„FEHLER MACHEN OFT DEN CHARME AUS” – Axl Vers und Maurice Rautière (:AEXATTACK) IM MICA-INTERVIEW

Die Indie-Rocker von :AEXATTACK haben soeben ihr drittes Album veröffentlicht. Auf dem selbstbetiteltem Werk finden sich neun Songs voller waghalsiger Gitarrenlicks, aufgeladener Rhythmen, zerrender Synths und mitreißender Hooks. Clemens Engert sprach mit AXL VERS (Gesang & Gitarre) und MAURICE RAUTIÈRE (Drums) über Selbstbestimmtheit, das Schreiben von Songtexten in Zeiten der Pandemie und den Grund, warum Musik alle Rätsel löst.

Ihr bezeichnet euer neues Album als „Ergebnis eines Werks aus einem Jahrzehnt kompromissloser Detailarbeit“ – begleiten euch diese Songs schon so lange?

Axl Vers: Es sind weniger diese spezifischen Songs, die uns schon so lange begleiten, sondern eher diese Art von Musik. Die Songs sind eigentlich alle sehr spontan und natürlich entstanden – wir hatten vorher kein großes Konzept. Tatsächlich haben wir die Tracks, die auf dem neuen Album sind, genau am selben Tag im September 2019 fertiggestellt, als unser zweites Album erschienen ist. Davor waren wir vierzehn Tage in Graz im Studio, um alles aufzunehmen. Das Studio wurde uns von einem Freund der Band für diese Zeit zur Verfügung gestellt. Wir haben uns ein bisschen wie Kinder gefühlt, die sich zwei Wochen lang in einem Zimmer voller Spielzeug austoben dürfen.

Für viele Bands ist das dritte Album das schwierigste. Bei euch scheint das komplett anders gewesen zu sein.

Axl Vers: Ja, zwischen dem ersten und dem zweiten Album haben wir vier Jahre gebraucht, um unsere ideale Formation zu finden. Als wir dann als Band wirklich funktioniert haben, ist es uns relativ leicht gefallen, gleich noch ein Album nachzulegen.

Maurice Rautière: Sobald wir alle gemeinsam in einem Raum sind und Musik machen, geht es eigentlich relativ flott mit dem Songwriting. Wir verstehen uns einfach auf der musikalischen Ebene sehr gut und sind super eingespielt.

Axl Vers: Genau, und dabei ist es eigentlich gar nicht so wichtig, wer mit einer Idee kommt. Es gibt nämlich ganz sicher immer einen anderen, der den Ball aufnimmt und zurückspielt – im besten Fall mit einem gewissen Effet [lacht]. So schaffen wir es meistens ziemlich schnell, dass aus einer einzelnen Idee eine gemeinsame Vision wird.

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Ihr sagt über das Album: „self-titled bedeutet in diesem Fall selbst-bestimmt“. Was meint ihr damit genau?

Axl Vers: Damit ist vor allem gemeint, dass wir wieder auf unserem eigenen Label [Anm.: SISSI Records] sind und kompromisslos alles in Eigenregie durchgezogen haben. Das Album ist auch deswegen selbstbetitelt, weil wir das Gefühl haben, dass wir nach all den Jahren nun ein Kapitel in der Geschichte von :aexattack auf den Punkt gebracht haben.

Maurice Rautière: Wir haben dieses Mal von der Entstehung der Songs über die Produktion bis hin zu Merchandise, Artwork oder Bandfotos wirklich alles selbst gemacht. Das ist auf eine gewisse Weise Fluch und Segen zugleich.

Inwiefern?

Maurice Rautière: Auf der einen Seite ist man unabhängig und hat alles selbst in der Hand – auf der anderen Seite ist es manchmal schwierig, weil man dazu neigt, mit sich selbst nie zufrieden zu sein. Es fühlt sich aber eigentlich schon okay an, so wie es jetzt gerade ist.

Die Texte auf dem neuen Album beschäftigen sich vor allem mit der Thematik von Beziehungen. Sind alle Texte von persönlichen Erfahrungen inspiriert oder gibt es auch fiktionale Szenarien?

Axl Vers: Die Entstehung der Texte für das neue Album wurde eigentlich auch ein bisschen von der Pandemie beeinflusst. Die Texte sind nämlich durchaus von realen Momenten inspiriert, zu denen ich mir anschließend auf meinem Handy eine Notiz mache und sie später ausformuliere. Da es allerdings während der Pandemie weniger zu erleben gab als normalerweise, habe ich die Ideen halt aus Momenten und Gegebenheiten geschöpft, die vor Corona passiert sind.

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Englischsprachige Bands haben es in Österreich manchmal etwas schwerer als Bands, die auf Deutsch singen. Habt ihr nie überlegt, auf Deutsch zu singen?

Axl Vers: Für mich war es eigentlich von vornherein ein ganz natürlicher Zugang, auf Englisch zu singen – es hat sich eigentlich immer am authentischsten angefühlt.

Maurice Rautière: Wir sind halt auch alle hauptsächlich mit englischsprachigem Indie Rock oder Punk aufgewachsen. Da entwickelt man wohl dann automatisch einen Bezug. Wir haben aber auch schon mal einen Song auf Deutsch aufgenommen, und zwar ein Cover von „Roter Stern Silberstern“.

Wie wurdet ihr musikalisch sozialisiert? Mit welchen Acts seid ihr aufgewachsen?

Axl Vers: Wir haben eigentlich wirklich deshalb als Band zueinander gefunden, weil wir alle die gleichen Sachen gehört und abgefeiert haben. Das ging von The Notwist über die Beatsteaks bis hin zu David Bowie. Insofern war es eine logische Konsequenz, dass wir auf dieser gemeinsamen Basis dann :aexattack gegründet haben.

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Welche Art von Musik beeinflusst euch im Moment gerade?

Axl Vers: Ich bin tatsächlich jemand, der sich gerne Musiktipps von Freunden geben lässt. Unlängst bin ich zum Beispiel in das „Black Album“ von Metallica reingekippt.

Maurice Rautière: Dann habe ich es also nach all den Jahren doch einmal geschafft, dich zu überzeugen! [lacht]

Axl Vers: Haha, ja. Das letzte The Strokes-Album taugt mir aber zum Beispiel auch sehr. Ich finde jede Art von Musik spannend, die sich „etwas traut“.

Maurice Rautière: Ich habe mir vor kurzem eine israelische Jazz-Combo im Konzerthaus angesehen, das Omer Klein Trio. Das höre ich seither ständig.

:aexattack

„Songs in C-Dur mit 120 bpm gibt es schon zur Genüge. Wenn allerdings zum Beispiel alles leicht verstimmt ist, kann genau das dann das Einzigartige ausmachen.“

Auf eurer Facebook-Seite findet sich ein schönes Zitat von Leo Tolstoi: „Die Musik löst alle Rätsel des Daseins.“ Welche Bedeutung hat dieser Satz für euch?

Axl Vers: Dieses Zitat hat uns eigentlich während der Entstehung des zweiten Albums begleitet, als wir uns sehr viele Fragen zu unserer Identität als Band gestellt haben, und seitdem ist es für uns so etwas wie ein Credo. Man kann sich nämlich in einer Produktion total verlieren und sich endlos Fragen stellen, die alles mühsam und anstrengend machen. Im Endeffekt ist es aber wirklich so, dass die Musik selbst all diese Rätsel löst. Es geht um die absolute Freude am Erschaffen und genau das wollen wir auch vermitteln.

Maurice Rautière: Man kann noch so viel zerreden und „sich verkopfen“ – im Endeffekt ist es die Musik, die übrig bleibt und für sich spricht.

Axl Vers: Und oft sind es genau die vermeintlichen Fehler, die im Endeffekt dann den Charme ausmachen. Songs in C-Dur mit 120 beats per minute gibt es ja schon zur Genüge. Wenn allerdings zum Beispiel alles leicht verstimmt ist, kann genau das dann das Einzigartige ausmachen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Clemens Engert

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