„ES IST SOUNDTECHNISCH DAS KNUSPRIGSTE ALBUM, DAS WIR BIS JETZT HABEN“ – THE BASE IM MICA-INTERVIEW

Demnächst veröffentlicht die Grazer Combo THE BASE ihr neues Album „Lick A Stone Kill A Fly“ (konkord; VÖ: 28.1.). Jürgen Plank hat mit Sänger NORBERT WALLY über den Karriereweg der Band, über die Angst, etwas zu versäumen, über Verschwörungstheorien und den Albumtitel gesprochen, der auf die Langeweile in der Corona-Zeit verweist.

Du hast mir mal erzählt, dass es mit der Karriere von The Base langsam, aber stetig aufwärtsgegangen ist. Was hat sich seit der letzten Platte „Tribal Instincts“ getan?

Norbert Wally: Es ist zumindest nie zurückgegangen. Wir haben noch nie einen Moment gehabt, in dem wir gesagt hätten: „Das waren noch Zeiten!“ Der Vorteil ist natürlich, dass es um The Base nie einen Hype gegeben hat, auf den man zurückblicken kann. Wenn ich jetzt sage, dass wir nie bessere Zeiten als jetzt hatten, heißt das nicht wahnsinnig viel. Über die Jahre wächst das aber, dass einem doch Respekt entgegengebracht wird. Die Leute checken, dass wir das nicht nur wegen des Geldes machen, und dadurch ist zu vermuten, dass echte Leidenschaft dahinterstecken könnte. Bei der letzten Tour habe ich gemerkt, dass die Konzerte durchwegs gut besucht waren..

Für mich reiht sich die neue Platte in euer Gesamtwerk ein. Wie siehst du das: Besteht die Gefahr, dass man sich mal selbst zitiert? Oder gar wiederholt?

THE BASE (c) Kanizaj Marija

Norbert Wally: Es stimmt schon, dass wir uns insofern in einer Komfortzone bewegen, als dass es fast zu jedem Song irgendwo einen Präzedenzfall gibt, auf den man verweisen kann. Das macht es auch für die Mitmusiker vielleicht einfacher, neue Lieder einzuordnen, wenn man Referenzen aus der Vergangenheit aus dem Hut ziehen kann. Ich versuche schon immer, die Band mit unorthodoxen neuen Ideen zu nerven. Zum Beispiel ist die Nummer „White Feet“ eher so „trancig“, durchgehend, so etwas haben wir noch nie gemacht.


Wir schauen schon darauf, dass wir uns immer herausfordern. In der Komfortzone wäre wiederum das Lied „Where’s Your Soulsitter“, eine Off-Beat-Nummer, bei der alle sofort erkennen, dass es eine The-Base-Nummer ist. Das finde ich aber okay, denn die Leute kaufen sich ja eine The-Base-Platte, um etwas zu hören, was nach uns klingt. Die Herausforderung, die wir an uns stellen, ist, die Leute immer wieder zu überraschen.

„Ich habe noch einmal so viele Nummern für das Album geschrieben. Es wäre sich also locker ein Doppel-Album ausgegangen“

Wofür steht das neue Album für dich?

Norbert Wally: Ich finde, es ist soundtechnisch das knusprigste Album, das wir bis jetzt haben. Es ist klingt einfach vom Sound her sehr gut und aufgeräumter als die letzte Platte „Tribal Instincts“, die war vom Sound her ein bisschen räudiger. Weil sie nicht in einem Studio entstanden ist, sondern in einem Keller in Slowenien. Das letzte Album sollte natürlich immer das beste in der Wahrnehmung der Band sein. Wofür steht es noch? Es ist einfach, das Album live zu spielen, weil es triogerecht arrangiert ist.

THE BASE (c) Kanizaj Marija

Der Aufnahmeprozess war freundlich und ist schnell gegangen und die Band hat alle Nummern akzeptiert. Ich habe noch einmal so viele Nummern für das Album geschrieben. Es wäre sich also locker ein Doppel-Album ausgegangen. Wir thematisieren nicht die Pandemie, aber ich hatte sehr viel Zeit zum Gitarrespielen und mir ist viel eingefallen. Man sagt ja oft, dass Langeweile gut ist für die Kreativität, und das war in diesem Fall wirklich so. Es gab ja nicht viele Ereignisse, über die ich schreiben hätte können, und so nimmt das Album, wie soll ich sagen, fast eine LSD-artige Sicht auf die Welt ein.

Dann kommen wir ganz konkret zu einem der neuen Songs, zu „Cure Your Fomo“. Ist „Fomo“ das Akronym für „Fear of missing out“? Und welche Versäumnisse könnten passieren?

Norbert Wally: Ich bin mit der Hookline zu diesem Lied ziemlich lange herumgelaufen, ohne dass mir ein Text dazu eingefallen ist. Manchmal schickt einem ja die Muse den Text gleich zur Musik dazu, aber in diesem Fall habe ich lange überlegt. In meinem Stammlokal habe ich mit einer Bekannten gesprochen und sie hat über ihr letztes Wochenende und von Fomo gesprochen. Mir hat das nichts gesagt und sie hat mir erklärt, dass das ein gängiger Begriff ist. Das Wort hat sich von der Phrasierung und den Vokalen her genau dort eingefügt, wo ich zwei Wochen lang nach etwas gesucht hatte.

Welche Angst, etwas zu versäumen, würdest du sehen?

Norbert Wally: Ich glaube, das ist eher für jüngere Menschen gemacht. Ich bemerke bei mir immer mehr, dass ich diese Leiden mit fortschreitendem Alter nicht mehr habe. Ich bleibe an einem Freitag oder Samstag auch mal zu Hause und entschlummere um 9 Uhr. Anders als vor zwanzig Jahren habe ich jetzt nicht mehr das Gefühl, dass ich irgendetwas Großartiges versäume. In der aktuellen, speziellen Zeit, gab’s auch nicht so viel zu versäumen. Aber ich erinnere mich schon an Zeiten, in denen es früher so war, dass man bei jedem Sauaustreiben dabei sein musste.

Cover “Lick A Stone Kill A Fly”

Weil du die Pandemiezeit gerade ansprichst: im Pressetext wird mit Augenzwinkern auf Verschwörungstheorien verwiesen. Wieso das?

Norbert Wally: Das weiß ich gar nicht, aber da geht es um den Song „Whatever Fakes You Happy“, der ist vor circa einem Jahr entstanden. Da habe ich sehr viel CNN und FOX News geschaut, wochenlang, rund um diesen Sturm aufs Kapitol.

„Mich interessiert von einer Band immer noch das Album mehr als ein einzelner Song“

Aktuell geht es bei der Veröffentlichung von Musik auch darum, mit einzelnen Liedern in Playlists zu kommen. Wieso haltet ihr am Album-Format fest und veröffentlicht auf Vinyl, gleichsam als Gegenposition zu digitalen Singles?

Norbert Wally: Wir kommen aus einer Zeit, in der wir einfach Vinyl-Alben gekauft und gebraucht haben. Mich interessiert von einer Band immer noch das Album mehr als ein einzelner Song. Die Vorab-Singles muss ich mir nicht unbedingt anhören und die Songs interagieren auch miteinander und ergeben im Kontext eine gewisse Komplexität. Außerdem spiele ich mich gerne mit Dramaturgien herum, also: Wo taucht ein Lied in diesem Songreigen auf? Bei diesem Album ist die Dramaturgie so, dass es sehr kräftig losgeht, der erste Song ist der härteste des Albums. Danach wird das Album von Nummer zu Nummer langsamer. Das fand ich spannend. Wahrscheinlich hätte es einen anderen Effekt, wenn man es genau umgekehrt macht.

Mir ist aufgefallen, dass die balladenartigen Lieder am Schluss wiederum kräftiger werden. Außerdem werden die Stücke immer länger. Ist das eine Ansage, dass ihr nicht darauf schaut, wie der Musikmarkt funktioniert, und eure Musik so macht, wie ihr sie für richtig haltet?

Norbert Wally: Früher haben wir viel mehr darauf geschaut, dass mehr Songs auf einem Album sind, die genau diese Radio-Format-Länge haben. Damit haben wir längst aufgehört, das hat auch etwas Befreiendes. Auch, dass ein Song nicht so aufhören muss, wie er anfängt. Es macht Sinn, dass man sich mit einem Lied wie auf eine Reise begibt.

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Apropos Reise: Honolulu kommt in einem Liedtitel vor.

Norbert Wally: Das ist einfach eine Metapher für „Gone to heaven“, das ist ein Lied, das ich für einen Kollegen geschrieben habe, der verstorben ist. Der hatte ein Faible für Strände, Cocktails und Bier und hätte sich sicher sehr gerne auf Hawaii gesehen.

Ihr habt zwei Videos gedreht, in denen ihr jeweils an einem Tisch sitzt und trinkt. Wie kam es, dass ihr dieses Motiv zwei Mal verwendet habt?

Norbert Wally: Die beiden Videos sind bei Foto-Shootings entstanden. Wir haben die beiden Locations ausgesucht, das eine ist der Grazer Mühlgang, in der Nähe vom Theater im Bahnhof. Wir fanden, dass das cool ausgesehen hat, und deswegen haben wir das Video einfach dort gedreht, anstatt Tausende Euros für ein Video auszugeben, das sich nach ein paar Jahren vielleicht 8000 Leute angeschaut haben.

Eine Tour steht bevor und wird hoffentlich passieren. Was würdest du dir für das neue Album wünschen?

Norbert Wally: Ich wünsche mir wirklich ganz banal, dass es möglichst viele Leute anhören. Und dass es in der alten The-Base-Tradition wieder ein paar Hörerinnen und Hörer mehr hat als das letzte Album. Vielleicht bringt uns das Album auch in andere europäische Städte.

Was drückt der Album-Titel „Lick a stone kill a fly“ für dich aus?

Norbert Wally: Das ist ein Gedankenspiel, das zum Ausdruck bringt, dass ein Mensch, der vor solchen Entscheidungen steht, gerade nicht wahnsinnig viel zu tun hat. Wenn du die Wahl hast, eine Fliege zu erschlagen oder an einem Stein zu nuckeln, spielt sich wahrscheinlich nicht sehr viel ab in deinem Leben. Mir sind im Sommer im Homeoffice Fliegen tatsächlich extrem auf die Nerven gegangen. Wenn man gut beschäftigt ist, fallen banale Alltäglichkeiten weniger auf. Und das passt zum mikroskopischen Blick auf Kleinigkeiten, der sich bei allen Liedtexten am neuen Album durchzieht.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank


Live:
04.02.22: Spielboden, Dornbirn
10.02.22: Rockhouse, Salzburg
11.02.22: Chelsea, Wien
12.02.22: Stadtwerkstatt, Linz
18.02.22: Marenzihaus, Leibnitz
19.02.22: PPC, Graz
25.02.22: Kammerlichtspiele, Klagenfurt
26.02.22: KIK, Ried im Innkreis
05.03.22: Rittersaal, Hartberg
11.03.22: Red Box, Mödling
12.03.22: Kino, Ebensee


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