„Es soll wie ein Rausch wirken“ – CULK im mica-Interview

„Generation Maximum“ (Siluh Records) ist das dritte Album von CULK, auf dem sich die vierköpfige Wiener Gruppe der Ausweglosigkeit einer kompletten Generation widmet. CULK können die Welt vielleicht nicht retten, sind mit ihrer Musik aber zumindest in der Lage, die Untergangsstimmung zu einem kleinen Licht am Ende des Tunnels umzuwandeln. Katharina Reiffenstuhl hat sich mit Sängerin SOPHIE LÖW und Gitarrist JOHANNES BLINDHOFER unterhalten: Ein Gespräch über Leistungsdruck im Musikbusiness, die unmögliche Flucht vor sozialen Medien und den allmählichen Zerfall einer funktionierenden Gesellschaft.

Wir sind gerade erst ins neue Jahr gestartet. Wie positiv sieht CULK dem entgegen?

Johannes Blindhofer: Als Band voll gut eigentlich. Wir freuen uns sehr auf die Konzerte im Februar. Momentan bin ich sehr gechillt, was das betrifft.

Sophie Löw: Ja. Es ist immer cool, wenn das Album dann draußen ist und man sich eine Zeit lang nur die Lorbeeren abholt, bevor es dann wieder mit der Arbeit weitergeht. Das ist immer eine ganz schöne Zeit.

Das neue Album ist thematisch von viel unschöner Lebensrealität und Negativität geprägt. Wie könnt ihr da selbst am Ende des Tages noch Hoffnung daraus schöpfen?

Sophie Löw: Ich denke, die Musik hat immer etwas Positives, zumindest für mich selbst. Wenn wir zum Beispiel Sorgen, die die Zukunft betreffen, in einen Song verwandeln, dann kommt immer was Schönes raus. Vor der Pandemie haben wir unser zweites Album veröffentlicht und da gab es dann einige Leute, die gesagt haben, dass unsere Musik ihnen durch die Lockdowns geholfen hat. Es gibt halt die Art von Personen, die wenn sie down sind, nur happy music hören, und dann gibt es auch Personen, die diese Gefühle wirklich beim Namen nennen und dann davon Kraft schöpfen. Weil man sie dadurch selbst rauslassen kann.

In welche Art Mensch würdet ihr euch da selbst einkategorisieren?

Johannes Blindhofer: Ich definitiv in der zweiten Kategorie. Dieses gemeinsame Erleben von Sachen, über die man grübelt und die einen beschäftigen, das ist eines der schönsten Sachen, die man bei einem Live-Konzert erlebt. Wenn die Texte durch einen Raum schallen, da stehen ein paar hundert Leute und alle erleben das gleichzeitig, dann ist das so ein schönes Gemeinschaftsgefühl, das dadurch entsteht.

Sophie Löw: Ich bin beides.

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Irgendwie schafft ihr es ja auch trotzdem, die Lieder überraschend beruhigend klingen zu lassen.

Johannes Blindhofer: Ich glaube gerade, wenn wir bewusst Themen setzen, versuchen wir, nicht klischeehaft melodramatisch zu sein. Es würde sich anbieten, dass man da eine Abwärtsspirale schafft. Aber ich glaube, es ist schon wichtig, dass es in der Musik da so konterkarierende Elemente gibt, die das auch manchmal aufbrechen. Weil das Gegensätzliche grundsätzlich immer spannend ist. 

„ES GIBT EINFACH ZU VIELE MECHANISMEN UND FLIEHKRÄFTE IN UNSERER GESELLSCHAFT, DIE DAS INDIVIDUUM VEREINSAMEN LASSEN“

Was ist eurer Definition nach die „Generation Maximum“?

Sophie Löw: Es können sich alle Menschen da drin finden, die sich momentan einfach überfordert in unserer Welt fühlen. Wo man zwischen Leistungsdruck und medialer Überforderung hedonistisch vor sich hinlebt, und manchmal die Augen verschließt, obwohl man vielleicht hinschauen sollte. Diese Konflikte sind glaube ich sehr prägend für die Generation Maximum. Ich denke, dass sich da mehr jüngere Menschen angesprochen fühlen. Ich fand den Titel auch sehr cool, weil er einfach sofort so ein Gefühl hervorruft. Aber generell sehe ich keine Grenzen, wer jetzt der Generation Maximum angehört und wer nicht.

Johannes Blindhofer: Ich finde auch cool daran, dass es zwei Seiten bei dem Begriff gibt. Es gibt die Zuschreibung, die man von außen bekommt, dieser Anspruch, der vor allem an junge Leute gestellt wird, dass sie sich extrem optimieren und in vielen Situationen über ihre Grenzen gehen sollen. Auf der anderen Seite aber auch diese Selbstermächtigung, wo man sagt “Hey, es ist einfach das Maximum erreicht”. Da gibt es diese zwei Seiten, finde ich.

Geht es bei euch darum, die gesellschaftlichen Strukturen zu bekämpfen, oder ist eher dieses „relatable sein“ und „gutes Gefühl vermitteln“ im Vordergrund?

Sophie Löw: Ich glaube, beides.

Bild Culk
CULK (c) Sophie Löw

Johannes Blindhofer: Das eine geht ohne das andere nicht wirklich. Es gibt einfach zu viele Mechanismen und Fliehkräfte in unserer Gesellschaft, die das Individuum vereinsamen lassen – und das ist auch beabsichtigt so. Gemeinschaft generell wird oft skeptisch gesehen, alles, was über die Familie hinausgeht. Unsere Freundschaftsbeziehungen werden quasi auch nicht als gleichwertig angesehen wie beispielsweise eine romantische Beziehung. Das genießt nicht den gleichen Stellenwert. Und das sind alles solche Dinge, die gesellschaftlichen Druck erzeugen, dass man einsamer ist, als man eigentlich sein könnte. Deswegen wäre das ein Trugschluss, zu sagen, dass wir nichts verändern müssen, dass die Strukturen so passen und wir uns nur selbst optimieren müssen. Man muss natürlich auch sagen, dass sich da von oben was ändern muss.

„LEISTUNGSDRUCK IST EXTREM AUF ZAHLEN RUNTERZUBRECHEN – DARAN MUSS MAN SICH ÖFTER ERINNERN“

Habt ihr manchmal das Gefühl, als Band unter Leistungsdruck zu stehen?

Sophie Löw: Sehr. Natürlich ist es tagesabhängig, aber ich glaube durch Social Media ist es als Musiker:in oder generell Künstler:in sehr schwer, da die Balance zu finden. Zwischen “man zieht sein Ding durch und versucht nicht, das zu tun, was alle anderen tun” oder eben nicht. Diese Vergleiche sind auf Social Media einfach sehr gefährlich. Wenn man mit anderen Bands oder Musiker:innen redet, merkt man, dass alle ihre eigenen Issues haben. Wir zum Beispiel denken uns manchmal, wir haben noch nicht so viele Follower auf Instagram …

Johannes Blindhofer: … andere denken sich dann, es kommen nicht genug Leute zu ihren Konzerten. 

Sophie Löw: Ja. Wir haben zum Beispiel viel Medienpräsenz, da können wir uns nicht beklagen. Dafür sind wir jetzt nicht so die Spotify-Band. Dieser Leistungsdruck ist extrem auf Zahlen runterzubrechen – daran muss man sich öfter erinnern. Es gibt aber mit Sicherheit auch Musikrichtungen, wo die Streamingzahlen viel wichtiger sind als in unserem Genre.

Ist Social Media etwas, wo ihr das Gefühl habt, ihr müsst das machen – zwecks Promo und Reichweite?

Johannes Blindhofer: Ja, komplett. Man muss halt mitspielen, was ist die Alternative? 

Sophie Löw: Das ist genau dasselbe wie Spotify. Ich meine, klar, manche machen das, und für die funktioniert das auch. Aber ich denke mir schon oft, es würde mich reizen, radikal zu sein und zu sagen, “Wir machen das nicht mit”.

Johannes Blindhofer: Es nimmt ja auch voll viel Spannung raus im Endeffekt. Wenn man von einer Band nicht so viel weiß, dann ist das cool und weckt Neugier. Bei mir ist das definitiv so, wenn ich eine Band entdecke. Wenn ich sehe, da gibt es kein Social Media, sondern drei verwackelte Videos und eine EP auf Bandcamp, bin ich viel interessierter. Gleichzeitig will man ja natürlich den Content auch haben und man will auch fündig werden. Das ist glaube ich dieses zweischneidige Schwert, wo wir alle drinstecken: Man will, dass es neu und spannend ist, aber irgendwo soll es doch diese Welt geben, in die man eintauchen kann. Diesen Spagat versucht man zu schaffen, aber so richtig glücklich wird vermutlich keiner damit.

Dem spielt vermutlich auch diese Medienpräsenz entgegen, von der ihr vorhin gesprochen habt.

Johannes Blindhofer: Voll. Gleichzeitig ist es ja aber auch sehr cool. Wenn das Interview gut ist und man gerne redet, ist es ja schön, dass man auch über die Musik hinaus was mitgeben kann. 

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Sophie, dich gibt es auch als Solokünstlerin. Wie trennst du das voneinander, welche Songs als Band und welche solo realisiert werden?

Sophie Löw: Ich mache das eigentlich sehr intuitiv, und gleichzeitig arbeite ich auch sehr in Zyklen. Wie wir zum Beispiel total im Songwriting-Prozess für “Generation Maximum” waren, habe ich eigentlich kaum solo geschrieben. Jetzt habe ich wieder weitergeschrieben, nachdem das Album fertig war. Momentan mag ich die Abwechslung. Bei SOPHIA BLENDA schreibe ich eigentlich alle Lieder ausgehend vom Klavier, bei CULK ist fast nie ein Klavier dabei und wir schreiben meistens alles gemeinsam im Proberaum. Das sind zwei komplett verschiedene Arbeitsprozesse. SOPHIA BLENDA ist auch viel digitaler, da skizziere ich im Songwriting-Prozess viel mit dem Laptop. 

Wie läuft der Songwriting-Prozess bei CULK ab?

Johannes Blindhofer: Auf der Lyrics-Ebene ist es schon Sophies Solo-Teil, sage ich mal. Die Texte entstehen schon manchmal auch im Zusammenspiel mit der Musik, aber jetzt am letzten Album eher weniger. 

Sophie Löw: Wir haben den allerersten Song gemacht, “Willkommen in der Hedonie”, das war im Proberaum und da habe ich den Text zeitgleich geschrieben. Dieser Text war für mich sehr ausschlaggebend für das ganze Album und dadurch hatte ich auch sehr schnell die Idee zum Albumtitel. Die restlichen Texte habe ich dann sehr konzeptuell zu dem ganzen Album geschrieben. Da habe ich am Ende neun Texte mit in den Proberaum genommen und wir haben Musik dazu gemacht.

Der Dark-Ästhetik seid ihr von Anfang an treu geblieben, insbesondere in den Videos. Seht ihr das irgendwo als Markenzeichen an, so USP-mäßig?

Johannes Blindhofer: In erster Linie ist es einfach das, was uns von der Ästhetik her anspricht, glaube ich. Gerade in Österreich ist es vielleicht ein bisschen etwas, was nur wir so machen. Aber das haben wir nicht so bewusst im Kopf. Von dem Visuellen kommt sehr viel von Sophie und ich glaube, sie hat von Anfang an eine konkrete Vorstellung, was uns extrem viel hilft. Das ist vielleicht unser USP, dass wir niemandem von außen unsere Idee zeigen müssen oder irgendwie hoffen, dass jemand kommt und uns was macht, egal ob Artwork oder Musikvideos. Wir haben Sophie, die das und die Musik macht. Besser geht’s eigentlich nicht, so haben wir eine Synergie.

„LEUTE, DIE UNS ZEIGEN WOLLEN, WIE WIR ETWAS ANDERS MACHEN SOLLEN, SCHRECKEN WIR VERMUTLICH VON VORNHEREIN AB“

Also ihr lasst euch auch ungern von außen hineinreden?

Sophie Löw: Es macht eigentlich niemand.

Johannes Blindhofer: Von Anfang nicht. Dadurch, dass wir innerhalb der Band immer schon so eine starke Vorstellung hatten, gab es solche Versuche nie. Alle, mit denen wir zusammengearbeitet haben, waren immer so “Ihr habt eure Welt, zeigt’s mir den Weg dort hinein”. Leute, die uns zeigen wollen, wie wir etwas anders machen sollen, schrecken wir vermutlich von Vornherein ab. [lacht]

 Eure Tour findet hauptsächlich in deutschen Städten statt. Gibt es dort die größere Fanbase?

Sophie Löw: Es hat sich über die Jahre so ergeben, dass wir in Deutschland ein bisschen bekannter sind als in Österreich. Es gibt dort einfach eine größere Szene für so “darkere” Musik. Wir haben auch seit unserer allerersten Single 2018 eine Berliner Booking-Agentur, deshalb haben wir von Anfang an sehr viel in Deutschland gespielt. 

Johannes Blindhofer: In Österreich sind die Möglichkeiten auch ganz einfach beschränkt. Entweder du kannst alle Sommerfest’ln am Dorf mitnehmen, oder eben nicht. Für uns gibt es vielleicht drei Städte, wo es sinnvoll ist, aufzutreten. Man kann halt auch nicht immer in Wien spielen. Es ist schon schön, wenn das auch special bleibt.

Ist das Feeling für euch anders, wenn man in Österreich auftritt, verglichen mit Deutschland?

Johannes Blindhofer: Wien ist schon auch etwas anderes, weil das halt die Stadt ist, wo wir her sind und wo wir wohnen. Da sind viel Familie und viele Freunde bei den Konzerten. Wenn die da sind, prägt das für uns einen Raum schon sehr stark in der Wahrnehmung. Aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass die Menschen in Deutschland viel mehr Interesse haben, nach der Show Kontakt aufzunehmen. Das ist in Österreich nicht so die Kultur. In Deutschland gehört das dazu, vor allem in kleineren Locations.

„WIR BRINGEN LIVE MEHR WUCHT MIT ALS AUF ALBUM“

Was macht eure Liveshows besonders?

Johannes Blindhofer: Die Dynamik. Dadurch, dass unsere Musik teilweise sehr schnell von einem ins andere umschlägt, hoffen wir, dass wir die Leute damit packen und mit auf eine Reise nehmen können. Wir versuchen schon, einen Sog zu erzeugen. Es soll wie ein Rausch wirken.

Sophie Löw: Ich glaube, es ist auch mehr als auf der Platte. Die verschiedenen Stimmungen sind intensiver ausgeprägt. Der Kontrast zwischen den “Eskalationen” und den ruhigen, emotionalen Stellen ist live sehr stark. Der Bernhard von siluh records, unserem Label, meinte mal, es ist sehr theatralisch. Das kann ich mir gut vorstellen, ich schlüpfe irgendwo auch in die Rolle einer Erzählerin. Das erwartet man vielleicht nicht so.

Johannes Blindhofer: Wir bringen live mehr Wucht mit als auf Album, glaube ich. Das überrascht auch viele. Vor allem Männer. Viele denken, sobald man die Stimme einer Frau hört, dass es elegisch sein muss. Das ist eine Misskonzeption.

Danke für eure Zeit!

Katharina Reiffenstuhl

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