Die Wiener Band FREUD feiert 2022 ihr 15-jähriges Bestehen. Und das mit dem starken neuen Album „Talking Phrases“, das aber in seiner Entstehung einige Hürden zu überwinden hatte. Einmal mehr präsentiert sich der Fünfer als eine Band, die musikalisch auf ihre eigene Art gegen den Strom schwimmt und dennoch einen Sound aus Powerpop, Punk und New Wave fabriziert, zu dem man sofort Zugang findet. Im Interview mit Michael Ternai erzählen die beiden Gründungsmitglieder AXEL PÖHNL (Gesang) und OLIVER DAMMS (Gesang und Gitarre) darüber, warum des mit dem Album so lange gedauert hat, warum es dieses Mal deutlich punkiger ausgefallen ist, und wie bedeutend Respekt füreinander innerhalb der Gruppe ist.
Ihr habt ja nach eurem letzten Album eigentlich relativ zügig begonnen, wieder an einem Album zu schreiben. Und ihr habt sogar auch eines aufgenommen. Nur wart ihr mit der ersten Produktion nicht zufrieden, sodass ihr beschlossen habt, zurück an den Start zu gehen und das Album mit einem neuen Produzenten ganz neu aufzunehmen. Was waren die Gründe dafür?
Oliver Damms: Ich weiß nicht, ob man wirklich unzufrieden sagen kann. Die Produktion an sich war ja gut. Nur hat man uns in eine Richtung getrieben, wo wir nicht hinwollten. Konzipiert waren die Songs in Richtung Powerpop Ende der 1970er Jahre. In der Art von Bands wie The Undertones, The Jam, The Clash. Nur ist es mit dem damaligen Produzenten ganz woanders hingegangen. Deswegen sagten wir uns: „Nein, das machen wir nicht.“ Dann sind wir auf die Suche nach einem anderen Produzenten gegangen, der unsere Songs eben in diese Richtung treiben konnte. Und den haben wir in der Person von Alex Wunderbar glücklicherweise gefunden.
Dieses Erlebnis muss doch recht frustrierend gewesen sein?
Axel Pöhnl: Ja, aber nur einen kurzen Moment. Ich dachte mir einfach, dass soll halt so nicht sein. Und wenn es länger braucht, dann braucht es eben länger. Wichtig ist, dass alle zu hundert Prozent zufrieden sind und wir uns nicht zu etwas hinbiegen lassen, was wir nicht sind.
Oliver Damms: Du lernst ja auch etwas draus. Du lernst zu manchen Sachen auch einmal Nein zu sagen. Es geht ja auch um Credibility und darum, sich nicht jeder Verkommerzionalisierung zu ergeben. Ich weiß, was wir können und wovon wir die Finger lassen sollten. Da gibt es andere, die das besser machen als wir. Und das sollen sie auch tun. Dafür gibt es ja Musik, jeder kann das machen, was er machen möchte.
Aber hattet ihr damals, als ihr die Songs zu schreiben begonnen habt, eine klare Vorstellung, wohin es gehen wird. Was nämlich bei euren ersten beiden Platten auffällt, ist, dass ihr euch im Sound da jeweils immer einer anderen Epoche der Popgeschichte angenähert habt. Auf eurem neuen Album seid ihr nun in den 1970er und 1980er Jahren angekommen.
Oliver Damms: Es ist schon so, dass wir uns immer weiterentwickeln wollen. Wo der Zug jetzt genau hinfährt und in welcher Station er Halt macht, haben wir zu Beginn noch nicht gewusst. Was wir gewusst haben, war, dass wir weiterkommen und das erste und zweite Album hinter uns lassen wollen. Wir haben einfach losgelegt, eine Richtung eingeschlagen und geschaut, wo wir letztlich landen werden.
Axel Pöhnl: Es war ja so, dass wir im Grunde nach dem zweiten Album gleich weitergemacht haben. Und die Songs waren dann auch relativ schnell fertig. Was noch fehlte, war, diese Songs eben genau in die Verpackung hineinzubekommen, die wir im Endeffekt jetzt auf dem Album hören können. Und ich denke, das ist uns gut gelungen. Wir waren wahrscheinlich auch durch die ganzen Ereignisse angespornt, das Beste rauszuholen.
Oliver Damms: Die Gefahr, die nach zwei Alben besteht, ist, dass du dann irgendwann auf der Stelle trittst. Du bewegst dich nicht weiter und wirst ganz schnell in einem Bereich gefangen und schubladisiert. Das wollten wir unter allen Umständen vermeiden, indem wir das Potential der Band bestmöglich ausschöpfen und auch Neues ausprobieren wollten. So sind auf dem neuen Album erstmals auch Streicher zu hören. Ich glaube, das neue Album ist wieder ein schöner Zwischenstopp. Man kann sehr gut hören, dass wir uns weiterentwickelt haben.
Das Schöne an eurem Sound ist, dass er sich trotz starker Referenzen auf die Vergangenheit wirklich eigenständig entwickelt. Worin liegt für euch die Faszination in der Popmusik der 1960er, 1970er und 1980er Jahre? Ihr seid ja auch riesen Beatles-Fans.
Axel Pöhnl: Ja das schon, aber nicht ausschließlich. Aber es stimmt schon, wir sind im Maße Kinder der 1970er. Wir sind in einer Zeit aufgewachsen, in der Musik noch etwas Neues hervorgebracht hat. Ob das jetzt der Punk war oder der Powerpop oder New Wave, das war die Musik, die uns als Jugendliche begleitet und die uns gefallen hat. Das ist in uns, das können wir nicht ablegen. Und wir versuchen, diese Stile auch in unsere Songs einzubinden, ohne aber diesen typischen Freud-Touch zu verlieren. Ich traue mich daher zu sagen, dass man uns sehr wohl erkennt. Natürlich holen wir uns von überall her Ideen und absorbieren aus den unterschiedlichsten Welten, aber unterm Strich bleibt es beim Freud-Sound.
„Ich finde, dass diese Punk-Attitüde bei uns eigentlich immer schon auch mit dabei war.“
Weil du gerade Punk erwähnt hast. Ich habe das Gefühl, dass das neue Album überhaupt euer punkigstes ist.
Oliver Damms: Ja, definitiv. Ich finde, dass diese Punk-Attitüde bei uns eigentlich immer schon auch mit dabei war. Vor allem bei unseren Livekonzerten ist sie immer schon rausgekommen. Axel und ich sind mit Punk aufgewachsen. Und klar beeinflusst er uns als Hauptsongwriter der Band nach wie vor. Aber es stimmt. Unsere ersten beiden Alben waren schon viel poppiger gekleidet, was auch den Produzenten geschuldet war. Dieses Mal aber konnten wir diese Attitüde auch ins Studio mitnehmen. Und das ist auch etwas, das wir immer wollten, diese Liveattitüde, dieses Knackige auch auf eine Platte bringen. Das ist uns bei den ersten beiden Alben noch nicht so gelungen.
Was das Album ebenfalls auszeichnet ist, dass es sehr abwechslungsreich klingt. Die Songs klingen zwar alle nach Freud, aber immer anders.
Axel Pöhnl: Wir hören privat alle sehr unterschiedliche Musik. Soul, R&B, Ska, Poppunk, New Wave usw. Wir sind im Musikuniversum sehr vielfältig unterwegs. Und alle diese Dinge wollen wir auch auf unseren Alben wissen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass wir irgendwann einmal ein Album machen, das ausschließlich in eine Richtung geht. Es gibt so viele Einflüsse, die uns zum Songschreiben bewegen. Es gibt genügend Bands, die nur einen Stil haben. Das ist auch okay, nur das sind wir nicht.
Oliver Damms: Ich denke, da spielen auch ein wenig die Erfahrungen hinein, die wir bei Konzerten gemacht haben. Wir spielen sehr gerne für die Leute. Und wir bekommen schon mit, dass das Publikum auch eine gewisse Abwechslung erwartet und nicht immer das Gleiche vorgetragen bekommen will. Da passiert es dann recht schnell, dass es heißt: „Da klingt ja jede Nummer wie die andere.“ Uns ist es total wichtig, dass wir die Leute unterhalten können. Und da gehört eine Spaßnummer, bei der alle mitsingen können, genauso dazu, wie eine ruhigere, bei der alle mitschunkeln können.
Ihr seid in der Band ja sehr unterschiedliche Charaktere mit sehr unterschiedlichen musikalischen Geschmäckern. Und alle sind auch am Songwriting beteiligt. Wie funktioniert das überhaupt?
Axel Pöhnl: Bei uns bringen alle Ideen mit in den Proberaum und dort werden die Nummern einfach angespielt. Danach können alle Vorschläge machen, was man an der einen oder anderen Stelle vielleicht anders machen könnte. Im Grunde funktioniert das nach diesem Prinzip. Und das Schöne ist, dass alle diese verschiedenen Ideen – auch wenn sie aus so unterschiedlichen Richtungen stammen – immer im diesem Freud-Nenner zusammenfinden. Es kommt am Ende eine typische Freud-Nummer heraus. Wir sind sehr offen für alles und deshalb funktionieren wir als Freud-Family auch so gut.
Oliver Damms: Das ist ein wichtiger Punkt. Die Band funktioniert so gut, weil wir uns alle respektieren. Bei uns gibt es niemanden, der stur seine eigenen Sachen umsetzen will. Der Entstehungsprozess eines Songs ist ein gemeinsamer. Und das funktioniert nur, wenn jeder dem anderen respektvoll begegnet.Ich weiß jetzt gar nicht, bei der wievielten Umbesetzung wir bei Freud schon sind, aber die jetzige Besetzung ist jetzt doch schon länger konstant. Und dieser Umstand ermöglicht es auch letztlich, so zu arbeiten.
Einen Proberaum kennen viele Bands von heute ja nur noch vom Hörensagen. Welche Bedeutung hat er für eure Band?
Oliver Damms: Eine ganz große. Der Proberaum ist Kommunikationszentrum, Partyraum, Werkstätte und Zufluchtsort – ich kann dir gar nicht sagen, wie schön es war, während der Pandemie in den Proberaum zu gehen und dort nur kurz wieder eine gewisse Normalität zu spüren. Der Proberaum hat für uns viele Funktionen.
Wie du gerade die Pandemie angesprochen hast. Inwieweit hat die den Frustpegel nochmals etwas noch oben geschraubt? Das Album wäre ohne diese ja früher erschienen.
Oliver Damms: Ganz ehrlich, gar nicht. Wenn man bedenkt, wie schlimm es andere erwischt hat und mit welchen Problemen andere zu kämpfen hatten, da hat es uns mit ein paar Schwierigkeiten, im Proberaum spielen zu können, und einigen Konzertverschiebungen recht glimpflich erwischt.
Axel Pöhnl: Wir haben die Zeit einfach dazu genützt, uns weiterzuentwickeln und zu arbeiten.
Oliver Damms: Wir haben in unserem Überperfektionismus natürlich immer noch weitergefeilt und einige Dinge da und dort noch verändert. Wir haben einfach versucht, dem Prinzip Carpe Diem treuzublieben. Das war das Beste, was wir tun konnten. Ich finde jetzt nicht, dass wir unter der Pandemie so gelitten haben. Da habe ich ganz andere Schicksale beobachtet.
Welche Themen sind es eigentlich, die ihr in euren Liedern abhandelt? Ich habe gelesen, dass ihr euch selbst ja nicht als politische Band versteht, aber dennoch Gesellschaftskritik anbringt.
Oliver Damms: Was ist politisch? Wenn man den Kern des Begriffs Politik betrachtet, ist im Grunde alles politisch, was du von dir gibst. Wir waren schon immer sehr gesellschaftskritisch, aber es sind mehr die Bilder, die die Straße hergibt, die wir in unseren Texten verarbeiten. Da hat sich leider vieles nicht unbedingt zum Positiven entwickelt. Der Egoismus hat viele erfasst, es gibt keine Solidarität mehr, es wird mit den Ärmeln rausgefahren, es geht nur noch darum, wie man am besten vorankommt, die anderen sind einem egal. Das finde ich schrecklich.
Axel Pöhnl: Das kann man auch auf den diversen Social-Media-Kanälen beobachten. Jeder muss zu jedem Thema seine Meinung kundtun, hat dabei inhaltlich aber nichts zu sagen.
Ihr habt das Album kürzlich im Chelsea präsentiert. Ist damit das Kapitel dieses Albums zugeschlagen? Ihr spielt sicher noch ein paar Konzerte. Aber seid ihr, wie schon beim Abschluss eures letzten Albums, bereits am Schreiben an neuen Songs. Und kann man erwarten, dass es da wieder in eine andere Richtung geht?
Oliver Damms: Wir schreiben schon an neuen Liedern. Und die gehen definitiv in eine andere Richtung. Zumindest sieht es im Moment danach aus. Aber jetzt heißt es auch mal, das Aktuelle sacken zu lassen.
Axel Pöhnl: Wobei wir uns auch hier nicht von Anfang an festnageln wollen. Wir schauen einmal, wo der Zug hinfährt und wo die nächste Station ist. Daher können wir gar nicht genau sagen, wie ein nächstes Album letztlich sein wird.
Aber kann man dennoch davon ausgehen, dass der Zug nicht erst in zehn Jahren wieder Station macht?
Oliver Damms: (lacht) Das auf jeden Fall. Ich möchte zu einem nächsten Release nicht im Rollstuhl daherkommen. Oder zumindest mit dem Gehstecken. Das sollte zeitlich dieses Mal doch etwas knapper werden.
Herzlichen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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Freud live
24.09. Strassenfest Fenzlgasse / Wien – Open Air
04.11. Guest Room – Graz
07.12. Chelsea – Wien X-Mas Show
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