Ein Klang des Jazz, in dem musikalische Eleganz und extreme Spielfreude auf magische Weise verschmelzen – mit ihrem Debütalbum „Tres Caballeros“ präsentieren Tobias Faulhammer (Gitarre), Gregor Aufmesser (Bass) und Jakob Kammerer (Schlagzeug) ein musikalisches Erlebnis, das gleichermaßen reif wie spielerisch ist. Das Trio, tief verwurzelt in der österreichischen Jazzszene, verbindet Einflüsse von Bill Frisell und John Scofield mit Folk- und Blues-Nuancen. Mit beeindruckender Kunstfertigkeit schaffen die Musiker intime, improvisatorische Momente auf höchstem Niveau. Im Interview mit Michael Ternai spricht Tobias Faulhammer über seine Liebe zu Gitarrentrios, die Suche nach einer eigenen musikalischen Stimme und die Bedeutung von Melodien in seiner Musik.
Du bist ja in verschiedenen Projekten unterwegs. Ich kenne unter anderem deine Zusammenarbeit mit dem Pianisten Max Tschida. Was hat dich jetzt bewogen mit Tres Caballeros eine neue eigene Formation zu gründen?
Tobias Faulhammer: Im Grunde ist das Trio so entstanden, dass ich meine beiden Kollegen, Gregor Aufmesser und Jakob Kammerer, schon lange kenne. Mit Jakob habe ich gemeinsam am Konservatorium studiert, und wir haben bereits in einem früheren Projekt zusammengespielt. Gregor kenne ich aus der Musikschule, an der wir beide unterrichtet haben. Außerdem haben wir 2020 gemeinsam mit Lia Pale und Matthias Rüegg an einer Produktion gearbeitet, wodurch wir unzählige Stunden miteinander verbracht haben. Auch mit Jakob und Max habe ich schon in einem gemeinsamen Ensemble gespielt – einem Orgeltrio.
Von daher wusste ich: Wenn ich jemals wieder ein Trio gründe, möchte ich unbedingt die beiden dafür gewinnen. 2022 habe ich mich schließlich dazu entschlossen, die Idee eines Trios wieder aufzugreifen. Wir haben zunächst ein paar Konzerte gespielt – und vom ersten Moment an hat es sich einfach richtig angefühlt.
Welche Idee steckt hinter dem Trio? Die Besetzung ist eigentlich klassisch.
Tobias Faulhammer: Ja, die Besetzung ist recht klassisch. Ich habe Gitarrentrios eigentlich schon immer geliebt. Eines meiner Lieblingstrios ist das von John Scofield mit Bill Stewart am Schlagzeug und Steve Swallow am Bass. Mittlerweile spielt statt Steve Swallow Vicente Archer. Ich habe dieses Trio unzählige Male live gesehen.
Was ich an diesem Trio – und generell am Triospiel – besonders mag, ist, dass man kompositorisch gar nicht so viel vorgeben muss, wenn man sich aufeinander einlässt. Man kann einfach spielen, und jedes Stück entwickelt sich jedes Mal anders. Das finde ich großartig, weil dabei die Persönlichkeiten der Musiker stärker zum Ausdruck kommen und die Kommunikation im Vordergrund steht.
Ein Grund, warum ich bei diesem Projekt bewusst auf ein Klavier verzichtet habe, ist, dass es für mich auch eine kleine Herausforderung darstellt. Zuvor habe ich sehr viel mit dem Pianisten Max Tschida gespielt – und wir tun das auch immer noch, weil es einfach fantastisch ist. Allerdings gibt es für einen Gitarristen beim Zusammenspiel mit einem guten Pianisten auch immer eine Art Sicherheitsnetz. Und das habe ich in diesem Trio nicht, was spannend ist.
Es wird in eurem Trio also viel improvisiert. Wie viel ist bei euch komponiert?
Tobias Faulhammer: Die Strukturen der Stücke sind bis zu einem gewissen Grad schon recht klar. Ich versuche immer, eine Art Lead Sheet zu schreiben. Für mich ist die ideale Komposition eine, die man auf einem A4-Blatt zusammenfassen kann – besonders für die Art von Musik, die wir machen. Man hat auf der einen Seite genug Freiraum, und auf der anderen Seite alle Informationen, die man braucht, um mitzuspielen. Man spielt also nicht nur das Stück, sondern man spielt tatsächlich mit dem Stück. Das ist irgendwie die Idee dahinter. Und mittlerweile schaffen wir es, zumindest meinem Eindruck nach, gerade weil wir schon öfter miteinander gespielt haben, immer wieder aus dieser ursprünglichen Struktur auszubrechen. Da kommt es schon vor, dass manche Chord Changes weggelassen werden, die zuvor oft gespielt wurden – einfach, um spontan etwas Neues auszuprobieren. Und das funktioniert in der kleinen Besetzung besonders gut, weil man sich schnell aufeinander einspielt und sich auch akustisch besser versteht.
Das Schöne an einem Album ist, dass es trotz aller Komplexität und des hohen spielerischen Anspruchs, dennoch überhaupt nicht verkopft und schwierig klingt. Die Musik fließt richtiggehend.
Tobias Faulhammer: Genau das versuche ich auch in meinen Kompositionen zu erreichen. Dabei habe ich sehr viel aus der Zusammenarbeit mit Max gelernt, weil er genauso arbeitet, und wir diesen Ansatz auch verfolgt haben, wenn wir gemeinsam für das Duo geschrieben haben. Es geht im Grunde immer darum, eine Melodie zu finden. Jedes Stück sollte idealerweise eine Melodie haben, auf die man es reduzieren kann und die im Gedächtnis bleibt – ähnlich wie bei Kinderliedern. Man kann beim Spielen zwar immer wieder ausbrechen, aber die Melodie bleibt als Ankerpunkt, an dem man sich orientieren kann. Klaus Wienerroither, bei dem wir im Studio 2 waren, hat einmal gesagt: „Herr Faulhammer schreibt so lebensbejahende Kompositionen.“ Das fand ich irgendwie nett.
Das Besondere an eurem Album ist auch der sehr einladende Sound. Vor allem deine Gitarre klingt unglaublich warm und zart. Man kann in die Musik so richtig schön eintauchen. Für mich ist das auch ein Aspekt eurer Musik, der sie für mich so zugänglich macht.
Tobias Faulhammer: Dieser Klang ist auf jeden Fall beabsichtigt. Ich habe lange daran gearbeitet, eine wirklich eigene Stimme zu finden, und habe das Gefühl, dass ich dieser in den letzten beiden Jahren deutlich nähergekommen bin. Aber so etwas braucht eben seine Zeit. Bei bestimmten Dingen habe ich mittlerweile tatsächlich das Gefühl, mich selbst besser zu verstehen. Es freut mich, dass diese Anstrengung nun auf eine gewisse Weise Früchte trägt.
Was ist die größte Herausforderung für dich an der Findung der eigenen Sprache, eines eigenen Stils?
Tobias Faulhammer: Ich glaube, das Schwierigste für mich war auf jeden Fall, beim Spielen weg von diesen einstudierten Linien und Licks zu kommen. Eine Gitarre ist ein sehr visuelles Instrument, das heißt, man lernt sich oft Dinge ein, die man dann sieht, Bewegungsmuster, die optisch noch einmal verstärkt werden, weil man ja immer sieht, was man macht. Wir haben zum Beispiel letzten Donnerstag mit dem Trio in Baden ein Konzert gespielt, bei dem wir auch ein paar Standards gespielt haben. Unter anderem „All the Things You Are”, ein Stück, das ich wahnsinnig gerne mag und bis vor ein paar Jahren sehr häufig gespielt habe, aber schon länger nicht mehr. Als wir dann losspielten, konnte ich richtig beobachten, was meine Finger machten – allerdings spielten sie Dinge, die ich eigentlich gar nicht spielen wollte. Es hat zwar irgendwie gepasst, aber es waren letztlich nur Muster, an die ich mich gewöhnt hatte. Die größte Herausforderung ist also, von diesen Mustern wegzukommen, um wirklich völlig frei improvisieren zu können.
Ich will solche Licks aber auch nicht komplett verteufeln, denn Jazz-Improvisation hat ja doch eine gewisse Struktur, und man kann sie durchaus auch mathematisch betrachten. Aber irgendwann sollte man in der Lage sein, daraus auszubrechen. Die Fähigkeit zu entwickeln, das, was man im Kopf hört, direkt am Instrument umsetzen zu können – und das Ganze im Moment – das ist eigentlich die größte Herausforderung. Und dass das dann noch mit einem Gitarrensound passiert, der diesem im Kopf gehörten möglichst nahekommt.
Dann kommen dann natürlich auch noch das Technische hinzu, welche Gitarre man spielt, welche Verstärker man verwendet, passen die gut zueinander. Ich mag generell sehr weiche Sounds, ein Vorbild hierbei ist Pat Metheny, der mir wirklich imponiert.
Ich habe bei dem Album auch den Eindruck, dass du bzw. ihr die Musik in den Vordergrund rücken wollt. Trotz des hohen musikalischen Anspruchs und auch der Komplexität der Stücke artet das Geschehen nie in einen instrumentalen Wettstreit aus. Inwieweit hast du beim Schreiben der Stücke auf das Publikum im Kopf?
Tobias Faulhammer: Das ist schön, dass das so rüberkommt.Ich habe mit einem guten Freund von mir, der das Cover und die Grafik gemacht hat, im Sommer viel darüber geredet. Wir haben lange darüber gesprochen, wie wir die Musik am besten graphisch umsetzen wollen. Er sagte, und das hat mir sehr gut gefallen, dass er sich das Album ein paar Mal angehört hat und ihm das wirklich Spaß gemacht hat. Und er meinte auch, dass es spürbar ist, welche Freude wir beim Einspielen hatten. Ein Jazzalbum, auf dem viel improvisiert wird, ist immer eine Momentaufnahme – und wenn dieser Moment gut ankommt, ist das großartig. Das sollte aber nicht missverstanden werden: Es geht dabei keineswegs darum, sich irgendwie anzubiedern. Überhaupt nicht. Wir versuchen einfach, Musik zu machen, die das Ohr anspricht und Freude bereitet. Wir laden die Zuhörerinnen und Zuhörer ein, ein bisschen Zeit mit uns zu verbringen.
Wie ist dein Werdegang aus? Was hat dich an Jazz damals interessiert?
Tobias Faulhammer: Ich habe tatsächlich relativ spät mit der Gitarre angefangen. Musik hat mich zwar schon immer interessiert, und in meinen frühen Teenagerjahren habe ich mich ein wenig am Klavier versucht. Mein Großvater spielte Klavier, und daher hatten wir auch eines zu Hause. Obwohl ich das Klavierspielen durchaus spannend fand, bin ich dann irgendwie beim Didgeridoo gelandet – und das war richtig witzig. Mit einem Schulkollegen bildete ich ein Duo: Er spielte Percussion, und ich Didgeridoo.
Ein ausgeprägtes Interesse an Musik hatte ich also schon früh, aber ich wollte als Kind nie feste Verpflichtungen eingehen. Deshalb wollte ich damals weder ein Instrument lernen noch etwa einem Judoverein beitreten. Meine Mutter war da immer sehr offen. Sie sagte: Was du machen möchtest, mach es. Sie hat mich nie zu irgendetwas gedrängt. Mit 13 oder 14 Jahren lernte ich dann Freunde kennen, die Gitarre spielten. Das hat mich so fasziniert, dass ich es selbst ausprobieren wollte.
Zu meinem 15. Geburtstag bekam ich schließlich meine erste eigene E-Gitarre und begann, viel für mich selbst zu spielen. Vor allem Blues, Bluesrock und natürlich Stücke von Hendrix, Stevie Ray Vaughan und Eric Clapton – die haben mich damals besonders inspiriert. Irgendwann nahm ich dann Unterricht bei einem Privatlehrer, dem Micky Lee. Es war ein echter Glücksfall, dass ich ihn gefunden habe. Nach einer Weile fragte er mich, ob ich nicht einmal Jazzgitarre ausprobieren möchte. Er spielte mir ein paar Aufnahmen vor. Ich hatte damals von Jazz kaum Ahnung, aber die Idee des Improvisierens hat mich direkt begeistert.
Er ließ mich Musik von Pat Martino, Wes Montgomery, Joe Pass und natürlich John Scofield hören. Dabei sagte er: „Du kannst natürlich weiter Blues und Bluesrock spielen, aber wenn du möchtest, können wir uns auch ein bisschen Jazztheorie anschauen.“ Das hat mich total mitgerissen – im positiven Sinne. Offenbar hat er gespürt, dass ich motiviert war zu üben, und genau das habe ich dann auch getan.
Mit 19 wurde ich am Konservatorium Wien aufgenommen – und das eher durch eine glückliche Fügung. Bei der Aufnahmeprüfung spielte ich eine Solotranskription von Joe Pass, die im selben Jahr jemand bei seiner Bachelorprüfung gespielt hatte. Im Vergleich dazu dürfte ich wohl recht gut abgeschnitten haben, sodass ich gleich auf Anhieb genommen wurde.
Du bist ja in vielen verschiedenen Projekten involviert. Welchen Stellenwert hat das Trio für dich. Kann man es als dein Hauptprojekt bezeichnen?
Tobias Faulhammer: Ich würde sagen, jetzt auf jeden Fall. Vielleicht auch, weil es nach langer Zeit wieder einmal ein Trio-Projekt ist. Ich hatte ja schon 2013/2014 eines. Mit diesem habe ich auf ATS Records mit „A First Taste“ auch eine CD veröffentlicht. Vom Sound her war es damals aber noch ganz anders. Da war ich noch sehr auf der Suche nach einer eigenen Stimme.
Aktuell habe ich das Glück, dass es mit meinen zwei Kollegen so ist, dass wir alle gerade in einer ähnlichen Lebensphase sind. Das heißt, wir verstehen uns auch abseits der Musik sehr gut, und alles ist irgendwie sehr entspannt. Das ist die harmonischste Band, die ich je hatte. Wir können blödeln, und niemand nimmt sich selbst oder den anderen zu ernst. Das ist schon sehr wichtig, gerade wenn man auf Tour ist oder ähnliches, dass es keine komischen Konflikte gibt – weder unausgesprochene noch ausgesprochene. Das ist wirklich viel wert.
Insofern würde ich das jetzt schon als Hauptprojekt bezeichnen. Wir wollen auch nächsten Juni wieder ins Studio gehen, also ich schreibe auch schon wieder. Es soll dann ein bisschen, sagen wir mal, offener in der Musik werden. Ich möchte nicht zu viel verraten, weil ich selbst noch nicht ganz genau weiß, wohin es gehen wird. Aber ich merke, je mehr wir miteinander spielen, desto mehr trauen wir uns. Und das würde ich gerne auch im nächsten Album noch weiterverarbeiten. Einfach noch ein bisschen weniger festgelegt durch die Kompositionen und noch mehr im Moment spielen. Das ist so der Plan. Insofern, ja, aktuell ist es ein Hauptprojekt.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Michael Ternai
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Tres Caballeros live
11.01.25 Dakig, Gänserndorf (A)
16.01.25 OPUS Jazzclub, Budapest (HU)
04.02.25 Porgy & Bess, Wien (A)
28.03.25 Jazzclub, Melk (A)
29.03.25 STEP, Völkermarkt (A)
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