„Arnold Schönberg bietet als umfassende Künstlerpersönlichkeit viele Anknüpfungspunkte, um junge Menschen anzusprechen. Sein Leben entlang einer wechselvollen Geschichte, seine künstlerische Tätigkeit als Komponist und Maler und nicht zuletzt seine Interessen auch an handwerklichen oder spielerischen Fragestellungen können junge Menschen direkt ansprechen und ihre Neugier wecken“, so ANGELIKA MÖSER, Direktorin des ARNOLD SCHÖNBERG CENTERS. Aus diesem Grund bietet das ARNOLD SCHÖNBERG CENTER ab September 2018 neue Musikvermittlungsangebote mit direktem Bezug zum Vater der Wiener Schule an. Drei Workshops – „Schönberg er.lebt!“ für Sechs- bis Zehnjährige, „Schönberg und ich!“ für Zehn- bis 14-Jährige und „Schönberg ge.hört!“ für Oberstufenklassen und Ältere – haben Monika Musil und Katharina Wallaberger konzipiert. Malina Meier sprach mit den beiden Musikschullehrerinnen und freischaffenden Musikvermittlerinnen über die Inhalte und Ziele ihrer Workshops.
Sie haben gemeinsam das neue Musikvermittlungsprogramm für das Arnold Schönberg Center entwickelt. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Katharina Wallaberger: Die Grundidee war, dass wir die vielen Möglichkeiten, die das Arnold Schönberg Center bietet, nutzen, und so sind wir auf die sogenannte lebendige Fotostrecke gekommen. Dafür haben wir einzelne Bilder ausgewählt, die das Leben Arnold Schönbergs skizzieren. Das Ganze richtet sich inhaltlich nach seinen Schaffensperioden – er hat zunächst im spätromantischen Stil komponiert, dann im erweiterten beziehungsweise atonalen Stil und zuletzt seine eigene Methode der Zwölfton-Kompositionstechnik entwickelt.
Monika Musil: Für uns war es im Wesentlichen von Bedeutung, dass wir Biografisches miteinbeziehen. Schönberg war Universalkünstler, er hat gemalt, geschrieben und war Erfinder. Es war uns wichtig, das alles zu integrieren. Und dann sollte die Musik auf jeden Fall im Vordergrund stehen, sodass die Schülerinnen und Schüler zum aktiven Hinhören animiert werden und sich mit der Musik auf unterschiedliche Art und Weise auseinandersetzen. Das kann durch Assoziieren, Schreiben, Musizieren und Bewegen oder in der Beschäftigung mit biografischem und archivarischem Material geschehen. Das waren die Eckpfeiler für die Entwicklung des neuen Musikvermittlungsprogramms.
„Es ist uns wichtig, die kreative Auseinandersetzung mit Schönbergs Werk in den Mittelpunkt zu stellen.“
Wie bringen Sie die verschiedenen Altersgruppen in Bezug zu Schönberg?
Katharina Wallaberger: Es ist uns wichtig, die kreative Auseinandersetzung mit Schönbergs Werk in den Mittelpunkt zu stellen. Bei „Schönberg er.lebt!“ für Volksschulklassen vertiefen wir das Thema Zwölftonmusik durch eigenes Komponieren, bei „Schönberg und ich!“ für Unterstufenklassen nähern wir uns dem Thema „erweiterte Tonalität“ durch Schreiben.
Monika Musil: Insgesamt gibt es immer wieder die Möglichkeit, durch persönliche Assoziationen die Musik Schönbergs zu erfahren und zu entdecken. Beispielsweise können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Schönbergs „Verklärte Nacht op. 4“ aus unterschiedlichen Materialien wie Plastilin, Pfeifenreinigern etc. etwas gestalten oder Bilder- beziehungsweise Adjektivkärtchen auswählen, die sie zur Musik assoziieren. Durch die Schreibvertiefung im zweiten Workshop rückt die persönliche Auseinandersetzung noch mehr in den Mittelpunkt. Ich höre die Musik und schaue, was sie in mir auslöst, was sie mit mir und mit meiner Welt im Endeffekt zu tun hat, wo es vielleicht Parallelen gibt.
Katharina Wallaberger: In einer Ausstellungsgestaltung als zweite größere Vertiefung erforschen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst, was Schönberg alles gemacht und wie er gelebt hat.
Auf welche Weise vermitteln Sie Schönberg im Detail – digital, musikalisch, theoretisch, praktisch?
Katharina Wallaberger: Wir haben zum Beispiel Interviews mit den Kindern von Arnold Schönberg geführt – Kinder, das klingt recht lustig, denn die sind schon 77 Jahre und älter. Von diesen Interviews wurden Videos angefertigt, die wir auch in den unterschiedlichen Workshops zeigen. Arnold Schönbergs Nachfahren zu sehen, ist, glaube ich, ein ganz schöner Moment für die Kinder und Jugendlichen.
Monika Musil: Die Schülerinnen und Schüler erwartet die Möglichkeit, sich einer Musik zu öffnen, die sie sonst wahrscheinlich nicht hören. Sie bekommen hier ein Angebot, sich auf unterschiedliche Art und Weise mit Schönberg und seiner Musik auseinanderzusetzen. Das kann beispielsweise beim Komponieren passieren, indem wir uns einerseits theoretisch anschauen, wie Schönberg seine Zwölfton-Kompositionstechnik angewandt hat, und dann andererseits selbst Klänge suchen und mit diesen kompositorisch arbeiten.
Beim Komponieren verwenden wir ein Tablet und nehmen damit eine Reihe von Klängen auf; das Arnold Schönberg Center hat hierfür Instrumente und unterschiedliche Klangkörper angekauft. Wir spielen dann mit diesem aufgenommenen Material und erstellen kleine Kompositionen.
Katharina Wallaberger: Das Tolle daran ist die Unmittelbarkeit, die uns das Tablet ermöglicht – wir spielen, nehmen auf, können reagieren und mit den Klängen experimentieren. Die Kinder erleben, wie es sich vielleicht anfühlen könnte, Komponistin oder Komponist zu sein. Wir möchten ihnen eine Idee geben, wie so ein Kompositionsvorgang aussehen könnte, ohne den Eindruck zu vermitteln, dass es ganz einfach ist, ein Zwölftonstück zu komponieren.
Und dabei ist es auch angepasst an die Umstände, wie Jugendliche heutzutage aufwachsen.
Katharina Wallaberger: Richtig, auch beispielsweise bei der Schreibwerkstatt: Wir schreiben zwar auf Zetteln mit Stift, aber die Assoziationsbegriffe werden mit Hashtags versehen, was den Jugendlichen von heute viel näher ist. Es ist uns wichtig, Methoden und Medien zu wählen, die im normalen Leben der Kinder und Jugendlichen auch vorkommen.
Im Musikprogramm der Workshops finden sich unter anderem Arnold Schönbergs „Verklärte Nacht op. 4“, die „Suite für Klavier op. 25 Nr. 5“ und „Sechs kleine Klavierstücke op. 19 Nr. 4“. Wie haben Sie das Musikprogramm für die Workshops ausgewählt?
Monika Musil: Wir haben das Musikprogramm nach Schönbergs Schaffensperioden ausgesucht. Wir wollten auf jeden Fall ein Werk aus seiner spätromantischen Phase präsentieren, dann eines, in dem es schon erweitert tonal wird, bei dem der Boden der Tonalität schon ein bisschen zu wackeln beginnt, dann haben wir ein Werk aus seiner atonalen Phase und letztendlich auch eine Zwölftonkomposition ausgesucht – so wollten wir den Bogen spannen.
Im Workshop „Schönberg ge.hört!“ nutzen wir das Konzept des „zweimal Hörens“, wo es darum geht, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst ebenfalls Werke aus den verschiedenen Schaffensperioden ohne jegliche Vorinformationen hören. Die Schülerinnen und Schüler werden dazu ermutigt, ihre Assoziationen zur Musik zu notieren. Danach gibt es einen Workshop-Teil, in dem wir auf jedes Werk näher eingehen und die Jugendlichen sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Musik auseinandersetzen. Am Ende des Workshops hören sie die Stücke dann noch einmal.
„Es ist schon eine Gratwanderung, nicht in die Oberflächlichkeit hineinzufallen.“
Schönberg war nicht nur Komponist, sondern auch Interpret, Maler, Erfinder etc. Als welche Person wollen Sie ihn darstellen und wie wichtig sind all diese anderen Rollen in den Workshops?
Monika Musil: Am wichtigsten ist uns Schönberg als Komponist. Aber diese anderen Aspekte sind natürlich auch da und sehr wesentlich, da sie seine Musik letztendlich auch beeinflusst haben …
Katharina Wallaberger: … und umgekehrt, die Musik hat gewisse Erfindungen hervorgebracht, beispielsweise den Rastralzeichner, ein Werkzeug zum Ziehen von Notenlinien. Indem man Schönberg sowohl als Komponist wie auch als Interpret, Maler, Erfinder und Autor betrachtet, bekommt man ein vollständigeres Bild dieses Universalkünstlers.
Monika Musil: Obwohl es natürlich eine große Herausforderung ist, all das in eineinhalb Stunden unterzubringen. Es ist schon eine Gratwanderung, nicht in die Oberflächlichkeit hineinzufallen. Uns ist dabei wichtig, dass man von dem Bild wegkommt, Schönberg nur als Zwölftonkomponisten zu sehen, denn seine Kompositionstätigkeit hat weit darüber hinausgereicht.
Wieso eignet sich Arnold Schönberg Ihrer Meinung nach besonders gut für das Erstellen eines Musikvermittlungskonzepts?
Monika Musil: Schönberg war sehr vielseitig. Seine Erfindungen und seine Gemälde bieten sehr viele Anknüpfungspunkte, wie man die Vermittlungsarbeit aufbauen kann. Schönberg war ein sehr interessanter Mensch und hat in einer historisch schwierigen Zeit viel durchgesetzt. Wir beziehen auch diesen Zeitgeist in die Workshops mit ein.
Was wollen Sie mit den Workshops zu erreichen?
Katharina Wallaberger: Unsere Idee ist, die Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer mit Schönberg und seiner Musik in Berührung zu bringen, sodass sie einen persönlichen Zugang zu seinem Werk finden.
Monika Musil: Ein Workshop ist für mich auch dann erfolgreich, wenn kritisch hinterfragt wird, wenn eine Diskussion entsteht. Dann haben wir viel erreicht.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Malina Meier
Workshop-Anmeldungen unter +43 1 7121888 oder office@schoenberg.at
Link:
Arnold Schönberg Center