„[…] es geht darum, auch die anderen Bereiche zu stärken, die hier zu kurz kommen“ – ALEXANDER KUKELKA und MIA ZABELKA im mica-Interview

Der diesjährige AUSTRIAN COMPOSERS‘ DAY am 19. Oktober setzt thematische Schwerpunkte auf die Themen „Geistiges Eigentum“, „Kompositionswettbewerbe/Kompositionsförderung“, „Neue Ästhetiken: Sound Art/Improvisation/Performance“. Der Kurator des AUSTRIAN COMPOSERS‘ DAYS und ÖKB-Präsident ALEXANDER KUKELKA und die Musikerin, Klangkünstlerin und Komponistin MIA ZABELKA sprachen mit Michael Ternai.

Am 19. Oktober geht die sechste Ausgabe des vom österreichischen Komponistenbund veranstalteten Austrian Composer`s Day an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien über die Bühne. Abermals mit einem sehr breitgefächerten Programm. Welche thematischen Schwerpunkte sind heuer gesetzt?

Alexander Kukelka: Zu meinem Einstieg als Präsident des Österreichischen Komponistenbundes – inzwischen schon deutlicher ein KomponistInnenbund – habe ich mir dringlichst den Austrian Composers´ Day als zentrale Info-Veranstaltung „verordnet“ und mir gedacht, dass es Sinn macht, ergänzende Inhalte zu bringen, mit denen sich die Musikuniversität – die ja ein enger Kooperationspartner von uns ist – aufgrund ihrer Ressourcen und ihres Lehrplans oft nicht unmittelbar befassen kann. Wir wollten von Anfang an darauf aufmerksam machen, was passiert, wenn die Musikerinnen und Musiker bzw. Komponistinnen und Komponisten, so nach und nach vom realen Leben eingeholt werden und spätestens nach ihrem Diplom nicht nur vor künstlerischen, sondern auch vor wirtschaftlichen Herausforderungen stehen. In diesem Sinne haben wir dieses Format entwickelt, im Fokus aber eben immer aktuelle Themen.

Aktuell ist es immer noch der Themenkreis rund um das „Urheberrecht“ und „Geistiges Eigentum“, der uns begleitet. Dabei geht es vor allem darum, den jungen Musikschaffenden deutlich zu machen, dass, wenn sie ein Werk schaffen, sie einen effektiven Wert in Händen halten und es auch in ihren Händen liegt, wie sie diesen verantwortungsvoll verwalten. Sie sollen ein Verständnis dafür entwickeln, wie die Strukturen außerhalb, aber auch innerhalb der Wertschöpfungskette funktionieren, wie diese, beginnend bei den Multiplikatoren über die Verwertung bis hin zu einem geregelten Tantiemenfluss aussehen.

Ich glaube, in dieser Sache kann man nicht genug Aufklärungsarbeit leisten. Vor Jahren noch wollte man davon nichts wissen. Da herrschte die Haltung „Nein, nein. Wir sind nur Künstler“. Nun, das hat sich inzwischen offenbar geändert

„Geistiges Eigentum“ ist, nicht zuletzt Dank der auch kontroversiell geführten Diskussion um die Urheberrechts-Direktive, aktuell ein extrem wichtiges Thema. Es ist mittlerweile (hoffentlich) allen klar, dass „Geistiges Eigentum“ eine Schlüssel-Ressource darstellt, die demjenigen, der etwas schafft, auch wirklich etwas abwerfen soll. Wenn ich ein Handy verwende oder ein Microsoft-Packet „use“, dann muss ich Lizenzen zahlen. Warum soll das nicht auch für die Nutzung eines Werkes gelten. So simpel ist das.

Außerdem ist es ein Thema, das uns sicherlich noch in Zukunft beschäftigen wird, da sich in der Ausgestaltung dessen, was von der EU im weiteren Sinne der UrheberInnen nun vorgegeben wurde, in den nächsten zwei Jahren von den Mitglieder-Staaten noch einiges implementiert werden muss.

Der Austrian Composers´ Day steht – bei freiem Eintritt – natürlich auch allen „von außen“ dazustoßenden Interessierten offen.

Auch das Thema „Kompositions- und Songwriting-Wettbewerb“ steht auf dem Programm.

Bild Alexander Kukelka
Alexander Kukelka (c) Barbara Pálffy

Alexander Kukelka: Genau. Hier wollen wir gemeinsam mit unseren Partnerverbänden ÖGZM [Österreichische Gesellschaft für zeitgenössische Musik; Anm.] und INÖK [Interessengemeinschaft niederösterreichische KomponistInnen; Anm.] dem Publikum das breite Angebot aktuell existierender aber auch neuer attraktiver Wettbewerbe näherbringen. Das ist, glaube ich, sehr hilfreich, da es auch einige Wettbewerbe gibt, die nicht nur mit finanziellen Vergütungen, sondern auch mit entsprechendem Renommee verbunden sind, so dass junge Komponistinnen und Komponisten hier schon auf dem Wege einer effektiven „Sichtbarmachung“ in den Markt geraten können.

“Wir sprechen in unsrer Interessenvertretung schon lange darüber, dass die Improvisation eine Anerkannte kompositionelle Technik ist. “

Der dritte Schwerpunkt behandelt das Thema „Neuen Ästhetiken in der Praxis“. 

Alexander Kukelka: Wir sprechen in unserer Interessenvertretung schon lange darüber, dass die Improvisation inzwischen eine anerkannte kompositionelle Technik ist. Und auch in diesem Bereich gibt es essentielle Bedürfnisse und Entwicklungen, die man nicht aussparen kann und die sich in einer Interessenvertretung abbilden müssen.
Die Musikschaffenden dieser Richtung rennen uns im Moment ja geradezu die Türen ein. Die muss man einfach hereinholen. Wir wollen ja nicht, dass uns irgendwann einmal die kompositorische Entwicklung überholt.

Bei den ersten beiden Themengebieten des Austrian Composers‘ Day lassen sich auf Fragen relativ klare Antworten formulieren. Das ist bei den neuen Ästhetiken ja nicht der Fall. Da spielt ja viel mehr mit. 

Alexander Kukelka: Richtig. In diesem Bereich überschneidet sich das Feld der ausübenden Musikerinnen und Musiker oft mit jenem der Komponistinnen und Komponisten, wo sich, wie am Beispiel der ElektronikerInnen und PerformerInnen gezeigt, auch oft Doppelgleisigkeiten finden.
Wir neigen alle dazu, dass wir ein einmal erobertertes Terrain ungern aufgeben und sagen uns, wir hätten die Musikwelt jetzt endlich „im Griff“, während wir links oder rechts außen von einer völlig neuen Ästhetik überholt werden. Die müssen wir – den Verhältnissen entsprechend – eben genauso umsichtig mitnehmen. Gerade was den Musikmarkt betrifft.
Für uns Komponistinnen und Komponisten ist es inzwischen kein Widerspruch mehr, zwischen Musikwirtschaft, kreativem Schaffen und Sichtbarmachung Verbindungen zu sehen und zu nutzen. Also die gesamte Wertschöpfungskette im Auge zu behalten.

Mia, du zählst seit Langem ja zu den wichtigsten Vertreterinnen der heimischen experimentellen Musikszene. Und du wirst das Panel „Neuen Ästhetiken in der Praxis“ moderieren. Mit welchen Problemen und Herausforderungen sind deiner Meinung nach die neuen Ästhetiken hierzulande konfrontiert?

Mia Zabelka: Der Begriff der neuen Ästhetiken ist im Grunde genommen auch nicht mehr so neu. Aber es ist so, dass gerade in Österreich ein Schwerpunkt auf die sogenannte neue klassische Musik gesetzt wird, obwohl die zeitgenössische Musik aus so vielen anderen verschiedenen Bereichen besteht. Zum Beispiel Sound Art, Improvisation und elektronische Musik. Und dann gibt es noch weitere Unterkategorien wie zum Beispiel Ambient, Dark Ambient, Drone, Noise etc… Es gibt so viele unterschiedliche Facetten, die hierzulande kaum sichtbar sind.

“[…] es geht darum, auch die anderen Bereiche zu stärken, die hier zu kurz kommen. “

Uns scheint doch wichtig zu sein, da einen Ausgleich zu schaffen. Es geht uns nicht darum, dass da etwas abgeschafft werden soll. Ganz im Gegenteil. Wir haben eine lange Tradition in diesem Bereich. Und es ist auch wichtig, diese zu erhalten. Aber es geht darum, auch die anderen Bereiche zu stärken, die hier zu kurz kommen. Weil es doch so ist, dass viele von uns ins Ausland zu den internationalen Festivals gehen müssen. Es gibt in Österreich kein Festival für Sound Art oder elektronische Musik. Es gibt Festivals für improvisierte Musik, aber auf denen werden auch hauptsächlich internationale Musikerinnen und Musiker präsentiert. Wenn ich im Ausland unterwegs bin, merke ich, dass die österreichische Improvisationsszene, die aber sehr lebendig und vielfältig ist, zu wenig bekannt ist. Aber die Namen sind nicht bekannt. Die werden bei den österreichischen Festivals auch nicht in der Breite präsentiert, wie es notwendig wäre.

Warum ist das so?

Mia Zabelka: Es hat sich schon zu den Leuten durchgesprochen. Aber es gibt halt sehr starke andere Szenen, die das Feld besetzen. In gewisser Weise ist das auch verständlich. Manche dieser Szenen haben eine lange Tradition. Und das ist ja auch wunderbar. Nur glaube ich, dass man sich nichts Gutes tut, wenn man nur diese Szenen stärkt und das andere so nebenbei behandelt, als wenn es das gar nicht gäbe. Der Ausgleich und eine Balance müsste geschaffen werden und dann wird das auch auf die internationale Reputation der neuen Musikszene in ihrer gesamten Dimension zurückfließen.

Es heißt ja oftmals, der Szene fehle die Infrastruktur. Wie seht ihr das?

Mia Zabelka: Es gibt in Österreich kaum Aufführungsorte, wo Improvisationsmusikerinnen und -musiker bezahlt werden. Es gibt – wie gesagt – kein größeres Festival für elektronische Musik und Sound Art. Das ist nicht okay.

Alexander Kukelka: Das ist ein bisschen so wie mit der überadäquat praktizierten musealen Brauchtums-Pflege und einem eher stiefmütterlich angenommenen zeitgenössischen Repertoire in diesem Land. Da sich Österreich traditionell als Konzertland versteht, wiegt die Musikgeschichte hierzulande eben besonders schwer. Ich sage jetzt nicht: wie dunkle Gewitterwolken, aber das klassische Repertoire hängt hier schon sehr tief. Möglicherweise fühlt man sich bei uns musikalisch sehr gesättigt. Das Publikum in Wien ist ja grundsätzlich ein sehr informiertes und gutes. Die Wiener Philharmoniker z. B. spielen ja noch immer aus Originalmaterial, in denen noch Gustav Mahler oder Johann Strauß ihre Eintragungen gemacht haben. Es gibt hier also eine starke historische Verbindung. Und es braucht eben lang, neue Ästhetiken bekannt zu machen. Was übrigens historisch ja immer der Fall war. Die Komponistinnen und Komponisten haben es mit der Durchsetzung ihrer Werke nie leicht gehabt und es hat oft Jahrzehnte wenn nicht Jahrhunderte gebraucht, bis sie verstanden oder angenommen wurden.

Wichtig ist, dass das Publikum bis in die Verwertung hinein erfährt, was es an zeitgenössicher Kunst überhaupt gibt. Und auch die Veranstalterinnen und Veranstalter, die dieses dem Publikum zu Gehör bringen, von welchem es dann auch wieder nachfragt wird, etc., sind gefordert. Die Live-Darbietung ist übrigens immer noch ein halbwegs lukratives Geschäft, gemessen an dem, was man online (oft nicht) verkauft. Und die Bewusstseinsbildung beginnt immer vom Phänomen her.

Mia Zabelka: Ich denke, das großartige Wien Modern Festival musste ja auch irgendwann einmal damit beginnen, Publikum aufzubauen. Das ging ja auch über viele Jahre. Man muss so einer Entwicklung, so einem Aufbau auch Zeit geben. Außerdem glaube ich, dass das Publikum auch kein Problem hat. Denn wenn wir zum Beispiel bei Wien Modern eingebunden sind, dann kommt es auch, obwohl es mit unserer Ästhetik davor wenig zu tun gehabt habt, und sagt: „Wow. Da gibt es auch einmal etwas Anderes.“

Alexander Kukelka: Richtig. Und das ist eine Aufgabe, die man auf mehreren Ebenen erledigen muss. Noch einmal: Das zentrale Problem ist, dass für die Museumspflege der klassischen Musik sehr viel Geld in die Hand genommen und damit enorm Aufmerksamkeit generiert wird. Dadurch gerät aus dem Fokus, was denn eigentlich als gern und so vielzitiertes musikalisches „Heritage“ für Morgen gestiftet werden sollte. Da herrscht schon eine starke Dysbalance.

Am Publikum alleinig liegt es offensichtlich nicht, denn dieses ist uns generell gewogen. Dass Werke über den wichtigen Dialog mit dem Publikum Annerkennung erfahren – verkannt oder gar von der Bühne gepfiffen werden – das ist ein wichtiger Prozess, den wir unserem Werk und auch uns selbst nicht ersparen wollen. Aber diesem Prozess muss eben eine Chance gegeben werden.

Und das spielt im besten Sinne bis in die Verwertung hinein, sodass letzten Endes auch Öffentlich-Rechtliche Sender heimische Werke ins Programm nehmen müssen, die nachgefragt werden.

“Ich sehe das Problem, dass es zu wenig Publikum gibt, überhaupt nicht.”

Die Improszene ist ja eine eher kleine. Meinst du, dass Veranstalterinnen und Veranstalter vielleicht aus ökonomischen Gründen wenig in diese Richtung tun?

Mia Zabelka (c) Fylkingen Stockholm

Mia Zabelka: Wir haben jetzt zwei Festivals durchgeführt. Zuletzt phonofemme und letztes Jahr Sonic Territories. Und beide Festivals waren ausverkauft. Beim phonofemme mussten wir Leute nach Hause schicken, weil wir einfach nicht mehr Leute in die Location reinlassen durften. Ich sehe das Problem, dass es zu wenig Publikum gibt, überhaupt nicht. Ich sehe eher, dass die Veranstalterinnen und Veranstalter zu wenig Vertrauen beziehungsweise zu wenig Mut haben, sich auf etwas Neues einzulassen. Und deswegen sind wir gezwungen, alles selbst in die Hand zu nehmen. Wir müssen selbst organisieren und selbst Festivals gründen, damit diese musikalische Sprache überhaupt am Leben gehalten werden kann. Weil niemand anderer es sonst macht.

“Wenn natürlich zunehmend alles einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterworfen wird, dann ist klar, dass nur das gemacht wird, was Geld abwirft.”

Alexander Kukelka: Interessiertes Publikum gibt es in allen musikalischen Bereichen bzw. Sparten. Es ist ja unglaublich, was dieses kleine Land an Ästhetiken hergibt. Aber wenn das, was aktuell passiert, als Konkurrenz zur – durchaus berechtigten – Denkmalpflege ausgerufen wird, dann hat man in den letzten Jahrzehnten den Spieß allerdings gehörig umgedreht. Gerade in Wien war man historisch immer an Novitäten interessiert. Man wollte nicht überwiegend das Repertoire „von Gestern“, man wollte immer das bislang „Ungehörte“, das Frischeste aus der Feder von wem auch immer hören. Wenn natürlich zunehmend alles einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterworfen wird, dann ist klar, dass nur das gemacht wird, was Geld abwirft. Aber hier geht es um Identitäts- und Bewusstseinsbildung. Und da sollte man in Kauf nehmen, dass es schon ein paar Jährchen dauern kann, bis das Neue greift. Ich bin überzeugt, dass letztlich für alle Ästhetiken – von der Improvisation, Elektronik über den Jazz bis hin zur Neuen Musik – das Publikum immer einen, wenn nicht den wesentlichen Faktor darstellt, den Dialog aufrecht zu erhalten. Sonst spielt man irgendwann im stillen Kämmerlein für sich allein.

Mia Zabelka: Das Feedback, das ich von internationalen Kolleginnen und Kollegen zu hören bekomme, ist, dass es in Österreich, speziell in Wien, ein äußerst interessiertes und vor allem auch sehr gebildetes Publikum gibt. Die Leute kennen sich wirklich aus. Die können wirklich zuhören, weil sie es gelernt haben. Das ist eigentlich wunderbar. Und eine wirklich gute Ausgangsbasis auch für neue Ästhetiken.

Alexander Kukelka: An den Unis werden diese ja inzwischen auch gelehrt. Wir haben dem Thema heuer auf jeden Fall einen prominenten Platz eingeräumt. Werner Jauk wird in seinem Referat die theoretische Grundlage bieten und dann werden wir in einem breit aufgestellten Fachtalk diese ausformulieren und eingehend beleuchten. Nicht zuletzt auch mit Vertretern der mdw, vor allem um zu zeigen, wie sich das inzwischen anfühlt und wie das weitervermittelt werden muss.

Mia Zabelka: Die Frage ist schon, warum es in einem Musikland wie Österreich kein Festival für elektronische Musik gibt, wie zum Beispiel CTM in Berlin, Unsound in Krakau und Sonar in Barcelona. Das sind riesige Festivals.

Alexander Kukelka: Das ist genau die Frage, die wir uns beim Austrian Composer`s Day stellen müssen. Das Publikum wird sie vor Ort wahrscheinlich nicht beantworten können, aber es soll das fruchtbare Korn gesät werden, dass am aktuellen Zustand kräftig gerüttelt werden darf. Und es gibt enormen Bedarf: Angefangen bei den Räumlichkeiten und Auftrittsmöglichkeiten bis hin zu den entsprechenden Programmen und ertragreichen Sendeplätzen. Es ist ungemein wichtig, dass, wenn wir hier in Österreich als Staatsbürger werken und Steuern zahlen dürfen, der hochsubventionierte Kunst- und Kultur-Apparat auch der hiesigen KünstlerInnenschaft zur Verfügung steht, damit sie ihre aktuelle Lebendigkeit versprühen darf.

Mia Zabelka: Die Problematik ist auch, dass die jungen Musikerinnen und Musiker keine Infrastruktur für diese neuen Ästhetiken vorfinden. Dann ist klar, dass sie sich wieder anderen Bereichen zuwenden, denn da gibt es die großartigen Ensembles, die Möglichkeit, bei Musiktheater-Produktionen mitzuwirken, und man muss nicht überall gratis spielen. Unter solchen Umständen ist es schwierig, eine Szene von unten her aufzubauen.

Musikerinnen und Musiker dieser Szene sind oftmals gezwungen, in viele Rollen zu schlüpfen. Neben ihrem künstlerischen Schaffen müssen sie sich auch ihre Konzerte selber organisieren, sie müssen für sich auch die Marketingrolle übernehmen und, und, und. Bedeutet dieses Mehr an zu bewältigenden Herausforderungen einen Startnachteil?

Alexander Kukelka: Da justiert man heutzutage schon kräftig nach. Es hat sich in der Tat etwas verändert. Die Komponistin und der Komponist von Heute sitzen nicht mehr im Schoße einer gütigen Gestalt, die ihr, beziehungsweise sein Schaffen nährt, sondern sie sind nun selbst gefordert, sich um wirklich alles selber zu kümmern. Mir geht es als Komponist bzw. Präsident für den Verband auch nicht anders. Ich muss mich fragen, was tut Not, was ist wichtig, um die Musik an das Publikum zu bringen, und wer und was sind die wesentlichen Multiplikatoren, die mit uns an einem Strang ziehen.

“Unsere Ästhetik entsteht durch sozialen Austausch, durch soziale Interaktion.”

Mia Zabelka: Aber ich glaube, was bei unserer Ästhetik hinzukommt, ist, dass wir soziale Netzwerke bilden und deswegen auch alle selbst veranstalten und andere Musikerinnen und Musiker einladen. Das ist eine andere Arbeitsweise, als am Schreibtisch zu sitzen und Noten zu komponieren. Unsere Ästhetik entsteht durch sozialen Austausch, durch soziale Interaktion. Sowohl mit anderen Musikerinnen und Musikern als auch mit dem Publikum. Deswegen veranstalten wir auch selbst, sonst würde unsere Kunstform nicht existieren. Die entsteht und existiert im Live-Moment im Zusammenspiel und in der Interaktion mit dem Publikum. Und das ist eine andere Zugangsweise als sie das traditionelle Kompositionshandwerk hat.

Alexander Kukelka: Ich finde schon, dass die Musikuniversität oder überhaupt die Ausbildungsstätten sich sehr stark daran orientiert haben. Aber wie gesagt, es brauchte Jahrzehnte bis es ein Institut für Popularmusik an eine staatliche Ausbildungsstätte geschafft hat. Aber dieses gibt es nun – und das auf höchstem Niveau. Die Geschichte schreitet leider schneller voran als sie sich in der Ausbildung abbildet. Da wollen wir als Interessenvertretung schon unterstützend einspringen, damit das flexibel und offenporig bleibt.

Der große Zuspruch für den Austrian Composers´ Day in den letzten Jahren gibt uns recht. Auch die Neuen Ästhetiken haben ihren urheberechtlichen Anspruch und gehören dementsprechend berücksichtigt und bewertet. Ich glaube fest daran, dass, wenn man die ganze Sache in allen Bereichen umsichtig unterstützt, sich die musikalische Entwicklung auf natürlichem Wege ihre Bahnen gräbt und im Flussbett der musikalischen Geschichte eine gewisse Stabilität bis hin in die Verwertung behält.

Herzlichen Dank für das Gespräch! 

Michael Ternai

…………………………………………………………………..

AUSTRIAN COMPOSERS’ DAY 2019 – „COMPOSING TODAY – ESSENTIAL TOOLS“
19. Oktober 2019
mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Anton-von-Webern-Platz 1, 1030 Wien
Der Eintritt ist frei. Anmeldung unter office@komponistenbund.at.
Programm

…………………………………………………………………..

Links:
ÖKB – Österreichischer Komponistenbund
ÖKB – Österreichischer Komponistenbund (Facebook)