„[…] etwas ganz Neues, das es in Innsbruck nicht gegeben hat“ – WOLFGANG LAUBICHLER (Direktor HAUS DER MUSIK INNSBRUCK) im mica-Interview

In Innsbruck wird in wenigen Monaten das HAUS DER MUSIK eröffnet. Haben dort wirklich alle Genres Platz, warum ist es ein paar Millionen teurer geworden und wer soll dort hin?

Es wird noch gebohrt und geschraubt, die Terrassen sind unverkleidet und die Büros leer. Der neue, schöne, große Saal muss noch mit Eiche vertäfelt und der alte Leopoldsbrunnen am Vorplatz renoviert werden. Aber das Haus ist schon fast fertig, außen schimmert es dunkelviolett in der Sonne, die Lamellen sind aus dunkler Keramik. Innen flutet Licht von allen Seiten herein bis an die Türen der vier neuen Säle und das Parkett in den Hörsälen wurde gerade verlegt. Alles läuft nach Plan. Im Oktober wird das Haus der Musik feierlich den Innsbruckern, den Tirolern und allen anderen übergeben. Es ist in Österreich einzigartig, weil dort so viele Nutzer zusammenkommen und dadurch etwas Neues entstehen soll – vielleicht ein bisschen Chaos, aber vor allem Synergie, vielleicht ja sogar eine wohlklingende Folge von Dis- und Konsonanzen verschiedener Stimmen.

Man wird im Haus proben, studieren, unterrichten, aufführen, organisieren, publizieren und mit bestem Panoramablick ein Kaltgetränk trinken können. Hier ziehen Musikwissenschaft und Mozarteum ein und legen ihre Bibliotheken zusammen, die Kammerspiele bekommen ein neues Zuhause, dazu eine kleine experimentelle Bühne, es wird einen maßgeschneiderten Saal für Wiener Klassik geben und das Tiroler Symphonieorchester probt hier. Aber wie geht sich das unter einem Dach aus? Der Direktor des Hauses, Wolfgang Laubichler, im Interview mit Stefan Niederwieser.

Bild Haus der Musik
Haus der Musik Innsbruck (c) Stefan Niederwieser

Von wem wird das Haus bespielt werden?

Wolfgang Laubichler: Das Haus der Musik wird vom Landestheater als eigene Sparte betrieben. Ich bin der Direktor. Im Haus gibt es einerseits die Betreiber, andererseits diejenigen, die hier unabhängig ihr Programm machen und dafür Miete und Betriebskosten zahlen. Dazu gehören die Kammerspiele, das Tiroler Symphonieorchester probt hier, seine Verwaltung ist im Haus. Die Festwochen der Alten Musik wiederum sind für Aufführungen auf spezielle Räumlichkeiten angewiesen, Kirchen, Schloss Ambras, Hofburg – wir sind das Ausweichquartier für Open-Air-Produktionen. Auf unserer Website sollen natürlich alle Veranstaltungen im Haus veröffentlicht werden, ich kommuniziere das ganze Haus. Ich möchte hier mit Orchestern, Mozarteum oder Konservatorium zusammen Eigenveranstaltungen machen und anstoßen, dass ein Miteinander entsteht, etwas ganz Neues, das es in Innsbruck nicht gegeben hat.

Was wird an den Abenden, die Sie selbst veranstalten, zu sehen sein?

Wolfgang Laubichler: Ein Schwerpunkt liegt auf Wiener Klassik. Hier im Haus kommen Haydn oder Beethoven besonders zur Geltung, die Musik geht nicht in einem Raum verloren, für den sie nicht geschrieben wurde, weil er entweder zu groß ist oder eine zu trockene Akustik hat. Wir werden ein Mozart-Akademien-Format entwickeln, bei dem ich musikalische Gattungen von der Symphonie bis zum Solostück an einem Abend mische. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf Film und Musik, wir kooperieren hier mit dem Leokino und der Musikwissenschaft. Die Musik wird live gespielt werden oder Filme werden gezeigt, bei denen die Filmmusik so interessant ist, dass wir Einführung dazu machen.

Ist „Stadt ohne Juden“ von Olga Neuwirth im Gespräch?

Wolfgang Laubichler: Hier wird der Film in restaurierter Version bald gezeigt. Das Projekt interessiert mich wahnsinnig, die Geigerin des ausführenden Ensemble Phace ist hier Geigerin am Konservatorium, ich möchte das hier unbedingt machen.

Ein Budget von 120.000 Euro jährlich für solche Veranstaltungen bedeutet 329 Euro pro Tag?

Bild Haus der Musik
Haus der Musik Innsbruck (c) Stefan Niederwieser

Wolfgang Laubichler: Die Stadt ist lebendig und facettenreich – von Neuer Musik bis zur Alten, Kammerorchester und Ensembles haben ihre Zyklen, sehr viel Spielraum gibt es nicht. Die Eigenveranstaltungen werden 2020/21 im Umfang von acht bis zwölf Stück stattfinden. Das Budget wirkt nicht hoch, die Kostenstruktur ist allerdings ganz anders, mich kostet der Saal fast nichts, ich werde viel mit Orchestern zusammenarbeiten, die im gleichen Unternehmen sind. Insofern ist es deutlich mehr als es sich anhört, da kann man etwas damit machen. Und wenn Veranstaltungen gut angenommen werden, kann man sich mehr leisten.

Die Organisationsstruktur ist für Österreich doch sehr ungewöhnlich?

Wolfgang Laubichler: Total.

Es sind 45% Eigendeckung geplant?

Wolfgang Laubichler: Das Betriebsbudget insgesamt liegt bei ungefähr 1,5 Millionen, das ist inklusive Pachteinnahmen durch Gastronomie und aller Durchlaufposten. Letztere rechnen wir allerdings nicht zur Eigenwirtschaftlichkeit, weil wir auf sie keinen Einfluss haben. Der Rest wird durch Stadt und Land getragen.

Wie kommt man auf diese Zahlen – zum Vergleich, im Landestheater Linz beträgt die Eigendeckung 25%, an der Staatsoper 50% und im Wiener Konzerthaus 90%?

Wolfgang Laubichler: Im Theaterbetrieb sind die Einnahmen natürlich deutlich geringer. Hier sind wir eher ein Veranstaltungshaus, ein Konzerthaus, irgendwas dazwischen, aber die Mietstruktur ist kaum vergleichbar, in Österreich gibt es diese Form wohl nirgends.

Wie viel Raum bleibt noch für weitere Projekte?

Wolfgang Laubichler: Durch Proben und Reihen wie Matineen, Education Projekte sind wir schon gut belegt, aber es gibt noch Raum, wir sind bei 50% von dem, was wir 2020/21 machen wollen.

War das Festival Heart Of Noise schon hier?

Wolfgang Laubichler: Ich glaube, die Veranstalter haben sich das Haus noch nicht angeschaut, sie werden jedenfalls beide Säle nutzen, vielleicht sogar das Foyer oder den Eingangsbereich. Das Festival kenne ich aber nicht, weil ich erst seit einem halben Jahr in Innsbruck bin.

Die freie Szene hat oft nicht viel Geld. Wie teuer wird es sein, sich einzumieten?

Wolfgang Laubichler: Der Mietpreis für Kulturinstitutionen liegt im großen Saal bei 1500 Euro – für Ticketing, für Saaleinlass und Miete. Für einen Raum dieser Qualität ist das doch exzeptionell günstig. Im großen Saal zahlt man 480 Euro für einen Probentag, im Kleinen 145 Euro, solche Konditionen findet man sonst nirgends, das ist ein Signal nach außen. Verglichen mit anderen großen Städten entgeht uns hier viel Miete, aber so war der politische Wunsch; und ich bin froh darüber, denn es trägt zur Öffnung bei, es können sich kleinere Vereine auch so ein Haus leisten.

Was ist möglich, wird es Kabarett oder Popmusik geben?

Wolfgang Laubichler: Wenn jemand Kabarett machen möchten, dann herzlich gerne. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jemand das so nah beim Treibhaus wirklich will – die das wahnsinnig toll abbilden. Jazz kann ich mir vorstellen, spezielle Projekte oder Genre-Übergreifendes.

In Wien bei den Festwochen gibt es ein Festival für Clubkultur. Das ist hier wohl schwer?

Wolfgang Laubichler: Ich habe noch nicht daran gedacht, aber man muss sich ansehen wie das Haus funktioniert, wie es angenommen wird, welche Leute kommen. Derzeit plane ich am Papier, werde aber schauen, was gewünscht ist, was interessant ist und was fehlt.

Bild Haus der Musik Innsbruck
Haus der Musik Innsbruck (c) Stefan Niederwieser

Haben Sie schon mit Bürgermeister Georg Willi geredet?

Wolfgang Laubichler: Ich habe ihn vor längerer Zeit kennengelernt, er ist ein wahnsinnig kultur-affiner Mensch, sitzt im Vorstand einer Innsbrucker Kulturinstitution, ich bin mit ihm in Kontakt.

Warum ist das Haus eigentlich fünf bis sieben Millionen Euro teurer als geplant?

Wolfgang Laubichler: Ich habe das nur am Rande mitbekommen, weil viele dieser Teilbereiche ausgeschrieben wurden, bevor ich nach Innsbruck gekommen bin. Es gab dazu eine Erklärung der ehemaligen Bürgermeisterin, die Kosten kamen aufgrund der guten Konjunktur zustande, dadurch sind manche Preise gestiegen, man hat weniger Angebote bekommen.

Wie viel Raum gibt es hier noch zu wachsen?

Wolfgang Laubichler: Gar keinen, freie Räume gibt es so gut wie nicht, die Mieter müssten sich intern arrangieren.

Was hat Ihnen an der Rede von Konrad Paul Liessmann zur Eröffnung der Salzburger Festspiele so gefallen?

Wolfgang Laubichler: Er ist ein Mensch, der die Bedeutung von Kultur einstufen kann, welche Bedeutung sie für eine Gesellschaft hat, für ihre Entwicklung. Sie wird gesellschaftlich oft geringgeschätzt, vieles wird kommerzieller ausgerichtet. Das kommentiert er auf sprachlich exzellentem Niveau. Habe ich das mal erwähnt, woher wissen Sie das?

Sie haben das auf Facebook gepostet. Und am 9. September eine österreichische Fahne mit einer Banane, das war kurz vor der Nationalratswahl.

Wolfgang Laubichler: Das kann schon sein.

Das wissen Sie jetzt nicht mehr so genau [lachen]. Festwochen oder Diagonale halten sich mit politischen Äußerungen nicht zurück – wobei diese parteipolitisch nicht zuordenbar sind.

Wolfgang Laubichler: Das Treibhaus ist ja ganz aktiv, das ist ja großartig in Wirklichkeit. Das kann ich nicht machen und will ich nicht machen, wir sind in einem ganz anderen Bereich. Inhaltlich kann ich mich bei vielen dieser Meldungen anschließen.

Das Haus der Musik ist sehr zentral gelegen. Viele Institutionen versuchen sich gerade für migrantische und post-migrantische Bevölkerung zu öffnen. Wie macht man das hier?

Wolfgang Laubichler: Ich habe hier noch keine Strategie, aber ganz Vermittlungsbereich ist für mich am Haus sehr wichtig. Ich kann mir das im Rahmen des Education-Schwerpunkts vorstellen, den ich sicher ausbauen werde. Das kann ein paar Jahre dauern. Die schönsten Projekte, die ich gemacht habe, waren immer solche, bei denen Musik anderer Kulturen mit der eigenen zusammenführt wurden, unter Einbeziehung lokaler Vertreter der Kultur.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Stefan Niederwieser

 

Haus der Musik Innsbruck:

Kosten: 65 Millionen Euro. Budget jährlich: 1,5 Millionen Euro. Nutzfläche: 15.910 m2. Bruttorauminhalt: 77.230 m3. Fassungsvermögen: Großer Saal 500 Personen, Kleiner Saal 110 Personen, Kammerspiele 220 Personen, K2 100 Personen.

Nutzer: Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, Universität Mozarteum, Institut für Musikwissenschaft, Tiroler Landeskonservatorium, Tiroler Sängerbund, Tiroler Blasmusikverband, Tiroler Volksmusikverein.

Eröffnung am 6. Oktober 2018 mit Wolfgang Mitterer, Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, Kinderoper, Jodeln, Blasmusik und Musikquiz.

 

Links:
Haus der Musik Innsbruck