„Es soll keine Hindernisse für einen Konzertbesuch geben.“ – Birgit Hinterholzer (Generalsekretärin der Jeunesse) im mica-Interview

Am 21. September 2025 eröffnet die Jeunesse ihre neue Saison im Musikverein Wien mit Alexandra Dovgan am Klavier. Unter dem Motto „Alles à la carte“ setzt sie auf Flexibilität, maßgeschneiderte Konzerterlebnisse und künstlerische Exzellenz. Als „Featured Artists“ sind Sopranistin Martha Matscheko und das Javus Quartett in vielseitigen Programmen zu erleben, während Spotlight-Geiger Leonhard Baumgartner mit Brahms’ Violinkonzert debütiert. Mit den „Empfehlungen des Hauses“ bietet die Jeunesse kuratierte Konzertreihen für unterschiedliche Geschmäcker: „Mozartkugeln“ begeistert Klassik-Fans, „Fusionsküche“ öffnet neue Klangwelten, und „Eismarillenknödel“ präsentiert innovative „Staged Concerts“. Auch das Familienprogramm „Alles Entdeckergeist“ hält vielfältige Erlebnisse bereit – von „Mit Baby ins Konzert“ bis zum „BIG BANG Festival“ in St. Pölten. Im Interview mit Michael Ternai spricht die Generalsekretärin der Jeunesse, Birgit Hinterholzer, über die Idee hinter dem Programm der nächsten Saison, die Förderung junger Talente und den besonderen Servicegedanken.

Beginnen wir mit einem Rückblick. Die aktuelle Saison ist die erste, die vollständig unter Ihrer Leitung stattfindet. Wie bewerten Sie den Verlauf? Es gab ja einige Änderungen, insbesondere die Einführung eines neuen Rabattsystems anstelle der klassischen Abonnements. Wie wurden diese Änderungen aufgenommen?

Birgit Hinterholzer: Grundsätzlich war es eine bedeutende Umstellung, die sowohl für unser Publikum als auch für die gesamte Wiener Kulturszene überraschend kam. Das liegt auch an unserer Präsenz an vielen verschiedenen Standorten. Wir bespielen das ganze Jahr über zahlreiche Veranstaltungsorte.

Klassische Abonnements, bei denen man ein Abo abschließt und es im Folgejahr verlängert, waren bei uns nie möglich. Stattdessen mussten wir unser Publikum stets neu gewinnen. Mit unserem Rabattangebot wollen wir eine attraktive Möglichkeit schaffen, unser Publikum anzusprechen und gleichzeitig dessen Wunsch nach Flexibilität zu erfüllen.

Was wir bereits feststellen konnten, ist, dass der Vorverkaufszeitraum für unsere Kunden besonders attraktiv ist. Unsere Rabattangebote werden stark genutzt. Viele entscheiden sich für den höchsten Rabatt, der bei der Buchung von zwölf Konzerten gewährt wird. Wer bereits neun oder zehn Konzerte ausgewählt hat, nimmt oft noch zwei weitere dazu, um 20 Prozent Rabatt zu erhalten.

Wir behalten das Rabattsystem und den Saisonpass bei, der ebenfalls sehr attraktiv ist. Allerdings werden wir dieses Jahr verstärkt Hilfestellung bei der Auswahl und im Service anbieten. Früher gab es in der Saisonbroschüre feste Abo-Pakete. Jetzt sind die Konzerte chronologisch aufgelistet. Wer das nicht gewohnt ist, könnte anfangs Schwierigkeiten haben, sich zu orientieren. Deshalb setzen wir verstärkt auf Beratungstermine und kundenfreundliche Unterstützung.

Die Saison hat mit einem zehntägigen Open House begonnen …

Birgit Hinterholzer: Zum Verkaufsstart der Saison 2025/26 haben wir für zehn Tage das Kartenbüro mit erweiterten Öffnungszeiten und einem größeren Team geöffnet. Auch unsere Mitarbeiter:innen aus dem künstlerischen Bereich sind vor Ort. Sie beraten die Kunden persönlich, geben Empfehlungen für passende Veranstaltungen und weisen auf besondere Highlights hin.

Dieses Open House bietet uns eine hervorragende Gelegenheit, unsere Programmgestaltung direkt zu vermitteln. Es ist auch eine Vorbereitung auf die zukünftige Serviceorientierung: Ab April können persönliche Beratungstermine flexibel und ohne Wartezeit vereinbart werden.

Bild der Sopranistin Martha Matscheko
Martha Matscheko © Julia Wesely

„Alles à la carte“ ist der Titel der nächsten Saison. Was verbirgt sich dahinter?

Birgit Hinterholzer: Wir haben überlegt, was jeder Mensch liest. Und sicher ist, dass jede und jeder Speisekarten liest. Schon Kinder erkennen ihre Lieblingsgerichte. Daher orientiert sich unser Konzept an einer Speisekarte – die ist jedem vertraut. Unser Ziel ist es, ein diverses und breit gefächertes Publikum anzusprechen. Es soll keine Hindernisse für einen Konzertbesuch geben. Genau diese Idee steckt hinter dem Titel: Er soll vermitteln, dass man die Wahl hat – entweder ein individuelles Menü zusammenzustellen oder sich an die Empfehlungen des Hauses zu halten.

Was beinhalten die Empfehlungen des Hauses („Sachertorte“, „Kaviar“, „Eismarillenknödel“, „Gemischter Satz“, „Mozartkugeln“ und „Fusionsküche“)? Welche thematischen Schwerpunkte setzt die Jeunesse hier?

Birgit Hinterholzer: Wir haben verschiedene Schwerpunkte gesetzt. Wer sich beispielsweise für Klavier interessiert, findet in den Empfehlungen die Klavier-Highlights der Saison, die als Paket gebucht werden können. Dasselbe gilt für öffentliche Proben der Wiener Philharmoniker oder Global-Music-Konzerte. Auch inszenierte Formate wie die Staged Concerts, die wir in der kommenden Saison ohne Altersbeschränkung anbieten, sind vertreten. Die Empfehlungen sind prägnant formuliert: „Sachertorte“ steht für die Wiener Philharmoniker, „Mozartkugeln“ für das Klassik-Programm.

Im Programm liest man häufig das Wort Klavier. Ist dem Klavier ein besonderer Schwerpunkt gewidmet?

Birgit Hinterholzer: Ja, das Klavier ist im Jeunesse-Programm der neuen Saison prominent vertreten, insbesondere die Reihe „AnTasten“, die wir in Zusammenarbeit mit zwei Schweizer Stiftungen entwickelt haben. Wir fördern junge Talente und ermöglichen ihnen Auftritte im Ehrbar-Saal. Die Reihe umfasst fünf Konzerte mit außergewöhnlich jungen Musikern. „AnTasten“ lief bereits in der aktuellen Saison und wurde sehr gut aufgenommen.

Sehr jung sind auch die Featured Artists der kommenden Saison, die Sopranistin Martha Matscheko, das Javus Quartett und der Geiger Leonhard Baumgartner …

Bild des Musikers Leonhard Baumgartner
Leonhard Baumgartner © Julia Wesely

Birgit Hinterholzer: Für Leonhard Baumgartner haben wir uns etwas Besonderes überlegt. Normalerweise begleiten wir unsere Featured Artists ein Jahr lang auf einer Tour durch unsere Geschäftsstellen und binden sie in unsere inszenierten und familienorientierten Formate ein. Das ist eine großartige Chance, aber auch ein erheblicher zeitlicher Aufwand.

Leonhard Baumgartner geht noch zur Schule und kann daher nicht an allen Programmpunkten teilnehmen. Deshalb haben wir die Reihe „Spotlight“ ins Leben gerufen. Er ist erst 17 Jahre alt, hat aber bereits den Eurovision Young Musicians Contest 2024 gewonnen und war bei einem Jeunesse Start up! Vorkonzert zu erleben. Da er ein außergewöhnlich vielversprechender junger Musiker ist, wollten wir nicht warten, bis er die Schule abgeschlossen hat. Stattdessen ermöglichen wir ihm sein Debüt im Musikverein mit dem Wiener Jeunesse Orchester.

Wie haben Sie ihn entdeckt? Über den Preis, den er letztes Jahr gewonnen hat?

Birgit Hinterholzer: Nein, ich kannte Leonhard bereits aus meiner Zeit bei „prima la musica“. Ich habe seine Karriere verfolgt. Er ist auch Preisträger bei „Musica Juventutis“, wo wir vertreten sind. Nach seinem Sieg beim Eurovision Young Musicians Contest und seinem Auftritt bei unserem Jubiläumsfestival im Herbst 2024 haben wir ihn gefragt, ob er in der Saison 2025/26 Teil der Jeunesse sein möchte.

Ein Schwerpunkt der Jeunesse ist auch das Programm für junges Publikum …

Birgit Hinterholzer: Ein etabliertes und fortgeführtes Format ist „Mit Baby ins Konzert“ (0–1 Jahre). Eltern und Großeltern können gemeinsam mit ihren Babys Konzerte besuchen. Dieses Konzept ist sehr beliebt.

Darüber hinaus haben wir die Eigenproduktionen „Cinello“ und „Triolino“. Bei „Cinello“ (1–4 Jahre) setzen wir die Kooperation mit den Roten Nasen fort. Das Format mit Musikern und Clowns auf der Bühne ist künstlerisch sehr reizvoll. Bei „Triolino“ (3–8 Jahre) produzieren wir ebenfalls selbst. Zudem bieten wir spannende Programme für ältere Kinder und Jugendliche an. Unser Angebot ist sehr vielfältig.

Wie stark werden die Angebote für Kindergärten und Schulen genutzt?

Birgit Hinterholzer: Sehr gut. Die Kindergartenvorstellungen sind immer ausverkauft. Bei Schulen hängt es von den Terminen ab. Kürzlich besuchten 800 Schüler der Sekundarstufe eine öffentliche Generalprobe eines Orchesters. Das zeigt die hohe Nachfrage.

Obwohl die aktuelle Saison noch läuft, können Sie vielleicht schon ein persönliches Highlight der kommenden Saison nennen?

Birgit Hinterholzer: Wir haben jede Saison viele Highlights. Besonders wichtig sind mir die inszenierten Formate, die wir selbst produzieren. Ein Highlight ist das Staged Concert „VergissMeinNicht!“ in der Nationalbibliothek (12.+13.5.2025), das zwar noch in der aktuellen Saison stattfindet, aber für mich herausragend ist. Dieses Format wird es auch in der kommenden Saison im Mozarthaus Vienna geben.

Bild des Javis Quartetts
Javus Quartett © Julia Wesely

Es handelt sich um ein Wandelkonzert, bei dem man in Gruppen auf den Spuren von Mozart wandelt. Das Projekt ist sehr aufwendig und die Teilnehmerzahl begrenzt. Besonders ist, dass unsere Featured Artists in diesem Format mit Regie arbeiten werden. Das ist sicher eines meiner Highlights.

Generell ist es schwierig, einzelne Highlights hervorzuheben. Wir bieten eine Vielzahl aufregender Konzerte an verschiedenen Orten – von der Ottakringer Brauerei bis zum Goldenen Saal des Musikvereins. Ich freue mich auf die gesamte Saison.

Sie erwähnten die Ottakringer Brauerei. Ein Ziel bei Ihrem Antritt war die Erschließung neuer Spielstätten wie dem MuTh. Wie hat sich das gestaltet? Gab es Schwierigkeiten?

Birgit Hinterholzer: Das Thema ist vielschichtig. Die Eröffnung einer neuen Spielstätte ist immer eine Herausforderung. Wir müssen uns erst mit den Gegebenheiten vertraut machen. Andererseits erreichen wir an neuen Spielstätten außerhalb des Wiener Zentrums neue Zielgruppen, die wir ansprechen können, und diese Chance möchten wir auch in Zukunft nutzen. Das ist eine langfristige Perspektive. Besonders das MuTh hat einen fantastischen Saal für unsere Formate und unsere Größe. Auch die Ottakringer Brauerei ist ein großartiger Ort, an dem wir unsere spezielleren Formate präsentieren können. Es ist uns wichtig, in diesen neuen Spielstätten eine besondere Atmosphäre zu erzeugen, die zu den jeweiligen Konzerten passt und ein unvergessliches Erlebnis für unser Publikum darstellt. Die Rückmeldungen, die wir bisher erhalten haben, sind durchweg positiv, was uns in unserer Entscheidung bestätigt.

Herzlichen Dank für das Interview.

Michael Ternai

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