“Es ist nun mal angepisste Musik” – FRANZ FUEXE im mica-Interview

Kritische Zeiten brauchen laute kritische Stimmen. Höchste Zeit für ein Gespräch mit der Punkband FRANZ FUEXE. Glücklicherweise haben die am 07.10.2022 ihr neues Album mit dem Titel “Franz Fuexe” veröffentlicht. Die beiden Musiker, LUCA MAYR und JÜRGEN SCHALLAUER, der sozialkritischen Punkband FRANZ FUEXE erzählen im Interview warum es einem österreichischen Musiker nicht zusteht “Fuck you, Putin” zu brüllen, sowie deren Schwierigkeiten die passenden Wörter zu finden, in einer sensiblen oder scheinbar empfindlicher werdenden Gesellschaft. Das Interview führte Dominik Beyer.

Zehn Jahre Franz Fuexe. Ihr habt euer viertes Album jetzt fertig. Was wird schwieriger, und was leichter?

Jürgen Schallauer: Ein Album zu machen wird schwieriger, weil man kritischer wird. Das erste Album haben wir locker in fünf Tagen gemacht. Aber dann wird man immer genauer. Für das neue haben wir sicher so hart gearbeitet wie noch nie. Und irgendwann war es dann wirklich gut. So sollte es im Idealfall sein. So lange daran arbeiten, bis es passt. Also es wird auf jeden Fall schwieriger.

Luca Mayr: Auf der anderen Seite sind die Abläufe nach dem vierten Album schon vertrauter. Was die Arbeit generell betrifft. Weil man es schon kennt. Der Schreibprozess ist aber sicher langwieriger, weil man, wie Jürgen schon gesagt hat, kritischer ist. Er schreibt auch die meisten Songs und Texte.

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Wenn jemand zu mir sagt: ‚Das geht nicht!’, dann sage ich: ‚Doch, das geht sehr wohl!’. Ich habe mir dabei schon etwas überlegt.

Wird man ruhiger, wenn man älter wird? Wie kritisch schaut man auf frühere Produktionen?

Jürgen Schallauer: Heute ist auf jeden Fall weniger erlaubt zu sagen. Also man sollte genauer sein, welche Wörter man verwendet, wenn man provoziert. Ich finde, man darf grundsätzlich alles verwenden, man muss den richtigen Kontext finden. Und das ist das Schwierige dabei. Früher hat man sich da einfach gar nichts geschissen. Da war es auch noch nicht so streng. Und in einer Band, in der man provoziert, ist es halt immer schwierig, zum einen nicht langweilig zu sein, zum anderen aber auch nicht unnötig g`schissn. Da muss man sehr genau sein.

Luca Mayr:  Früher haben wir da wenige Gedanken verschwendet.

Jürgen Schallauer: Mittlerweile überleg ich mir das sehr genau. Wenn jemand zu mir sagt: „Das geht nicht!”, dann sage ich: „Doch, das geht sehr wohl!”. Ich habe mir dabei schon etwas überlegt.

Luca Mayr: Man wird definitiv bewusster bei Texten.

Jürgen Schallauer: Manchmal will man ein wenig schocken und anecken.

„Aber es gibt schon eine Empfindlichkeit der neuen “woken” Generation, die anderen gegenüber auch sehr überheblich sein kann.”

Versucht man mehr anzuecken in einer sensiblen Gesellschaft, oder bringt man im Gegenteil sogar mehr Empathie auf?

Bild Franz Fuexe
Franz Fuexe (c) Jakob Wallner

 Jürgen Schallauer: Also wir sind schon sensibel, und überlegen was wir sagen. Aber es gibt schon eine Empfindlichkeit der neuen “woken” Generation, die anderen gegenüber auch sehr überheblich sein kann. Ich finde, man darf über jeden einen Witz machen. Man muss nur wissen, wie. Und in welchem Kontext. Das muss für jede Situation neu beurteilt werden. Das ist die Realität. Einfache Regeln funktionieren da nicht. Sonst dürfte man ja gar nichts mehr sagen, weil sich immer jemand angegriffen fühlt. Oft sind es ja gar nicht die Betroffenen selbst, die sich beschweren. Sondern andere, die glauben, sie müssen sich für die Schwachen stark machen. Das wirkt dann sehr überheblich. Die Behinderten in meinem Freundeskreis wollen nicht, dass man sich sämtliche Witze Ihnen gegenüber verkneift. Man darf den Leuten schon was zutrauen.

Heutzutage wollen sehr viele alles mal ausprobieren. Ihr seid dem Produzenten Zebo Adam von Beginn an treu geblieben! Was ist der Vorteil einer langwährenden Zusammenarbeit aus eurer Sicht? Habt Ihr keine Fomo?

Luca Mayr: Wenn wir unseren “big break” haben, dann droppen wir ihn eh! [lacht]

Jürgen Schallauer: Rick Rubin habe ich schon angefragt [lacht]. Also, erstens verstehe ich mich mit Zebo künstlerisch sehr gut. Wir sind meistens ähnlicher Meinung. Können uns aber auch challengen. Es gab mit Zebo noch nie einen Punkt, an dem ich mich nicht wohlgefühlt habe. Aber wenn er uns nicht produzieren würde, dann hätten wir vermutlich gar keinen. Dann würde ich es selber machen. Ich habe eine genaue Vorstellung. Zuviel Veränderung, und es wird gleich peinlich. Man muss genau die Mitte finden, damit es nicht in die falsche Richtung geht. Ich habe in Österreich in der Sparte “Heavy” noch nie einen interessanten Produzenten entdeckt, mit dem ich arbeiten wollen würde. Aber vielleicht kenne ich ihn nur noch nicht.

Luca Mayr: Zebo brennt für unseren Sound. Auch für die Attitude, die wir mitbringen. Wir sind gegenseitige Fans. Und daher entsteht auch keine “Fear of missing out”.

Seid Ihr privat auch so treue Herzen?

Luca Mayr: Ja

Jürgen Schallauer: Ja

In einem früheren Interview habt ihr gesagt, ihr geht mit der Zeit und macht eine EP. Weil sich die Leute keine ganzen Alben mehr anhören. Sondern nur noch Songs. Warum jetzt doch wieder ein Album?

Jürgen Schallauer: Das war keine bewusste Entscheidung. Kommt einfach drauf an wie viele Songs man hat. Für das jetzige haben wir sehr viel Freizeit gehabt. Bedingt durch Corona…

Gibt es Elemente, die euch beim Schreiben bewusst geworden sind, die bei früheren Alben Produktionen gar nicht bedacht wurden?

Jürgen Schallauer: Ich wollte diesmal keine Füller haben. Also Songs, mit denen man nur halb zufrieden ist.

Luca Mayr: Wirklich gewollt haben wir das auch bei den vorherigen Alben auch nicht [lacht].

Jürgen Schallauer: Wir sind sicher unbewusst härter und extremer geworden.

Luca Mayr: Nicht, dass ich mich früher als der große Revoluzzer gesehen hätte, aber es wird einem doch nach und nach klar, dass man ein sehr kleines Würstchen ist. Deswegen wird man vermutlich ironischer.

Jürgen Schallauer: Was mir immer wichtiger wird, ist, dass die Texte keinesfalls belehrend oder überheblich sind. Ich sage niemandem, was er tun oder nicht tun soll. Ich hasse nichts mehr als Lyrics, die ermahnen, so oder so zu sein. Soll jeder seinen Scheiß machen, wie er glaubt. Man lernt, Menschen immer mehr zu tolerieren mit der Zeit.

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„Wieso sollte ich aus dem Leider Anderer Kapital schlagen und einen Protestsong schreiben, der keiner Sau irgendwas hilft.“

Ihr seid dafür bekannt, auf provokante Weise euren Unmut über die globale Situation auszudrücken. Findet ihr überhaupt noch passende Worte für das, was derzeit passiert?

Jürgen Schallauer: Ich finde die Situation natürlich auch sehr beunruhigend. Da geht’s mir wie den meisten. Man kann die Sache aber auch noch schlechter reden als sie ist. Es gab zu jeder Zeit in der Vergangenheit immer Menschen, die behaupten, wie furchtbar alles gerade ist. Aber noch sitzen wir in unseren Häusern und essen, trinken und können tun und lassen was wir wollen. Ich finde es dann absurd zu fordern: „Wir dürfen keine Kinder mehr in die Welt setzen.”
Trotzdem trifft mich das natürlich, dass nebenan Krieg ist. Von meinem Mitleid hat aber niemand etwas. Ist ja auch ein gewisser Luxus, immer alles schlecht zu reden.

Luca Mayr: Das war schon immer eine Stärke der Fuexe, eine weltpolitische Misere auf einen kleinen lokalen Kern herunterzubrechen. Das kann man dann auf viele andere Dinge übertragen, die in der Welt passieren.

Jürgen Schallauer: Beispielsweise “Fuck you, Putin” zu singen, steht mir gar nicht zu. Wie überheblich ist das hier im sicheren Österreich zu sitzen und solche Parolen zu schreien, während den Ukrainer:innen die Häuser um die Ohren fliegen. Es weiß eh jeder, wie ich dazu stehe. Wieso sollte ich aus dem Leid Anderer Kapital schlagen und einen Protestsong schreiben, der keiner Sau irgendwas hilft.
Erinnert mich an das shout-out “I fight for the women in Iran” von dem Yungblud-Sänger. Solidarisieren kann man sich. Aber zu einem Kampf gehört auch ein Risiko. Es geht ihm aber um das heuchlerische Mitgefühl des Publikums und Aufmerksamkeit für sich selbst. Ein wenig pietätvoller könnte man bei der Unterstützung von Bedürftigen sein. Ich hatte da schon immer ein Problem mit peinlichen Märtyrer-Figuren. Natürlich darf man als Musiker dazu beitragen aufmerksam zu machen. Dabei sollte man aber nicht so tun, als sei man selbst mit an der Front.

Luca Mayr: So entwertet man den eigentlichen Kampf der Personen vor Ort. Das schießt über das Ziel der Solidarisierung hinaus.

Eure Texte sind ja sehr kritisch und unverblümt. Nur leider versteht man sie akustisch sehr schwer, weil die Instrumente zur selben Zeit voll abgehen. War sicher auch mal ein Kunstgriff, um eine etwaige Zensur zu umgehen. Die Kunstfreiheit ist seit vierzig Jahren verfassungsrechtlich verankert. Versteckt ihr euch hinter der Unverständlichkeit?

Jürgen Schallauer: Je mehr man so eine Art von Musik hört, umso leichter tut man sich. Die Verständlichkeit ist aber ohnehin schon viel besser geworden im Vergleich zu früheren Produktionen. Aber ja, es ist eine Gratwanderung. Wirklich ändern kann man es nicht. Es muss so viel geschrien werden. Es muss so hart sein. Ich will nicht diesen fake-metal Gesang, mit dem jeder gleich klingt. Dafür kann man eine gewisse Deutlichkeit nicht erreichen. Aber ich möchte eigentlich schon, dass man alles versteht.

Luca Mayr: Wir arbeiten seit dem ersten Album daran, den Gesang verständlicher zu machen. Trotzdem darf er nicht weniger aggressiv werden. Aggressivität geht vor Verständlichkeit. Es ist nun mal angepisste Musik.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Dominik Beyer

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