„Ich hab’ kein Piepsen, ich hab’ Ruhe.“ – ERNST MOLDEN im mica-Interview

„Am Abend stellte ich fest, dass es mir noch niemals in irgendeiner Ausformung von Natur so gut gefallen hatte, wie an diesem Tag an der Donau. […] Wenn man sich in den Strom verliebt, dann fließt er einem fortan durch die Seele“ schrieb ERNST MOLDEN im Zuge seines im vergangenen Jahr erschienenen Albums „schdrom“. Nach dem Soloalbum veröffentlichte MOLDEN am 28. April 2017 in Quartett-Besetzung mit WILLI RESETARITS, WALTHER SOYKA und HANNES WIRTH ein neues Werk (monkey.music). Der Titel „yeah“ lässt an die Fab Four denken, und in der Tat thematisiert die Vierer-Partie aus Wien in bewährter Weise menschliche Laster und Leidenschaften, Glücksmomente aller Art, aber auch die Lebendigkeit eines Friedhofs, die ERNST MOLDEN im Gespräch mit Julia Philomena genauer erläutert.

Der Wiener Prater ist einer der „Schauplätze“ der neuen CD. „hauptallee“ heißt einer der Songs. Was bedeutet dieser auch im Wienerlied oft besungene Ort für Sie?

Ernst Molden: Einerseits hat der Prater für mich eine sehr sakrale Bedeutung und anderseits eine ganz banale. Ab Mitte März verlege ich nämlich meinen Arbeitsplatz dorthin und fahre mit Rad, Gitarre und Aufnahmegerät in die Wildnis. Meistens an Plätze rund um das Lusthaus, an denen ich auf gewissen Bäumen meiner Arbeit nachgehe. Hauptvorteil meines Berufes ist nämlich, dass man sich aussuchen kann, wo man verweilt. Die nahen Menschen wissen, wo sie mich finden, und für die fernen bin ich stundenweise zum Glück verschollen.

Darüber hinaus war der Prater immer schon ein Lebensort. Als Kind wollte ich Zoologe werden und im Prater noch nicht entdeckte Kröten und Frösche erforschen. Erst als John Lennon erschossen wurde, habe ich diesen Plan verworfen und über Nacht beschlossen, Musiker zu werden. Ich habe mir gedacht, die Beatles sind so leiwand, die brauchen jetzt einen vierten [lacht]. Seitdem habe ich im Prater nicht mehr nach außergewöhnlichen Tierarten gesucht, sondern Melodien und Ideen gefangen. Vor Kurzem habe ich beispielsweise eine ganze Schwadron älterer Damen beim Nordic-Walking beobachtet. Zu dem gewohnten Wiener Tratsch-Geräuschen ist der Beat ihrer Gehstöcke hinzugekommen – in Summe ein Sound, der mir sofort im Kopf geblieben ist. Es ist dieselbe lauernde Haltung geblieben wie in der Kindheit. Und immer noch kann ich meine Entdeckungen mit nach Hause nehmen.

Obwohl Ihr  Lieder im Wienerischen verankert sind, wurde das neue Album „yeah“ in Triest aufgenommen. Auch das Cover von Lukas Beck zeigt das Quartett am Hafen von Triest. Wie kam es dazu?

Ernst Molden: Das ist ein Motiv-Gemisch. Die Lieder sind zum einen aufgrund der Sprache natürlich immer wienorientiert. Aber thematisch ist die Platte nicht unbedingt in Österreich zu Hause. Die Inspiration für „de haschisch hendln“ zum Beispiel stammt aus Kreta. Dort gibt es einen wunderschönen abgelegenen Strand. Um dort hinzukommen, muss man aber einen von Gelsen durchflogenen Schilfwald durchqueren. Dabei kommt man an einem Haus vorbei, in dem die Underdogs der griechischen Tourismusgesellschaft anzutreffen sind, Albaner und Mazedonier, die von ihren Arbeitgebern eine Unterkunft zur Verfügung bekommen haben. Seit letztem Jahr haben sich die Hausbewohner Hendln zugelegt, und zwar ziemlich arge Hendln: Du gehst in diesem Schilfwald auf Brettern über den Sumpf und plötzlich kreuzen 20 kleine, schwarze, wahnsinnig narrische Hendln deinen Weg, die voodooartig an dir vorbeirauschen und eigentlich nur eingeraucht sein können.

Jeder meiner Inputs stammt also nicht aus der Heimat. Ich wollte in Triest aufnehmen, weil ich die Stadt seit 30 Jahren gernhabe. Dazu kommt, dass es vor drei Jahren eine Familiendiskussion darüber gab, wo wir den Heiligen Abend verbringen sollen. Meine Liebste und ich waren so genervt, dass wir kurzer Hand beschlossen haben, ins Ausland zu fahren und ein Haus zu mieten, das groß genug für Besucherinnen und Besucher ist. Meine Frau hat im Internet eine riesige klassizistische Villa aus den 1830er-Jahren gefunden, an einer sehr steilen Hügelkante gelegen mit einem verzauberten Skulpturengarten, so speziell und schön, dass dann natürlich alle runtergekommen sind.

An einem Nachmittag, an dem die ganze Familie Mittagsschlaf gehalten hat und nur ich wach gewesen bin, ist die Triest-Nummer entstanden. Knapp vor Silvester ist mir aufgefallen, wie gut die Akustik in dem Salon, in dem ich dort gespielt habe, war. Sehr erhaben. Mir ist eingefallen, dass die Stones ja auch einmal in einer Villa aufgenommen haben, warum also nicht auch wir [lacht]? Ich habe unseren Tontechniker Thomas Pronai gefragt, ob das möglich wäre, und er meinte: „Ja, schwierig könnte nur der Mischprozess werden.“ Er wollte daher gleich auf Stereotape aufnehmen. Normalerweise nehmen wir ja auch ohne Computer und nur auf achtspurigem Band auf, um im Nachhinein noch ganz kleine Korrekturen vornehmen zu können. Mit der direkten Stereotape-Aufnahme kann man allerdings in der Postproduktion gar nichts mehr korrigieren. Du bestimmst die Mischung, das Gleichgewicht, die Einstellung der Mikros vor Ort. So wie es in dem Raum zum Zeitpunkt der Aufnahme klingt, hört es sich dann auch auf Platte an. Mit leichtem Grammeln – das macht mich glücklich!

Die Kollegen haben bei dieser Idee die Köpfe gewiegt, der Willi hat gemeint, dass das schon sehr mutig ist, und ich habe gesagt: „Ja, aber willst feig sein [lacht]? Also haben wir’s gemacht. War dann eigentlich eh wie bei den Stones. Halt nur fünf Tage anstelle von fünf Monaten und weder Huren noch Heroin. Aber sonst sehr ähnlich.

Wie kann man sich den Aufnahmeprozess in diesen Februartagen in Triest konkret vorstellen?

Ernst Molden: Zu Beginn sehr mönchisch. Wir waren nur Männer. Bis nach ein paar Tagen Martina Rittmannsberger für zwei Geigensoli vorbeigekommen ist und später eine Falter-Journalistin, die uns begleitet hat. Da wurde die Stimmung dann etwas offener. Aber wir haben so intensiv und dicht gearbeitet, dass wir nach dem letzten Ton ins Bett gefallen sind. Viel Exzess gab es bei uns wirklich nicht. Triest ist für mich eine Single, die du auf 33 abspielst. Eine gute Atmosphäre für Arbeit, ähnlich impulsgebend wie ein Fellini-Film.

Interessant war außerdem unsere kulinarische Erfahrung. Wir haben uns eine Hausköchin bestellt, um so wenig Zeit wie möglich zu verlieren. Wir haben gefrühstückt, die erste Session von circa 11:00 bis 17:00 Uhr abgehalten, bis uns die besagte Köchin das gute Abendessen gebracht hat, und danach sofort weitergearbeitet. Diese Köchin haben wir über unsere Hausverwalter vermittelt bekommen, die ziemlich lustig gewesen sind. Eine Gruppe von Kunststudenten, von denen einer das Haus von seiner alten Tante geerbt hatte. Das ist eine sehr freundliche, ziemlich entspannte, eingerauchte Truppe. Wenn es ein Problem gegeben hat, ist einer von ihnen mit roten Augen vorbeigekommen und hat wieder alles auf die Beine gestellt. Wirklich sehr liebe Leute, die eben auch ihre Freundin Giulia aktiviert haben, für uns zu kochen. Die Giulia ist eigentlich Konzept- und Performance-Künstlerin und lebt auf einem Hausboot am Hafen. Sie hat uns gleich zu Beginn missverstanden. Wir haben gesagt, dass wir prinzipiell alles essen, dass aber einer Vegetarier ist, der auch Fisch isst. Sie hat verstanden, dass wir alle Vegetarier sind und nur einer manchmal auch Fisch isst. Also gab es jeden Tag Suppenteller angehäuft mit Reis und brauner Soße oder Nudeln mit brauner Soße oder andere Teigwaren mit brauner Soße. Die Teller hat Giulia gleich für eine Fotoserie genützt und auf roter Folie platziert, bevor sie uns ihre Köstlichkeiten dann zum Verzehr serviert hat. Das Essen war zwar relativ geschmacksarm, aber bekömmlich. Am letzten Tag ist sie nicht mehr da gewesen und wir haben uns in der Pizzeria ums Eck alle sofort den Magen verdorben.

“Für mich hat der Willi die schönste Stimme des Landes.”

Die zwölf Lieder des neuen Albums stammen alle aus Ihrer Feder, trotzdem ist es keine neue Molden-CD, sondern eine des Quartetts Molden & Resetarits & Soyka & Wirth. Haben sie manche Lieder wie das vom „Großen Herrn Ober“ von vornherein für Willi Resetarits geschrieben?

Ernst Molden: Ja, es gibt eine Minderheit an Liedern, bei denen ich schon beim Schreiben an den Willi denke. Bei der Platte habe ich schon beim Verfassen der Nummern „es eweche lem“ und „da grosse hea oba“ konkret an ihn gedacht. Für mich hat der Willi die schönste Stimme des Landes. Ich würde mich deswegen nicht trauen, solche Nummern für mich selbst zu schreiben, die sind mir zu groß. Schaffen würde ich es schon, aber nicht jeder kann der alte Johnny Cash sein. Das Schöne ist, dass ich mir beim Schreiben dann alles erlauben kann. Ich kann tonal vom Keller bis zum Dachboden spazieren, die Figur darf ein Superheld sein, denn der Willi ist ein Superheld.

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Und wer ist mit „Der große schwarze Onkel“ gemeint?

Ernst Molden: Der Teufel! Der Song gehört zu den eher philosophischen, in denen ich mir die Frage gestellt habe, an welchem Punkt der Mensch einen Pakt mit dem Teufel eingeht. Der große Herr Ober ist bei mir in dem Fall der Gegenspieler, nämlich Gott. Und der Ober ist halt wirklich Gott, das wissen alle Wiener Kaffeehausbesucherinnen und -besucher. Der Ober spielt ihn nicht, er ist es. Und zwar kein guter, gütiger Gott, sondern eine rachesüchtiger, böser. Während mein Teufel ein ganz netter Typ ist, der in seiner chaotischen Hölle das Valium nicht finden kann.

Der Albumtitel „yeah“ ist wohl als Referenz an die Beatles zu verstehen?

Ernst Molden: „Yeah“ kommt ja aus dem Amerikanischen der 1930er-Jahre. Es ist natürlich von den Beatles belegt, aber eigentlich schon zu einem omnipräsenten Ausruf geworden, der sich in jeder Sprache verankert hat. So wie „Happy Birthday“. Wenn wir vor dem Konzert hinter der Bühne sitzen und auf den Soundcheck warten, weil die Techniker noch nicht fertig sind, gibt es immer mindestens einen, der dann aufsteht und „Yeah“ ruft, wenn es endlich so weit ist.

Geschrieben habe ich die Nummer aber gar nicht im gedanklichen Kontext des Quartetts, sondern mit meiner neuen Formation, dem Frauenorchester. Nach einem unserer ersten Gigs letzten Sommer sind wir mit dem Zug zurück nach Wien gefahren. Alle sind sofort eingeschlafen, weil wir eine durchzechte Nacht hinter uns hatten. Irgendwann bin ich – umgeben von drei friedlich schlafenden Frauen – aufgewacht. Das war eine so schöne Stimmung, in der mir zusätzlich bewusst geworden ist, dass das gerade mein letzter Gig vor dem Familienurlaub war. Da habe ich „Yeah“ gedacht und in der kurzen Wachphase von 20 Minuten die Nummer geschrieben. In Purkersdorf, kurz vor Wien, bereits nicht mehr im Bewusstsein, überhaupt wach gewesen zu sein, öffneten wir kollektiv die Augen und ich sah auf meinem Schoß einen Zettel mit der „Yeah“-Nummer. Da dachte ich mir wieder: „Yeah, ein neuer Song [lacht]!“

Sie haben Ihre Karriere mit hochdeutschen Texten begonnen, aber der große Erfolg kam mit dem Dialekt. Warum funktioniert Ihre Musik mit Dialekt-Texten besser? Kann man beim Singen in Mundart mehr von sich preisgeben?

Ernst Molden: Obwohl ich aus einer altösterreichischen großbürgerlichen Familie stamme, gab es immer schon proletarische Störfaktoren in meiner Biografie. Meine Oma mütterlicherseits kam aus Dornbach und wurde durch die Tochter in den schnitzlerischen Haushalt eingeheiratet. Sie hat es sich in der Emotion aber nie nehmen lassen, auf Wienerisch mit ihren Kindern zu reden. Einige ihrer Aussprüche habe ich im Lied „bad language“ verewigt. Gehört wurden zu Hause auch viel Qualtinger und Kreisler und außerdem bin ich in eine vom Karl-Marx-Hof dominierte Volksschule gegangen, in der man vor den wilden Buben nicht gerade mit schönem Deutsch punkten konnte. Da hat man sich sprachlich besser assimiliert.

Zum anderen habe ich mich als junger Multi-Tasking-Poet verstanden, der auch Songs schreibt. Der klassische Austro-Pop war Mitte der 1990er-Jahre – milde gesagt – in seiner bronzenen Phase angekommen und was Danzer, Ambros und Fendrich gemacht haben, hat mich nicht angesprochen. Hingegen der hellersche Ansatz, die Chanson-Referenz hat mir gut gefallen. Ich habe deswegen selbst mit einer klaren Sprache begonnen und bin dann aber wie ein verkommener Bub aus dem 19. Bezirk, der ich ja bin, immer schlampiger geworden. Als dann die Begegnung mit dem Willi kam und er mich damals gebeten hat, ein Lied für ihn zu schreiben, meinte er, es sei ihm völlig gleich, ob Dialekt oder nicht, Hauptsache schön. So ist unsere Zusammenarbeit entstanden. Mit der „hammerschmidtgassen“ kam auch der sprachliche Übergang.

“Niemand ist zu 100 Prozent authentisch, schon gar nicht auf der Bühne.”

Bild (c) Lukas Beck

Wie tief lassen Sie die Hörerinnen und Hörer in Ihre eigene Seele blicken?

Ernst Molden: Mir ist die Sprache sehr nahe, aber trotzdem erschaffe ich manchmal Figuren, die mir völlig fremd sind, die sich aber beispielsweise gut für meine Singspiele im Wiener Rabenhof eignen. Wir arbeiten momentan gerade am dritten Stück.

Ich verstehe nicht, wenn Künstlerinnen und Künstler dafür gelobt werden, authentisch zu sein. Niemand ist zu 100 Prozent authentisch, schon gar nicht auf der Bühne. Vielleicht schlüpfst du in eine zweite Haut, die deine ist, aber es ist trotzdem die Stage-Haut. Man darf nicht vergessen, dass sich die Geister aus dem Publikum wieder aus einem zurückziehen, sich nach einem Konzert wieder die Türen schließen und alles vorbei ist. Wenn man die Grenzen auflöst, stirbt man.

Dennoch sehr nahe sind mir auf dem Album „st. marx“ und generell meine Love Songs, weil jeder immer meiner Liebsten gewidmet ist. Als ich die Veronika kennengelernt habe, war ich noch sehr manieriert. Ich war viel unterwegs und sehr kalkuliert. Ich habe im Stundenhotel „Orient“ gewohnt, und auch alles andere um mich herum inszeniert. Ich habe verstanden, dass die Frau nicht auf mich steht, weil ich so bin, sondern obwohl ich so bin. Die sieht noch etwas anderes.

Gäbe es keine Musik, wenn es Ihre Frau nicht gäbe?

Ernst Molden: Ganz bestimmt nicht. Beziehungsweise wäre es eine andere geworden. Bevor die Liebste meinen Weg gekreuzt hat, war ich auf keinem guten unterwegs. Ich war ein Dichter ohne Werk. In der Entspanntheit der 90er-Jahre haben wir uns kennengelernt, waren sehr verliebt und sind dann nach der Hochzeit und nach dem ersten Kind ins absolute Prekariat gestürzt. Wir haben wenig Geld gebraucht, haben aber mit der Verantwortung, Eltern zu sein, die man keinem Kinderlosen erklären kann, einen so großen finanziellen Druck verspürt, nicht eingehen zu dürfen, dass wir erst recht eingegangen sind. Das waren schwere Jahre, in dem sich das Familiendasein wie das Leben auf einer bedrohten Insel angefühlt hat. In der Zeit sind meine Texte existenzieller geworden, unkaschierter und fast banal. Aber es ging in die Tiefe, die erstmals meiner Seele entsprochen hat.

„Wir könnten schmusen oder spazieren gehen, weil in Sankt Marx riecht heut so gut der Flieder“, singen Sie auf „st. marx“. Welche Bedeutung hat der Friedhof? 

Ernst Molden: Der gefühlte Frieden ist größer als der präsente Lärm der Stadt. Ich bin schon als Kind gerne nach Sankt Marx gefahren. Abgesehen davon, dass es schön grün ist, liest man dort auf den Grabsteinen absurdere Namen als in jedem Raimund-Stück. Das fand ich schon immer skurril. Ich habe gerne beobachtet, wie die Großeltern hektisch mit der Gießkanne hin- und hergelaufen sind, sich auf ein Bankerl gesetzt haben und mit der Zeit zur Ruhe gekommen sind und nachgedacht haben.

Patti Smith ist seit zwanzig Jahren auch großer Sankt-Marx-Fan. Nach dem Soundcheck lässt sie sich seit ihrem ersten Konzert in Wien jedes Mal von einem Bühnenarbeiter zum Friedhof chauffieren, wirft sich mit ihren verwirrten Haaren auf ein Grab, spricht mit einem Toten und spielt dann ihren Gig.

Beim Anblick von Tausenden Toten wird die Endlichkeit so deutlich, dass du gar nicht anders kannst, als das Leben zu schätzen. Dann kommt zu der Stimmung noch der blühende Flieder dazu, der dem Ganzen die Lebendigkeit schenkt. Obwohl meine Liebste allergisch darauf reagiert, setzten wir uns einmal im Jahr Händchen haltend vor den Flieder auf ein Bankerl und genießen.

“Im Alltag am Wasser zu sitzen und Vogerln zu hören, macht mich glücklich.”

Sie leisten sich – zumindest stundenweise – den Luxus der Unerreichbarkeit, denn sie haben kein Handy.

Ernst Molden: Meine Handylosigkeit ist eigentlich nicht sehr konzeptuell entstanden. Die ersten Jahre habe ich es einfach verpasst, mir eines zu kaufen. Irgendwann hatten dann alle eines, nur ich nicht. Den Impuls, mir jetzt auch eines zuzulegen, habe ich relativ schnell eingetauscht gegen den Gedanken, was für eine Gnade es ist, keines zu haben. Was für eine Gnade, dass niemand weiß, wo ich bin. Ich hab kein Piepsen, ich hab Ruhe.

Wie wird man glücklich?

Ernst Molden: Man macht Erfahrungen, sein Leben lang, in denen man Glücksmomente sammelt wie Medizin, von der man weiß, dass sie wirkt. Im Alltag am Wasser zu sitzen und Vogerln zu hören, macht mich glücklich. Wenn ich lange Pressetermine überstehen muss, fahre ich danach mit dem Radl zu meinem Magnolienbaum. Zu Hause koche ich dann zufrieden Cevapcici für meine Kinder und erfreue mich an meinem Dasein. Manche Leute brauchen Kokain, das ist teuer. Mein Glück ist kostenlos. Es braucht zwar Zeit und Eigenständigkeit, aber ohne all das würde ich schon lange nicht mehr schreiben.

Wie gerade bekannt gegeben wurde, wird Ihnen in diesem Jahr der AMADEUS Austrian Music Awards verliehen. Wie wichtig ist Ihnen diese Auszeichnung?

Ernst Molden: Ich war schon sechsmal nominiert und war nie enttäuscht, die Trophäe nicht bekommen zu haben, weil es mir in erster Linie wichtig ist, dass die Leute zu den Konzerten kommen. Der AMADEUS ist für die Musikwirtschaft sehr wichtig, aber um ehrlich zu sein, mein Leben wird er nicht mehr verändern. Ich freue mich sehr über Anerkennung von Kritikerinnen und Kritikern, Kolleginnen und Kollegen und anderen Fachleuten, aber der sportliche Charakter irritiert. Ein Preis ist ein Preis. Bob Dylan hat 50 Jahre lang die Welt verändert und bekam jetzt den Nobelpreis. Es sollte wie das Blümchen zum Muttertag sein: Es hat nichts mit dem Leben zu tun, aber es ist sehr lieb, danke schön.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Julia Philomena

Konzerttermine:

  1. April 2017 – Johann-Pölz-Halle, Amstetten
  2. April 2017 – Kongresshaus Toscana Congress, Gmunden
  3. April 2017 – Stadtsaal, Wien
  4. April 2017 – Stadtsaal, Wien
  5. Mai 2017 – ARGEkultur Salzburg
  6. Mai 2017 – ARGEkultur Salzburg
  7. Mai 2017 – Posthof, Linz

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