Vier Jahre sind seit dem Erscheinen des letzten regulären Albums der DONAUWELLENREITER vergangen. Mit „Delta“ (Aestate Records) meldet sich das vierköpfige Ensemble nun in eindrucksvoller Form zurück. Die vielen Konzerte in halb Europa und die viel miteinander verbrachte Zeit haben MARIA CRAFFONARA (Violine, Gesang), THOM CASTAÑEDA (Piano), LUKAS LAUERMANN (Cello) und JÖRG MIKULA (Schlagzeug, Tombak) musikalisch hörbar zusammenwachsen lassen. Die Stücke strotzen nur so vor Ideenreichtum, sie fließen stilistisch vielfältig und zugleich gefühlvoll und entfachen dabei viel Emotion. Wie sehr die neuen Klänge der DONAUWELLENREITER auch von den Musikfreunden erwartet worden waren, zeigt auch, dass quasi mit der Veröffentlichung des Albums dieses an die Spitze der der österreichischen iTunes–Charts im Bereich Jazz kletterte. Die DONAUWELLENREITER im Interview mit Michael Ternai über das Zusammenwachsen zu einer musikalischen Einheit, die stilistische Vielfalt ihrer Musik und ihren einzigartigen Bandklang.
Mit „Delta“ meldet ihr euch nach recht arbeitsintensiven letzten Jahren – ihr habt viel live gespielt und mit dem Auftragswerk „Donauwellenreiter Play Gianmaria Testa“ und der Vinyl-LP „Euphoria Live“ gleich zwei Alben veröffentlicht – nun wieder mit neuen eigenen Kompositionen zurück. Kann man sagen, dass es wieder Zeit für Neues von den Donauwellenreitern war beziehungsweise ist?
Jörg Mikula: Definitiv! Mit dem Programm von „Euphoria“ waren wir ja wirklich lange unterwegs. Und ich genieße es auch, Stücke oft zu spielen, da man wirklich in die Tiefe gehen kann und immer neue Facetten kennenlernen kann. Aber ja, jetzt freuen wir uns auf was Neues, Frisches!
Lukas Lauermann: Wir bekommen schöne, teilweise sehr persönliche Rückmeldungen auf dieses Album. Ich würde sagen, es ist schön zu sehen, dass sich Menschen die Zeit für etwas Neues von uns nehmen.
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„Über das viele Zusammenspielen in den letzten Jahren haben wir uns sehr gut kennengelernt […]”
Die Donauwellenreiter standen immer schon für einen stilistisch sehr vielfältigen Sound, der nicht wirklich einer gängigen musikalischen Kategorie zuordenbar war. „Delta“ stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar. Dennoch wirkt diese Veröffentlichung im Vergleich zu den vorangegangenen musikalisch kompakter und feiner abgestimmt. Kann man sagen, dass die Band mit dem neuen Werk nun endgültig ihre musikalische Sprache gefunden hat?
Maria Craffonara: Von „endgültig“ möchte ich eigentlich nicht sprechen. Wir befinden uns ja eigentlich durchgehend in einem Prozess. Aber ich denke auch, dass „Delta“ homogener ist als die Vorgängerinnen.
Jörg Mikula: Der vielfältige Sound von Donauwellenreiter ergibt sich wahrscheinlich durch die sehr unterschiedlichen musikalischen Einflüsse der Bandmitglieder. Über das viele Zusammenspielen in den letzten Jahren haben wir uns sehr gut kennengelernt und das stärkt sicher den einzigartigen Bandklang.
Der Klang der neuen Stücke ist – egal ob nun in den ruhigeren oder lebendigeren Momenten – ein durchgehend fließender und warmer. War die Idee, es dieses Mal in diese Richtung gehen zu lassen, von Anfang an vorgegeben oder hat sich der Sound letztlich im Prozess der Entstehung herauskristallisiert?
Jörg Mikula: Nein, das hat sich ganz natürlich im Verlauf des Arbeitens ergeben. Aber ich denke, dass wir sehr auf den Klang unserer Instrumente bedacht sind und es uns ein Anliegen ist, ihnen viel Raum zum Atmen zu geben.
„Das Gute am vierten Studioalbum mit einer Band ist, dass man sich immer mehr auf musikalische als auf technische Belange konzentrieren kann.“
Was ist – eurer Meinung nach – der größte Unterschied zwischen dem neuen Album und den bisherigen Veröffentlichungen? Inwieweit hat sich der Zugang der Gruppe über die Jahre verändert? Ist man schon abgeklärter oder geht man immer noch mit der gleichen Energie an die Sache heran wie zu Beginn?
Thom Castañeda: Im Gegensatz zu den beiden letzten Album hatten wir dieses Mal keinen Produzenten dabei. Das macht auf jeden Fall einen Unterschied. Wir haben fast alles gleichzeitig aufgenommen, mit wenigen Overdubs. Das klingt dann ein bisschen kammermusikalischer. Das Gute an einem vierten Studioalbum mit einer Band ist, dass man sich immer mehr auf musikalische als auf technische Belange konzentrieren kann.
Maria Craffonara: Abgeklärtheit verspüre ich definitiv keine. Dafür aber mehr Vertrauen. Es ist heute ein offenerer Dialog und auch die Kritik-Verträglichkeit ist eine höhere. Das alles steigert die Intensität und Qualität der Zusammenarbeit. Mir persönlich war für dieses Album wichtig, mit meiner Stimme die geografisch zuordenbare Gegend zu verlassen, sie rein instrumental zu verwenden.
Lukas Lauermann: „Delta“ ist ja erst das zweite Album mit Eigenkompositionen in der jetzigen Besetzung und es ist das erste Album, bei dem jede musikalische Idee wirklich von Anfang an für unser Quartett gedacht war.
„[…] je länger wir zusammenarbeiten, desto weniger spielt der Background eine Rolle.“
Inwieweit spielt der unterschiedliche musikalische Background von euch für das musikalische Ergebnis eine Rolle?
Jörg Mikula: Wir kommen alle aus ziemlich unterschiedlichen Richtungen. Da gibt es Einflüsse aus der Klassik, aus dem Jazz, dem Indie-Pop, aus zeitgenössischer Musik und World Music. Mir ist es aber sehr wichtig, eigene Lösungen zu finden, einen neuen Sound zu kreieren und es möglichst zu vermeiden, andere zu zitieren. Auf einem tieferen Level schwingen da unsere Einflüsse sicher immer mit, aber der Blick geht nach vorne!
Lukas Lauermann: Der musikalische Background ist nicht entkoppelt von anderen Erfahrungen und unsere Musik wiederum nicht von unserem Leben. Alles spielt, wenn auch oft unmittelbar, eine Rolle.
Thom Castañeda: Aber je länger wir zusammenarbeiten, desto weniger spielt der musikalische Background eine Rolle.
Das Schöne und zugleich Spannende an euren Stücken ist, dass sie immer wieder auch überraschen, dass deren Spannungsbögen sich niemals wirklich voraussehbar entwickeln. Ihr liebt es hörbar, auch zu experimentieren. Oder täuscht dieser Eindruck?
Maria Craffonara: Wir arbeiten ja selten an fertigen Songs. Sie entstehen meistens im Probeprozess, da ist eigentlich immer so ziemlich alles offen. Diese Art zu arbeiten liegt vielleicht nicht jeder und jedem.
„Die Neugierde, Menschen und Plätze kennenzulernen, ist ein große Inspiration für mich.“
Was hat euch zum neuen Album inspiriert? Welches größere Motiv steckt hinter den Stücken? Inwieweit spiegeln sich die Erfahrungen, die ihr in den letzten Jahren gesammelt habt, in den Stücken wider?
Thom Castañeda: Ich bin seit 2016 fünfmal umgezogen. Mittlerweile lebe ich, nach vielen Jahren in Wien, als Einsiedler am Land. Die Neugierde, Menschen und Plätze kennenzulernen, ist ein große Inspiration für mich. Umgekehrt beschäftigt es mich auch sehr, Dinge, Orte wieder zu verlassen und aufzugeben.
Wie kann man sich die Entstehung eines Stückes bei euch eigentlich vorstellen? Inwieweit kann jede und jeder seine Ideen einbringen und durchsetzen? Ist es bei euch leicht, auf einen gemeinsamen musikalischen Nenner zu kommen?
Jörg Mikula: Meist kommt jemand von uns mit einer manchmal mehr, manchmal weniger ausgearbeiteten Idee. Dann entwickeln wir das Stück gemeinsam. Alle bringen Ideen ein und wir versuchen, alles Mögliche auszuprobieren. Das ist ein langer Prozess und es kommt auch vor, dass wir nach langem Arbeiten ein Stück wieder auf die Seite legen.
Thom Castañeda: Meistens ist es so, dass jemand nur ein bestimmtes Fragment – sei es eine rhythmische Struktur, eine Melodie oder auch etwa Abstrakteres wie ein Zahlenspiel – mit in die Probe bringt. Wir nehmen uns dann sehr viel Zeit und experimentieren alle zusammen damit. Manchmal über Monate. Es kommt aber auch vor, dass jemand ein Stück ausnotiert mitnimmt.
Die Corona-Krise hat vieles durcheinandergewirbelt. Eigentlich waren in diesem Frühjahr einige Konzerte angesetzt. Wie geht ihr mit der Situation um? Ließ sich da einiges in den Herbst verschieben?
Maria Craffonara: Wir hätten es uns natürlich anders gewünscht. Jede und jeder von uns durchlebt bessere und schlechtere Phasen. Trotzdem muss ich sagen, dass viele schöne Dinge passieren, es war auf jeden Fall richtig, die Musik auf die Reise zu schicken!
Lukas Lauermann: Und wir freuen uns natürlich auch schon darauf wieder, auf Reisen gehen zu können. Noch ist ungewiss, wann das wieder vernünftig möglich sein wird. Dass hier aufseiten der Politik nicht rasch und mit Nachdruck an Lösungen und an einer Perspektive gearbeitet wird, ist ein arges Versäumnis. Aber von unseren geplanten Konzerten musste bislang keines abgesagt werden. Alle sind auf Herbst oder nächstes Jahr verschoben. Jetzt hoffen wir, dass die Termine – wie der 4. September im Porgy & Bess – halten.
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