„ES GEHT UM DEN KLANG“ – PHILIPP FASCHING (PHONO.SPACE) IM MICA-INTERVIEW

PHONO.SPACE ist ein neues Wiener Unternehmen für Vinyl-Produktion on demand. Das heißt: Wer seine Musik auf Vinyl veröffentlichen will, muss weder eine fixe Auflage bestellen noch Monate auf die Pressungen warten. PHILIPP FASCHING, der Eigentümer des Unternehmens, schneidet in seiner Wohnung im neunten Wiener Gemeindebezirk jede einzelne Platte selbst. Der Service soll vor allem Independent-Artists und kleine Labels ansprechen, die ihre Musik auf Vinyl veröffentlichen wollen, ohne finanzielle Risiken einzugehen. Derzeit finden sich auf der Homepages vor allem Wiener Künstler:innen. Wieso sich das bald ändern wird, wie PHONO.SPACE funktioniert und warum das On-Demand-Prinzip eine nachhaltige Option in der Plattenproduktion ist, hat PHILIPP FASCHING im Gespräch mit Christoph Benkeser erklärt.

Wie bist du auf die Idee gekommen, selbst Platten zu schneiden?

Philipp Fasching: Ursprünglich komm ich ja aus einem ganz anderen Bereich. Ich bin in der Nähe von Graz aufgewachsen, hab die Tourismusschule besucht und in der Fünf-Sterne-Hotellerie gearbeitet, bevor ich nach Wien kam. Erst hier hab ich umgeschwenkt und Musikwissenschaft studiert. Außerdem interessiere ich mich schon ewig für Vinyl. Mit 16 hab ich mir Technics-Plattenspieler gekauft und aufzulegen begonnen. Davor hab ich zehn Jahre Schlagzeug gespielt. Musik war immer in meinem Leben. Deshalb kam irgendwann die Frage auf, was man noch machen könnte …

Und du hast dir gedacht, du gründest einen Plattenservice.

Philipp Fasching: Ja, ich hab en masse recherchiert, bin auf unterschiedliche Presswerke gestoßen. Leider hab ich noch immer keine halbe Million Euro, um mir so ein Ding leisten zu können. Die Plattenschneidemaschine war der naheliegende Weg.

Wie bist du an die Maschine gekommen?

Philipp Fasching: Man muss sich bei einem Mann in der Nähe von Ravensburg bewerben, der diese Maschine baut. Er entscheidet, ob man eine bekommt. Das führt über ein Erstgespräch hin zum Besuch vor Ort, weil man dort das Training für die Maschine absolvieren muss. Selbst dann ist es nicht sicher, ob man die Schneidemaschine kaufen darf. Sie kostet zwar 4000 Euro, wenn er einen nicht sympathisch findet, ist es aber möglich, dass er die jeweilige Person wieder wegschickt.

Du hast von Training gesprochen. Worum geht es dabei?

Philipp Fasching: Der Mann zeigt bei einer Art Workshop, wie die Maschine eingestellt und kalibriert gehört. Das ist nicht so einfach, auch wenn sie nichts anderes tut, als eine Rille in die Platte zu schneiden. Die ersten zwei oder drei Jahre ist man deshalb damit beschäftigt, Troubleshooting zu betreiben. Zum Glück gibt es Foren wie lathetrolls.com. Dort helfen sich Industrie-Pros und Amateur-Cutter – man findet viele Informationen, kann sich austauschen und bildet sich gemeinsam weiter.

Das hört sich nach viel Aufwand an.

Philipp Fasching: Ja, unbedingt. Mich hat aber immer interessiert, wie eine Platte funktioniert. Wenn die Nadel in der Rille schwingt, fasziniert mich das mehr als das Abspielen irgendeiner mp3-Datei am Computer.

Philipp schaltet die Maschine an und legt einen transparenten Vinyl-Rohling auf den Plattenteller.

Wenn man eine Platte bei dir produzieren will. Worauf sollte man achten?

Philipp Fasching: Am besten sind unkomprimierte Dateiformate wie WAV oder AIFF. In der Übertragung von der Nadel auf Vinyl gibt es schließlich keine Ecken und Kanten wie bei Bits am Computer. Außerdem sollte man ein Master für Vinyl und Digital machen und Übersteuerung vermeiden. Der Bassbereich muss dabei Mono abgemischt sein, ansonsten springt die Nadel. Im hohen Frequenzbereich hört es bei 15.000 Hertz auf, das ist das natürliche Limit, weil sich die Nadel nicht schneller bewegen kann, ohne zu zischen. Und: Auf eine Seite passen maximal 31 Minuten Musik. Das ist die Grenze. Ich empfehle aber immer maximal 24 Minuten, weil die Platte dadurch besser klingt.

Du schneidest sowohl schwarzes als auch transparentes Vinyl.

Philipp Fasching: Ja, es braucht ein paar Minuten Vorlaufzeit, damit die Lichter an der Schneidemaschine das Vinyl auf 40 bis 50 Grad erhitzen. Schwarzes Vinyl schluckt mehr Licht, wird schneller heiß als das durchsichtige.

In der Industrie wird auf Lack oder Kupfer geschnitten. Daraus entstehen Nickelabdrücke, mit denen man Platten presst. Du stellst alle Platten im Einzelschnitt her. Gibt’s Unterschiede?

Philipp Fasching: Ich verwende dasselbe Material, Polyvinylchlorid, wie in der normalen Plattenproduktion. Wenn man es ordentlich macht, hört man also keinen Unterschied. Was hier entsteht, sind auch keine Dubplates aus Lack, die man nur einige Male abspielen kann. Es sind Platten aus Vinyl mit 180 Gramm, die von einem Stereoschneidekopf aus Diamant geschnitten werden. Sie lassen sich immer und immer wieder abspielen – mit den gleichen Abnützungserscheinungen wie eine industriell hergestellte Platte.

Wann hast du damit begonnen?

Philipp Fasching: Vor fast vier Jahren! Am Anfang war es ein ständiges Auf- und ab, ich hab viel rumprobiert und gelernt. Ungefähr 1000 Platten braucht man, bis es ordentlich hinhaut. Außerdem kommt die Maschine zwar mit Audiozubehör. Es ist aber nicht super-high-end. Ich hab also viel Zeit damit verbracht, die Recording-Chain zu optimieren. Schließlich geht es hier um den Klang!

Mit Phono.space bietest du Platten on demand an. Artists können Musik auf der Website hochladen, ihre Platte erscheint im Shop. Sobald sie jemand kauft, schneidest du sie. Als Idee so banal wie genial.

Philipp Fasching: Es gibt seit ein paar Jahren unzählige Print-Shops, die on demand anbieten. Ich dachte mir, dass es super wäre, wenn es dasselbe Prinzip auch für Platten gäbe.

Weil es das bisher nicht gab?

Philipp Fasching: Ich hab recherchiert, aber nichts gefunden! Es besteht zwar die Möglichkeit, Kleinserien oder Einzelstücke bei Services wie Dr. Dub zu cutten. Das On-Demand-Prinzip ist aber neu.

Bandcamp hat letztes Jahr angekündigt, das es für Indie-Artists zukünftig möglich sein wird, Platten pressen zu lassen, oder?

Philipp Fasching: Genau, aber anders als bei Phono.space. Bei Bandcamp kickstartet man sich quasi die eigene Platte, indem man ab 200 Platten vorverkauft, die später gepresst werden – für viele Artists sicher schwierig. Bei Phono.space ist es tatsächlich on demand, egal wie groß die Auflage sein soll. Das wird gerade Independent-Artists und kleinere Labels ansprechen, weil das finanzielle Risiko gegen null geht und die Platten in wenigen Tagen produziert und verschickt sind. Man lädt einfach kostenlos die Musik hoch. Wird sie gekauft, schneide ich die Platte, der:die Künstler:in bekommt einen Teil der Einnahmen.

Hört sich nach einer nachhaltigen Lösung an, um Vinyl produzieren zu lassen.

Philipp Fasching: Es wird nicht zu viel produziert, sondern genau das, was nachgefragt wird. Darauf bleibt man nicht auf den Platten sitzen, sollten nicht alle weggehen – und wir verschwenden kein Vinyl.

Bisher haben Künstler:Innen wie BYDL, Annika Stein, Kaltenkirchen oder Xing via Phono.space veröffentlicht – von Ballertechno bis Indie-Pop ist da vieles dabei. Wie legst du es zukünftig an?

Philipp Fasching: Gerade zu Beginn will ich so viele Szenen wie möglich abdecken. Es gibt bei Phono.space auch keine Genre-Grenzen. Elektronische Musik wird zwar besser gehen, weil DJs immer noch am meisten Platten kaufen und sie auch spielen. Trotzdem: Die Sache ist für alle offen. Irgendwann soll der Service europaweit funktionieren.

Aktuell konzentrierst du dich auf die Wiener Szene.

Philipp Fasching: Ich werde im Sommer nach London auswandern, will in der Musikindustrie arbeiten. Der Fokus wird sich also vergrößern, die Wiener Szene bleibt aber Bezugspunkt – auch weil ich Platten genauso gut aus dem UK verschicken kann.

Alles Gute dafür und danke für deine Zeit!

Christoph Benkeser

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