LIZKI ist das neue entstandene Alter Ego von REY LENON. Nach dem ersten Track „Press Rewind“ erschien erst kürzlich die zweite Single „Spin Me Around“ auf Seayou Records, ein Vorgeschmack auf die bald folgende Debüt-EP. Mit Ada Karlbauer sprach LIZKI nun über die Stimme als das persönlichste Instrument, den bewussten Einsatz von Brüchen, Hyperpop und Klassik, der finalen Konfrontation mit einschneidenden Ereignissen durch Sound und über die Gegenwart im Stillstand als Moment der Befreiung.
Wie kam es zu der Entscheidung nach Rey Lenon einen neuen Namen zu wählen? In welcher Art unterscheiden sich hierbei der musikalische Output, die inhaltliche Intention?
Lizki: Der Name Rey Lenon fühlte sich schon lange nicht mehr richtig an. Die letztendliche Entscheidung zur Umbenennung fiel, als letztes Jahr mit „Press Rewind“ für mich im Studio der Knoten geplatzt ist und ich endlich ganz genau wusste, wo es langfristig klanglich hingehen soll. Als mir dann noch Lizki als neuer Name einfiel, war klar, dass ich ihn ändern werde.
In einem Interview beschreibst du Lizki als „schräger und weirder. Nicht total gefällig.“ Woher kam der Wunsch nach mehr weirdness?
Lizki: Es gab keinen Wunsch nach mehr weirdness, sondern eher das Bedürfnis, den eigenen Sound radikaler und bedingungsloser durchzusetzen, ohne ihn durch Erwartungen von außen beeinflussen bzw. verfälschen zu lassen oder an diese anzuknüpfen.
Bei dem Begriff „gefällig“ denkt man ganz unfreiwillig an die vielen Spotify-Playlists und die Auswirkungen dieser auf die zeitgenössische Musikproduktion. Was sind deine Gedanken, Erfahrungen damit?
Lizki: Diese Assoziation teile ich auf jeden Fall, mir kommen da außerdem auch gleich Radiosender in den Sinn. Man will natürlich viele Menschen erreichen, gespielt werden und sich etwas aufbauen, gleichzeitig aber auch sein eigenes Ding durchziehen. Das kann schwer sein. Für mich persönlich hat sich halt immer mehr herausgestellt, dass es mir wichtiger ist, meinen eigenen Sound zu finden und zu verwirklichen. Deshalb versuche ich auch – so gut es eben geht –, mich von diesen Gedanken freizumachen.
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Wie würdest du dein musikalisches Initiationsereignis beschreiben?
Lizki: Schwierig zu sagen. Die erste „richtige“ Erinnerung habe ich daran, dass ich mit vier Jahren mit meiner Familie auf einem Konzert war und eine Frau am Klavier spielen hörte. Das ließ mich irgendwie nicht mehr los.
„I’m awake / can breathe again / nothing aches / rush of adrenaline“ lauten die ersten Zeilen des Tracks „Spin Me Around“ und öffnen damit sofort einen kurzen, aber tiefen Einblick in eine mögliche vergangene Geschichte. Was wird hier verhandelt?
Lizki: In dem Song geht es um den Moment der finalen Konfrontation mit einem einschneidenden Erlebnis, den ersten Schritt in die Richtung, wieder Kontrolle erlangen, wieder wach sein. Damit einhergehend prasselten alle möglichen Emotionen und Gedanken auf mich ein, ich fühlte mich wie in einem Rausch, alles drehte sich.
Arbeitet Lizki thematisch mit Realität als Fiktion oder umgekehrt?
Lizki: Mit Realität als Fiktion.
Gemeinsam mit „Spin Me Around“ erschien auch ein Musikvideo unter Regie von Mario Ilić und Marija Đondović. Man sieht Raumkanten in ständiger Bewegung, die Perspektive gekippt. In der Mitte ein Alter Ego, das sich am Boden windet. Wie kam es zu dieser visuellen Idee, welches Narrativ wird hier erzählt?
Lizki: Die Idee, mit der Tänzerin Miriam Lech zusammenzuarbeiten, kam, weil wir diesen Moment des Erwachens bzw. Wiedererwachens und die damit verbundene Überflutung mit allen möglichen verschiedenen Emotionen, um die es ja in dem Song geht, auch visuell darstellen wollten. Dieses Gefühlschaos und dieser Rausch sollten durch die ständigen Bewegungen, Perspektivenwechsel und Drehungen noch einmal mehr verdeutlicht werden.
„Die Stimme ist wohl das facettenreichste, persönlichste und damit für mich wohl auch interessanteste Instrument, das es gibt.“
Die Tracks verlaufen überwiegend kontrolliert, an manchen Stellen bricht die Stimme jedoch unerwartet direkt durch und erzeugt eine intime Unmittelbarkeit. Was sind deine Gedanken zur Stimme als Medium?
Lizki: Die Stimme ist wohl das facettenreichste, persönlichste und damit für mich wohl auch interessanteste Instrument, das es gibt. Niemand anders kann den Klang erzeugen, den der eigene Körper hergibt. Die schier unendlichen Möglichkeiten, die Stimme einzusetzen, finde ich faszinierend, besonders gepaart mit moderner Technik.
Der Wechsel zwischen Intimität und Konfrontation ist in deinem Sound zentral, wie wichtig sind dir musikalische Spannungsfelder?
Lizki: Für mich funktioniert Musik meistens gerade erst durch diese Spannungen, durch das Einsetzen von Kontrasten. Diese bewussten Brüche machen sie erst interessant – man wird in einem Moment weggestoßen, nur um im nächsten wieder ganz nah rangelassen zu werden.
Deine musikalische Sozialisierung – oder besser Ausbildung – fand ursprünglich im klassischen Bereich statt: Piano und Operngesang. Man hört diese immer noch durch, allerdings in einer neuen Variation. Wie stehst aktuell du zu diesem Aspekt?
Lizki: Da ich in diesem Bereich schon lange nichts mehr mache, ist es eigentlich nur noch eine entfernte Erinnerung und nichts, mit dem ich mich heute noch aktiv assoziiere. Klassische Musik wird immer eine besondere Bedeutung für mich haben und hat selbstverständlich auch bei meiner künstlerischen Entwicklung eine große Rolle gespielt. Darum ist es für mich auch natürlich, das ab und zu durchblitzen zu lassen. In den Fokus würde ich es jedoch nicht stellen.
Wie verläuft dein Schreibprozess?
Lizki: Die Songs entstehen meistens zuerst in meinem Kopf, tauchen unerwartet als Melodien auf. Es folgt der Drang, sich an ein Instrument zu setzen und das Ganze umzusetzen. Oft sitze ich auch aus einem Gefühl heraus an einem Instrument und spiele drauflos, dann kommt eine Melodie dazu und darauf folgt der Text. Sobald die Grundharmonien und der Rhythmus da sind, ist es eigentlich ein Selbstläufer. Dann nehme ich direkt eins nach dem anderen auf, suche auf meinen Synthesizern oder dem Laptop nach weiteren Sounds und entwickle die Grundidee weiter. Fertig produziert werden die Songs dann im Studio bei Mario Fartacek, wo wir uns alles noch einmal genauer gemeinsam anschauen, überarbeiten und wo auch der Feinschliff erfolgt.
Schon seit einiger Zeit ist die Popwelt in Bewegung. Ästhetiken wie Hyperpop mit Artists wie Charlie XCX, Grimes und FKA Twigs verbinden experimentelle Aspekte mit Hochglanz. Kannst du mit diesen Tendenzen etwas anfangen? Welche gegenwärtigen Artists bzw. Entwicklungen beeinflussen dich konkret?
Lizki: Ich finde diese Entwicklung extrem spannend und mit diesen drei Artists hast du eigentlich sowieso schon drei meiner momentanen Lieblingsacts genannt. Gerade höre ich in dieser Richtung sehr viel Musik. Um nur ein paar weitere zu nennen, die mich im Moment beeinflussen: SOPHIE (rip), 100gecs, Arca, Dorian Electra, Sylvan Esso, MUNA, Mitski, Christine and the Queens und Robyn.
Nach „Press Rewind“ ist „Spin Me Around“ der zweite Track deines bald erscheinenden Solo-Albums. Die beiden Tracks definieren thematisch wie auch ästhetisch bereits eine klare Richtung. Wird diese beibehalten? Was kann man erwarten?
Lizki: Die Richtung wird definitiv beibehalten, bei den weiteren Songs auf dem Album habe ich sehr viel ausprobiert und experimentiert. Es wird einige unkonventionelle Nummern geben und ich bin wahnsinnig gespannt darauf, wie das aufgenommen wird.
Wie empfindest du die Gegenwart im Stillstand aus künstlerischer Perspektive?
Lizki: Das mag vielleicht schräg klingen, aber in gewisser Hinsicht befreiend.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Ada Karlbauer
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