„Es geht uns darum, Impulse zu setzen.“ – Ursula Winterauer und Maximilian Zeller (NEW SALT) im mica-Interview

Anlässlich der Europäischen Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut 2024 geht dieses Jahr erstmalig das NEW SALT Festival über die Bühne. Es handelt sich hierbei um eine Veranstaltungsreihe, die von 5.-8. September in einem mehrtägigen Festival mündet und auf experimentelle Weise verschiedenste musikalische Positionen abbildet. Kuratiert wird das Festival von URSULA WINTERAUER (Ventil Records) und MAXIMILIAN ZELLER (Popfest, KONVOI agency), beide geboren und aufgewachsen in Bad Ischl. Katharina Reiffenstuhl hat sich mit ihnen zum Interview getroffen und über Impulssetzung, Booking-Kriterien und räumliche Gegebenheiten gesprochen.

Das NEW SALT Festival findet heuer zum allerersten Mal statt. Was war die Idee hinter diesem Festival?

Ursula Winterauer: Die Grundidee war, in eine Region, in der es bis dato so eine Art von Festival noch nicht gegeben hat, interessante Künstler:innen einzuladen und unterschiedliche Herangehensweisen und Perspektiven zu präsentieren. Es soll ein Angebot geschaffen werden, bei dem es Neues zu entdecken gibt.

Maximilian Zeller: Es ist spannend, in eine Region zu gehen, in der es schon eine Subkultur gibt, um anknüpfen zu können. Im Kino Ebensee etwa passiert viel Kultur, aber noch nicht ganz in dieser Ausrichtung, wie wir sie präsentieren wollen. Es geht uns darum, Impulse zu setzen und dort etwas zu machen, wo es bereits Publikum gibt.
Es gibt viele Künstler:innen und Musiker:innen in der Region. Für die ist dieses Festival auch ein bisschen gemacht. Man schaut, was es schon gibt, und fragt sich, was man dem noch hinzufügen kann. 

Bild Ursula Winterauer
Ursula Winterauer (c) Hannah Mayr

Ursula Winterauer: Ich zum Beispiel bin direkt in Bad Ischl aufgewachsen. Bis ich 18 war, war es recht schwierig dort zu Konzerten zu gehen, die einer Subkultur zuzuordnen waren. Wenn du zu einer Operette gehen möchte, hast du die besten Möglichkeiten in Bad Ischl, aber es wäre schön, wenn man für andere musikalische Ausrichtungen einen Anstoß liefern könnte.

Der Fokus des Festivals liegt bei sound exploration & digital art. Was kann man sich darunter vorstellen?

Ursula Winterauer: Sound exploration meint zunächst ganz klar eine Erkundung oder Erforschung von Sound, es soll etwas Abenteuerliches beinhalten. Das Festival soll dazu einladen, diverse zeitgenössische musikalische, wie künstlerische Positionen zu erforschen und sich auf diese einzulassen, genau hinzuhören.

Das Salzkammergut ist ja doch ein ländlicher Raum. Sind die Leute dort offen für experimentelle Musik?

Maximilian Zeller: Ich glaube schon. Es gibt beispielsweise die JAZZFREUNDE BAD ISCHL, die unter anderem auch experimentellen Jazz veranstalten, aber auch andere Kulturvereine und Initiativen, die sich experimentellen Genres und Formaten widmen und nicht nur dem klassischen Pop- oder Rocksong. Da, wo wir musikalisch ansetzen, gibt es für Leute, die klassikinteressiert sind, genauso etwas zu entdecken, wie für die, die an Neuer Musik, Jazz, Rock oder Elektronik interessiert sind. Das Programm ist genretechnisch relativ breit gefächert, so kann das Publikum definitiv musikalisch andocken, kann aber auch Neues für sich entdecken. Es geht darum Grenzen auszuloten. In diesen dabei entstehenden Zwischenräumen können sich viele Leute wiederfinden.

„NATÜRLICH MUSS MAN IRGENDWIE ANDERS KURATIEREN, WENN MAN SICH IN EINEM NICHT SO STÄDTISCHEN BEREICH AUFHÄLT“

Nach welchen Kriterien habt ihr die auftretenden Künstler:innen ausgewählt?

Ursula Winterauer: Wir sind beide schon sehr lange in der Musikszene unterwegs und somit permanent mit künstlerischen Inhalten auf mehreren Ebenen konfrontiert. Zudem sind wir auf einige Festivals gefahren, um Live-Umsetzungen zu erleben. Natürlich muss man irgendwie anders kuratieren, wenn man sich in einem nicht so städtischen Bereich aufhält. Wir haben versucht, ein Konglomerat von unterschiedlichen Stilen und künstlerischen Auseinandersetzungen zusammenzubringen.

Was waren eure größten Herausforderungen in der bisherigen Planung und Gestaltung des Festivals?

Maximilian Zeller: Die Veranstaltungsorte waren ein großes Thema. Wir haben relativ lange nach Orten gesucht, wo wir spielen können. Und vor allem, wo wir so spielen können, wie es für uns passt – passend für Projektionen, mit genug Fläche, und so weiter. Das war relativ viel Arbeit. Da muss man auch erstmal reingehen in die Venues und den Leuten, die dafür zuständig sind, erklären, was man da vorhat. Man kann da nicht zurückgreifen auf irgendein bereits existierendes Festival, man muss wirklich ausführlich erklären, wie das werden soll. 

Ursula Winterauer: Ich würde auch sagen, dass das die größte Herausforderung war, Venues zu finden und sie vor allem bis zum Ende zu halten. Wir hätten ursprünglich ganz andere Veranstaltungsorte gehabt, die uns über die Zeit aus diversen Gründen weggebrochen sind. Da war es schwierig, etwas zu finden, worauf man sich bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Festival dann wirklich stattfindet, verlassen kann. 

Bild Maximilian Zeller
Maximilian Zeller (c) Elisabeth Anna Fotografie

Ihr habt es vorhin schon angesprochen: Man muss in ländlicheren Gegenden ganz anders kuratieren als in einer Großstadt. Ihr habt beide schon Erfahrungen mit Festivals in Wien. Was muss man bei einem Festival wie diesem anders machen?

Ursula Winterauer: Die Veranstaltung am Grundlsee bzw. Toplitzsee ist ein gutes Beispiel dafür, dass man anders denken muss. Am Toplitzsee war unsere einzige Open-Air Veranstaltung. Ursprünglich war der Plan eine lautstarke PA hinzubauen. Als wir den Ort jedoch besichtigt haben, war ganz klar, dass man die Natur und die räumlichen Gegebenheiten in das Programm viel besser einbinden muss. Somit haben wir uns dafür entschieden hauptsächlich akustisch zu arbeiten, ohne Verstärkung, um der Natur einen Raum zu geben und die vorherrschenden Geräusche mitzunehmen. So haben sich die Konzertsettings auch sehr außergewöhnlich gestaltet. Philipp Kienberger, Kontrabassist des Ensembles Studio Dan, hat etwa mit seinem Instrument im Wasser stehend gespielt. Somit war auch das Rauschen des Flußes hörbar und hat sich in die Komposition eingefügt.

Maximilian Zeller: Es ist spannend für diese sehr unterschiedlichen Räume und Gegebenheiten zu buchen. Es gibt dann eben Acts, die dort super hinpassen, andere wiederum nicht. Man merkt schnell, dass man sich den Gegebenheiten anpassen muss, um ein Gesamterlebnis zu gestalten.

„ES GING SCHON DARUM, NICHT NUR DAS EINE FESTIVAL ZU MACHEN, SONDERN ÜBERALL EIN BISSCHEN AUFZUPOPPEN“

Wieso habt ihr euch dazu entschieden, einzelne Veranstaltungen schon einige Wochen vor dem richtigen Festival abzuhalten?

Maximilian Zeller: Die Region ist ja relativ groß, muss man sagen. Das sind 23 Gemeinden, zum Teil auch Städte. Es ging schon darum, nicht nur das eine Festival zu machen, sondern überall ein bisschen aufzupoppen. Somit gab es bereits Veranstaltungen in Ebensee, Pettenbach, Vorchdorf und Grundlsee. So konnte man im Vorfeld sehen, wo etwas gut funktioniert, wo es Kooperationspartner:innen gibt. Das war am Anfang die Grundintention und ist auch echt gut aufgegangen, muss ich sagen. Über das Jahr sind viele Verbindungen entstanden, zu Künstler:innen, zu Musiker:innen, zu Kulturvereinen. Da gibt es keine Auflistung von denen, die man durchtelefonieren kann, sondern man muss da hin. Dann entsteht etwas.

Bild Atmo New Salt
New Salt (c) Mira Klug

Ihr seid beide in Bad Ischl aufgewachsen. Hat man da noch Connections, die einem dabei helfen, sowas auf die Beine zu stellen?

Ursula Winterauer: Ich glaube, es sind gar nicht zwingend die Connections, sondern vor allem die Erfahrung, dort zu leben und zu wissen, was dort passiert und wie Dinge funktionieren.

Maximilian Zeller: Ich habe jetzt durch die Arbeit erst realisiert, dass es total viele Kulturvereine gibt, die ich nicht kannte. Die hauen sich aber teilweise echt rein und machen dort viel. Es war total schön, dorthin zurückzukommen und zu sehen, was sich eigentlich alles tut. 

Wäre so ein Festival etwas gewesen, wo ihr mit 18 Jahren auch gerne hingegangen wärt?

Maximilian Zeller: Definitiv.

Ursula Winterauer: In Ebensee gab es früher ein spannendes Festival.

Maximilian Zeller: Das Holzstock Festival. Legendär. Anfang der 90er gab es das und das Line-up war wirklich super, vor allem für die damalige Zeit.

Ursula Winterauer: Ich kann mich noch erinnern, dass NIRVANA spielen hätte sollen. Die haben kurzfristig abgesagt und CYPRESS HILL war der Ersatz.

Habt ihr das Ziel, das NEW SALT zu einem jährlichen Festival zu machen?

Ursula Winterauer: Ich glaube, es wird kein jährliches Festival, aber ich hätte prinzipiell Interesse daran, irgendeine Art von Veranstaltungsreihe weiterzuführen. Vielleicht kein viertägiges Festival in der Dimension. Da muss man klar einfach sagen, da wird uns in Zukunft auch das Geld fehlen. Solche Veranstaltungen, wie wir sie jetzt beispielsweise in Grundlsee oder Ebensee realisiert haben, könnte man aber weiterführen, das wäre sehr wünschenswert.

Danke für eure Zeit!

Katharina Reiffenstuhl

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Links:
New Salt Festival
Salzkammergut x New Salt