Man kann OLIVER MALLY ohne Weiteres als eine der bedeutendsten österreichischen Institutionen des Blues bezeichnen. Seit mittlerweile über 30 Jahren im Geschäft ist sich der Steirer musikalisch stets treu geblieben. Seine Musik, seine Songs und seine unzähligen Alben – wie auch sein aktuelles „Shapeshifter“ – sind von einer wunderschönen musikalischen Zeitlosigkeit. OLIVER MALLY im Interview mit Michael Ternai.
Wie schafft man es nach über 30 Jahren eigentlich, dass einem nicht die Ideen ausgehen und man immer noch ein Album herausbringen kann, das anders klingt als alle anderen zuvor?
Oliver Mally: Ich denke, dass hat viel damit zu tun, dass ich seit über zwanzig Jahren intensiv im Ausland toure. Man schnappt auf seinen Reisen viele Eindrücke auf und macht immer neue Erfahrungen, die man dann in immer neuen Songs verarbeiten kann. Man ist, wenn man unterwegs ist, einfach mit ganz anderen Themen und Sorgen konfrontiert, als wenn man sich immer in demselben kleinen Kreis, in diesem ständig gleichbleibenden Hamsterrad bewegt. Irgendwann läuft man dann Gefahr, sich nur mehr in Wiederholungen zu verlieren.
Woher beziehen Sie Ihre musikalische Inspiration, was interessiert Sie?
Oliver Mally: Ich bin jemand, der wirklich an fast allem interessiert ist. Meine Plattensammlung ist daher eine musikalisch sehr breit aufgestellte. Sie reicht vom Jazz und der Klassik über Rhythm and Blues, Funk und Soul bis hin zum Heavy Rock und Hip-Hop. Das hält mich sehr frisch. Auch wenn ich in einem Plattenladen stehe, suche ich mich von A bis Z durch, weil ich wirklich überall etwas finde. Ich finde es auch sehr spannend, wenn Bands verschiedene Stilrichtungen miteinander vermischen, aber eben bis zu dem Punkt, an dem dieser Ansatz nicht in einen Ausdruck von Ideenlosigkeit übergeht.
„Meine Songs müssen […] solo funktionieren.“
Was mir an Ihrem letzten Album „Shapeshifter“ sehr gut gefallen hat, war, dass Sie eigentlich mit wenigen Ausnahmen mit wenigen Mitteln – allein mit Ihrer Stimme und Ihrer Gitarre – auskommen und doch eine ungemein intensive Stimmung entwickelten.
Oliver Mally: Der Grund dafür ist eigentlich relativ einfach. Meine Songs müssen – weil ich eben viel allein unterwegs bin – solo funktionieren. Das ist eine ganz bewusste Entscheidung. Natürlich kommen auf der Platte da und dort auch einige andere Dinge dazu. Aber alles, was dazukommt, soll etwas sein, was das Ding etwas würzt, aber nicht versucht, diesem einen anderen Geschmack zu geben. Der Geschmack muss aber schon vorher da sein, eine zusätzliche Note darf nie eine Art Rettungsversuch sein, ein Lied doch noch hinzubekommen. Wenn bei mir ein Song also nicht schon mit Gesang und Gitarre steht, dann kicke ich ihn gleich.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie als Blues-Musiker oder Blues-Roots-Musiker bezeichnet werden? Können Sie mit diesen Klassifizierungen etwa anfangen?
Oliver Mally: Im Grunde genommen schon. Wobei besonders auf meinen letzten Alben doch auch starke Singer-Songwriter-Elemente hinzugekommen sind. Generell würde ich sagen, dass ich einfach das mache, was mir Spaß macht. Entscheidend ist für mich einzig, dass ich mit meiner Musik zu bestimmten Dingen etwas sagen kann und dass ich mit ihr Spuren hinterlassen kann. Und das muss nicht immer der straffen Blueslinie entlang passieren. Man kann von dieser auch abgehen.
Diese Freiheit nehme ich mir. Und diese Freiheit kann sich auch jeder andere nehmen. Jeder kann machen, was er will, solange er dabei authentisch und überzeugend bleibt. Ich möchte den Sinnabdruck einer Musikerin oder eines Musikers erkennen, deren oder dessen Intention, die zu einem Lied geführt hat. Man spürt einfach, wenn nichts dahintersteckt, wenn jemandem einfach nichts mehr eingefallen ist. Und es gibt ja auch Sachen, die mir musikalisch zwar nicht wirklich zusagen, bei denen ich aber dennoch das Gefühl habe, da steckt etwas Tiefergehendes und Ehrliches drinnen. Es geht eigentlich ja nicht um Schönheit, es geht um Wahrheit.
„Bei mir passiert nie etwas spekulativ, sondern immer nur intuitiv.“
Viele schreiben Ihrer Musik etwas Zeitloses zu. So wirklich auf einen Trend sind Sie in Ihrer Karriere noch nie aufgesprungen.
Oliver Mally: Weil mich das auch überhaupt nicht interessiert. Der einzige Trend, auf den ich aufspringe – und das klingt jetzt vielleicht etwas abgedroschen – ist der, der mir in diesem einem Moment ans Herz geht, der in mir das Gefühl auslöst, dass das jetzt genau das Richtige ist. Ich habe mich noch nie an dem orientiert, was gerade angesagt ist. Ich könnte auch nicht einmal sagen, was gerade angesagt ist. Bei mir ist grundsätzlich Musik angesagt, die mich berührt, die mich abtastet, mich scannt, die mich neugierig macht, reisen lässt und in mir Reiselust weckt, etwas anderes zu entdecken. Das ist für mich das einzig Entscheidende. Entweder es berührt mich etwas oder es berührt mich nicht. Bei mir passiert nie etwas spekulativ, sondern immer nur intuitiv.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.
Wie sind Sie eigentlich zum Blues gekommen?
Oliver Mally: Ich bin von meinen Eltern dahingehend sehr verwöhnt worden. Ich bin schon in meiner frühen Kindheit mit der Musik von Leuten wie Ray Charles, Randy Newman und Tina Turner in Berührung gekommen. Die lief eigentlich ständig, als wir damals im Auto unterwegs waren. Mit dieser Schlager-Mucke war ich eigentlich nie konfrontiert. Wobei ich das jetzt nicht wertend meine, jeder soll das hören, was ihm guttut und ihn glücklich macht.
Mit siebzehn bin ich dann auf ein Album von Muddy Waters gestoßen und komplett reingekippt. Ich war von der Musik einfach paralysiert und habe vom ersten Moment an gewusst, dass ich da nicht mehr rauskomme. Irgendwann ist in mir dann das starke Bedürfnis gewachsen, selbst Musik zu machen und Songs zu schreiben. Und mit der Zeit sind es immer mehr geworden.
Wie hat es sich eigentlich ergeben, dass Sie so unglaublich viel im Ausland unterwegs sind?
Oliver Mally: Zum einen hat es sicher viel damit zu tun, dass die Auftrittsmöglichkeiten in Österreich in den letzten Jahren immer weniger geworden sind. Aus dieser Entwicklung heraus erwächst klarerweise auch die Notwendigkeit, sich auch woandershin zu orientieren. Zum anderen bin ich ein fleißiger Mensch. Ich bin immer schon sehr viel herumgetourt und habe in der Vergangenheit auch unzählige Konzerte gespielt, bei denen vom finanziellen her nicht allzu viel herausgesprungen ist. Aber dennoch, diese Konzerte waren die Möglichkeit, einen Fuß in die Tür hineinzubekommen. So sind es mit der Zeit immer mehr Konzerte geworden. Ich habe die letzten Jahre sehr viel in Deutschland gespielt und quer durch Europa wirklich einiges probiert. Manchmal auch einfach auf Verdacht. Und das hat sich gelohnt. Mein Name ist in den Köpfen der Leute hängen geblieben, sodass sie sagen: „Den wollen wir wieder haben.“ So ist es dazu gekommen, dass es für mich heute möglich ist, in vielen Ländern eine kleine Tour zu spielen.
Wie sehen Ihre nächsten Pläne aus?
Oliver Mally: Eigentlich bin ich ständig auf Tour. Wobei jetzt einmal die Fußball-Europameisterschaft kommt und während dieser aufgrund der Buchungslage erfahrungsgemäß weniger passiert. Ich werde die Zeit dafür nützen, mit meiner Band am Programm zu feilen. Zudem arbeite ich gerade mit Martin Moro an Live-Aufnahmen, die in letzter Zeit entstanden sind. Hierbei handelt es sich sowohl um Solo- als auch um Duo-Konzerte. Manche Aufnahmen sind auch während eines Soundchecks entstanden. Ich muss mir noch überlegen, wie ich die ganze Sache angehe, weil ganz einfach sehr viel Hervorragendes und Besonders dabei ist. Die Songs haben eine sehr intime Stimmung und klingen sehr speziell.
„Ich bin gerade eben fünfzig geworden und habe nach wie vor eine große Liebe zu dem, was ich tue.“
Sie haben als Musiker jetzt 31 Jahre hinter sich. Werden Sie auch noch in den nächsten 31 Jahren auf der Bühne stehen und Konzerte spielen?
Oliver Mally: In meinem Alter nehmen sie mich in einer Bank nur mehr als Bankräuber [lacht]. Ich bin gerade eben fünfzig geworden und habe nach wie vor eine große Liebe zu dem, was ich tue. Es hat eigentlich immer noch etwas Infantiles, wenn ich eine Gitarre in die Hand nehme. Ich grinse beim Versuch, den ultimativen Drei-Minuten-Song zu schreiben, immer noch über beide Ohren. Ich bin froh, dass mich meine Reise noch nicht einmal annähernd dorthin geführt hat, wo sie eigentlich hinführen kann. Und das ist ein sehr schönes Gefühl. Es ist zwar immer noch sehr ernüchternd, was in diesem Geschäft alles vorkommen kann, aber man muss den Hund halt mit den Flöhen nehmen. Aber daran zu verzagen, bringt nichts. Es gibt einfach keinen Platz, der hässlich genug ist, um ihn nicht mit einem kleinen Konzert ein wenig hübscher machen zu können.
Danke für das Interview.
Michael Ternai
Sir Oliver Mally live
03.06. Troadkasten, Gallneukirchen
04.06. Koglhäsl, Sierning
16.06. Edition KEIPER, Graz
17.06. Ragnitzbad, Graz / mit Martin Moro
24.06. Dresden, Elbhangfestival/Weinbergkirche (D) / mit Martin Moro
25.06. Dresden, Elbhangfestival (D) / mit Martin Moro
29.06. Spectacel, Inning feat. Peter Schneider (D)
Links:
Sir Oliver Mally
Sir Oliver Mally (Facebook)