„Es war eigentlich das oberste Ziel, einen Ort zum Vernetzen zu schaffen“ – JÜRGEN VONBANK (MINERVA RECORDS) im mica-Interview

Auch wenn die Statistiken des letzten Jahres für einen deutlichen Vinyl-Boom sprechen, bedeutet das nicht automatisch ein Mehr an Schallplattenläden. Umso erfreulicher ist daher der Umstand, dass letztes Jahr mit MINERVA RECORDS ausgerechnet in Salzburg ein auf Vinyl spezialisierter Laden eröffnet hat. Hervorgegangen aus dem DJ-Kulturverein und Label FREAKADELLE, schließt MINERVA RECORDS nicht nur eine Lücke in der Salzburger Musiklandschaft, sondern sieht sich dabei selbst auch als Impulsgeber. Didi Neidhart sprach mit JÜRGEN VONBANK über den Laden, das Label und die Salzburger Elektronik-Szene.

Wie kommt man 2016 auf die Idee, in Salzburg einen Schallplattenladen zu eröffnen? Neben dem Musikladen in der Linzergasse und dem Jetlag in der Altstadt hat Salzburg nun immerhin drei Läden, in denen auch bzw. nur Vinyl verkauft wird.

Jürgen Vonbank: Zunächst einmal gab es bei mir das persönliche Verlangen, den Berufsalltag so zu gestalten, wie er mir gefällt. Mit Musik zu arbeiten, die einen inspiriert, ist für mich ein Privileg. Darüber hinaus ist Vinyl ja derzeit wieder in aller Munde und erfreut sich gerade bei jungen Leuten großer Beliebtheit. Natürlich gibt es in Salzburg bereits etablierte Institutionen, was den Tonträgerverkauf angeht. Unsere Ausrichtung bzw. das Gesamtkonzept unterscheidet sich davon aber schon sehr wesentlich.

Minerva Records hat sich – grob gesagt – auf Vinyl (neu und secondhand) aus dem elektronischen Dance-Bereich spezialisiert. Schaut man sich das Angebot an, ist es vergleichbar mit ähnlichen Länden in München oder Wien. Gibt es dafür vor Ort eigentlich auch ein Publikum?

Jürgen Vonbank (c) Jürgen Vonbank

Jürgen Vonbank: Ja, das gibt es definitiv und es kommt auch neues hinzu. Wir beobachten, dass 90 Prozent unserer Kundinnen und Kunden unter 30 sind. Elektronische Musik an sich ist ja längst kein Nischengenre mehr. Aktuelle Pop-Musik besteht zu großen Teilen aus elektronischer Musik und die Mehrheit der jungen Leute genießt das Ausgehen in Clubs in regelmäßigen Abständen. Dazu kommt eine überschaubare, aber existente Gruppe an DJs, die versorgt werden will. Davon abgesehen decken wir auch andere Genres wie zum Beispiel World Music und Hip-Hop ab, wo eigentlich konstant eine gute Nachfrage herrscht.

„Man hat da ja schon recht genaue Vorstellungen, wie sich der rote Faden durch das Sortiment ziehen soll“

Wie wählen Sie da Ihr Sortiment aus? Schauen Sie, was bei DJ-Sets gut ankommt oder wonach gefragt wird, oder gibt es quasi eine „Hidden Agenda“?

Jürgen Vonbank: Einfach gesagt: Ganz viel Musik hören! Derzeit wird wieder sehr viel auf Vinyl veröffentlicht, was den Einkauf nicht gerade einfach macht. In einer Woche hört man da schon gut und gerne mal in mehr als 100 Releases rein. Bestellt wird prinzipiell aus einer gewissen Intuition heraus. Man hat da ja schon recht genaue Vorstellungen, wie sich der rote Faden durch das Sortiment ziehen soll. Und natürlich bekommen wir auch immer wieder Bestellungen und Hinweise von Kundinnen und Kunden, die wir gerne aufnehmen. Wir freuen uns über jeglichen Input.

Auch wenn die Frage Vinyl oder etwas anderes (Downloads, Streams, CDs etc.) mittlerweile nicht mehr ganz so heiß gegessen wird und die Vinylverkäufe ja auch zunehmen, hat Vinyl mittlerweile auch so eine Art hochpreisiger Edelaura bekommen, wo Schallplatten mittlerweile durchaus als Anlageobjekte gesehen werden. Wie sehen Sie das? Ist Vinyl zwar gut am Leben, aber nicht mehr für alle leistbar?

Jürgen Vonbank: Wir beobachten das mit gemischten Gefühlen. Es gibt wunderschön aufgemachte Produkte, die ihren Preis auf jeden Fall wert sind. Andererseits ist es natürlich ein Problem, wenn wir uns auf ein reines Hochpreissegment hinzubewegen. Prinzipiell sind wir definitiv für ein leistbares Produkt für die Endkundinnen und -kunden. Gerade die Major-Labels spielen hier wieder mal mit dem Feuer, indem sie Produkte zu hohen Preisen anbieten und somit Gefahr laufen, die Konsumentinnen und Konsumenten zu vergraulen.

So ein Schallplattenladen kommt ja nicht aus dem Nichts. Seit 2012 gibt es den Salzburger Kulturverein Freakadelle, der aus dem DJ-Kollektiv Freaksound hervorgegangen ist, und das daran angeschlossene Vinyl- und Digital-Label „Freakadelle“, bei dem Sie ja auch federführend involviert sind. Worum geht es dabei?

Jürgen Vonbank: Wir haben uns mit dem Verein das Ziel gesetzt, die lokale Szene der Macherinnen und Macher elektronischer Musik zu fördern. Dies machen wir, indem wir als Plattform agieren. Sei es mit unserem Label und der Möglichkeit, darauf zu veröffentlichen, oder mit unserem Vereinslokal, dem „Heizkeller“, und der damit zusammenhängenden Infrastruktur. Unsere Veranstaltungen bieten Produzentinnen und Produzenten, Live-Acts sowie DJanes und DJs die Möglichkeit, sich vor Publikum zu präsentieren. Und in unserem Studio finden regelmäßig Workshops rund um das Thema Producing statt.

Das Konzept des Ladens beinhaltet neben gutem Kaffee, einer angenehmen Couchlandschaft zum Abhängen und Quatschen ja auch unterschiedliche In-Store Sessions. Wie sehr gehört so etwas zur grundsätzlichen Ausrichtung? Oder gibt es solche Zusatzangebote auch deshalb, weil man nur vom Verkauf von Schallplatten allein nicht leben kann?

Jürgen Vonbank: In-Store Sessions haben vor allem bei amerikanischen Plattenläden eine lange Tradition. Ganz neu ist das somit nicht. Es war von Anfang an das Ziel, nicht nur ein Ort sein zu wollen, an dem Tonträger gekauft werden können, sondern auch einen kleinen kulturellen Akzent in der Stadt zu setzen. Die In-Store Sessions sind eine tolle Möglichkeit, die verschiedenen Crews, DJanes und DJs, die wir in der Stadt haben, zusammenzubringen. Wir sehen auch, dass dies gut angenommen wird. Natürlich gibt es auch eine finanzielle Argumentation dafür, da vom Tonträgerverkauf bekanntlich nicht allzu viel abfällt.

Wenn von „legendären“ Plattenländen die Rede ist, dann geht es dabei neben dem guten Sortiment immer auch darum, dass solche Läden auch Orte waren, wo sich die unterschiedlichsten Leute getroffen haben und sich dadurch auch die eine oder andere musikalische Idee entwickelt hat. Geht es bei Minerva Records auch darum, solch einen „Open Space“ zu schaffen?

Jürgen Vonbank: Ganz genau. Es war eigentlich das oberste Ziel, einen Ort zum Vernetzen zu schaffen. Die Geschichte von prägenden Plattenläden aus verschiedensten Städten ist lang. Wir hoffen, dass wir zumindest im Kleinen Ähnliches erreichen können und viele neue Bekanntschaften, Netzwerke und Projekte hier ihren Anfang nehmen.

Wie schätzen Sie eigentlich die elektronische Szene in Salzburg ein? Es gibt ja nicht wenig DJ-Crews bzw. Reihen, dazu den Multi-Media-Art-Lehrgang an der FH Salzburg mit Absolventinnen und Absolventen wie Dorian Concept und Ogris Debris sowie den Elektronikland-Preis.

Jürgen Vonbank: Die Szene bleibt überschaubar, muss sich aber keineswegs verstecken. Zur FH Salzburg und deren Absolventinnen und Absolventen gibt es zumeist nur losen Kontakt. Viele verlassen Salzburg gleich nach dem Studium wieder. Das Projekt „disposed“, das von Studierenden des Masterstudiengangs initiiert wurde, in der alten Rauchmühle war aber ein erfrischendes Beispiel, wie man das subkulturelle Angebot am Studienplatz durch eigenes Hinzutun bereichern kann. Bitte mehr davon! Neben dem Freakadelle-Kollektiv würde ich ansonsten das Stereofreezed Soundsystem als eines der ältesten Soundsysteme Österreichs herausheben wollen. Und im Zeitalter der Bedroom-Produzentinnen und -Produzenten poppen glücklicherweise auch immer wieder tolle Produzentinnen und Produzenten wie Demuja auf. Die Abwesenheit von etablierten Clubs ist ein großes Problem, da man sich gerade als DJane bzw. DJ ohne Residency nur schwer weiterentwickeln kann. Umso wichtiger ist die Rolle umtriebiger Crews für die Entwicklung der lokalen Szene.

Was ist für die Zukunft geplant?

Jürgen Vonbank: Weitere tolle In-Store Sessions mit DJanes und DJs, aber auch zunehmend mehr Live-Acts und Release-Events zu tollen Veröffentlichungen lokaler Künstlerinnen und Künstler. Ein prall gefülltes Programm am „Record Store Day“ sowie der „Music Talk“ von Rockhouse und mica am 25. April erstmals in unseren vier Wänden. Und natürlich ganz viel tolles Vinyl!

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Didi Neidhart
Minerva Records
Schallmooser Haupstraße 6
5020 Salzburg
Web: www.minervarecords.com/plattenladen-salzburg
Web: www.freakadelle.at
Email: office@minervarecords.com

Kommende In-Stores Sessions:
17.03. Kinski
24.03. markmechanik (Freakadelle)
31.03. Schüchner (New Town Bass, Freakadelle)
07.04. Mike Evans
14.04. Aufgebasst
21.04. Where Silence has lease: Tape Release Party
22.04. Record Store Day
25.04. Music Talk Elektronik Special (Kooperation mit Rockhouse Salzburg & mica – music information center)