„Es ist immer schade, wenn gute Ideen in der Schublade bleiben.“ KONSTANTIN KRÄUTLER im mica-Interview

Der Weg nach Boston führt über Umbrien. Zumindest gilt das für den Drummer KONSTANTIN KRÄUTLER, der demnächst ein Stipendium an der Berklee School of Music in Boston antreten wird. Welche Projekte noch anstehen bevor er sich auf den Weg macht und welche Hand auf die Hi-Hat gehört, verrät der gebürtige Vorarlberger Moritz Nowak im mica-Interview.

Sie haben in diesem Jahr Ihr Studium am Vienna Music Institute abgeschlossen und jetzt ein Stipendium für Berklee erhalten, wie kam es dazu?

Konstantin Kräutler: Ich spielte schon länger mit dem Gedanken, nach Abschluss meines Studiums für einige Zeit ins Ausland zu gehen. New York oder Boston sind mir da am spannendsten erschienen, wobei New York eher auf eigene Faust gewesen wäre. Ich hätte vor Ort die Szene erkundet und ein paar einzelne Stunden an der Manhattan School of Music oder am Drummers Collective genommen. Im Endeffekt war es mir aber dann doch zu wild, einfach so alleine hinzufahren und auch deshalb bin ich sehr froh über mein Stipendium. Der Vorteil an Boston beziehungsweise Berklee liegt für mich darin, dass ich mich auf einem College befinden werde, an dem Musiker aus aller Welt studieren was sicher förderlich für die eigene musikalische Entwicklung ist.

Ergeben hat sich das Ganze im Zuge des Umbria Jazz Festivals?

Konstantin Kräutler: Ich habe von einem Studienkollegen erfahren, dass es in Perugia eine Jazz Clinic parallel zum Umbria Jazz Festival gibt. Diese Clinics werden von Berklee mitorganisiert. Man spielt dabei zwei Wochen lang in Ensembles, hat Gruppenunterricht und nimmt jeden Tag an Sessions teil. Am letzten Tag wird konzertiert und im Anschluss findet die Stipendienvergabe statt, bei der unter allen Teilnehmern einige ausgewählt werden. Ich glaube, die wichtigste Entscheidungsinstanz war der Ensemblelehrer, obwohl das Auswahlverfahren recht undurchsichtig war.

Es ist auch ein interessantes neues Projekt, mit Teilnehmern aus verschiedenen Ländern, daraus hervorgegangen. UJIG –  Umbria Jazz International Group, das sind eine Handvoll Musiker aus Deutschland, Italien und Österreich: Marco Leo, Edoardo Maggioni, Benny Troschel, Tobias Vedovelli und ich. Um Silvester herum werden wir zwei Wochen in Mailand sein, um ein Album aufzunehmen und einige Konzerte zu spielen. Bei einem Konzert haben wir sogar den Ehrengast Paolo Tomelleri auf der Bühne, der mittlerweile schon auf die achtzig zusteuert. Ich hätte nie gedacht, dass das musikalische Kommunizieren über diese Entfernung so gut funktioniert, aber wenn das jemand in die Hand nimmt und Ideen als Files verschickt werden, an denen jeder weiter arbeiten kann, ist auch so etwas möglich.

Neulich fand Ihre EP-Release mit Bob Robinson im Wiener Chelsea statt. Wie lange spielen Sie schon in dieser Besetzung?

Konstantin Kräutler: Wir kennen uns schon recht lange. Eines Tages konnten wir unseren Sänger überreden einige seiner Lieder und Ideen mit uns zu teilen, und mit uns gemeinsam daran zu arbeiten. Zum Glück konnten wir es gemeinsam auf die Bühne bringen, denn es ist immer schade, wenn gute Ideen in der Schublade bleiben. Die Band geht eher in die Singer-/Songwriter-Richtung, aber nicht im klassischen Sinne, also in Form eines einzelnen singenden Gitarristen. Zusätzliche Facetten, wie Loops und instrumentale Passagen und Solos machen den Klang recht unverbraucht und geben ihm eine große Bandbreite.

Welche weiteren Projekte stehen bei Ihnen in den nächsten Monaten im Fokus?

Konstantin Kräutler: Was demnächst ansteht, ist eine Album-Aufnahme mit dem Sketchbook Quartett. Das sind Alex Wallner, Leonhard Skorupa, Daniel Moser und ich. Des weiteren wollen wir in nächster Zeit ein Album mit dem Lise Huber Trio aufnehmen, wo ich mit Oliver Steger die Rhythmusgruppe bilde.

Wie hat Ihr musikalischer Weg vor der Studienzeit ausgesehen?

Konstantin Kräutler: Ich bin nach Wien gekommen und habe begonnen Internationale Entwicklung zu studieren. Mein ursprünglicher Wunsch, Musik bzw. Schlagzeug zu studieren hat mich aber nicht losgelassen. Clemens Adlassnigg, der in Vorarlberg den selben Lehrer hatte wie ich, hat mir verschiedene Lehrer in Wien empfohlen und da die meisten davon am VMI unterrichten, habe ich dann dort die Aufnahmeprüfung gemacht.

Ich glaube, ich war zwölf als ich angefangen habe, Schlagzeug zu lernen. In der Schule war ich in der Schulband, mit der wir Covers gespielt haben und bei Schulveranstaltungen aufgetreten sind. Durch das Jugendsinfonieorchester Dornbirn habe ich einiges an Bühnenerfahrung sammeln können und bin ein bisschen herumgekommen. Parallel dazu hat sich die Bigband der Schule entwickelt und bei Schulbällen habe ich im Trio mit meinem Musiklehrer und einem Mitschüler gespielt. Das war eigentlich das erste Mal, dass ich Jazz gespielt habe und es hat mich ziemlich schnell gepackt, auch wenn ich damals eher Rock gehört habe. Mich hat ja ursprünglich Jose Pasillas II. sehr inspiriert, ganz einfach, weil ich Incubus damals sehr bewundert habe. Später, während dem Studium, war dann Mark Giuliana wichtig für mich, beziehungsweise auch Dave King, der seine Ideen auf eine ganz eigene Art und Weise umsetzt indem er sich über rhythmische Raster drüberhaut.

Spielen Sie eigentlich für alle Stile und Projekte das gleiche klassische Setup?

Konstantin Kräutler: Ja. Höchstens, dass ich mir einzelne perkussive Elemente zum Set dazu hole, aber viel mehr brauche ich nicht. Ich habe sogar ein Jahr lang gänzlich auf Toms verzichtet. Einerseits aus Trainingsgründen, um mehr aus der Snare herauszuholen und andererseits weil sich das Holz meiner Toms damals durch falsche Lagerung neben der Heizung total verzogen hat. (lacht)
Ich hatte bisher immer die Einstellung, dass man alles herausholen soll aus dem, was man hat. Erst in letzter Zeit denke ich, dass ich mich ein bisschen mehr mit Soundtüfteleien auseinandersetzen sollte.

Sie gaben kürzlich einen Workshop zum Thema Open-handed Drumming. Haben Sie sich schon immer viel damit auseinandergesetzt?

Konstantin Kräutler: Ja, ich habe mich viel damit auseinandergesetzt und spiele hauptsächlich open. Mein Lehrer hat mich von Grund auf so unterrichtet und somit fühlt es sich für mich total natürlich an.

Sind Sie denn Linkshänder?

Konstantin Kräutler: Nein. Mein Lehrer, Pascal Thaler, hat einfach gesagt: „Lege eine Hand auf die Hi-Hat und eine auf die Snare!“ – danach überkreuzt kein Kind die Hände. Pascal hat die Möglichkeit die Hände zu überkreuzen einfach nie in den Raum gestellt und war und ist generell ein Verfechter von diesem Open-Konzept. Ich handhabe das bei meinen eigenen Schülern jetzt auch oft so. Leute, die überkreuzen wollen, weil sie es im Fernsehen so gesehen haben, die lasse ich auch überkreuzen und kläre sie nur über die Vor- und Nachteile auf. Aber wenn ich jetzt absolute Frischlinge vor mir habe, dann weise ich auch nur darauf hin, einen Stock auf die Snare und eine auf die HiHat zu geben. Fast keiner überkreuzt dann. Es bringt viel Flexibilität mit sich und es kann einen quasi nichts auf der falschen Hand erwischen. Im Endeffekt wird dadurch auch die linke Hand stärker trainiert, sodass man sich einiges an Technikübungen erspart.

Spielen Sie heute noch häufig offen?

Konstantin Kräutler: Ich habe bis vor kurzem nur offen gespielt. Teilweise war es dann einfach das Übungspensum während des Studiums und da vor allem Rudiments, die man in Grooves umwandeln muss, was mich dann vom offenen Spielen etwas abgebracht hat. Wenn man merkt, dass etwas mit rechts um einen Hauch besser funktioniert, dann will man diesen Vorteil nützen und wird dadurch natürlich inkonsequent. Bei mir hat sich herauskristallisiert, dass ich Patterns, die groovig sind, meistens offen spiele und bei Patterns, die eher in Richtung Fill gehen, oft überkreuze. Fills habe ich ja immer schon mit Rechts startend gespielt, dadurch liegen mir ähnliche Patterns mit rechts startend besser.

Moritz Nowak

Konstantin Kräutler