„Es ist schwierig, fast unmöglich, irgendwas zu planen.“ – MOTHER’S CAKE im mica-Interview

Sie sind nicht nur eine der bekanntesten Rock-Bands des Landes, sondern haben sich bereits über die Grenzen hinaus einen Namen gemacht. Nach fünf Alben kommt im Herbst nun das sechste Werk von MOTHER’S CAKE – und die im Vorfeld veröffentlichten Singles lassen Großes erwarten. Antonia Seierl hat sich via E-Mail mit YVES KRISMER, dem Sänger und Gitarristen der Band, über das Bandsein in Corona-Zeiten, Musikvideos und Alter Egos unterhalten.

Wie habt ihr die Corona-Zeit erlebt? Welche Auswirkungen hatte sie für euch?

Yves Krismer: Es war und ist immer noch ein großer Dämpfer.  Wir waren mitten im Album-Recording, als der Lockdown kam. Die Studio-Blöcke haben wir verschoben, aber unser Zeitplan war eng und so mussten wir dann doch irgendwie nach Deutschland reisen, um das Album fertigzubekommen. Du meinst, dass das illegal war, gut möglich, aber irgendwie hatte ja keiner eine Ahnung. Der Zöllner scheinbar auch nicht. Aber die Corona-Zeit ist für uns immer noch aktuell und beschäftigt uns eigentlich jeden Tag, weil es zurzeit unmöglich ist, etwas zu planen.

Bild Mother`s Cake
Mother`s Cake (c) Manu Chó

Ein Beispiel?  

Yves Krismer: Ja, gerne. Wir hatten für Anfang August drei Shows in Oberösterreich geplant, dann innerhalb einer Woche alles wieder geknickt. Zwei Open-Air-Festivals, einmal für 500 Leute auf einem Gelände für 2000 Leute und einmal für 250 Leute auf einem Gelände für 3000 Leute. Sogar unsere erste Live-Streaming-Show wurde in Linz abgesagt, weil der Veranstalter letztendlich Angst haben muss, wenn wir auf der Bühne nicht den Mindestabstand einhalten und wir dann online live als Superspreader dastehen könnten, und das sogar ohne Publikum! Findest du überzogen? Wir auch, ist aber die Realität im Augenblick für jeden Veranstalter. Und wenn die Politik das als akzeptable Rahmenbedingungen für unser Gewerbe sieht, dann gute Nacht, Rock-Musik.

„Wir haben alle Daten für den Herbst fixiert, aber ob wir die spielen können, weiß niemand. Und das ist keine Metaphorik.“

Ihr bringt ja im September euer neues Album raus. Wie habt ihr das mit den Studioaufnahmen während der letzten Monate geregelt?

Yves Krismer: Es schwierig, fast unmöglich, irgendwas zu planen. Der Release im September ist ein weiteres Beispiel dafür. Macht es Sinn ein Album im September zu bringen, wenn die Tour dann erst im Frühjahr stattfindet? Wir haben alle Daten für den Herbst fixiert, ob wir die aber spielen können, weiß niemand. Und das ist keine Metaphorik. Nicht mal für ein Land kannst du im Gesamten planen, weil in Deutschland Baden-Württemberg andere Bestimmungen hat als Bayern. Und wie wir kürzlich gehört haben, kommt mit der Ampel auch so was in Österreich.
Es hängt alles von der Situation ab und die ändert sich leider Gottes jeden Tag. Und ich verstehe leider nicht,  dass wir uns an den schönsten Seen Österreichs zwar mit Gästen aus aller Herren Länder ohne Abstandsregeln erholen, aber nicht im selben Seebad ein Konzert mit derselben Anzahl an Menschen durchführen können. Da gehen einem dann irgendwann auch der Witz und die Geduld aus. Aber ich weiß eh – weil der Tourismus halt mehr Arbeitsplätze sichert als ein gottverdammtes Rock-Trio. Und ja, ich weiß, niemand hat behauptet, dass das Leben fair ist … Sorry, aber wie war die Frage noch mal?

Hat die geänderte Situation eure Musik beeinflusst?

Yves Krismer: Ich habe für meinen Teil alle Hände voll zu tun mit den Videodrehs, den Aufnahmen, der ganzen Produktion, den Verschiebungen. Die Situation hat unser Leben beeinflusst, da unser Leben unsere Musik beeinflusst, hast du wohl recht. Hatte ehrlich gesagt nicht richtig Zeit, den Gedanken zu reflektieren. Verstehe mich nicht falsch, ich meine Corona hat viele gute Seiten, weniger fürs Touring, aber zumindest für die persönliche und die gesellschaftliche Entwicklung. Es nervt nur, dass hier so mit zweierlei Maß gemessen wird.

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„[…] ich glaube, jeder von uns ist gleich böse auf seine eigene Art und Weise.“

Mit „Toxic Brother” ist ja schon ein kleiner Vorgeschmack gekommen – es handelt von dem bösen Alter Ego, wenn ich das richtig verstanden habe. Wer von euch in der Band hat das böseste Alter Ego?

Yves Krismer: Der Song ist ja schon vor Corona entstanden, aber um deine Frage zu beantworten: Hm, schwierig, ich glaube, jeder von uns ist gleich böse auf seine eigene Art und Weise.

Wie ist das Musikvideo zu „Toxic Brother” entstanden?

Yves Krismer:  Die Idee war von mir, Jan [Haußels; Anm.], Benni [Trenkwalder; Anm.] und meiner Freundin. Es ist aber vor allem durch die Kooperation mit Manuel Chó, unserem Kameramann, entstanden, der hat das auch mit einer kleinen Crew im einem Paintball-Park umgesetzt. Zwei Tage Dreh im November, quick and dirty.

Das böse Alter Ego kann ja prinzipiell viel sein – in eurem Video habe ich Grunge-Ästhetik mit Serienkiller-Vibes und satanischen Ritualen aufgeschnappt. Sind die Alter Egos bei euch echt so arg?

Yves Krismer: Na ja, Serienkiller ist von uns keiner, soweit ich das weiß, aber die erkennt man ja erst dann, wenn sie geschnappt werden.
Finde deine Assoziationen aber interessant. Sagt auch mehr über dich aus als über das Video, oder [lacht]Mother‘s Cake hat sehr viel mit Augenzwinkern zu tun und versucht, sich nicht immer allzu ernst zu nehmen. Aber ja, unser Humor ist sicher für manche sehr eigen.

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Der Song ist ja schon mal ein Burner – mit „Crystals in the Sky” habt ihr noch mal nachgelegt. Wovon handelt der Song? Ich war mir beim Anhören und beim Ansehen des Musikvideos häufig nicht sicher, ob ich gerade einen Drogentrip miterlebe oder ob ich versteckte Referenzen auf Verschwörungstheorien raushöre …

Yves Krismer: Drogentrip ja, Verschwörungstheorie auf keinen Fall. Wir sind alle brave Fake-News-Konsumenten und vertrauen da ganz auf die Wissenschaft sowie belegte Zahlen, Daten und Fakten. Obwohl – hast du schon mal von der Hohlwelt-Theorie gehört [lacht].

Die zwei vorab releasten Songs haben es in sich, was darf man sich vom Rest des Albums erwarten?

Yves Krismer: Lass uns das einfach machen: ein Mix aus unseren Lieblingseinflüssen, die sich in den Jahren immer wieder verändert haben. Mars Volta, Rage against the Maschine, Red Hot Chili Peppers, viele Funk-Sachen, alte Psychedelic-Bands und manchmal auch ein bisschen was Moderneres wie Psychedelic Porn Crumpets oder King Gizzard, das Ganze unterlegt von Jans straighten queer drums, Bennis endgeiler Groove-Machine und mir, also ein ganz normales Album von Mother‘s Cake.

Das Album kommt im September, danach geht’s auf Tour. Wann und wo spielt ihr eure ersten Konzerte?

Yves Krismer: Die Daten sind eh schon alle veröffentlicht, aber, wie gesagt, die Sicherheit aller Besucherinnen und Besucher liegt uns am Herzen und so wird es weiterhin heißen: „Let‘s go with the flow.” Wenn alle Stricke reißen und wir die zweite Welle reiten, kann es auch das Frühjahr werden mit den Live-Daten, but who knows?

„Die Zukunft schaut mal nicht so rosig aus, und das betrifft nicht nur uns Musikerinnen und Musiker, sondern extrem viele Gewerke  […]“

Was habt ihr am meisten vermisst, was das Konzertespielen angeht?

Yves Krismer: Ehrlich? Das Geld. Bis jetzt geht uns das Spielen gar nicht so krass ab, da unsere letzte Tour gar nicht so lange her ist und eine Pause vom Grind der Straße ja auch mal recht gut ist, und wir waren ja die letzten Jahre fast dauernd unterwegs. Aber mittlerweile ist es schon recht bedrohlich, da wir knapp 60 % unseres direkten Einkommens aus dem Live-Bereich beziehen, wenn du die indirekten Einkünfte (Live-Tantiemen, Merch-Verkauf etc.) mitrechnest, sind es sogar fast 80 %. Wenn wir jetzt noch bedenken, dass wir die Albumverkäufe nicht an die Tour koppeln können und wir die Spillover-Promoeffekte nicht nutzen können, klingt das nach einem garantierten Genickbruch.
Aber, hey, ich möchte positiv bleiben und auch mit Härtefall-Hunger-Geld im Berufsverbot zu hängen ist auch mal eine Situation, die jeder erlebt haben muss. Und wie mein Nachbar schon meinte: Ich kann wenigstens ein Lied davon schreiben. Ich glaube, was ich damit sagen will: Die Zukunft schaut mal nicht so rosig aus, und das betrifft nicht nur uns Musikerinnen und Musiker, sondern extrem viele Gewerke, die halt alle als KMU/Einzelunternehmer kein Sprachrohr oder kein Lobby haben.

Gibt’s Pläne für eine Tour außerhalb Europas?Yves Krismer: Wir hatten einiges am Schirm, das erste Mal USA und Südamerika war am Plan, der obligate Ausflug nach Australien, eventuell auch Indien … Das ist aber mal alles auf unbestimmte Zeit verschoben. Wenn du nicht mal in Linz einen Gig buchen kannst, der nicht umfällt, was willst du dann in Übersee? Komplett sinnlos.
Unser Booker in UK ist noch frohen Mutes, eventuell müssen wir aber für vier Shows zwei Wochen in Quarantäne bei der Einreise, und dann eventuell nochmals zwei Wochen, wenn wir heimkommen. Ja, ich weiß, macht irgendwie auch keinen Sinn. Einfach gesagt, sind wir mittellose Musiker im Berufsverbot, die nicht wissen, wie es weitergeht. Aber klar, kreativ bleiben wir.

Herzlichen Dank!

Antonia Seierl

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