CLARA LUZIA bringt Anfang Oktober mit „Here’s To Nemesis“ ihr sechstes Studioalbum heraus. Nach verschiedensten Konstellationen hat sich die Band um die Sängerin und Gitarristin CLARA LUZIA nun auf zwei Mitglieder reduziert: auf die Schlagzeugerin CATHI PRIEMER und den Bassisten PAUT. CLARA LUZIA sprach mit Clara Schmidl über ihren neuen knochigen Sound, Songwriting, ihren politischen Anspruch, die Schriftstellerin CHRISTINE LAVANT und darüber, was Malerei und Musik bei ihr anrichten können.
Was gefällt Ihnen am neuen Album am besten?
Clara Luzia: Ich mag den Fokus, es ist klar und transparent – sowohl im Sound als auch im Gesamten: Es fühlt sich wie ein homogenes Ganzes an. Und es hat trotz aller Schwere eine gewisse Leichtigkeit. Auch dadurch, dass es nur drei Instrumente (Bass, Gitarre, Schlagzeug) sind – beziehungsweise vier, denn Julian [der Produzent; Anm.] hat einige Keys dazu eingespielt. Die Platte hält nicht davon ab, sich Fragen zu stellen, gleichzeitig ist aber immer ein Fünkchen Optimismus dabei. Das ist letztendlich das Gefühl, mit dem man aus der Platte entlassen wird: Die Hoffnung ist noch nicht gestorben.
Woraus schöpfen Sie Hoffnung in solch düsteren Zeiten, die auf „Here’s To Nemesis“ von Ihnen beschworen werden?
Clara Luzia: … beschworen? Eher dagegen angesungen! Vielleicht aus neuen Perspektiven, die ich in den letzten zwei Jahren bezogen habe. Die zulassen, das Gute zu sehen – und dass das Leben an sich ja wirklich ein Privileg und etwas Schönes ist. Selbst wenn das, was wir Menschen daraus machen, oft nicht schön ist. Es fällt oft schwer, das im Blick zu behalten, ich konnte das lange überhaupt nicht. Dann habe ich Cathi [Priemer; Anm.] getroffen und die hat meinen Blick wieder zurechtgerückt. Dafür hat sie „Magic“ bekommen.
Wie wichtig ist Ihnen eine öffentliche bzw. politische Positionierung als Musikerin?
Clara Luzia: In manchen Situationen finde ich es fahrlässig, sich nicht zu positionieren. In unserer schlagzeilengetriebenen Medienwelt ist es schwierig, das, was du sagen willst, rüberzubringen. In der Öffentlichkeit kommt meistens nur ein Schlagwort an. Deswegen verstehe ich auch, dass viele zurückhaltend sind, weil sie wissen, dass nur ein Satz herausgenommen wird, der ihnen dann aufs Hirn gepickt wird. Es ist aber feig zu sagen: „Dann sag’ ich lieber gar nichts!“, wenn man das Gefühl hat, dass etwas passiert, was nicht in Ordnung ist. Wie eindeutig man das artikuliert, bleibt jeder beziehungsweise jedem selbst überlassen. Ich finde halt Musik spannender, die etwas zu sagen hat. Ich brauche Futter für den Kopf.
„Der Ursprungsgedanke war, die Platte vom Sound her knochiger und abgespeckter zu gestalten.“
In Interviews haben Sie wiederholt angesprochen, wie nackt Sie sich in Ihrem Songwriting manchmal fühlen. Jetzt steht in Ihrer Presseaussendung zu „Here’s To Nemesis“ gar, dass Sie sich für dieses Album die „Kleider vom Leib gerissen“ haben, so dass nur noch „Haut und Knochen“ blieben …
Clara Luzia: Der Ursprungsgedanke war, die Platte vom Sound her knochiger und abgespeckter zu gestalten. Da kam mir das Bild des „Kleider-vom-Leib-Reißens“: nicht mehr so viele Schichten von Streicherinnen und Streichern und Klavier zu verwenden; wie vierzig Decken, die um ein Gerüst gewickelt sind. Mit drei Instrumenten bleibt nicht viel über, da kann man nicht viel kaschieren. Das war ein bewusst gewählter Weg, das Bild passt schon so!
Körperbezogene Bilder spielen auch in Ihren Songtexten eine große Rolle. Sie singen vom „crippled heart”, vom „Cosmic Bruise“ …
Clara Luzia: Ja, das stimmt, jetzt wo Sie’s sagen …
Was ermöglicht Ihnen der Einsatz von körperlichen Bildern in Ihren Texten?
Clara Luzia: Es hat etwas sehr Unmittelbares und Allgemeines: Alle wissen, wie sich ein Körper anfühlt. Wir alle haben einen und haben zwangsläufig irgendeine Art von Bezug dazu. Ich glaube, es hat etwas mit universaler Gültigkeit zu tun. Für uns Menschen.
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„As Long As We Get By“ fängt mit gut gelaunter Musik an, dann kommt gleich einmal das Wort „rape“ vor – ein No-Go für einen Popsong?
Clara Luzia: „Rape Me“ hat Kurt Cobain hundert Mal gesungen. „Rape“ hab’ ich schon öfter in Texten drin gehabt. Es ist schwer zu singen, finde ich.
Es hat eine verstörende Wirkung, wenn daneben Karen Sandburgen baut und dem Refrain zufolge wir alle aus dem Meer kommen – so als wär’s im Endeffekt „egal“?
Clara Luzia: [lacht] Ich hab auf einmal so einen Gedankenblitz gehabt, dass die ganze Trauer auf der Welt daher rührt, dass wir Menschen alle wohin zurückwollen: Es heißt ja immer, alles Leben komme aus dem Meer, dem Ursprung allen Lebens. Und die Sehnsucht nach diesem Ursprung tragen wir alle in uns. Wir würden gern wieder zurück, aber wir können nicht. Und deswegen sind wir so traurig und so wütend und deswegen schlagen wir uns den Schädel ein. Ganz salopp und primitiv runtergebrochen. Deswegen dieses „we all come from the sea and we keep running back to it“. Wir rennen die ganze Zeit, kommen aber nie an.
Könnte man interpretieren, dass dadurch die Absurdität davon, wie viele verschiedene Realitäten nebeneinander existieren können, sichtbar gemacht wird?
Clara Luzia: Ja, das war der Ursprungsgedanke. Ich habe das ja erst selten gemacht: Da gibt es drei konkrete Charaktere, die ich in zwei Sätzen umschreiben kann und die alle ihr Binkerl zu tragen haben.
„Bei Musik ist das Schöne, dass sie so viele Ebenen hat und so viele Ebenen anspricht.“
Sie wollten früher Malerin werden. Gibt es etwas, was Malen und Musikmachen gemeinsam haben?
Clara Luzia: Es ist beides ein Komponieren, ein Zusammensetzen. Die Perspektive ist sehr wichtig. Bei Musik ist das Schöne, dass sie so viele Ebenen hat und so viele Ebenen anspricht. Du hast mit einem Takt oder einem gemeinsamen Ton schon so viele unterschiedliche Sachen gesagt, dass Sprache oder Text allein da kaum mithalten können. Ich glaube, Malerei schafft das auch. Bei Maria Lassnig zum Beispiel, meiner absolute Lieblingsmalerin, bebt bei mir alles. Das finde ich bei beiden schön: wenn es intellektuell anspricht, aber auch völlig irrational ist, man sich’s nicht erklären kann, aber man so einen kleinen Sturm im Kopf und im Herz kriegt.
Wie würden Sie einer Person, die noch nie etwas von Clara Luzia gehört hat, Ihren Werdegang erzählen?
Clara Luzia: Ein Samenkorn, das langsam gewachsen ist. Zu einem kleinen Gänseblümchen. Man kann mich sehen, man kann mich übersehen.
Sehen Sie Clara Luzia als Soloprojekt oder als Band?
Clara Luzia: Schon solo. Ich will jetzt die Band nicht schmälern, aber ich schreib die Lieder. Natürlich spiele ich sie mit der Band, ich spiele sie aber genauso allein. Die jeweilige Band wechselt ständig, mit ihr die jeweilige Färbung. Ich hatte früher eine Band. Dann wollte ich keine Band mehr haben: Ich bin nicht so teamfähig. Wenn ich Lieder schreibe, tu ich mir total schwer damit, wenn hunderttausend Leute mitreden. Ich mag nicht das Gefühl haben, dass die Nummer gar nicht mehr so ist, wie ich sie wollte. Dass zwar alle mitgeredet haben und dass das jetzt der kleinste gemeinsame Nenner ist – was dann halt auch scheiße ist.
Aktuell spielen Sie mit einer Musikerin und einem Musiker. Diskutiert sich’s da leichter?
Clara Luzia: Ich spiele eine Nummer, erkläre teilweise, worum es im jeweiligen Lied geht, welche Stimmung ich brauche. Sie spielen mit – was ihnen dazu einfällt. Und sie reden ja auch mit. Es ist selten, dass ich dann sage: „Ne, das gefällt mir gar nicht, spiel was anderes!“ Ich habe das Glück, dass ich immer Leute habe, die ziemlich genau verstehen, wo ich hinwill. Diskussionen versuche ich zu vermeiden. Dann schau ich, dass ich das gleich im Keim erstick [lacht]. Das führt meistens zu nichts. Und mit Cathi und PauT gibt’s sowieso keine Diskussionen mehr.
Cathi Priemer hat eine Nummer produziert – das können Sie „zulassen“?
Clara Luzia: Ja, weil ich gemerkt habe, dass sie mit ihren Vorschlägen recht hat. Als ich es ausprobiert habe, habe ich gemerkt: Das funktioniert in ihrer Version viel, viel besser. Cathi wird wohl auch zukünftig mehr machen. Sie hat das, was mir fehlt: ein recht gutes Gefühl dafür, was ein Lied braucht, um mehr Pop-Appeal zu haben. Ich schreib nette Melodien, arrangiere sie aber eher zu sperrig oder überhaupt scheiße. Und Cathi kann zwar keine Lieder schreiben, aber bei der Produktion hat sie immer sehr gute Ideen!
Sie waren einmal Songwriting-Coach beim Girls Rock Camp 2012.
Clara Luzia: Das war hart [lacht]!
„Ich finde, dass man Songwriting nicht wirklich lehren kann. Oder ich kann’s nicht!“
Warum?
Clara Luzia: Weil ich pädagogisch absolut wertlos bin [lacht]! Ich finde, dass man Songwriting nicht wirklich lehren kann. Oder ich kann’s nicht. Natürlich gibt’s ein paar Skills, die man vielleicht weitergeben oder empfehlen kann. Grundsätzlich denk ich mir, dass man entweder etwas zu sagen hat oder halt nicht!
Was wären Ihre Empfehlungen?
Clara Luzia: Ich habe damals meine eigene Herangehensweise erzählt: wie ich Lied und Text immer synchron schreibe. Ob jemand damit etwas anfangen kann, weiß ich nicht. Eine Superband ist jedenfalls aus dem damaligen GRC hervorgegangen: Aivery. Grundsätzlich finde ich das Girls Rock Camp fantastisch!
„Es hat mich sehr gefreut, zu merken, dass es sehr wohl Leute gibt, die sehr gern sogar etwas für Musik zahlen.“
Sie haben für dieses Album zum ersten Mal – gleich sehr erfolgreich – Crowdfunding ausprobiert. Ist das die Zukunft?
Clara Luzia: Ich befürchte es fast. Obwohl ich noch immer nicht weiß, was ich davon halte. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, etwas vom Musikfonds zu kriegen und schon mit der Produktion angefangen, als die Ablehnung kam. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion habe ich dann dieses Crowdfunding eingerichtet. Umso überraschter war ich, als es funktioniert hat! Es hat mich sehr gefreut, zu merken, dass es sehr wohl Leute gibt, die sehr gern sogar etwas für Musik zahlen. Die sich freuen, wenn sie helfen können. Ob’s die Zukunft ist? An sich ist die Idee ja nicht blöd und in sich schlüssig: dass die, die daran Freude haben, sich zusammentun und eine Realisierung finanzieren. Da haben alle etwas davon. Ich bin nicht sehr gut im Ausmalen von Zukunftsszenarien. Ich kann mir alles und nichts vorstellen.
Aktuell bereiten Sie sich für das Theaterprojekt „LAVANT“ zum 100. Geburtstag der österreichischen Schriftstellerin und Dichterin Christine Lavant am Stadttheater Klagenfurt vor. Sie werden die Musik zum Stück beisteuern. Was reizt Sie daran?
Clara Luzia: Es hat mich gereizt, in einen anderen Kontext – auch einmal weg von mir selbst – zu kommen. Texte zu schreiben ist für mich allgemein das Härteste. Bei „LAVANT“ hingegen versuche ich, dem Stück zu dienen und nicht meinen Bedürfnissen. Dabei tu ich mir sehr leicht, weil Lavants Texte ja schon da sind. Da ist alles schon gesagt. Ich muss nur ein Kleid dafür finden. Musik um der Musik und ihrer Texte willen. Urlaub vom Ich, sozusagen.
Sind die Texte und Gedichte von Christine Lavant nicht belastend?
Clara Luzia: Ja. Sehr schwer!
Verwunderlich, dass Sie sagen, es sei Urlaub vom Ich …
Clara Luzia: Zuerst wollte ich es überhaupt nicht machen. Ich kenne das, was sie beschreibt, leider sehr gut. Ich habe gedacht, dass ich das jetzt hinter mir habe und ich das nicht wieder aufgerollt haben möchte. Aber als wir begonnen haben, uns intensiv damit zu beschäftigen, sich das Ganze mit Leben gefüllt hat, habe ich gemerkt, dass sie – trotz all ihrer Heaviness –viel Augenzwinkern dabei hat, ihr der Schalk im Nacken sitzt. Da hat’s mir auf einmal einen Schalter umgelegt. Sie sagt eben, wie sie’s empfindet, und aus. Es ist – finde ich – kein Zufall, dass Bernd [Regisseur Liepold-Mosser; Anm.] mich gefragt hat, ob ich die Musik dazu machen wolle.
Wie geht’s bei Clara Luzia weiter?
Clara Luzia: Zu „Cosmic Bruise“ gibt es bereits ein Lyric-Video, zur neuen Single „The Drugs Do Work“ dreht Miriam Unger ein weiteres Video.
Eine letzte Frage: Sie spielen Ihrer Homepage zufolge sehr viel live.
Clara Luzia: [sarkastisch] Das ist gut! Der Eindruck ist das Wichtigste!
Wie stehen Sie zu Liveauftritten?
Clara Luzia: Ich bin jetzt keine übermäßige Rampensau, aber mir macht’s immer mehr Spaß. Früher war da eher immer Angst. Ich habe gedacht, ich muss mich wo anhalten. Mittlerweile ist die Gitarre von einem Schutzschild zu einer Belastung geworden, weil ich gemerkt habe, wie viel Kraft sie mich kostet. Ich kümmere mich gar nicht um den Gesang, weil ich schau, dass ich das Richtige spiel. Deswegen hatte ich den Wunsch, nicht mehr Gitarre zu spielen. Jetzt haben wir bei größeren Sachen eine zweite Gitarristin dabei: Lina Seybold von Candelilla.
„Schau ma mal, ganz werd ich die Gitarre nicht los!“
Ist das ein langfristiger Plan: die Gitarre abzuwerfen?
Clara Luzia: Nein. Als wir mit Lina zum ersten Mal fürs Popfest geprobt haben, haben wir ziemlich schnell gemerkt, dass zwei Gitarren eigentlich auch geil sind! Das rummst schon noch mal mehr. Schau ma mal, ganz werd ich die Gitarre nicht los! Damit habe ich mich schon abgefunden.
Danke für das Gespräch!
Clara Schmidl
CLARA LUZIA LIVE:
28.10. WUK / Wien – Album Release
29.10. PPC / Graz
12.11. Cinema Paradiso / St.Pölten
13.11. Red Box / Mödling (/w The Base, Catastrophe & Cure)
14.11. Kino / Ebensee
27.11. Posthof / Linz
10.12. Arge / Salzburg
Foto Clara Luzia 1: Sarah Haas
Foto Clara Luzia 2: Mirjam Unger