„Es geht immer darum, ein Potenzial zu spüren” – ZEBO ADAM im mica-Interview

Der Wiener Musikproduzent Zebo Adam bekam vor allem für seine Arbeit mit der erfolgreichen österreichischen Band Bilderbuch (u.a. die Alben „Schick Schock“ und „Magic Life“) über Österreichs Grenzen hinaus Beachtung. Es folgten Produktionen für u.a. für die Beatsteaks, die Steaming Satellites und neuerdings auch Wanda. Dem mica erklärte er, wo er dem Mysterium des Musikmachens am nächsten kommt, wie es geht, einen Indie-Gedanken zu pflegen, ohne typische Indie-Musik zu machen und wieso bei der Musik, deren Teil er zu sein versucht, das reale Leben nie ausgeschlossen wird.

Du bist vor allem durch deine Bilderbuch-Produktionen bekannt geworden. Deine Bandbreite, was du tagein tagaus produzierst, ist allerdings viel größer. Nervt es dich, dass man nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was du so tust, breit öffentlich wahrnimmt, oder bist du froh darüber, dass deine Arbeit überhaupt Anerkennung findet?

Zebo Adam: Das nervt überhaupt nicht. Im Gegenteil: Der Erfolg von Bilderbuch hat für alle Beteiligten aus dem Team – sei es jetzt die Band oder auch alle, die daran mitarbeiten – die Türen geöffnet. Ich bin quasi noch immer Nutznießer, weil das eine so gute Referenz ist, und ich bin fein damit, weil ich auf diese Zusammenarbeit auch sehr stolz bin. Dass wir zehn Jahre später immer noch über „Schick Schock“ und „Magic Life“ reden, ist etwas Tolles.

Was hat diesen Erfolg ausgemacht, denkst du?

Zebo Adam: Ich glaube vor allem, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein. Über den Faktor Glück wird in unserem Beruf, aber auch ganz generell, zu wenig gesprochen. Dafür, dass dein Produkt ein großes Publikum findet, müssen so viele Faktoren zusammenkommen, die man nicht beeinflussen kann. Man kann sich nur bereit machen dafür. Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort, haben aber davor schon fünf Jahre darauf hingearbeitet.

Du hast die Band in einem sehr frühen Stadium kennengelernt. Da muss ja schon etwas dafürgesprochen haben, mit den Jungs zusammenzuarbeiten, oder?

Zebo Adam: Absolut. Ich habe damals noch bei Russkaja gespielt, und Bilderbuch waren ihre Vorband. Ich habe mir den Gig ohne jede Erwartung angeschaut, weil Vorbands oft nicht berauschend sind und auch viel Arbeit machen. Aber Bilderbuch haben zu spielen angefangen, und ich wusste nach spätestens dreißig Sekunden, dass das eine Band ist, mit der ich zusammenarbeiten will. Das ist genauso wie bei zwischenmenschlichen Beziehungen: Man trifft jemanden und merkt schnell, dass einen der- oder diejenige berührt. Es geht immer darum, ein Potenzial zu spüren – egal, ob es eine Liebesbeziehung oder eine musikalische Liebesbeziehung ist. Man spürt: Da geht was. Bei Bilderbuch war es ein 100%iges Gefühl, das ich als Produzent hatte, dass das eine Band ist, mit der es funktionieren könnte. Nach dem Konzert ging ich zu Maurice und sagte zu ihm: „Ihr kennt mich nicht, ich kenne euch nicht, aber ich bin Produzent und möchte euch vier Tage nach Wien einladen. Scheiß auf die Kohle. Lasst uns einfach einmal ein paar Tage zusammenarbeiten, weil ich da etwas spüre. Lass uns probieren, ob es wirklich so ist.” Da wir heute immer noch darüber reden, muss etwas dagewesen sein.

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Jetzt hast du auch das letzte Wanda-Album produziert. Damit stehst du hinter den beiden derzeit wohl erfolgreichsten österreichischen Musikexport-Artikeln. Man könnte also meinen: Wenn du Erfolg haben willst im Pop, geh zum Zebo Adam! So leicht ist es aber nicht, oder?

Zebo Adam: Nein, so einfach ist es in keinster Weise. Schön, dass du das ansprichst. Ich mache mir viele Gedanken darüber. Ich habe die Chance mit den zwei größten österreichischen Bands ihrer Generation zu arbeiten. Bilderbuch und Wanda haben etwas erreicht, was sich jede Band hierzulande wünscht. Speziell bei Wanda bin ich aber erst spät, beim sechsten Album, eingestiegen. Da hat der Erfolg schon wesentlich vorher stattgefunden. In der Bilderbuch-Zeit habe ich Wanda aber immer schon als Verbündete empfunden, die halt auf einer ganz anderen Ecke des Spielfeldes sind. Ich finde, dass Paul Gallister mit Wanda extrem tolle Arbeit geleistet hat und dass wir uns auch gegenseitig hochgeschaukelt haben. Und wenn wir von Erfolg sprechen, dann können wir nie vom Erfolg einer Einzelperson sprechen. Es ist immer Teamarbeit. Das Interessante ist: In dem Moment, in dem Bilderbuch Erfolg hatte, war Wanda auch erfolgreich. Es war irritierend, aber es war uns ganz schnell klar, dass das das Beste ist, was uns passieren kann.

Weshalb?

Zebo Adam: Aufgrund der Tatsache, dass es zwei Bands waren, die ein interessantes Produkt präsentieren, war es in der Außenwahrnehmung nicht mehr dieser eine exotische Act aus Österreich, sondern es war Musik aus Österreich, Musik aus Wien und diese beiden Bands eben ihre Speerspitzen. Man muss hier auch Alex „Fire“ Tomann erwähnen, der mit mir an allen Bilderbuch-Alben als Tontechniker mitgemacht hat, und der mit mir mit ins Wanda-Team gewandert ist. Für uns ist das eine Riesenfreude und ein Abenteuer, die Geschichte weiter zu erleben, aber jetzt halt auf einem anderen Schiff. Wir sind alle gemeinsam erfolgreich geworden, niemand ist einzeln erfolgreich.

Du hast dich in einem Interview mal als “Reiseleiter” bezeichnet. Das hat mir gut gefallen. Wie intensiv ist so eine Reise mit dir?

Zebo Adam: Sehr intensiv, weil ich mir die Reisen aussuche, die im Idealfall weiße Flecken auf der Landkarte ansteuern. Und Neuland zu entdecken, ist heutzutage schwierig. Das ist es, was uns damals mit Bilderbuch gelungen ist: Dass wir eine neue Form der deutschsprachigen Musik gefunden haben. Klar, von ihren Einzelparametern kannte man das schon, weil wir mir denselben zwölf Tönen und denselben Rhythmen arbeiten wie alle anderen auch, aber wir haben versucht, etwas Eigenes draus zu machen. Es geht auch nie darum, blind und ohne Sicherheitsnetz ins Risiko zu gehen.

Wir sind so gut ausgerüstet, wie es geht, aber man weiß im Vorhinein trotzdem nicht, was auf der Reise passieren wird. Wenn ich an das letzte Wanda-Album denke: Da war es eigentlich meine Aufgabe, ein Album aufzunehmen. Aber irgendwann wurde klar, dass das Hauptthema sterbende Familienmitglieder sind. Christian ist gestorben, der ehemalige Keyboarder. Marcos Vater lag im Sterben. Der Vater von Vali, dem Schlagzeuger, hatte eine schwere Krankheit. Bei der Musik, deren Teil ich zu sein versuche, wird das reale Leben nie ausgeschlossen. Man lebt einfach und es passieren Sachen. Das kann man als intensiv bezeichnen: Dass ich versuche, ein Produzent zu sein, der das, was gerade passiert in unserem Leben, als Feld begreift, auf dem wir uns begegnen. Damit müssen wir arbeiten.

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Es gibt Produzent:innen, die sich viel involvieren und solche, die sich ein wenig zurücklehnen und einmal schauen, was passiert und nur dann eingreifen, wenn es unbedingt notwendig ist. Wo würdest du dich verorten?

Zebo Adam: Ich unterscheide zwischen ein paar Archetypen des Produzierens. Der größte Unterschied ist, ob du mit Künstler:innen zusammenarbeitest, die ihre eigene Musik schreiben und performen oder es Künstler:innen sind, die ihre Songs (teilweise) nicht selbst schreiben, es keine Band gibt, sondern mit Studiomusiker:innen gearbeitet wird. Produzent:in zu sein heißt für die jüngere Generation ja erst einmal: „Ah, du bist der, der den Laptop bedient, die Plug Ins hat und die Sounds macht.” Und meistens bist du dann Songwriter auch noch. Da muss ich gerade an den Wanja Bierbaum denken, der mit der Nina Chuba einen richtig großen Erfolg hat und ein richtig Guter ist, und der genau auf diese Art arbeitet, die ganze Zeit in Songwriter-Camps ist. Ich habe da Riesenrespekt davor, würde mich aber eher als “oldschool” bezeichnen, weil ich primär mit Gruppen und Künstler:innen zusammenarbeite, die ihre eigene Musik schreiben, eigene Instrumente spielen und dadurch auch eine eigene Geschichte erzählen. Mein Bild ist deshalb das des Reiseleiters, des Busfahrers. Da geht es immer darum, einen Prozess zu begleiten, der praktischerweise weniger von meiner Person ausgeht. Ich bin weniger an mein Equipment und meine Sample-Library gebunden. Wichtigere Fragen sind: Mit wem habe ich es zu tun? Was will der- oder diejenige erreichen und wie können wir dahinkommen? Das heißt auch, einen Indie-Gedanken zu pflegen, ohne unbedingt nur typische Indie-Musik zu machen. Wir machen es selber. Wir sind diejenigen, die es selber erschaffen.

Was implizieren würde, dass du Künstliche Intelligenz höchstens als Plug In, als unterstützendes Programm also nutzt, nicht aber als Stimmersatz.

Zebo Adam: Das KI-Thema ist prinzipiell ein extrem spannendes. Zunächst geht es ja nicht nur um KI, sondern Leistungs- und Rechenstärke von Programmen. Und da erleben wir gerade etwas, was vielleicht nur vergleichbar ist mit dem Wechsel von der Zeit, als man Musik noch nicht dokumentieren konnte außer im Geiste oder auf Papier, als es also noch keine Aufnahmen gab und der Zeit, als es möglich wurde Musik aufzunehmen. Die Änderungen, die derzeit passieren, sind vehementer und gravierender. Ich spüre das. Ich mache mein Leben lang Musik, nehme mein Leben lang auf, und ich habe noch nie so eine so massive Änderung gespürt wie jetzt gerade. Ohne zu wissen, wo das hingehen wird, ist mein persönlicher Umgang damit ist, immer mehr Abstand davon zu halten.

Inwiefern?

Zebo Adam: Für mich bedeutet Musikmachen zuallererst eine große Eigenverantwortung. Und KIs in der Musikproduktion tun vor allem eines: Sie übernehmen Verantwortung. Was noch deutlicher macht, was ich vorher gesagt habe: Dass es zwei grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweisen an die Musikproduktion gibt. Die eine ist sehr zielorientiert und da mach KI extrem viel Sinn. Wenn das Ziel ist, Musik zu machen, die gewissen Parametern entspricht, ist KI toll. Früher hat man für ein Playback wochenlang gebraucht. Heute geht das in acht Stunden in mindestens genauso guter Qualität. Aber bedeutet das automatisch, dass man bessere Musik macht? Dass man interessantere Musik macht? Ich glaube nicht, weil ich der Meinung bin, dass das Interessante an der Musik die persönliche Entscheidung ist, die oft auch aus einem Fehler heraus entsteht. Wenn ich an Musikaufnehmen denke, möchte ich Lösungen finden, und alle Tools, die ich dazu verwende, sind bloße Hilfsmittel, aber auf den Berg muss ich mich trotzdem selber raufbewegen. Für viele Junge bedeutet Musikmachen aber etwas anderes. Die nehmen den einen Berg und den anderen, stellen sie nebeneinander und singen dann was drüber, und das ist dann ihre Musik. Ich komme aus einer anderen Gedankenschule. Für mich bedeutet Musikmachen, den eigenen Berg zu erklimmen. Nichts davon ist besser oder schlechter, aber das Ergebnis ist sehr unterschiedlich.

Du bist der Sohn des bekannten Musikers Wickerl Adam. Bis du mit Musik im wahrsten Sinne des Wortes “aufgewachsen”?

Zebo Adam: Ja. Ich bin schon im Mutterbauch bei sechzig Konzerten mit auf Tour mitgewesen. Für mich sind Backstage-Bereich und Bühnen Räume, die ich verstehe, weil ich in ihnen buchstäblich aufgewachsen bin.

Du hast als Gitarrist begonnen. Wann kam der Punkt, an dem das Interesse am Produzieren von Musik Überhand gewann?

Zebo Adam: Das Interesse war von Anfang an da. Mein Vater hat mit der Hallucination Company ein paar Alben aufgenommen, von denen ich das Vierte auch produziert habe. Aber die Hallucination Company war eigentlich eine reine Live-Band. Mein Vater war Bandgründer und Bandleader, und die Position des Bandleaders und die des Produzenten sind schon sehr artverwandt.

Ich war in meinen Bands auch immer in einer leitenden Funktion. Daran war ich immer interessiert. Mir ging es immer darum, die ganze Sache nicht nur aus dem Blickwinkel meines Instruments, sondern aus allen Blickwinkeln zu betrachten. Ich habe als Live-Tontechniker, als Tourmanager gearbeitet, als Backliner, im Management und in der Organisation. Seit ich acht, neun Jahre alt bin, bin ich mir sehr bewusst, dass das Medium einer Musikaufnahme für mich eines der faszinierendsten ist, das der Mensch je erfunden hat, weil wir Emotionen und Zeit in eine Aufnahme packen und es immer wieder reproduzieren können. Seit ich von diesem Prozess so fasziniert bin, versuche ich ihn auch zu verstehen. Und dann war der nächste Gedankengang: Wer sind die wichtigen Personen für den Prozess? Da kommt man darauf, dass es diese Produzent:inenn-Position, für die ich Jahre brauchte, um sie zu verstehen. Wenn es eine Person gibt, die die ganze Zeit in den Prozess einer Aufnahme involviert ist, dann ist es am ehesten die Position der Produzent:in. Das heißt: Dort kommt man dem Mysterium des Musikmachens am nächsten. Ich habe mit Vierzehn angefangen aufzunehmen und es war nur eine Frage der Zeit, bis ich dort gelandet bin, wo ich heute bin.

Brian Eno war es, der als erstes gesagt hat, das Studio sei ein eigenes Instrument. Mittlerweile beanspruchen das viele für sich und es wird oft ein wenig plakativ dahingesagt, aber du verstehst das Studio tatsächlich als Instrument, oder?

Zebo Adam: Absolut. Die Beatles waren die ersten, die das Studio auf diese Art und Weise genutzt haben. Dann kamen Leute wie Brian Emo, Tony Visconti und David Bowie, die das in den 1970er Jahren weitergebracht haben. In den 1980er Jahren hat es jemand wie Daniel Lanois, der dann ja mit Brian Eno zusammengearbeitet hat, weiterentwickelt. Rick Rubin, der eher einen sozialogischen Zugang zum Produzieren hat, gehört auch dazu.

Die “Oblique Streategies” (eine kartenbasierte Methode zur Förderung der Kreativität, die gemeinsam von Brian Eno und dem Multimedia-Künstler Peter Schmidt entwickelt und 1975 erstmals veröffentlicht wurde, Anm.) liegt nicht nur auf meinem Tisch, sondern auch auf dem anderer Prodiuzent:innen. Warum? Weil wir das alles nicht selbst erfunden haben, sondern auf dem aufbauen, was andere vor uns ersonnen haben. Wir machen nur damit weiter.

Und genau darum ist ja dieses KI-Thema so interessant. Weil man dadurch plötzlich das, was so enormen Spaß macht, die Musik selber zu erschaffen, abgibt. Aber nächstes Jahr hat Hansi Lang runden Geburtstag, und Thomas Rabitsch arbeitet da gerade an Material, das Hansi noch aufgenommen hat. Da wurde KI genutzt, um Hansis Stimme zu extrahieren und drumherum Musik bauen zu können. Und es ist der absolute Wahnsinn, was dadurch möglich ist und auf welche Art und Weise man Musik machen kann. Großartig, weil es da so genutzt wird, dass es unsere Möglichkeiten, Musik zu machen. erweitert.

Wie viel Psychologie braucht es als Produzent:in?

Bild Zebo Adam
Zebo Adam (c) Pressebild

Zebo Adam: Eine alte Frage. Meine Arbeit hat schon einen hohen psychologischen Anteil, aber ich habe keine Ausbildung, und wir sehen das in unserer westlichen Gesellschaft ja vorrangig als professionell akademisches Thema. Prinzipiell bist du als Produzent:in dafür verantwortlich, dass es eine aufgenommene Stereospur gibt. Das hat zuerst einmal wenig mit Psychologie zu tun. Aber der Prozess der Erschaffung funktioniert nicht ohne einen großen psychologischen Faktor. Man hat Kontakt mit anderen Menschen, und wenn es den Menschen gut geht, hat das Auswirkungen, und wenn es ihnen schlecht geht ebenso. In welchem Maße, darüber gibt es viele Meinungen und es gibt auch viel Potenzial für Missbrauch, weil Produzenten – bewusst in der männlichen Form – ganz schön mies zu weiblichen Künstler:innen sein können, aber auch ganz generell: Der Weg zum Diktator ist in diesem Beruf schon ein bisschen vorgezeichnet.

Ist das Studio für dich ein Safe Place?

Zebo Adam: Mittlerweile sehe ich es so, ja. Sein Leben im Musik-Business zu verbringen ist so stressig, wir alle arbeiten unter so “weirden” Umständen, dass es Hauptaufgabe sein muss, da gesund durchzukommen, indem wir aufeinander schauen. Der Vorteil des Studios ist, dass es der einzige Ort ist, an dem man unter Ausschluss der Öffentlichkeit arbeiten kann. Für Menschen, die schon im jungen Alter entweder berühmt werden oder zumindest ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit verrichten, gibt es nicht so viele Orte, an denen man normal sein kann und sich nicht fragen muss, ob das jetzt jemand auf Instagram postet.

Der Stress, den junge Künstler:innen damit haben, viral zu gehen, kann nicht gesund sein. Deshalb sollte der Studio ein Safe Space sein, was nicht bedeutet, dass es nicht auch ein Ort der Auseinandersetzung sein kann. Ich war früher bereit, mich auf jeden Konflikt einzulassen, wenn ich den Eindruck hatte, dass es der heiligen Musik dienen kann. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass es eine bessere Lösung gibt und es nicht unbedingt notwendig ist, auf Kriegsfuß zu gehen. Wir hatten ja jetzt gerade wieder eine Wiener Theaterdirektor, der glaubte, ein rauer Führungsstil sei in Ordnung, weil es die Kunst erforderlich macht. Schon interessant, dass es immer Männer sind, die diese Meinung vertreten und damit ihre Position festigen. Es ist mehr als an der Zeit, dass wir, die wir in solchen Positionen sitzen, unsere Einstellung hinterfragen. Es braucht ein Umdenken, weil wir echte Safe Spaces brauchen. Da geht es nicht um Mitleid, sondern einfach die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen sollten.

Wenn du von “weirden” Umständen sprichst, meinst du da die prekären Verhältnisse, unter denen der Großteil der Musiker:innen dem Beruf nachgeht?

Zebo Adam: Nein, die prekären Verhältnisse sehe ich gar nicht so als Problem, weil sie einfach die Lebensrealität aller Freischaffenden sind. Österreich ist nun einmal ein Land, das seine toten Künstler:innen mehr fördert als sein lebenden, und das meine ich jetzt gar nicht als Vorwurf. Das wissen wir alle im Vorhinein, bevor wir uns darauf einlassen. Es geht nicht darum, viel Geld zu machen. Es geht darum, das Bedürfnis zu haben, Kunst zu machen. Mit “weird” meine ich, dass wir in einer Gesellschaft leben, die ganz anders eingeteilt ist wie das, was abläuft, wenn du Künstler:in bist. Du hast einfach keinen normalen Wochenablauf. Gerade als Live-Musiker:in. Seit ich bei Wanda Live-Gitarre spiele, verbringe ich den Großteil meiner Wochenenden in einem Bus, in dem ich ein Bett habe, und meine Hauptarbeitszeit ist von 21.00 bis 22.30 Uhr. Die letzten Wochen habe ich in einem Tourbus, auf dem Pop-Camp im deutschen Sauerland, mit einer jungen Schweizer Band in Zürich und in meinem Keller in Meidling verbracht, den ich überschwemmungssicher machen musste. Es ist extrem schwierig zu erklären, was das mit einem macht. Marco Wanda bedankt sich in letzter Zeit beim Publikum nach einem Konzert immer mit den Worten: „Danke, ihr habt uns ein sehr interessantes und weirdes Leben ermöglicht.” Und ich verstehe zu 100%, was er damit meint. Teil von “Schickschock” und “Magic Life” zu sein ist weird. Du wirst nicht glauben, wie viele Menschen, die ich nicht kenne, mir sagen, dass ihnen diese Musik so wichtig ist. Das haben nicht viele in ihrem Beruf: Leute, die zwanzig Jahre jünger sind, kommen auf dich zu und erklären dir, dass sie seine Musik gehört haben, als sie zum Musikmachern begannen. Und gleichzeitig bist du aber ein ganz normaler Mensch. Im Live-Geschäft ist das am extremsten: Die Hälfte des Tages schauen dir extrem viele Leute zu, jubeln dir zu und dann bist du in deinem Hotelzimmer und musst dir wie jeder andere auch die Zähne putzen. Ohne Publikum. Das ist eine ganz eigene Art des Lebens.

Welche Musik hat die dich geprägt?

Zebo Adam: Beatles, Bowie, Jackson, Prince, Hendrix, ganz viel Zappa, King Crimson, Jethro Tull. Black Sabbaths erstes Album, danach Nirvana, Metallica und natürlich die Hallucination Company und die Österreicher: Thomas Rabitsch, Helmut Bibl, Hansi Lang, Wickerl Adam, Peter Kolbert, Erich Buchebner, Tini Kainrath und wie sie nicht alle heißen. Viele österreichische Musiker:innen, weil ich sie so oft gehört habe und wir in Österreich immer schon, nicht erst seit zehn Jahren, gute Musik gemacht haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Deisenberger

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Link:
Zebo Adam (Discogs)