Peter Vieweger ist neuer Präsident der AKM. Der Komponist, Produzent, ehemalige Falco-Gitarrist und Bandleader sprach mit Markus Deisenberger über das Ärgernis gezielter Fehlinformation in Bezug auf die geplante Copyright-Richtlinie, die Notwendigkeit von Upload-Filtern und eine balancierte Wertschöpfung bei Streamingdiensten, die es anzustreben gilt.
Herr Vieweger, Sie wurden jüngst zum neuen Präsidenten der Verwertungsgesellschaft AKM gewählt. Herzliche Gratulation! Wie groß ist die Freude?
Peter Vieweger: Ich freue mich sehr über diesen Vertrauensbeweis. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass ich in große Fußstapfen meines Vorgängers trete. Prof. Robert Opratko übte diese Funktion sehr gerne und gut aus, musste sie aber gesundheitsbedingt vorzeitig niederlegen. Als mein Mentor und durch seine Ausbildung fühle ich mich gut auf die Weiterführung dieses Amtes vorbereitet, das ich interimistisch bereits seit März bekleidet habe.
Die AKM gibt es jetzt seit 1897. In den letzten Jahrzehnten waren fast nur zeitgenössische E-Musik-Komponisten Präsidenten. Dass nun ein Pop/Rockmusiker Präsident wurde, hat einen gewissen Symbolwert und ist für mich und meinesgleichen eine Freude und große Ehre, dass ich diese Verantwortung übernehmen darf.
Was verändert sich für Sie persönlich durch das Amt?
Peter Vieweger: Es ist ein Ehrenamt, das zeitlich aufwändig ist. Ich muss über alle Belange die AKM betreffend bestens informiert sein, um die Interessen der Mitglieder abzusichern und gemeinsam mit den Vorstandskolleginnen und Kollegen gute Entscheidungen für die AKM zu treffen. Außerdem wird es notwendig sein, die Kontakte zu Politikern und Entscheidungsträgern zu intensivieren. Mitglieder des Vorstands werden auch mehr in die Bundesländer reisen müssen, um dem Vorwurf, die AKM agiere zu wienlastig, entgegenzuwirken. Ich konnte bereits als ehemaliger Vizepräsident wertvolle Erfahrungen sammeln und das hilft mir bei der jetzigen Tätigkeit. Die Wahl zum Präidenten und den mit dem Amt verbundenen Aufgaben ist ein großer Vertrauensvorschuss, den ich anstrebe, erfolgreich erfüllen zu können.
„Eine ganz wichtige Aufgabe wird es sein, dass das österreichische Repertoire in seiner Wertschöpfung größer wird.“
Sie haben den mit Ihrer Bestellung verbundenen Generationswechsel angesprochen. Wird sich ein solcher auch auf die Ausrichtung der AKM niederschlagen?
Peter Vieweger: Grundsätzlich ist es natürlich so, dass ich für alle Mitglieder gleichermaßen da bin. Eine ganz wichtige Aufgabe wird es sein, dass das österreichische Repertoire in seiner Wertschöpfung größer wird. Durch die vielen Jahrzehnte, in denen in den Rundfunkmedien sehr wenig österreichische Musik gespielt wurde, ist das, was an Wertschöpfung im Bereich des Senderechts für die österreichische Musik hereinkommt nicht immer zufriedenstellend. Es ist mir daher ein Anliegen, gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen Maßnahmen zu setzen, durch die österreichische Urheberrechte insgesamt mehr Einnahmen erwirtschaften.
Wie in den Pressemeldungen zu Ihrer Wahl dargestellt, verzeichnete die rund 24.000 Mitglieder zählende AKM im Geschäftsjahr 2017 eine Steigerung der Umsatzerlöse um 4,9 Prozent auf 113 Millionen Euro. Eine gute, eine erfreuliche Entwicklung, oder?
Peter Vieweger: Die AKM blickt auf eine sehr erfreuliche Entwicklung zurück, 2017 war in der Tat ein sensationelles Jahr. Ohne weitere Anstrengung wird der positive Aufwärtstrend jedoch nicht anhalten.
Woran lag es, dass die Zahlen derzeit so gut sind? Die Marktsituation selbst gilt ja als nicht gerade rosig.
Peter Vieweger: Einerseits waren die wirtschaftlichen Ergebnisse im Bereich der öffentlichen Aufführungen sehr stark. Andererseits sind auch die Einnahmen aus dem Ausland, vorwiegend aus Deutschland und der Schweiz, d.h. von der GEMA und der SUISA gewachsen. Die beiden Gesellschaften haben ihre Verteilungsregeln geändert, wodurch der AKM mehr zugewiesen wurde.
„Das ist ein sehr komplexes Feld, um das es sich zu kümmern gilt.“
Und wenn Sie in die Zukunft blicken?
Peter Vieweger: Es liegen große Herausforderungen vor uns. Eine unserer wichtigsten Aufgaben, die uns bis 2020 beschäftigen wird, ist der neuerliche Vertragsabschluss mit dem ORF, immer mit dem Fokus auf die Interessen unserer Mitglieder. Wir sind auch immer davon abhängig, dass Musikveranstalter und Lokale, in denen Musik gespielt wird, überleben können. Das ist ein sehr komplexes Feld, um das es sich zu kümmern gilt.
Aber in den letzten Jahren gab es auch erfreuliche Entwicklungen. Es gibt neue, sehr gut arbeitende Labels und Managements, die den Bands, die aus fm4 herausgewachsen sind, eine professionelle Betreuung angedeihen lassen. Erfreulich ist auch, dass sich abseits der großen Festivals eine tolle Szene kleinerer und mittlerer Festivals etabliert hat, mit immer mehr Konzerten österreichischer Bands. In Summe geht es darum zu schauen, wie man die Situation für die österreichische Musik noch verbessern kann.
Ein Großteil der AKM-Einnahmen, nämlich 95,2 Millionen, betraf Lizenzerträge aus dem Inland. Das heißt, bei Lizenzerlösen aus dem Ausland gibt es Steigerungsmöglichkeiten, oder?
Peter Vieweger: Das ist leichter gesagt als getan, aber sicher im Interesse der AKM, dass es in Zukunft mehr im Ausland erfolgreiche österreichische Künstler gibt.
Was gilt es da zu forcieren, damit mehr österreichisches Repertoire gespielt wird?
Peter Vieweger: Ausschlaggebend ist noch immer die Qualität, aber wir haben bei Wanda und Bilderbuch miterleben dürfen, wie der Respekt für österreichische Produktionen in Deutschland immer größer wurde. In der ZEIT und anderen Zeitungen wurde dem Phänomen, dem man den Titel “Neue Wiener Schule” gab, mit eigenen Artikeln Rechnung getragen und man fragte sich dort, ob man nicht auch in Deutschland damit beginnen solle, im Dialekt zu singen. Vor fünfzehn Jahren konnte man von solch einer Entwicklung nicht einmal träumen. Damit Bands wirtschaftlich in der Lage sind, im Ausland erfolgreich zu sein, braucht es Support. Im erste Tourneejahr ist das meist ein Nullsummenspiel. Im zweiten Jahr sollten Einnahmengewinne möglich sein. Das muss man genau analysieren um einen richtigen Ansatz zu finden, damit mehr erfolgreiche österreichische Musik ins Ausland kommt.
„Seit einigen Jahren hat sich die Haltung der Kommission aber zugunsten der Kreativen deutlich verbessert.“
Nach jahrelangem Ringen um eine Reform des europäischen Urheberrechts hat sich unlängst der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hinter die Vorschläge zu Uploadfilter und Leistungsschutzrecht gestellt. Diese Wünsche der Kommission und der Mitgliedstaaten waren nicht unumstritten und wurden in den Medien heiß diskutiert. Die Gesellschaft für Netzpolitik etwa spricht, von „verheerenden Auswirkungen für die Freiheit im Internet“, wenn sich die Meinung der Kommission und des Rechtsausschusses auch im EU-Parlament durchsetzen sollte. Sie spricht von einer „umfassenden Kontrolle von Inhalten“. Sie sehen das aus Sicht der Urheberinnen und Urheber geschützten Materials wahrscheinlich anders?
Peter Vieweger: Die Antwort darauf muss pragmatisch ausfallen, finde ich. In Brüssel wohnen um die dreißig gut bezahlte Lobbyisten für Google und die machen ihren Job sehr gut. Wenn wir jetzt von einer Panikmache in den Medien erfahren, wonach mit der geplanten Copyright-Richtlinie der Tod des freien Internets unmittelbar bevorstünde, weiß ich also sehr gut, woher das kommt. In den letzten zwanzig Jahren haben diese Leute nichts unversucht gelassen, das Urheberrecht wegzubekommen. In den 2000er Jahren war es so, dass diese Lobbyisten auf Panels schlicht und ergreifend Unwahrheiten über das Urheberrecht erzählten, die nicht weiter hinterfragt und von vielen geglaubt wurden. In gewisser Weise unerfahren was das Urheberreucht betrifft, waren auch einige EU -Politiker.
Ich kann mich erinnern, dass die ehemalige Vizepräsidentin der Kommission einmal auf die Frage, was sie denn von Verwertungsgesellschaften halte, sinngemäß geantwortet hat: „Nichts. Es gibt ja jetzt das Internet.” So etwas kam damals gut an. Seit einigen Jahren hat sich die Haltung der Kommission aber zugunsten der Kreativen deutlich verbessert.
Aber wenn man nichts anderes macht, als sicherzustellen, dass ein Musikstück oder ein Video legal veröffentlicht wird, wo soll da die Zensur sein? Das möge man mir erst einmal erklären. Dass man eine seit zwanzig Jahren organisierte Musikpiraterie jetzt dahingehend zu regulieren beginnt, dass diejenigen, die diese Musik produzieren nicht immer durch die Finger schauen müssen, ist doch keine Zensur, sondern nur gerechtfertigt.
Wie, glauben Sie, wird die auf den Herbst vertagte Entscheidung des EU-Parlaments lauten? Oder anders gefragt: Wie erzielt man einen bestmöglichen Kompromiss zwischen dem Wunsch, dass kein Material ohne Vergütung mehr online geht und die Urheber angemessen verdienen und dem Wunsch, dass die Dienste ihren Dienst möglichst unbehindert weiterversehen können?
Peter Vieweger: Inhaltlich unterstütze ich die Argumentation des Rechtsausschusses. Der selektierte Informationsfluss der Lobbyisten führt dazu, dass viele der MEPs falsche Informationen bekommen. Hierdurch ist der Ausgang der Abstimmung kaum prognostizierbar.
Dementsprechend viel werden wir bis September zu tun haben, um vor allem die österreichischen MEP´s dazu zu bewegen, für die Richtlinie zu stimmen. Diese Fehlinformationen führen auch zu der Fehleinschätzung, dass die Richtlinie nachteilig für den Konsumenten ist. Letztlich befürchtet man ja seit zwanzig Jahren, dass das Ende des Internets unmittelbar bevorstünde. Trotzdem wird weiter upgeloadet und kaum jemand wird kontrolliert. Gut, manche werden verklagt, weil sie mit Musikpiraterie viel Geld verdienen. Aber noch einmal: Ich sehe es nicht als Zensur, wenn man mit der Einführung einer Richtlinie gewährleisten will, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte nicht mehr wahllos verbreitet werden können.
Und Sie wünschen sich ein offenes Ohr bei der Politik?
Peter Vieweger: Wir wünschen uns, dass sie uns zuhören und entsprechend agieren, ja
VTMÖ-Sprecher Alexander Hirschenhauser sprach im Interview mit dem mica davon, dass die Verträge mit den Streaming-Services von den Verwertungsgesellschaften abgeschlossen werden sollten. Eine gute Idee an und für sich. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt? Die Majors werden doch die Marktmacht nicht so leicht aufgeben, oder?
Peter Vieweger: Bei aller Wertschätzung für die sogenannten Major-Labels, die im Streaming eine wirtschaftliche Erhaltungsplattform gefunden haben, ist der Status Quo so, dass was die Künstler zB. über Spotify erhalten, sehr überschaubar ist. Für die Urheberrechte sind die Vergütungen auch nicht berauschend, unsere Abteilung für die Verteilung rauft sich die Haare über die vielen Nullen hinter dem Komma. Große Labels bekommen den Hauptanteil der Vergütungen und geben wenig an die Künstler weiter. Viele Indie-Labels hingegen teilen die Einnahmen zumindest 50:50 mit den Künstlern. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Von sich aus verzichtet niemand gerne auf ein großes Stück des Kuchens.
Streaming wird nichtsdestotrotz weiterwachsen, gerade in Märkten wie Österreich und Deutschland, wo der Anteil im Vergleich zu UK, USA und Skandinavien immer noch vergleichsweise gering ist. Segen oder Fluch?
Peter Vieweger: Wenn hier eine balancierte Wertschöpfung passieren würde, was derzeit noch nicht der Fall ist, wird man damit leben lernen müssen. Wir wären schon einmal froh, wenn die gigantischen Plattformen wie Youtube oder Facebook gesetzlich gezwungen würden, Lizenzverträge mit fairer Vergütung abzuschließen. Genau das aber wollen sie nicht, und genau deshalb wird mit der bereits zuvor genannten gezielten Fehlinformation versucht, die notwendige Urheberrechtsreform innerhalb der EU zu verhindern. Weil diese Plattformen Ihre Milliarden, die sie mit Werbung einnehmen, gesichert haben wollen. Die Verträge, die sie mit europäischen Verwertungsgesellschaften abgeschlossen haben, entsprechen nicht der tatsächlichen Nutzung und Wertschöpfung, die etwa auf Youtube passiert.
Zynisch könnte man ja auch sagen: Streaming ist ein Geschäftsmodell, das offenbar funktioniert, bei dem die Urheberinnen und Urheber aber weitgehend nicht das kriegen, was ihnen zusteht und was ihnen vorschweben dürfte, um davon leben zu können. Es gibt einen Marktführer, der von Anbeginn an rote Zahlen schreibt, und die Flucht nach vorne, den Börsegang nämlich, antreten muss, dessen Erfolg wiederum im Wesentlichen davon abhängt, ob das Investment eines chinesischen Multis namens Tewcent gutgeht oder nicht. Klingt nach einer Blase, die ebenso gut bald platzen könnte, oder nicht?
Peter Vieweger: Ja. Spotify lukriert offenbar nicht so viele Einnahmen über Werbung wie Youtube. Anders kann ich es nicht verstehen. Auch die Einnahmen über die Abonnenten sind offenbar überschaubar. Eines muss man Spotify aber zugutehalten: Sie haben von Anfang an versucht, fair zu sein und sich in Brüssel den Fragen der Kreativen gestellt und haben dort verkündet, dass sie 70% ihrer Einnahmen an die Rechteinhaber ausschütten. Was sie nicht dazu sagten war, dass sie das Geld an die Labels und nicht an die Künstler zahlen. Streaming zu einer auch für die Künstler lohnenden Angelegenheit zu machen, ist eine riesige Herausforderung, das ist unbestritten. Es wird behauptet, dass Spotify die größte Promotionsplattform darstellt, die bewirkt, dass viel mehr Leute zu Konzerten und Künstler zu Einnahmen kommen. Wahrscheinlich wird das in die Richtung gehen: Trotzdem wird man sich weiterhin bemühen müssen, dass es eine faire Vergütung für Urheber geben wird.
Gerade im Verlagsbereich sind in den letzten Jahren Joint Ventures auf den Plan getreten, die Repertoire von der österreichischen Verwertungsgesellschaft abgezogen haben. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Peter Vieweger: Das ist sehr kritisch zu sehen. Wir müssen unseren Verlegerkollegen im Vorstand großes Verständnis entgegenbringen, dass sie sich diesbezüglich Sorgen machen, ihre Einnahmen könnte dahinschmelzen wie der Schnee im Frühjahr. Wir können aber als AKM nicht viel dagegen unternehmen. Die großen internationalen Verlage haben eine riesige Macht und im Online-Bereich gezeigt, dass sie eigenständig unterwegs sein wollen. Das sind ohne Frage bedrohliche Szenarien.
„Blockchain ist ein digitales Tool, nicht mehr und nicht weniger.“
Ist die Blockchain auch eine Bedrohung – vor dem Hintergrund, dass Spotify bereits einen Blockchain-Anwender gekauft hat und in diesem Bereich experimentiert? Das könnte Spotify in die Lage versetzen, direkt mit den Rechteinhaberinnen und -rechteinhabern abzurechnen. Wäre ihnen das möglich, würde sich die Frage stellen, wo Verwertungsgesellschaften oder digitale Vertriebe bleiben.
Peter Vieweger: Das glaube ich nicht. Blockchain ist ein digitales Tool, nicht mehr und nicht weniger. Lizenz- und Gegenseitigkeitsverträge hingegen sind über Jahrzehnte gelebte Geschäftsbeziehungen, die auf gegenseitiges Vertrauen auf Basis korrekter Abrechnungen funktionieren. Blockchain hat gute und schlechte Seiten: Den Umstand, dass etwas zB. nie wieder gelöscht werden kann und dass man demnach falsche Dinge nie wieder wegbekommt, betrachte ich skeptisch. Blockchain hat aus meiner Sicht derzeit noch nicht die Wichtigkeit, die sich manche wünschen. Man hat ja auch behauptet, dass Kryptowährungen die Zukunft wären, doch es scheint, dass sie zum großen Teil auf Pyramidenspielen aufgebaut sind.
Gibt es weitere Herausforderungen?
Peter Vieweger: Ja, der Konkurrenzkampf innerhalb der europäischen Verwertungsgesellschaften insbesondere der Wettbewerb um große Repertoires wird zunehmend heftiger werden. Es ist uns zudem ein Anliegen, dass wir mehr als ServiceIeister wahr- und angenommen werden. Wir leben in Zeiten, in denen man Leute motivieren muss. Die größte Motivation ist natürlich, dass wir korrekt und schnell abrechnen. Diese Qualität müssen wir aufrechterhalten und den Schutz des geistigen Eigentums weiterhin als eine unserer größten Prioritäten begreifen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Markus Deisenberger
Link:
AKM/austro mechana