„ES WAR ZUFALL, DASS DIE GEIGE WIEDER IM RAUM STEHT“ – MATTHIAS JAKISIC IM MICA-INTERVIEW

Mit „Fragmente“ veröffentlicht MATTHIAS JAKISIC sein erstes Studioalbum seit über 20 Jahren. Der in Wien lebende Musiker und Komponist legt darauf die E-Geige ab und dirigiert die Aufnahmen eines Streichquartetts, deren Besetzung zur besten in Wien gehört. JAKISIC, der aktuell für das Theater an der Josefstadt komponiert, verbindet auf den Stücken seine jahrelange Erfahrung im Orchesterbereich mit klassischen Einflüssen wie Vivaldi, Bartok und Messiaen. Welche neuen Möglichkeiten der Komposition er mit „Fragmente“ ausleuchtet, wie er sein Hauptinstrument, die Geige, zurück in den Fokus rückte und warum die künstlerische Perfektion zuletzt stärker in der Unvollkommenheit verortet sei, erzählt MATTHIAS JAKISIC im Gespräch mit Christoph Benkeser.

Mit „Fragmente“ veröffentlichst du dein erstes Album seit über 20 Jahren. Ein düsteres Comeback, auf dem du nicht selber spielst, sondern als Komponist für ein Streichquartett auftrittst.

Matthias Jakisic: Empfindest du das Album als düster?

Ich habe mich sicher durch die Titel der Stücke wie „Traurig“ und „Tragisch“ verleiten lassen, aber ja, der Musik hängt etwas Finsteres, eine düstere Grundstimmung, an. 

Matthias Jakisic: Momentan sind das noch Arbeitstitel. Sie werden auf dem Album nicht so heißen. Aber die Grundstimmung treffen sie sehr gut. Ich finde in der Düsterheit etwas Schönes, habe eine andere Wahrnehmung zum Finsteren und bin sensibel für die Traurigkeit. In ihr finde ich Erfüllung, andere Personen können das oft nicht nachvollziehen. Ich habe das Album zum Beispiel Johannes Menneweger alias Modolux, Mitbegründer von Lichttapete Lichtkunstkollektiv vorgespielt. Er musste es gleich wieder abdrehen, weil er mit dieser Form des Düsteren nicht umgehen hat können. Es habe ihn fertiger gemacht als Ludwig Hirsch.

Das kann man als Kompliment auffassen. 

Matthias Jakisic: Eigentlich schon. Im Schreiben und Komponieren entwickele ich eine Art Sehnsucht; eine Sehnsucht zum Düsteren. Dieses Feld, das ich auf „Fragmente“ aufmache, macht mich glücklich. Dort wollte ich hin, deswegen habe ich es geschrieben. Ich fühle mich in einer traurigen Melo-Stimmung erleichtert, weil ein Transport passiert. Würde ich es nicht schreiben, wäre ich traurig.

Das Schreiben wird für dich zum Ventil einer Traurigkeit.

Matthias Jakisic: Es geht einem leichter, weil man es abgibt.

Du lagerst die Traurigkeit aus? 

Matthias Jakisic: Genau.

Wie passt der Begriff des Fragments dazu?

Matthias Jakisic: Er umfasst etwas Nicht-Abgeschlossenes. Ich habe aber zuerst bei Wikipedia schauen müssen, was das Wort bedeutet.

Du meinst das Nicht-Abgeschlossene, das sich in Bruchstücken zeigt. 

Matthias Jakisic: Ja, ich bin draufgekommen, dass ich das Album sehr intuitiv benannt habe, ohne zu wissen, was der Begriff eigentlich bedeutet. Ich hatte bei keiner Nummer eine Idee. Vier Spuren bildeten die Ausgangslage. Ich habe einen oder zwei Takte geschrieben – und diese Takte wiederholt angehört, um mir weiter zu überlegen, wohin sich die einzelnen Spuren weiterentwickeln sollen. Aus einem Fragment heraus ist das nächste Fragment entstanden. Dass ich mit keiner Idee gestartet bin, sondern einfach drauflosgeschrieben habe, war für mich neu. Es war ein taktmäßiges Reflektieren.

Wie kann man sich das konkret vorstellen? 

Matthias Jakisic: Ich hatte einen Startpunkt, schrieb den ersten Takt und konnte so – ohne dass ich andere Bruchstellen nahm – immer weiterschreiben, um von Anfang an eine Geschichte zu bauen. Allerdings immer nur Takt für Takt. Es war nie kompositorisch überlegt, nur in den Bruchstücken selbst. Hatte ich eine Stimme, die raufgeht, hab ich mich gefragt, was die Stimme vorhat. Will sie Spannung erzeugen? Will sie die Rolle übernehmen? Aus diesen Fragen ergibt sich Stück für Stück eine Nummer.

Das kompositorische Fragment im Fragment.

Matthias Jakisic: Ein bruchstückartiges Komponieren, ja.

Was man dem Album in seiner Ganzheit nicht anmerkt. Die Stücke sind in sich sehr stimmig.

Matthias Jakisic: Das war nur möglich, weil ich die Takte genau angehört und reflektiert habe, um zu der Frage zu kommen, wohin man vom jeweiligen Punkt aus gehen möchte. Will man entspannen oder Spannung erzeugen? Will man aufbauen oder zerstören? In die Antworten fließen viele Überlegungen. Es ist eine Sisyphos-artige Zusammenstückelung, bei der ich mehr nachgedacht habe, als bei manch anderer Komposition.

Inwiefern war das für dich eine neue Herangehensweise? 

Matthias Jakisic: Die Corona-Zeit war vor allem: Rotwein, im Studio sitzen, Zeit haben –, um Wege zu finden, sich künstlerisch herauszufordern. Die Form des Arbeitens hat sich aus dieser Situation ergeben und war insofern neu, weil ich normalerweise ein Bild habe oder von Regisseuren ein Stimmungsporträt bekomme.

„MEIN GEDANKE WAR: FUCK, JETZT KANN ICH EIN ALBUM MACHEN.“

Ohne Bilder könne bei dir nichts entstehen, hast du vor einem Jahr im Ö1-Interview gesagt. 

Matthias Jakisic: Das bezog sich vor allem auf den Theater- oder Filmbereich. Mit „Fragmente“ ist es das Gegenteil. Die Musik entstand aus dem Nichts, erzeugt aber Bilder. Es ist für mich interessant, den Entstehungsprozess zu reflektieren. Jeden zweiten Tag entstand eine Nummer, ich konnte zügig arbeiten –, auf einmal war es fertig. Mein Gedanke war: „Fuck, jetzt kann ich ein Album machen.“

Das erste Album seit über 20 Jahren.

Matthias Jakisic: Mit 20 habe ich das erste und letzte Soloalbum veröffentlicht, das ist 23 Jahre her. Wobei es diesmal nicht wirklich ein Soloalbum ist.

Du hast nicht selbst gespielt, sondern komponiert. War das eine Entscheidung, die von Anfang an feststand? 

Matthias Jakisic: Als ich in Richtung eines Streichquartetts komponiert hatte, wusste ich, dass es Musikerinnen und Musiker spielen müssen, die es können. Als Solokünstler spiele ich E-Geige. Der Anspruch in der Klassik in Bezug auf Vibrato und andere Techniken ist größer. Da gibt es Cracks, ich bin keiner davon. Allerdings kenne ich Leute, die tolle Geiger sind.

Leute wie Emily Stewart und Nikolai Tunkowitsch, die auf „Fragmente“ Violine spielen. 

Matthias Jakisic: Genau, oder Lena Funkhouser, die unter anderem bei Norah Jones gespielt hat. Sie war auch Teil des neuen Borat-Films, hat dafür das Orchester aufgestellt und in Wien den Film eingespielt.

Wie bist du zu ihr gekommen?

Matthias Jakisic: Lena war damals Teil der Burgtheater-Produktion „Liebesgeschichten und Heiratssachen“, Emily Stewart ebenfalls. Asja Valčić kam auf Empfehlung, weil Melissa Coleman keine Zeit hatte. Ein Zufall, der sich als Glücksfall herausgestellt hat. Da sich – bis auf Asja – alle vom Streichquartett kannten und seit Jahren zusammenspielen, wusste ich aber, dass es eine relativ sichere Bank ist. Die Leute mögen sich, das trägt zur Stimmung bei.

Bild Live Solokonzert Visuals von Modulux alias Johannes Menneweger 750 px
Live Solokonzert Visuals von Modulux alias Johannes Menneweger

Welcher Prozess steht hinter der Aufnahme? 

Matthias Jakisic: Nachdem ich die Midi-Informationen fertig komponiert hatte, arbeitete ich mit Florian Reithner zusammen, der die Noten auf eine Partitur brachte. Ich entschied mich dazu, die Aufnahmen für „Fragmente“ in einem Proberaum der Schauspieler und bewusst nicht im Studio aufzunehmen. Allerdings hab ich mir Schöps-Mikrofone aus den 80ern ausgeborgt – die klingen unfassbar! Aufgenommen habe ich selbst.

Wie genau? 

Matthias Jakisic: Mikros und Raum waren wichtig. Die Technik aufzubauen und auf Record zu drücken, das geht.

Wie hast du konkret aufgenommen? 

Matthias Jakisic: Klassische Streichquartette nimmt man normalerweise mit Stereo-Mikrofonen über dem Quartett auf. Ich habe jedes Instrument separat abgenommen, wir hatten keine Trennwände. Das Quartett saß im Halbkreis, dadurch ergibt sich das Stereobild automatisch. Das Panorama nachträglich zu ändern, wäre also unmöglich, ohne bewusst eingreifen und faken zu wollen. Ich habe dadurch wenig Spielraum für Veränderungen –, das ist super! Bei Popmusik hast du 70 Spuren oder mehr, hier beschränke ich mich auf vier.

Die Reduktion auf das Wesentliche als Tugend der Weisheit. 

Matthias Jakisic: Paul Haslinger [Komponist u.a. für Hollywood-Filme] wollte vor Jahren mit mir zusammenarbeiten, weil es – was Serien betreffe – von einem Hans-Zimmer-Cluster-Sound immer mehr ins Kammermusikalische gehe. Selbst bei frühen Serien wie Breaking Bad gibt es oft nur wenige Elemente, die dadurch Nähe erzeugen können. Haslinger hat nur wenige Regeln vorgeschlagen: kein Quantisieren und keine Stimmung korrigieren. Schließlich ist das Unperfekte im Kleinen momentan das Perfekte.

Eine Herangehensweise, die du auf „Fragmente“ fortsetzt. Produzierst du das Album selbst? 

Matthias Jakisic: Da ich eine Vinyl-Veröffentlichung plane, lage ich das Mastering aus. Abmischen werde ich es aber selbst. Für mich ist das ein Underdog-Ding, ich will die Platte nicht rausschreien.

Weil du länger kein Album gemacht hast?  

Matthias Jakisic: Alben mit meiner Beteiligung waren da, aber keine Soloplatte.

Was hat zum Sinneswandel geführt?

Mattias Jakisic: Ich arbeite aktuell für die Netflix-Produktion „The Irregulars“, die, glaube ich , 2021 erscheinen wird. Paul Haslinger fordert dafür akustische Geigensignale von mir, dadurch bin ich zuletzt verstärkt zum Geigenspielen gekommen. Im Frühjahr war ich zusätzlich mit der Quarantäne-Situation konfrontiert, die Geige stand zwangsläufig im Fokus. Es war also durchaus Zufall, dass sie wieder im Raum steht.

Warum stand die Geige davor außerhalb des Raumes? 

Matthias Jakisic: Für Theaterstücke komponiere ich auf dem Klavier oder elektronisch. Deshalb war es schräg, dass sich das Album so ergeben hat. Ich will mit dem Album aber nicht groß sagen, dass ich wieder da bin –, weil ich es noch nie war.  Außerdem habe ich „Fragmente“ nur geschrieben. Um es live aufzuführen, bräuchte ich wiederum Musikerinnen und Musiker. Ich setze den Fokus stärker auf meine Rolle als Komponist. Mir wurde gesagt, dass es sinnvoll sei, verschiedene Streichquartetten mit den Noten zu bestücken, wie zum Beispiel das Danish String Quartett, um dadurch zu mehr Aufmerksamkeit als Komponist zu kommen. Diesen Weg möchte ich gehen –, auch weil das Feedback sehr gut ist.

Welches Feedback bekommst du? 

Matthias Jakisic: Ich habe die Stücke einer ausgewählten Runde an Menschen geschickt. Viele meinen, dass sie die Musik berühre und das Album als organische Einheit funktioniere. Andere haben mich auf die Art der Aufnahme angesprochen. Momentan ist es noch sehr roh.

Du sprichst damit die Geräusche vor und zwischen den Stücken an. Man hört die Musiker*innen einzählen, das Ansetzen der Instrumente, das Rascheln der Noten. Das trägt zur Gesamtstimmung bei.

Matthias Jakisic: Ja? Vielleicht lasse ich das so. Ich wollte nicht nur die Musik, sondern auch die Stimmung zwischen den Stücken einfangen. Das bildet den Korpus des Streichquartetts. Hast du es als positiv empfunden?

Man kann sich in den Raum einfühlen, deshalb wirken die Übergänge zwischen den Stücken stimmig und echt. Im klassischen Bereich hört man das selten, es ist ein Ausbruch aus der Konvention.

Bild Matthias Jakisic
Matthias Jakisic (c) Raffael Stiborek

Matthias Jakisic: Wenn du sagst, dass es stimmig klinge, habe ich das erreicht, was ich wollte: kurze Zwischen-Indexe als Soundkulisse, die von einem Stück zum nächsten überleiten. Apropos Aus-der-Konvention-fallen: Bei den Proben haben wir die Stücke ganz anders eingespielt. Sie klangen furchtbar schwanger und aufgesogen. Ich bin draufgekommen, dass wir das Vibrato rausnehmen müssen. Es verlangte eine „nordische“ Spielweise, also emotionslos die Töne halten und kein schwangeres Strauss-Vibrato produzieren. Ansonsten wären die Stücke zu üppig und schmalzig geworden. Sie brauchen Durchsicht, weil die Kompositionen für sich sprechen sollen.

Deshalb habe ich zu Beginn gemeint, dass du eine düstere Grundstimmung eingefangen hast. Die Töne stehen im Raum, wirken manchmal wie eine unüberwindbare Wand.

Matthias Jakisic: Der Kitsch des Vibratos hätte dazu geführt, dass die traurige Stimmung verloren geht. Ich wollte aber kein bedeutungsschwangeres Material produzieren, sondern hinein in die Düsterheit steigen.

„DUR IST WIE EINE ÜBERFÜLLTE EINKAUFSSTRASSE – MAN MUSS SICH TREIBEN LASSEN, OHNE UNTERZUGEHEN.“

Was ist am Finsteren verlockend? 

Matthias Jakisic: Die Dur zwingt mir etwas auf, die Moll lässt mir mehr Raum. Höre ich etwas Glückliches, habe ich das Gefühl, mich fügen zu müssen. In der Moll dreht sich dieses Verhältnis um, ich kann gedanklich gestalten, weil sie Leere zulässt. Dur ist wie eine überfüllte Einkaufsstraße – man muss sich treiben lassen, ohne unterzugehen.

Mit der Moll übernimmst du eine aktivere Rolle?

Matthias Jakisic: Es ist ein Gestalten, Bilden und Zeichnen. Ich kann mich in Gedanken bewegen. Die Dur zwingt mich in eine Rolle der Passivität, in der ich zuhören muss. Hätte ich die Dur so trainiert wie die Moll, wäre das vermutlich anders.

Wie hat sich das entwickelt? 

Matthias Jakisic: Das war immer schon so. Positive Nummern, auch von mir selbst, haben mich verstört.

Wie haben diese Nummern geklungen? 

Matthias Jakisic: Ich habe absichtlich schlechte Liftmusik produziert oder Benjamin Blümchen-Kassetten zerschnitten und geloopt. Natürlich waren Dur-Fragmente enthalten, aber es klang immer komisch –, auch weil es in Dur schwieriger zu schreiben ist als in Moll. Ich vergleiche das gern mit anderen Musikrichtungen. Einen echten Schlager-Hit zu schreiben, das muss man zusammenbringen! Das hat eine definitive Struktur, ein schematisches Klangbild.

Trotzdem muss auch Schlager eine gewisse Glaubwürdigkeit evozieren.

Matthias Jakisic: Die Örtlichkeit, an der sich Leute die jeweilige Musik anhören, hängt zusätzlich mit der Frage der Glaubwürdigkeit zusammen. Manche Leute, die das Album bereits gehört haben, haben mich gefragt, wo sich potenzielle Hörerinnen und Hörer meine Platte anhören sollten. Diese Frage habe ich mir bisher nicht gestellt, aber sie ist interessant: Werden das Ö1-Menschen sein, die sich im Ledersofa sitzend einen Cognac einschenken, um sich der Platte hinzugeben, während sie den Falter lesen?

Die Verortung der Musik als Streichquartett bedient Tropen und Bildern, die man definitorisch der Hochkultur zurechnen könnte, ja.

Matthias Jakisic: Während ich die Musik geschrieben habe, dachte ich nicht daran, wer sich die Platte anhören oder wo sie gespielt werden könnte. Wenn ich die Platte jetzt höre, finde ich jeden mutig, der sie sich in Gänze gibt –, weil die Musik auf der dunklen Seite verortet ist. Das bedient, gerade im Streichquartett-Sektor, eine Nische. Aber vielleicht gib es Freaks, die darauf stehen.

Trotzdem blitzen deine klassischen Anleihen durch.  

Matthias Jakisic: Die fragmentarische Komposition war wichtig. In meinen Solo-Shows habe ich zuletzt immer mit einem Looper gespielt. Der erste Loop ist die Basis, die sich nie verändert, weil sie die darauf aufbauende Nummer bestimmt. Das Streichquartett-Album hat nichts mit Loops zu tun. Jeder Takt konnte anders sein. Diese Abkehr vom Kontinuierlichen und die Suche nach der Harmonisierung einzelner Fragmente hat mir viel Freude bereitet.

Welchen Weg wirst du zukünftig gehen?

Matthias Jakisic: Wenn ich die Möglichkeit hätte, von dieser Herangehensweise zu leben, würde ich alles andere absagen – und sofort das zweite Album schreiben.

Aktuell bist du am Theater an der Josefstadt angestellt, oder?

Matthias Jakisic: Herbert Föttinger [Direkter der Josefstadt, Anm.] hat mir im Frühjahr eine Verlängerung meines Vertrags bis Sommer 2021 angeboten, die ich angenommen habe. Aktuell stehen Stücke für nächsten April und Juni an.

BildLive Solokonzert Visuals von Modulux alias Johannes Menneweger
Live Solokonzert Visuals von Modulux alias Johannes Menneweger

Von dem Bezug zur Popmusik, den du zu Beginn deiner Karriere verfolgt hast, hast du dich in den letzten Jahren endgültig gelöst. 

Matthias Jakisic: Dafür hat bisher die zündende Idee gefehlt, deshalb stellt sich die Frage, mit wem man in dieser Hinsicht zusammenarbeiten könnte, nicht. Vermutlich hat das auch mit meinem Alter zu tun. Popmusik macht mir inzwischen weniger Spaß als früher. Das Handwerk, das früher eine spielerische Suche war, hat sich erschöpft.

Damit entziehst du dich auf dem Bekenntnis zum Berufsjugendlichen, der ewig den Popmusiker mimt.  

Matthias Jakisic: Mir wird’s heute in der Musik schnell einmal zu schnell. Das war früher nie der Fall, es macht mich teilweise nervös. Ich glaube, ich werde einfach alt.

Hören ältere Menschen langsamere Musik? 

Matthias Jakisic: Eine Two-Step- oder Drum & Bass-Nummer könnte ich nicht mehr mitgestalten. Für mich übt die Schnelligkeit keine Faszination mehr aus.

Im Theater darf man sich für den dramaturgischen Aufbau länger Zeit lassen als auf einer Drei-Minuten-30-Nummer.

Matthias Jakisic: Schnellere Tempi gibt es immer. Ich bewege mich aber schon länger im Fahrwasser von Film- und Hintergrundmusik. Das führt automatisch zu neuen Projekten, die auf früheren Beziehungen aufbauen. Mit Christian Eigner [Schlagzeuger bei Depeche Mode], produziere ich inzwischen Filmmusiken. Früher haben wir wilde Musik gemacht. Inzwischen spielt er ein Movie-Drum-Set mit stimmbaren Rototoms –– und ich ergänze ihn an der Geige.

Und springst in die Rolle als Komponist.

Matthias Jakisic: Ja, man muss bis 70 weiterdenken. Das ist der erste Schritt in diese Richtung. Außerdem soll der künstlerische Anspruch für mich spannend bleiben. Diesen Anspruch muss man selbst gestalten.

Eine neue Gestaltung bringt auch die Tatsache, dass du auf ein oder zwei Stücken auf „Fragmente“ singen wirst. Bemüht man die Songcredit-Suche auf Discogs, entdeckt man dich als Sänger der Band Ballycotton mit einem Album von 1997 und als Backing-Stimme auf Teilen des 2014 erschienen Albums „Es Geht Immer, Das Bisschen Schlimmer“ von Kommando Elefant. 

Matthias Jakisic: Manchmal habe ich auch bei Bauchklang Teile von Songs eingesungen. Für „Fragmente“ gab es aber zwei Stücke, die ich bewusst in petto hatte, um über das Thema Fragmente zu singen –, weil ich die Thematik nicht nur spannend finde, sondern inhaltlich konkretisieren wollte.

Die Stücke mit Stimme ähneln in ihrem Aufbau Popsongs. 

Matthias Jakisic: Die Form ist erkennbar. Außerdem sind diese Stücke nicht in der Corona-Zeit entstanden, sondern in einer Phase vor allen anderen. Wir haben sie aufgenommen, nicht weil sie einen inhaltlichen Bezug zu „Fragmente“ haben, sondern weil wir nach der Aufnahme der eigentlichen Stücke noch Zeit hatten. Ob es diese Nummern auf die fertige Version des Albums schaffen, weiß ich noch nicht. Die sprachliche Komponente würde mir gefallen. Aber fix ist nix.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Christoph Benkeser

 

Links:
Matthias Jakisic (Theater an der Josefstadt)
Matthias Jakisic (Wikipedia)