„ES GIBT SO VIELE SACHEN, ÜBER DIE MAN DERZEIT WÜTEND SEIN KANN” – PLEASE MADAME IM MICA-INTERVIEW

Die Salzburger Indie-Rock-Band PLEASE MADAME hat soeben ihr drittes Albumveröffentlicht. „Angry Boys, Angry Girls” umfasst 13 neue Tracks, die im Gegensatz zum Vorgängeralbum zwar nachdenklicher angelegt sind, aber die für die Band zum Markenzeichen gewordene Motivations- und Begeisterungsfähigkeit widerspiegeln. Clemens Engert sprach mit DOMINIK WENDL (Gesang & Gitarre) und LAURENZ STRASSER (Gitarre) über den Reiz der Ambivalenz, Songwriting-Retreats und Videodrehs in familiärer Atmosphäre.

Ihr bezeichnet das Gefühl der Wut als übergeordnetes Thema, das sich durch euer neues Album durchzieht. Würdet ihr das Album als Konzeptalbum bezeichnen?

Laurenz Strasser: Das würde wahrscheinlich etwas zu weit gehen. Wir wollen mit dem Album aber trotzdem zeigen, dass man aus dem Gefühl der Wut viel Motivation schöpfen kann. Wut kann auch zu positiven Emotionen führen.

Dominik Wendl: Ich finde durchaus, dass manche Passagen des Albums sehr konzeptionell sind. Wir sehen es zwar jetzt selbst nicht als Konzeptalbum à la Pink Floyd, aber wir wollten schon bewusst einen roten Faden schaffen, der sich von Anfang bis Ende durchzieht.

Was waren im Zuge des Schaffungsprozesses des Albums die Themen, die euch wütend gemacht haben?Dominik Wendl: Begonnen haben wir die Arbeit an dem Album, als gerade Schwarz-Blau zu regieren begonnen hatte. Das hat mich sehr wütend gemacht. Später kam natürlich die Pandemie. In diesem Zusammenhang hat mich vor allem geärgert, dass sehr viel über die Wirtschaft geredet wurde, aber nur wenig über den menschlichen Aspekt des Ganzen. Es gibt so viele Sachen, über die man derzeit wütend sein kann: Natürlich auch über den Klimawandel, den Alltagsrassismus oder die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Jedes dieser Themen ist in irgendeiner Form auf dem Album verarbeitet.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Wo seht ihr die Hauptunterschiede zu eurem letzten Album?

Laurenz Strasser: Beim letzten Album war uns wichtig, dass es einen starken Live-Charakter hat und wir auf Schnickschnack eher verzichten. Dieses Mal haben wir auch sehr viel mit Synths gearbeitet oder Orchester-Arrangements eingebaut. Es gibt einfach eine größere Bandbreite bezüglich der Instrumentierung.  

Dominik Wendl: Ja, Tasteninstrumente haben einen weitaus höheren Stellenwert bekommen und auch die Gitarre hat eine etwas andere Funktion als bei unseren früheren Alben. Es ging dieses Mal weniger darum, viele Gitarren-Layer übereinander zu legen, sondern eher ganz gezielt die Gitarre an gewissen Stellen als Lead-Instrument einzusetzen.

Gab es neue musikalische Einflüsse, die euch bei dieser Entwicklung begleitet haben?

Laurenz Strasser: Es sind schon auch noch oft nebenbei unsere alten Lieblingsbands wie Kings Of Leon oder Arctic Monkeys gelaufen. Aber es gab auch viele neue Einflüsse.

Dominik Wendl: Ja, wir haben zum Beispiel auch Techno oder Hip Hop gehört. Wir sind da sowieso sehr offen und wollen uns nicht nur auf Indie-Musik beschränken – nur, weil wir vielleicht eine Indie-Band sind. Ich glaube, dass man das auch auf dem neuen Album hört. Wir wollten einfach Genre-übergreifende Musik machen.

Please Madame (c) Lea Föger

Ihr kombiniert bei einigen Songs auf dem Album einen eher poppigen, positiven Vibe in der Musik mit kritischen, nachdenklichen Texten. Mögt ihr das Ambivalente?

Laurenz Strasser: Ich finde, wenn man eher „negative“, kritische Texte dann auch noch musikalisch traurig oder Moll-lastig umsetzt, kann das oft sehr plakativ werden. Wenn es wiederum eine gewisse Ambivalenz zwischen Texten und Musik gibt, kann das einen sehr spannenden und erfrischenden Effekt haben.Dominik Wendl: Es gibt durchaus auch einzelne Songs, bei denen Text und Musik in eine ähnliche Richtung gehen, aber grundsätzlich mögen wir die Abwechslung und das Ambivalente.

„Auf einer abgelegenen Hütte geht das konzentrierte Arbeiten einfach leichter als zu Hause im gewohnten Umfeld.“

Ihr habt den Entstehungsprozess des Albums auf YouTube dokumentiert. Unter anderem seid ihr gemeinsam auf eigene „Songwriting-Retreats“ gefahren.

Laurenz Strasser: Wir wussten, dass wir dann am produktivsten sind, wenn wir uns gezielt Zeit nehmen und uns auch ein bisschen isolieren. Dadurch ist die Idee mit den Songwriting-Retreats entstanden. Auf einer abgelegenen Hütte geht das konzentrierte Arbeiten einfach leichter als zu Hause im gewohnten Umfeld.

Dominik Wendl: Diese YouTube-Doku war übrigens teilweise ein echter Kampf, weil es schwierig war, wirklich konstant alles mitzufilmen. Aber im Endeffekt sind wir froh, dass wir es gemacht haben und es gab auch schon viel positives Feedback dazu.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Ihr sprecht in diesen Making Of-Videos auch über Frustmomente – welche waren das im Speziellen?

Dominik Wendl: Bei dem Song „Mary-Ann“ hatten wir zum Beispiel immer diese Hookline – wir haben aber nie das richtige Arrangement dazu gefunden. Ich glaube, dass es 15 verschiedene Versionen gegeben hat, bis wir dann eine endgültige hatten. Zu den Frustmomenten gehört aber natürlich auch die Absage von Shows, die wir für letztes Jahr geplant hatten.

Laurenz Strasser: Wir wollten das Album ja eigentlich schon letztes Jahr veröffentlichen. Das war aber dann keine Option für uns, weil wir die Songs unbedingt auch gleich live performen wollten.

Es gibt bereits zu sechs Songs des Albums eigene Videos. Wie kommt ihr auf die Ideen?

Dominik Wendl: Wir arbeiten mit verschiedenen Video-Produzenten zusammen, die alle ihren eigenen Stil haben. Das taugt uns sehr.

Laurenz Strasser: Wir bringen natürlich auch unsere eigenen Ideen ein. Für das Video zu „Mary-Ann“ haben wir zum Beispiel unsere Schwestern statt uns performen lassen. Der Dreh war echt ein Spaß, weil jede Schwester quasi am Instrument ihres Bruders zu sehen ist.

Dominik Wendl: (lacht) Wir haben ihnen sogar ein paar Griffe beigebracht. Ich finde, dass sie das echt super gemacht haben – wenn man bedenkt, dass sie die jeweiligen Instrumente ja eigentlich selbst gar nicht spielen. Die grundsätzliche Idee hinter dem Video war, dass unsere Schwestern diese Geschichte, wo es um Feminismus geht, viel besser erzählen können als wir.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Ihr habt im Herbst einen dichtgedrängten Tour-Kalender.

Laurenz Strasser: Natürlich wird es auch ein bisschen anstrengend, aber wir waren einfach schon so lange nicht mehr am Stück unterwegs, dass wir uns extrem darauf freuen.

Dominik Wendl: Ja, es gibt für uns im Moment keine schönere Vorstellung, als unterwegs zu sein. Wir freuen uns einfach darauf, wieder unter Menschen zu sein und die Leute treffen zu können, die auf unsere Konzerte gehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Clemens Engert

++++

Angry Boys, Angry Girls-Tour 2021
01.10. Das Zentrum, Bayreuth (D)
02.10. Kulturladen, Konstanz (D)
03.10. pmk, Innsbruck
04.10. Hafenkneipe, Zürich (CH)
08.10. Stadtwerkstatt, Linz
09.10. ppc, Graz
12.10. WUK, Wien
13.10. Kulturfabrik Löseke, Hildesheim (D)
14.10. Kulturhaus, Kehl (D)
15.10. Blue Shell, Köln (D)
16.10. Utopiastadt, Wuppertal (D)
21.10. Badehaus, Berlin (D)
22.10. Astra Stube, Hamburg (D)
23.10. Umbaubar, Oldenburg (D)
26.10. Stereo, Nürnberg (D)
27.10. LUX, Hannover (D)
28.10. Moritzbastei, Leipzig (D)
29.10. Heppel & Ettlich, München (D)

++++

Links:
Please Madame
Please Madame (Facebook)
Please Madame (Instagram)
Kleio Records