„Es ist Spaß am Ernst und Ernst am Spaß“ – Bernhard Gander im Porträt

Was immer den Komponisten Bernhard Gander anspricht, kann ihm als Material für seine Musik dienen. Er verbindet Beobachtetes und Gehörtes als gleichberechtigtes Miteinander, egal ob beispielsweise Heavy Metal, klassische Musik oder Umweltgeräusche, Comics, Filmhelden oder Zeitungsberichte. Als ausgewiesener Fan von Comics und Sitcoms lag es nahe, die Idee einer Sitcom-Oper zu realisieren. Die ersten drei Staffeln dieses neuen Formats werden im Rahmen der Bregenzer Festspiele präsentiert. Alle sieben Teile der Oper „Das Leben am Rande der Milchstraße“ sind im Herbst bei Wien Modern zu sehen sein.

Allein der Titel „Das Leben am Rande der Milchstraße“ illustriert die Denkart und in gewisser Weise auch den Humor des Komponisten und er scheint genau passend für dieses Vorhaben. Der Ort des Geschehens hat nämlich keine galaktische Dimension, sondern es ist die Adresse des „EBF“, des European Bureau of Future“ mit Sitz in der Milchstraße 142a. Wie in allen Sitcoms ist auch hier eine Couch das Zentrum des Geschehens. Um diese herum tummeln sich die Büroangestellten.

Musik mit Aussagekraft

Musik von Bernhard Gander war bereits vor zwei Jahren bei den Bregenzer Festspielen zu erleben und schon damals lenkte er die Aufmerksamkeit mit seinem Werk „Wegda!“ auf sich. Denn der Werktitel erinnerte an eine ehemalige Innenministerin, die vor allem durch ihre unmenschliche Art Zuwanderern gegenüber aufgefallen ist. Nicht nur diese Komposition, sondern viele von Ganders Werken zeichnen sich durch ein humorvolles, aber nicht unkritisches musikalisches Spiel aus.

Unweigerlich denkt man bei seinen Kompositionen an ausgefallene Veranstaltungsorte. Es gab beispielsweise schon Aufführungen in einem Einkaufszentrum, aber prinzipiell bevorzugt Bernhard Gander die „konservative“ Frontalsituation des Konzertsaales. Die meisten Werke sind für das traditionelle Instrumentarium gesetzt. Mit anschaulichen Klängen und einer unüberhörbaren Vorliebe für tiefe Frequenzen macht er körperhafte Musik. Immer weniger verwendet er Elektronik, bedauert der Komponist, da er sich aus Zeitmangel zu wenig damit beschäftigen kann.

Sitcom-Oper – ein Versuch

Im Werbetext von Wien Modern ist nachzulesen, dass mit der Sitcom-Oper „der Versuch unternommen wird, dem Format Oper und Musiktheater im Zusammenwirken mit der Regie einen neuen, originellen Impuls“ zu geben. Doch so hoch hinaus will der Komponist nicht von vornherein. „Für mich ist Sitcom ein spannendes Format und ich will mich einfach als Komponist daran versuchen.“

Im Vordergrund soll die Unterhaltung stehen, denn Komödie und Tragödie, Unterhaltung und Ernst, Fernsehen und Oper gehen bei Bernhard Gander Hand in Hand. „Vor allem besteht für mich kein grundsätzlicher qualitativer Unterschied zwischen Sitcom und Oper. Ich habe mir sehr viele Sitcoms angesehen und die sind einfach wahnsinnig gut gemacht. Die Sitcom ist außerdem eine ausgeklügelte dramaturgische Form, die gut unterhalten kann. Sie ist vor allem kein Blödsinn. Auf Grund des knappen zeitlichen Rahmens wird jede Sekunde optimal ausgenützt.“

Keine hochgestochenen Sätze

Johannes Heide und Christa Salchner haben das Libretto für „Das Leben am Rande der Milchstraße“ verfasst. Sie hatten die Vorgabe, beim Schreiben nicht darauf zu achten, dass die Texte anschließend vertont werden, betont Bernhard Gander. „Ich wollte eine stringente Handlung und Sätze in Alltagssprache. Wenn man nämlich im Hinterkopf hat, dass der Text gesungen werden müsste, dann kommen meistens solche verkrampften und hochgestochenen Sätze heraus.“

Gesprochene und gesungene Passagen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Besonders in die Arien wurde Situationskomik hineingepackt, indem bestimmte Passagen oder auch Worte ironisch überhöht erklingen. „Es gibt Arien, nur bei mir dauern sie eben nur 10, 20, 30 Sekunden. Die haben dann auch klar wieder erkennbare Motive. Da könnte man fast mitsingen. Es gibt auch gesprochene Stellen, bei denen ich aber auch möchte, dass sie ganz normal gesprochen werden. Ich möchte keinen Rezitativgestus darin haben, sondern eher mehr vom Sprechtheater“, betont der Komponist. „Das pathetische Dahinsprechen klingt für mich einfach lächerlich.“

Viele Anspielungen

Musikalisch schöpfte Bernhard Gander auch bei diesem, seinem ersten musiktheatralischen Werk aus dem Vollen. „Da ich sehr viel Musik höre, fließt alles irgendwie in meine Musik ein. „Manche Stellen klingen sicher stark nach Doom Metal, ich zitiere aber kein konkretes Stück. Direkte Zitate gibt es eher aus der klassischen Musik. In einer Szene zitiere ich beispielsweise den Tristan-Akkord. Textlich gibt es wahnsinnig viele Zitate, Anspielungen auf Klassiker der Filmgeschichte wie „Der Pate“, „Rocky“ und andere. Musikalisch gibt es dann noch Zitate aus „Phantom der Oper“ von Lloyd Webber und ansonsten jede Menge Anklänge.“

Weitere Einblicke in „Das Leben am Ende der Milchstraße“ gewährt Bernhard Gander in einem Gespräch mit Axel Petri-Preis. (www.terz.cc).

Silvia Thurner

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, im Juli-August 2014 erschienen.

Termine:
Freitag, 1. August. Bernhard Gander, „Das Leben am Rande der Milchstraße“,
Eine Sitcom-Oper / Staffel 1 – Folge 1-3 (Uraufführung)
Werkstattbühne, 20 Uhr
Weitere Aufführung
3. August, 20 Uhr