„Erfolgreiches bewahren und Neues wagen“ – Jürgen Vonbank (Künstlerischer Leiter Jazzit) im mica-Interview

JÜRGEN VONBANK ist in der Salzburger Musikszene beileibe kein Unbekannter. Das Spektrum seiner bisherigen Aktivitäten reicht vom Label (Freakadelle) über Clubreihen (Klubkulturklub vierundvierzig) bis hin zum (leider nicht mehr existierenden) Schallplattenladen (Minerva). Seit Sommer ist der selber auch als DJ und Electronic-Musiker Aktive nun auch der Nachfolger des langjährigen Jazzit-Urgesteins ANDREAS NEYMAYR. Für mica hat Didi Neidhart ein Interview mit JÜRGEN VONBANK geführt, wobei es u.a. auch um seine neue Platte „The Blue Soul“ („Night Defined“) geht.

Vor deinem neuen Job als Künstlerischer Leiter im Jazzit kannte man dich in Salzburg vor allem durch den, leider nicht mehr existenten, Schallplattenladen Minerva Records, aber auch durch deine Aktivitäten rund um den Heizkeller, das Label Freakadelle sowie Klubkulturklub vierundvierzig und die Salzburger Club Commission. Das sind alles Sachen, die mehr oder weniger im Bereich elektronischer (Club-)Kultur angesiedelt sind. Wie kommt man da eigentlich auf die Idee, sich für das Jazzit zu bewerben?

Jürgen Vonbank: Für Jazz habe ich mich eigentlich immer schon interessiert. Ursprünglich habe ich auch mal Trompete gelernt. Unsere Plattenladen Minerva Records war ja auch genre-technisch sehr breit aufgestellt und die Jazz-Abteilung hat sich über die sechs Jahre stetig weiterentwickelt. In dieser Zeit habe ich mich dann auch wieder intensiver mit dieser Musikrichtung auseinandergesetzt und die neuen spannenden Strömungen im Jazz mit Interesse verfolgt.

Auch habe ich dann bemerkt, dass es dafür gerade bei jüngeren Menschen wieder ein Publikum gibt. Das hat mich auch motiviert, die neue Herausforderung anzunehmen und in diesen Bereich zu gehen. Darüber hinaus war das Jazzit aber immer ein Ort, an dem eine Vielzahl an Musikstilen ihren Eingang gefunden haben. Außerdem bin ich im Haus auch mit der kaufmännischen Geschäftsführung betraut – hier bin ich froh um die Erfahrung aus der Selbständigkeit und vom vielen Veranstalten.

Schließlich ist das Jazzit einer der wenigen authentischen Orte für mich in der Stadt und ich fühle mich hier sehr wohl. Mich beruflich mit Musik auseinandersetzen zu dürfen, sehe ich als Privileg.

„Heute finden über Genres wie Hip Hop wieder junge Menschen zum Jazz“

Auch wenn es bei afro-amerikanischen Techno-Kollektiven wie z.B. Underground Resistance aus Detroit schon immer starke Connections zum Jazz gab (vgl. etwas „Hi Tech Jazz“), so mag sich für viele doch die Frage stellen, was hat Elektronische (also vorab errechnete und Programmierte) Musik oder Club-Culture mit Jazz, also primär live improvisierter Musik zu tun. Wie siehst du das? Oder werden solche Unterschiede mittlerweile auch nicht mehr so streng gesehen?

Jürgen Vonbank: Es gibt nach wie vor konservative Strömungen im Jazz, die dem kritisch oder gar ablehnend gegenüberstehen. Mir kommt aber vor, das ist eher die Minderheit und für mich ohnehin wenig relevant.

Wer sich diese Grenzen setzt, kann nicht wirklich an einer progressiven Weiterentwicklung des Genres interessiert sein.

Und wenn man sich die Geschichte genauer ansieht, gab es die Verbindung beider Welten eigentlich seit jeher. Die US-Avantgarde der 1950er war stark vom Jazz beeinflusst und umgekehrt beeinflussten Leute wie John Cage auch die Jazz-Musiker:innen der kommenden Generationen. Sun Ra hat vermutlich bereits Ende der 1960er Jahre einen Prototypen des Mini Moog verwendet und spätestens im Fusion Jazz, war es dann Gang und Gäbe Synthesizer zu integrieren.

Acid Jazz setzte bewusst programmierte Patterns ein oder imitierte diese und das Sampling in Downbeat, Elektronik und House hat dieses Verhältnis dann sowieso komplett wieder über den Haufen geworfen. Heute finden über Genres wie Hip Hop wieder junge Menschen zum Jazz und das sollte man als Chance sehen!

Wobei das Jazzit in den letzten Jahren ja schon auch ein Sammelbecken für lokale Electronic-Acts, DJs und DJ-Crews geworden ist, auch weil es in der Stadt an diesbezüglichen (und leistbaren) Locations fehlt. Werden diese Club-Schienen nun weiter ausgebaut, oder geht es dir eher um eine gewisse Balance?

Jürgen Vonbank: Es geht ganz klar um die Balance und es steht außer Frage, dass der Fokus des Hauses weiterhin auf Jazz und improvisierter Musik bleiben wird. Das ist auch im Sinne jener Menschen, die sich diesen Ort erkämpft und aufgebaut haben. Natürlich werde ich versuchen, darüber hinaus auch meine Erfahrung aus der Clubkultur einfließen zu lassen.

Ist es eigentlich schwer die Jazz-Leute und die Club-Leute in dem Sinn zusammenzubringen, dass sie sich gegenseitig das jeweils andere auch anschauen und anhören?

Jürgen Vonbank: Ja, das ist tatsächlich die Herausforderung, aber gleichzeitig einfach eine große Chance. Ich bin mir sicher, dass es sehr oft nur der erste Schritt ist, der gemacht gehört. Es gibt auch viele Menschen, die Zuhause gerne Jazz hören, aber nicht zwangsläufig dann ins Konzert gehen.

Viele junge Leute, die z.B. gerne Hip Hop hören, mögen auch den modernen Jazz. Dass sie dann aber auch Tickets kaufen und ins Konzert kommen, bedarf guter Kommunikation und eines leistbaren Angebots. Gleichzeitig wollen wir mit lokal ansässigen und etablierten Kollektiven aus verschiedenen Genres zusammenarbeiten, um diesen Berührungsängsten auch entgegen zu wirken.

Bild Jazzit Saal
Jazzit Saal (c) Markus Lackinger

„Wir leiden nach wie vor unter dem Umstand, dass es keinen vollwertigen Jazz-Studiengang in Salzburg gibt.“

Die Fußstapfen die des bisherigen Jazzit-Gründers Andreas Neumayer sind ja nicht gerade klein. Andererseits stehen solche Wechsel, auch wenn sie als quasi Generationenwechsel angesehen werden können, immer auch die Potentiale Neues auszuprobieren bzw. Altes nachzujustieren. Was sind deine Pläne für die nähere Zukunft des Jazzit?

Jürgen Vonbank: Erfolgreiches bewahren und Neues wagen, trifft es sicher ganz gut. Wir wollen die Brücke zu den angesprochenen Communities und Subkulturen mit einem modernen Booking, einer entsprechenden Kommunikation und mit der Einbeziehung lokaler Player schlagen.

Gleichzeitig wollen wir Diversität ausbauen und vor allem wesentlich mehr Frauen auf der Bühne sehen. Es gibt sehr viele Projekte und Ideen, auch zum Beispiel im Bereich des Wissenstransfers durch mehr Workshop-Angebote.

Das Auftreten und die Kommunikation nach außen wollen wir die nächsten Jahre auf neue Beine stellen. Darüber hinaus wollen wir uns finanziell noch besser aufstellen, da all diese Projekte auch einen erhöhten Personal- und Investitionsbedarf bedeuten.

Das Jazzit hat sich (ähnlich dem Rockhouse) immer auch als Katalysator und Impulsgeber für die lokale Szene verstanden. Welche Aspekte wären aus deiner Sicht nötig, damit das unter aktuellen Bedingungen so bleibt bzw. sich noch verbessert und ausweitet?

Jürgen Vonbank: Alleine mit den Dienstags-Sessions wurde hier sicher eine wesentliche Plattform geschaffen, die noch dazu konstant sehr gut besucht ist. Das Jazzit kann darüber hinaus sicher eine noch zentralere Rolle spielen, wenn es um die Zurverfügungstellung von Ressourcen und der Vermittlung von Expertise geht.

Das betrifft unsere Arbeit als Label, aber wie angesprochen beispielsweise auch das Angebot von Workshops und Masterclasses. Für all dies benötigen wir die entsprechende Finanzierung und dies zumindest zu Teilen aus öffentlicher Hand.

Mittel- und langfristig hoffen wir auch auf verbesserte Rahmenbedingungen. Wir leiden nach wie vor unter dem Umstand, dass es keinen vollwertigen Jazz-Studiengang in Salzburg gibt und viele unserer Talente in andere Städte abwandern. Hier gibt es bereits positive Signale – würde ein solche Studiengang kommen, wäre dies tatsächlich eine ganz andere Ausgangssituation.

Wie schaut es aktuell eigentlich finanziell mit dem Jazzit aus? Angeblich gibt es mittlerweile fast keine privaten Zuwendungen mehr. 

Jürgen Vonbank: Ja, das ist korrekt. Unser Budget finanziert sich zum Großteil aus Förderungen und Eintrittserlösen. Die Teuerung schlägt aktuell gnadenlos zu, was unser Budget massiv belastet. Im Vergleich zu anderen geförderten Kulturinstitutionen in der Stadt gibt es beim Jazzit sicher noch Luft nach oben, was die Subventionen betrifft. Da hoffen wir auf Anpassungen in den nächsten Jahren, schließlich haben wir auch erhöhten Personalbedarf.

Du bist neben dem Jazzit ja auch noch u.a. bei der Salzburger Club Commission tätig und selber auch Electronic-Act. Wie kriegst du das alles eigentlich unter einen Hut?

Jürgen Vonbank: Seit dem Antritt im Jazzit habe ich die anderen Tätigkeiten schon drastisch reduziert, denn der neue Beruf hat erstmal Priorität. Die Club Commission liegt mir am Herzen, weil wir schon einiges bewegen konnten in kurzer Zeit und natürlich auch Kulturstätten wie das Jazzit von dieser Arbeit profitieren. Aber auch hier freue ich mich, wenn eine neue Generation nachrückt, an die man die Agenden übergeben kann.

„Es geht darum die Rahmenbedingungen gerade für jüngere Veranstalter:innen zu verbessern.“

Stichwort Salzburger Club Commission (SCC). Ihr habt mit eurem Projekt “Awareness Days” gerade den 3. Platz beim Bank Austria-Sozialpreis bekommen. Wie wichtig und notwendig sind solche „Awareness“-Schulungen generell für das Nightlife?

Jürgen Vonbank: Ich empfinde es schon als essentiell. Auch wenn man glaubt, in kritischen Situation intuitiv richtig zu handeln, ist dem oft nicht so. Und das lässt sich in einer Runde mit Expert:innen gut erkennen. Es ist sehr sinnvoll den Multiplikator:innen im Nachtleben ein gewisses Set and Handlungsoptionen mitzugeben.

Ein anderes Anliegen der SCC ist die Senkung bzw. Streichung der Vergnügungssteuer. Worum geht es hier genau und wie beurteilst du die Erfolgschancen?

Jürgen Vonbank: Salzburg ist eine der letzten Städte, in der es diese Abgabe noch gibt, die bei Veranstaltungen mit Eintritt, die nicht gemeinnützig sind oder anderweitig ausgenommen sind, anfällt. Ein Anachronismus und eine unnötige steuerliche Mehrfachbelastung für Veranstalter:innen. Es geht darum, die Rahmenbedingungen gerade für jüngere Veranstalter:innen zu verbessern, damit das finanzielle Risiko zu veranstalten sinkt.

Wir sammeln aktuell gerade Unterschriften mittels einer Petition. Ich glaube, die Erfolgschance sind gut, da das Thema aktuell wieder in den Medien präsent ist und vor allem weil sich nun alle Parteien außer der ÖVP klar zur Abschaffung bekannt haben. Das war nicht immer so und lässt für die Zeit nach der Gemeinderatswahl nächstes Jahr hoffen.

Cover The Blue Soul
Cover “The Blue Soul”

Weil dies wohl nicht genug ist, hast du gerade mit „The Blue Soul“ auf dem eigenen Night Defined-Label dein zweites Album veröffentlicht. Im deutschen Groove-Magazin bist du damit gleich bei den Empfehlungen für September gelandet. Bezeichnet werden deine Tracks dabei u.a. als „Spätnachtmusik und Blues-Update“. Würdest du das auch so sehen?

Jürgen Vonbank: Wenn damit eine gewisse Melancholie gemeint ist, kann ich dem schon zustimmen.

Eine gewisse Wehmut und Melancholie ist fast allen Tracks zu eigen. Zwar gibt es hin und wieder ein paar uplifting House-Beats, aber generell ist das dann doch eher im doppelten Sinn quasi Musik „nach der Party“. Gibt es in Post-Corona-Zeiten keine Club-Euphorie mehr, oder stellt sich die nur anders da?

Jürgen Vonbank: Doch, die gibt es definitiv. Wenn, dann sind meine Tracks ja eher die Antithese zur aktuellen Clubmusik, die ja vor allem schnell und hart und oft leider auch relativ substanzlos ist. An aktuellen Entwicklungen orientiere ich mich da aber nicht wirklich. Die Tracks sind auch über mehrere Jahre entstanden und haben dann zusammengefunden.

Zum Abschluss noch: Deine Jazzit-Tipps und Highlights für den Rest des Jahres.

Jürgen Vonbank: Ich freue mich sehr auf das Ensemble El Infierno Musical um Christof Kurzmann und Ken Vandermark am 09.11. Mit Bill Frisell kommt wohl einer der wichtigsten Gitarristen unserer Zeit am 17.11. ins Jazzit. Aber auch das tolle atmosphärische Quartett Alpha Trianguli rund um Alois Eberl wird unser Konzertjahr sicher gebührend abschließen.

Danke für das Interview.

Didi Neidhart

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