Mit ihrer aktuellen CD „Another Glass of Lemonade“ haben sich THE HELMUT BERGERS zwar nicht gänzlich neu erfunden, markieren aber dennoch einen gewissen Wendepunkt. Nach einem längeren Ausflug nach Wien wieder in Salzburg gelandet, besticht die Band nicht nur durch gekonnte Verfeinerungen ihrer ganz eigentümlichen Auslegungen des Begriffs „Elektropop“, sondern sprüht auch vor Elan. Mit ein Grund dafür ist sicher auch die fast komplette Neuzusammenstellung rund um den Bandnukleus des Geschwisterpaars PAUL und MONIKA KONARSKI sowie ein längerer Produktionsprozess, der „Another Glass of Lemonade“ hörbar gutgetan hat. Hier treffen sich Pop und Electronica aus dem Geiste des rebellischen Rock ’n’ Roll sowohl auf dem Tanzboden als auch in schummrigen Kneipen, Kegelbahnen und sonstigen Lokalitäten, wo das Leben meist erst nach Sonnenuntergang so richtig losgeht. Didi Neidhart sprach PAUL KONARSKI.
2015 sind Sie nach Wien gegangen, weil Ihnen Salzburg „zu klein“ geworden war. Jetzt sind Sie aber wieder zurück in Salzburg. Wie kam das?
Paul Konarski: Salzburg ist noch immer zu klein, aber der feine Unterschied zu Wien besteht in Salzburg darin, dass man hier doch einen starken persönlichen Background hat, auf den man sich verlassen kann. Musikalisch macht es keinen Unterschied, wo man ist, aber menschlich schon.
Die aktuelle Scheibe „Another Glass of Lemonade“ war ja schon für 2016 angekündigt. Es gab ja auch immer wieder neue Songs auf YouTube, aber auch auf FM4 zu hören. Wieso hat es dann doch bis 2018 gedauert, bis die Platte definitiv veröffentlicht worden ist?
Paul Konarski: Oftmals sind die Prozesse bei so einer Produktion ein wenig verrückt. Heute bist du dir total sicher und morgen schmeißt du alles wieder um. Genauso war es bei uns, Der künstlerische Aspekt entscheidet! Marketingtechnisch ist das alles vielleicht nicht gerade superoptimal, aber das war uns egal. Jetzt ist die Platte ja da.
„Es ist eine extrem undankbare Musikgesellschaft herangezogen worden.“
Sehen Sie Ihren nicht gerade geringen Output an Videos – u. a. zu „Melodia“ und „Sunking Up“ – auch als Strategie im Gespräch zu bleiben, auch wenn es gerade mal keinen Tonträger und/oder Live-Aktivitäten gibt?
Paul Konarski: Es ist eben eine schnelllebige Zeit. Ich meine: Was will der Mensch noch? Musik und Videos für umsonst? Vielleicht noch einen Finger von mir? Es ist eine extrem undankbare Musikgesellschaft herangezogen worden. Da kann ich nur „Pfui, pfui, pfui“ sagen. Aber als Band muss man sowieso weitermachen, egal wie die Lage ist. Überpräsenz ist von unserer Seite allein als Band ja auch gar nicht möglich, aber stete Beharrlichkeit schon.
Vor der offiziellen Release-Party in Salzburg Anfang Mai in der galerie5020 gab es schon im Dezember 2017 ein Konzert in der ARGEkultur, bei dem vor allem die quasi komplett neue Besetzung der Band aufgefallen ist. Ist es mitunter gar nicht so, einfach Mitmusikerinnen und -musiker für genau die Art von Musik zu finden, die Ihnen vorschwebt? Da gehören doch neben musikalischen Aspekten sicher auch solche der Attitüde mit dazu. Immerhin nennt man sich ja nicht einfach so nach jemanden wie Helmut Berger?
Paul Konarski: Es gehört immer eine gewisse Portion Glück dazu, die richtigen Leute zu finden. Die Musik als einzig verbindendes Element reicht da selten aus. Sonst könnten wir ja auch als Duo [der Kern der Helmut Bergers besteht aus Paul Konarski und seiner Schwester, der Keyboarderin Monika Konarski; Anm.] plus „Angestellten“ auftreten.
Das beginnt schlicht bei der Menschlichkeit und reicht theoretisch bis zur Trinkfestigkeit backstage. Aber natürlich geht es auch darum, wie jemand spielt. So gesehen sind wir aktuell alle ein bisserl Berger – eh gut, bevor wir gar nichts sind.
Kommen wir zu „Another Glass of Lemonade“. Die klingt wie aus einem Guss und dennoch abwechslungsreicher als bisherige Produktionen. Ist das dem längeren Kompositions- und Produktionszeitraum geschuldet oder liegt das daran, dass bei zehn Tracks quasi „nur die Hits“ veröffentlicht worden sind?
Paul Konarski: Oh, danke! Es ging uns definitiv um Hits. Wir hatten ja den Anspruch, ein Album zu gestalten, wo die Tracks zwar nicht immer unbedingt was miteinander zu tun haben müssen, jedoch miteinander harmonieren. Zudem würden wir nie einen durchschnittlichen Song oder ein Album mit unnötigem Füllmaterial veröffentlichen. Dann lieber Zeit lassen.
Die Vinyl dauert jetzt knapp etwas über 40 Minuten, die Arbeit daran dauerte sieben Jahre, also sag ich mal: „Hits, Hits, Hits!“
In „Dream Your Life Away“ geht es um den Mord an John Lennon. „Bowies Cry“ mag jetzt zwar nicht direkt von David Bowie handeln, aber es geht doch auch um den Verlust einer „Golden Time“, die nie wiederkommen wird. Sehen Sie Pop aktuell auch in Retroschleifen zwischen Nostalgie und Depression gefangen oder glauben Sie, dass da noch was geht, dass wieder mal was kommt, was an klassische Pop-Versprechungen anzuknüpfen vermag?
Paul Konarski: „Dream Your Life Away“ sehen wir eher als Hymne für das Leben. Es geht darum, Träume zu haben und dann aber auch zu versuchen, diese Träume – wie auch immer – zu verwirklichen. Mit dem Bezug zur Ermordung von John Lennon am Schluss wollten wir nur aufzeigen, wie schnell all das wieder vorbei sein kann. Die Geschichte ist ja voll von Kugeln, durch die Träumende ermordet worden sind. Also warum Zeit verlieren?
Mit „Bowies Cry“ definieren wir mehr die Vergänglichkeit der schönen Momente, die uns in dem Augenblick, wo sie passieren, nicht bewusst ist. Es ist auch ein Fingerzeig fürs Leben – nur in Moll verpackt. Aber ich glaube, es wird noch sehr viel guter Pop kommen – natürlich nur von uns [schmunzelt].
Stilistisch sind Sie Ihrem Elektropop ja treu geblieben. Es gibt zudem mit „Trieste“ eine wunderschöne Pop-Ballade und bei „Melodia“ öffnen sich die Türen auch hin zu coolen New-Wave-Discos. Live hingegen verschiebt sich das Gewicht dann doch deutlich weg von „Elektro“ hin zu mehr „Rock“. Ist das bewusst so?
Paul Konarski: Wir versuchen da, einen gewissen Überraschungsmoment zu nutzen, folgen da aber auch keinem strikten Plan. Wie heißt es so schön: „Alles darf, nichts muss.“ „Trieste“ und „Melodia“ sind zwei sehr unterschiedliche Songs, die trotzdem eine gemeinsame Herznote in sich tragen, und zwar die von Pop und von Rock. Und live darf es schon mehr fetzen als im Studio, sonst würden ein Laptop mit Ableton Live, meine Gitarre und Monikas Keyboard reichen.
„Wir wollen nicht immer das leichte Herkömmliche, sondern wir wollen auch aufzeigen, wie es anders sein kann.“
Präsentiert wurde „Another Glass of Lemonade“ in der galerie5020, also nicht in einer der üblichen Konzert-Locations in Salzburg. Jetzt gibt es dort zwar mit der Reihe „Performing Sound“ auch eine eigene Musikschiene mit Schwerpunkt „Electronica“, aber wie sind Sie auf diese Location gekommen?
Paul Konarski: Es ist so ein Bergers Ding. Wir wollen nicht immer das leichte Herkömmliche, sondern wir wollen auch aufzeigen, wie es anders sein kann. Weg von klassischen Locations. Sondern selbst was aufziehen! Die 5020 war ein Geschenk und wir haben es gerne angenommen.
Der Artwork Magier Lucas Gerstgrasser [Le saboteur; Anm.] hat uns die Brücke gelegt und wir konnten mit einem tollen Team an kreativen Menschen einen einzigartigen Abend umsetzen. Schwerpunkte gibt es nicht, wenn die Menschen offen sind für was Neues bzw. anderes. Danke nochmals an alle Mitwirkenden!
Wie sehen Sie jetzt, nach dem Abstecher nach Wien, die Salzburger Musikszene? Mittlerweile gibt es ja jede Menge Bands wie Steaming Satellites, Olympique, Please Madame, Mynth, Dame, Gospel Dating Service, Magic Dolphin etc., die durchaus auch größere Hallen füllen können und auch außerhalb von Österreich bekannt sind.
Paul Konarski: Salzburg – und das habe ich schon vor vielen Jahren gesagt – ist wie das Manchester Österreichs. Zwar ohne Schornsteine, aber mit vielen Fabriken, die nur Klassik produzieren. Ich denke, es ist ein perfekter Nährboden für die anderen heimischen Musikerinnen und Musiker, denn dort, wo vermeintlich nichts wächst, holt sich die Natur immer alles zurück.
Und das sieht man an all diesen Acts, die alle mit harter Arbeit und Beharrlichkeit zu ihrem Stück Kuchen kommen.
Wie wird es jetzt mit The Helmut Bergers weitergehen? Wird es Livekonzerte, neue Videos geben?
Paul Konarski: Die Bergers versprechen nie, sie liefern dann, wenn es etwas zu liefern gibt. Wie heißt es so schön: „Alles ist möglich!“
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Didi Neidhart