Fittichen des Labels „Cheap“, das unter Eingeschworenen als Aushängeschild der frühen lokalen Techno-Szene gehandelt wird, ist FELIX BENEDIKT schon seit Jahren als DJ FAILIX in der Clubszene aktiv. Seit einiger Zeit bringt er als ALPHA TRACKS selbst Platten heraus und schreibt dabei die Geschichte des Wiener Techno weiter. Es sind ein gewisser Hang zur Nostalgie, die Liebe zu den analogen Maschinen und der bewusst referenzielle Unterton, die seinen Sound von anderen unterscheiden. Dabei klingt der frühe Techno der 90er-Jahre-Raves durch, der Elemente des Trance integriert und dabei nicht vor melodisch-verspielten Parts zurückschreckt. Das Resultat ist hart, schnell und irisierend. Worauf es ihm in seiner Arbeit ankommt, erklärte der Produzent in einem Gespräch mit Shilla Strelka. 

Du beschäftigst dich seit vielen Jahren mehr oder weniger konstant mit Techno. Mit vierzehn Jahren hast du begonnen aufzulegen, seit einiger Zeit hostest du den Club Technoland, arbeitest im Tongues – einem Plattenladen, der auf Clubmusik spezialisiert ist – und produzierst vor allem auch selbst als Alpha Tracks. Wie hat das alles seinen Anfang genommen?

Felix Benedikt: Ich bin in der Wiener Burggasse aufgewachsen und mein täglicher Schulweg führte durch das MuseumsQuartier, das damals gerade neu aufgesperrt hat. Im Quartier 21, das zu jener Zeit noch eine unbelebte Zone war, sind einfach nur Couches herumgestanden. Damals gab es dort nur den Johannes Grenzfurthner mit monochrom, und einen kleinen Plattenladen von Erdem Tunakan und Herbert Gollini, den Urgesteinen von „Cheap Records“. Patrick Pulsinger [der Mitbegründer des Labels „Cheap“; Anm.] hat sich zu dieser Zeit bereits zurückgezogen. Lustigerweise bin ich damals in den Shop hineinspaziert, um Erdem zu fragen, ob er etwas von Kruder & Dorfmeister hat. So haben wir uns kennengelernt. Ich habe dort einfach extrem viel Zeit verbracht und zwei Jahre später habe ich dann begonnen, dort zu arbeiten. Eingestiegen bin ich zwar mit Drum ‘n’ Bass, aber dort wurden mir dann die richtig guten Platten in die Hand gedrückt. Am Ende haben sie mich bekehrt und Drum‘n’Bass war zwei Jahre später sowieso wieder vorbei. Mit fünfzehn habe ich dann meine Plattenspieler bekommen und ein Jahr später haben sie mir auch schon die ersten Gigs organisiert. Als ich dann mit der Schule fertig war, gab es die ersten Versuche, selbst Musik zu machen. Ich hatte damals ein Studio gemeinsam mit Nino [Stelzl; Anm.] und Mike [Inzinger; Anm.] im 17. Bezirk, im Keller eines Männerwohnheims.

2015 kam mit „Gelb“ dann Ihre erste Platte als Alpha 3 auf „Morbid“ heraus.

Felix Benedikt: Genau. Nach einem gescheiterten Versuch und einigen Jahren der Selbstfindung habe ich am Ende doch wieder zur Musik zurückgefunden und mit Mike und Nino die erste Platte gemacht, was lustig war, weil wir drei die Original-Fraktion aus meiner Teenagerzeit waren. Abgesehen von Nino und Mike hat mich Erdem Tunakan vom ersten Moment an begleitet. Wir hatten über die ganzen Jahre hinweg immer eine enge Freundschaft. Als dann die ersten Tracks fertig waren und der Plan war, diese auch zu releasen, kam die Idee mit „Morbid“, dem seit 1993 existierenden Sublabel von „Cheap“, auf. Dieses Label wurde immer ziemlich stiefmütterlich behandelt. Da sind Releases erschienen, die für „Cheap“ nicht ganz gepasst haben. Wenn man sich die Sachen retrospektiv anhört, sind das aber wirklich super Platten. Wir haben also gesagt, wenn wir einen Relaunch machen, dann mit diesem Label. Das ist auch mit dem Hintergedanken passiert, dass die Leute dieses Label überhaupt nicht kennen. Es scheint neu zu sein, aber sobald man sich genauer damit beschäftigt, kommt man drauf, dass da mit “Cheap” eine Sache dranhängt, die nicht nur interessant, sondern meiner Meinung nach der wichtigste Beitrag zum Wiener Techno ist.

Du bist ja quasi in die „Cheap“-Familie hineingewachsen, trotz des Altersunterschieds. Wie war das, als „Morbid“ extra für dich relauncht wurde?

Felix Benedikt: Ich finde diese Aura, die über „Morbid“ hängt, spannend. Es waren die Releases, die sogar für “Cheap” zu speziell waren. „Cheap“ war zwar immer innovativ, progressiv und auf eine Art auch Underground, aber trotzdem war es ein funktionierendes Ding, mit erfolgreichen Acts und hohen Auflagen. „Morbid“ war das nie. In Zeiten, wo mit Platten überhaupt kein Geld mehr zu verdienen ist und man froh sein muss, wenn man 500 Stück verkaufen kann, ist alles, was die Produktion betrifft, nur mehr Liebhaberei. Und „Morbid“ war immer nur Liebhaberei. Da steckt kein wirtschaftlicher Gedanke dahinter. Damals wie heute nicht. Dieser Spirit ist sehr zeitgemäß, wenn es um das Produzieren von Platten geht.

„[…] MAN HÖRT SEHR WOHL HERAUS, OB JEMAND AN MASCHINEN PRODUZIERT“

Warum sind dir Kollaborationen so wichtig?

Felix Benedikt: Erstens, weil es viel mehr Spaß macht, mit mehreren Personen Musik zu machen, und zweitens, weil der beste Part am Arbeiten mit Maschinen ist, dass man verschiedene Stationen hat, an denen Leute Sachen machen können. Man sitzt nicht vor einem Bildschirm. Mir ist diese ganze Analog-versus-digital-Diskussion viel zu blöd, aber der Unterschied spiegelt sich definitiv in der Arbeitsweise wider und an der hört man sehr wohl heraus, ob jemand an Maschinen produziert. Unser ganzes Studio ist darauf ausgelegt, dass man gemeinsam Musik macht und dementsprechend habe ich mit meinen Freunden und Gastmusikern (z.B. Hanno Schnegg, Mike Inzinger, Nino Stelzl oder Dominik Sottner) einen super Modus gefunden: Sie kommen ins Studio, wir nehmen gemeinsam Jams auf, die ich dann im Computer habe. Anschließend überarbeite ich sie und baue aus diesen Jams fertige Tracks zusammen.

Was für Equipment verwendest du?

Felix Benedikt: Analoges Equipment aus sämtlichen Jahrzehnten. Klassiker sind auch dabei. Aber darum geht es nicht. Ich bin kein Technikfetischist.

Ich finde, das hat schon Relevanz, weil vieles an deiner Ästhetik an die der frühen 90er-Raves erinnert. Manchmal kommt es mir auch so vor, als meintest du bestimmte Parts ironisch. Die klingen dann schon fast wie die Love-Parade-Tracks aus der frühen Phase. Das hat schon etwas mit den Maschinen zu tun und der Tatsache, dass du die typischen Acid-Synths verwendest.

Felix Benedikt: Ja, auf jeden Fall. Dass es nostalgisch klingt, kommt natürlich daher, dass wir genau die gleichen Maschinen verwenden wie in den 90er-Jahren. Das mit der Ironie stimmt auch, weil ich in meinem Austausch mit den Techno-Altvätern hier im Studio und im Plattenladen primär den Eindruck vermittelt bekomme, dass die Techno-Gründerzeit vorbei ist und dass alles, was danach kommt, nicht mehr an das Original anschließen kann. Natürlich empfinde ich die Gründerzeit aus zweiter Hand auch als großartig und enorm wichtig. Aber das Konzept von Techno ist stärker, als dass es nur zehn Jahre lang cool sein kann. Ich glaube an Techno. Solange es Musik gibt, wird es Techno geben, weil es formal gesehen eine so starke Idee ist. Sie ist zu einfach, zu archaisch und somit viel zu universell, als dass sie nur zwischen 1991 und 1998 relevant gewesen sein könnte.

„WIR SOLLTEN DIESER REFERENZIELLEN PHASE EINEN HÖHEREN STELLENWERT EINRÄUMEN UND UNS VON DEM GEDANKEN DISTANZIEREN, DASS DAS ORIGINAL DAS EINZIG WAHRE IST.“

In Mikrogenres entwickelt sich Techno nach wie vor weiter. Auch wenn du nicht mehr die gleiche Freiheit hast wie damals, als das Genre erst definiert wurde. Es stellt sich die Frage, woran sich das Innovative heutzutage festmachen lässt. Jemand, der sich nicht mit Techno auskennt, reduziert ihn ja oft auf den geraden Beat. Und dann fällt es schwer, zu differenzieren. Es entwickeln sich auch oft Klangfetische, die ein gewisses progressives Moment einbringen wollen.

Felix Benedikt: Ja, es ist eine Tatsache, dass in den letzten 15 Jahren nicht mehr die gleiche Innovation stattgefunden hat wie in der Gründerzeit. Jetzt tauchen wir meiner Meinung nach aber in die referenzielle Phase ein. Wir sollten dieser referenziellen Phase einen höheren Stellenwert einräumen und uns von dem Gedanken distanzieren, dass das Original das einzig Wahre ist. Stattdessen sollte man in der Referenz die Qualitäten herauslesen, die dem Original wiederum die Möglichkeit geben, in Bewegung zu bleiben und sich weiterzuentwickeln. Und wenn Sie von Ironie sprechen, dann schmeichelt mir das sehr, weil es ganz bewusst gesetzte Zitate sind, durch die ich unterstreichen will, dass die Referenz und ihre Art der Einbindung für sich stehende Aussagen sein können, ohne dabei entweder pure Nostalgie oder unreflektierte Wiederholung zu sein.

Wie wichtig ist es also, die Geschichte des Genres zu kennen?

Felix Benedikt: Ich kann auf der einen Seite dem Gedanken etwas abgewinnen, dass man sich Techno mit völliger Unbeholfenheit annähert und einfach mal schaut, was dabei herauskommt, was auch das Argument unterstützen würde, dass Techno formal gesehen an keine Zeit gebunden ist, weil das Prinzip so einfach ist: gerade Kick, bisschen Beats, ein wenig Synth – das funktioniert doch immer, auch wenn man noch nie Techno gehört hat. Aber was den referentiellen Aspekt betrifft, ist es schon so, dass man erkennt, auf welcher Ebene die Auseinandersetzung stattgefunden hat.

Gibt es für dich so etwas wie einen authentischen Moment im Techno? Der Begriff ist generell schwierig, aber ich frage mich trotzdem, ob man durchhört, wenn etwas rein funktional ist bzw. für einen bestimmten Zweck produziert wurde, was man dem Genre ja gerne vorwirft.

Felix Benedikt: Ja, den Moment gibt es. Aber der ist zu speziell, um ihn zu beschreiben. Irgendwas passt da einfach. Ich führe das teilweise auf die Technologie, auf die Produktionsweise und natürlich auch auf die Institutionen zurück, aus denen es herauswächst. Das ist ja alles irgendwie ein Ding.

Gerade bei Techno ist der (Club-)Raum ja sehr wichtig. Welche Orte gibt es in Wien, die das vorantreiben? Wo Techno hinpasst und der Kontext auch Sinn macht?

Felix Benedikt: In Wien gibt es für mich nicht wirklich die klassischen Techno Räumlichkeiten. So einen Raum zu schaffen oder zu finden, ist natürlich eine Idee, die im Raum steht, aber nicht für mich, weil ich doch zu sehr an meinem regelmäßigen Studioleben hänge. Regelmäßiges Veranstalten ist ein Fulltime-Job.

Du hast mit Technoland eine eigene Veranstaltungsreihe initiiert, die ab Oktober im rhiz stattfinden wird. Kannst du mir etwas darüber erzählen?

Felix Benedikt: Technoland ist vor circa drei Jahren aus Elektroland herausgewachsen, eine Veranstaltung, die Tobias Lintl aka Binär seit 15 Jahren macht. Die Veranstaltung heißt zwar Elektroland, weil er sie im Elektro Gönner gestartet hat, aber eigentlich spielt man dort nie Electro, sondern immer nur Techno. Irgendwann habe ich vorgeschlagen, dass wir die Sache jetzt, wo die Veranstaltung nicht mehr im Elektro Gönner stattfindet, doch gleich beim Namen nennen können und Technoland daraus machen. Das Schöne ist, dass das Prinzip auf alles anwendbar ist. Es gab auch mal ein Houseland. An Tranceland arbeiten wir. Die Veranstaltung war schon immer so eine Art Stammtisch unserer kleinen Wiener Techno-Szene. Diesen Stammtisch verlegen wir ab Herbst ins rhiz. Das Motto lautet: „Freie Spende, heimische DJs, härterer und schnellerer Sound!“

Es gab in der Frühphase von Techno ein Versprechen, dass dieser den Clubraum demokratisiert, partizipativ ist und Gemeinschaftlichkeit bzw. die Community zu einem zentralen Thema macht. Hast du das Gefühl, dass Techno nach wie vor eine politische Seite hat? Oder ist das mittlerweile nicht mehr der Fall? Spielt das für dich eine Rolle?

Felix Benedikt: Nein, das spielt für mich keine Rolle. Ich glaube, dass die politische Rolle, die Techno völlig verdient für sich beanspruchen kann, aus konkreten politischen Ereignissen der damaligen Zeit resultierte. Heutzutage sind die politischen Bedingungen so anders … Ich glaube nicht, dass ich das so übersetzen kann. Aber den Gedanken der Gemeinschaft und des Demokratisierenden, dass alle Leute gleich sind, den finde ich spätestens am Dancefloor wieder. Das heißt, nachdem ich mich zwei Stunden durch eine Schlange gekämpft habe, bei der nur die Coolsten durchkommen …Berlin style…..

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Shila Strelka

Links:
Alpha Tracks (Soundcloud)
Cheap Records
Morbid Records