Eisler-Ausstellung und Symposion. Oder: Machen wir Hanns Eisler endlich zu dem was er ist, ein wichtiger Komponist aus Wien.

In der gestern eröffneten, sehenswerten  Ausstellung im Jüdischen Museum in Wien soll Eislers besonderes Verhältnis und seine lebenslange Liebe und Bindung zu Wien im Spannungsfeld der europäischen Zeitgeschichte beleuchtet werden. Kommendes Wochenende (Fr., 27./ Sa., 28.2.) gibt es im Mozarthaus Vienna in der Domgasse, jeweils um 10.00 und 15.00 Uhr, das Internationale Symposion “Hanns Eisler – Homo politicus.” Eisler war “Kommunist und Komponist”. Und Schüler Schönbergs, von diesem auch immer als solcher anerkannt. Das bewirkte vielleicht auch, dass er, 1948 nach Wien zurückgekommen, hier bis heute nicht sehr angenommen wurde.

Hanns Eisler (1898-1962) ist ein wichtiger Komponist des 20. Jahrhunderts: viele seiner Lieder sind  so schön wie von Schubert. Obwohl er auch in Berlin, dann im Exil in den USA, aber immer wieder in Wien wirkte, ist er zuallererst ein zutiefst österreichischer Komponist, mit enormer Bildung, mit der er etwa Brecht, seinem Weggenossen, immer wieder auch widersprach und für ihn Bücher las, die dem “zu fad und lang” waren.

Die Internationale Hanns Eisler Gesellschaft führt dieses Wochenende in Wien EislerTage und die jährliche Mitgliederversammlung durch, beim Symposion (Hanns Eisler – Homo politicus), veranstalten neben dem Jüdischen Museum auch die Internationale Schönberg-Gesellschaft mit. Im Vorstand der Eisler-Gesellschaft, die auch von der Steffi-Eisler-Stiftung (beide mit Sitz in Berlin) unterstützt wird, ist  u. a. Albecht Dümling tätig, im Präsidium (dessen Mitglieder auch ab und zu für die Vierteljahreszeitschrift “Eisler-Mitteilungen” schreiben) sind: Daniel Barenboim, Friedrich Cerha, Dietrich-Fischer-Dieskau, Nicolaus A. Huber, Luca Lombardi, Gisela May, Barbara Schönberg-Zeisl, Margarete von Trotta u. a.

Ernst P. Strobl (SN) schrieb heute in seiner Besprechung der Eisler-Ausstellung im Jüdischen Museum folgendes: “Ob Hanns Eisler sympathisch war?  Eher nicht.” Nun, die oben genannten Mitglieder im  “Präsidium” (und verstorbene Sohn aus erster Ehe, Georg Eisler, von dem Bilder in der Ausstellung gezeigt werden) könnten diesen Satz wahrscheinlich nicht unbedingt unterschreiben.

Hanns Eisler war in der DDR der Komponist der bisher schönsten Nationalhymne auf deutschem Boden. Ihre Melodie (“Auferstanden aus Ruinen .”) weist übrigens einwandfrei auch eine Verwandtschaft zu Mozart auf:  : “Der Beginn der Nationalhymne der DDR [eine der schönsten ihrer Art!, hr] stimmt diastematisch mit den ersten sieben Tönen des dritten Satzes von Mozarts Streichquintett g-Moll, KV 516 überein. . Tempi sowie metrische Disposition differieren. Bei Mozart handelt es sich um ein Adagio ma non troppo, bei Eisler um einen marschmäßigen 2/4-Takt [“Ruhig” schreibt er als Tempo- und Vortragsangabe]. . Gleichwohl mag die übernommene diastematische Konfiguration dazu beitragen, dass Eislers Hymne vergleichsweise ,eleganter’ klingt als andere als Marsch angelegte Nationalhymnen (,Paradox: der Kommunist Eisler hat in der Musik den Begriff der Eleganz wieder zu Ehren gebracht’, schrieb Theodor W. Adorno in seinen ‘Notizen über Eisler”, 1965-66).

 
Mozart wird hier nicht verfremdet, sondern seine Musik wird zur Verfremdung des Marschcharakters verwendet. (Eisler selbst führte im Zusammenhang mit der Uraufführung der Hymne zu seiner Komposition aus: ,Vor allem habe ich mich bemüht, der Musik einen wirklich humanistischen Ausdruck zu geben. Es kann nichts “Zackiges”, nichts Militärisches in dieser bedeutungsvollen Melodie sein, sondern es muss ein sehr würdiger und sehr menschlicher Ton gefunden werden.’)” (Thomas Ahrend. Aspekte der Mozart-Rezeption Hanns Eislers, Eisler-Mitteilungen Oktober 2006).

[Anmerkung, hr]: Wären nicht die Texte sowohl der ,Kaiser’-Hymne als auch des oftmals gebrüllten “Deutschland”-Liedes, gilt für mich das Attribut “elegant” oder “menschlich” natürlich auch für die Musik der Haydn-Hymne, die 1992 im wiedervereinigten Deutschland jener von Eisler selbstredend vorgezogen wurde.

Bei der Ausstellungsführung nannte der Kurator Michael Haas Eisler in seinen DDR-Jahren einen “Privilegierten, einen ,Kommunist mit Urlaubsschein”. Naja. Eisler hat “öfter die Länder als die Schuhe wechseln” müssen (Zitat von Brecht: An die Nachgeborenen). 1953 musste er sich von seiner zweiten Frau Louise Eisler (Scheidung 1957, nachmalig Fischer) trennen. Er lebte und arbeitete zwischen 1948 (Rückkehr aus den USA, wegen Un-American Activities als Kommunist ausgewiesen) und 1953, auch später war er oft da, immer wieder lange in Wien, war mit dem Schönberg-Kreis zusammen, wurde vom Neuen Theater in der Scala (u. a. Karl Paryla) beschäftigt. Er wollte gerne in Wien bleiben. Als “Kommunist” und “Schönberg-Anhänger” und “Brecht-Freund” hatte er hier aber keine Chance.

Seit 1950 war er in Berlin Mitglied in der Akademie der Künste und Professor für Komposition an der der Deutschen Hochschule für Musik geworden.  Mag sein, dass er später den Mauerbau befürwortete, zum Dank dafür wurde er jedenfalls vorauseilend bereits 1953 für seinen Operntext zu “Johann Faustus” von Ulbricht persönlich verurteilt. 1956 starb Brecht, 1960 erlitt Eisler einen Herzinfarkt in Wien. In den letzten Lebensjahren soff er vielleicht manchmal, wurde auch manchmal in Westberlin bei einer Sauftour betrunken aufgefunden und (freundlich) nach Ostberlin zurückgeschickt. Seine dritte Frau Stephanie (Zucker-Schilling) hatte er in Wien kennen gelernt, diese zog 1957 zu ihm nach Berlin. 1962 ist er gestorben.

Eine x-beliebige Eisler-BIO aus dem Internet zum Nachlesen (ergänzt von hr) :

Hanns (Johannes) Eisler, geboren am 6. Juli 1898 in Leipzig als Sohn des österreichischen Philosophen Rudolf Eisler (1873-1926) und der Metzgerstochter Maria Ida, geb. Fischer (1875-1929). 1901 übersiedelte die Familie nach Wien. Erste Kompositionsversuche machte er 1909, erste Erfahrungen mit Marxismus im »Sprechclub« der sozialistischen Mittelschüler 1912. 1916-18 war er im Militärdienst; 1917 begann er ein Oratorien-Projekt Gegen den Krieg. 1919-23 war er Schüler Schönbergs und dessen Vertreters Anton Webern. 1920/21 leitete er Arbeiterchöre u. a. in Wien-Floridsdorf. 1925 erhielt er den Künstlerpreis der Stadt Wien und übersiedelte nach Berlin.

Dort nahm er 1926 Kontakte mit der KPD auf (Schönberg brach mit ihm), begann 1927 mit Artikeln für die Rote Fahne und arbeitete mit der Agitprop-Truppe »Das Rote Sprachrohr«. Seit 1928 unterrichtete er an der Marxistischen Arbeiterschule (MASCH). 1929 begegnete er Ernst Busch und begann die lebenslange Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht: 1930 das »ultralinke« Lehrstück Die Maßnahme, 1931 das klassische Die Mutter (nach Maksim Gor’kij) und die Filmmusik zu Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt? (mit dem ebenfalls klassischen Solidaritätslied) – 1932 verboten.

Sofort im Januar 1933 floh Eisler ins Exil. Die Jahre bis 1938 erfüllen hektische, gehetzte antifaschistische Aktivitäten. 1934 entstand bei Brecht in Dänemark u. a. das Einheitsfrontlied. 1935 war er in New York bei Veranstaltungen zugunsten der Saar-Flüchtlinge, bei der Arbeitermusik-Olympiade in Strasbourg, in Liberec [Reichenberg], Moskau, Prag (IGNM-Fest), in New York als Lehrender an der New School for Social Research; 1936 wieder in Europa (u.a. IGNM-Fest in Barcelona), 1937 in Spanien zur Unterstützung der Volksfront, auch in Dänemark. 1937 heiratete er (als zweite Frau) Louise Anna Jolesch, geb. von Gosztonyi. 1938 lehrte er wieder in New York an der New School (jährlich dann bis 1942). 1939 wurde er erstmals ausgewiesen, machte Kurse am Konservatorium in Mexico City, kehrte mit einem Besuchervisum in die USA zurück. 1940-42 arbeitete er am Filmmusik-Projekt – u. a. 1941 Vierzehn Arten, den Regen zu beschreiben (zu Joris Ivens’ Film), 1942 zog er nach Hollywood; dort entstand (mit Th.W. Adorno) das Buch Komposition für den Film. 1946 wurde im Zuge antikommunistischer Kampagnen Eisler (auch wegen seines Bruders Gerhart) verdächtigt, 1947 durch McCarthy-Ausschüsse verhört und 1948 ausgewiesen. Vorher, am 14. Dezember 1947 gab es nach einer Petition für Eisler an den Generalstaatsanwalt der USA (u. a. von Albert Einstein und Thomas Mann unterzeichnet), ein Solidaritätskonzert in Los Angeles unter der Schirmherrschaft von Igor Strawinsky
.
In Wien fand er keine Arbeitsmöglichkeiten; 1949 ging er nach Berlin. Sein Auferstanden aus Ruinen (Joh. R. Becher) war seit dem 5. Nov. 1949 die Nationalhymne der DDR. Obwohl repräsentative Figur – Meisterklasse an der Dt. Akademie der Künste (seit 1950); Nationalpreis 1. Klasse (1950) – wurde doch seine Linie eines Rückgriffs auf avancierte ästhetisch-politische Errungenschaften der 20er-Jahre und des Exils allenfalls halbherzig fortgesetzt oder – wie beim Libretto (1952) seiner geplanten Faustus-Oper – scharf offiziös kritisiert. 1958 heiratete er Stephanie Zucker-Schilling; er begann die Gespräche mit Hans Bunge (bis Aug. 1962). Im Mai 1962 wurde er Präsident des Musikrats der DDR; er starb in Berlin am 6. September 1962.

Zusätze dazu (zusammengestellt von hr nach Jürgen Scheberas Eisler-Biographie, erschienen bei Schott,  1996)
Musik (auch .):

Zeitungsausschnitte op. 11 ((1926),  Präludium und Fuge über B-A-C-H (1934), Kleine Sinfonie (UA durch Ansermet in London, 1935), Gegen den Krieg (1936),  Hollywooder Liederbuch (1942), Deutsche Sinfonie (ab 1935-47, Epilog 1958): Lothar Zagrosek und HK Gruber führ(t)en sie zur Zeit manchmal auf – in Deutschland, nicht in Wien und Salzburg). Usw.  Am 13.8.1962 Fertigstellung der “Ernsten Gesänge” für Bariton und Streichorchester; mit Texten von Hölderlin (- Fragmenten),  Berthold Viertel, Giacomo Leopardi, Helmut Richter, Stephan Hermlin).

Da können wir auch gleich noch einmal auf das wichtige Zwölfton-Stück “Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben” hinweisen, für den Film “Regen” von Joris Ivens verwendet, für das Eisler von Arnold Schönberg (Tennispartner von George Gershwin) sehr gelobt wurde. Trotz beiderseitiger “ideologischer” Differenzen bezeichnete Schönberg neben Berg und Webern stets Eisler als seinen “besten Schüler”. Und:  Eislers schriftliches Eintreten für Schönberg auch in der DRR sollte man lesen, es ist eine der glänzendsten und ehrerbietigsten Analysen seiner Musik und seines Unterrichtens. ” … wir mussten auch das Fiakerlied analysieren . ” sagte er in den “Gesprächen” mit Hans Bunge gegen Ende seines Lebens).  Letzteres “Fiakerlied” stammt auch von einem Juden, dem in Wien lebenden Gustav Pick (1832-1921). Er stammte aus dem Ghetto in Rechnitz, Südburgenland, wo 1945 das Massaker von Rechnitz an 180 jüdisch-ungarischen Zwangsarbeitern im Anschluss an ein “Schlossfest” Margit von Batthánys, der Tochter Heinrich Thyssens, stattfand.

Die Filmmusiken und  Bühnen-Musiken (als da sind, großteils OHNE Brecht-Stücke):
“Kuhle Wampe” (R: Slatan Dudow,  mit dem “Solidaritätslied”) 1926
“Heldenlied” (R: Joris Ivens) Moskau 1932
“Dans les rues” Paris 1933
“Le grand jeu”(R: Jacques Feyder) Paris 1933
Bühnenmusik zu “Draw the fires” (R: Ernst Toller), Repertory Theatre Manchester 1934
Mitwirkung bei Joseph Loseys “Political Cabaret” in New York 1938
“The 400 Million” (über China, R: Joris Ivens) 1938
“Pete Roleum and his cousins” (Puppentrickfilm, R: Joseph Losey) 1939
“The Forgotten Village” (in Mexiko, R: Herbert Kline) 1940
“Regen” (Stummfilm, bereits 1928 entstanden, R: Joris Ivens)
Filmmusik-Projekt mit Theodor W.  Adorno: “Composing for the Films” (1942-44)
“Hangmen also die” (über das Heydrich-Attentat in Prag,  R: Fitz Lang) Hollywood 1942 (Oscar-Nominierung)
“None but the Lonely Heart” (R: Clifford Odets) 1944 (wieder Oscar-Nominierung)
“The Spanish Main” (R: Frank Borzage) 1945
“Deadline at Dawn” (R: Harold Clurman) 1945
“The Woman on the Beach” (R: Jean Renoir) 1946
“So well remembered” (R: Edward Dmytryk) 1947
Bühnenmusik zu Brechts “Galileo” (Premiere im Juli 1947 mit Charles Laughton in der Titelrolle)
Musik zu Teilen des Stummfilms “The Circus” (R: Charles Chaplin) 1947
“Unser täglich Brot” (R: Slatan Dudow) 1949
Drehbuchmitarbeit und Musikbearbeitung für eine Filmfassung von Beethovens “Fidelio” in Wien (R: Walter Felsenstein) 1953
“Schicksal am Lenkrad” (R: Aldo Vergano) 1953
Arbeit an einer Filmfassung von Millöckers Operette “Gasparone” in Wien (Drehbuch gemeinsam mit Karl Paryla und Musikbearbeitung) 1954
“Bel Ami” (R: Louis Daquin) und Filmmusik zu der Brecht-Verfilmung “Herr Puntila und sein Knecht Matti” (Regie: Alberto Cavalcanti) in Wien 1955
“Nuit et brouillard” in Paris (Auschwitz-Dokumentarfilm, R: Alain Resnais, dafür erhält Eisler den Jean Vigo-Preis) 1955
“Les sorcières de Salem” (Arthur-Miller-Verfilmung, R: Romain Rouleau) Paris 1957
“Geschwader Fledermaus” (R: Erich Engel) Berlin 1958
“Das verlorene Gesicht” (Fernsehfilm) 1958
Bühnenmusik zu “Schwitzbad” (Majakowski) für die Volksbühne Berlin 1958
“La rabouillleuse” (R: Louis Daquin) in Paris 1959
Bühnenmusik zu “Wilhelm Tell” (Schiller) für das Deutsche Theater 1962
“Esther” (Fernsehfilm, R: Bruno Apitz) 1962