„[…] eine Masse an verschiedenen Stimmen und Stimmungen“ – ROSA ANSCHÜTZ im mica-Interview

ROSA ANSCHÜTZ lautet der Name einer jungen Künstlerin, deren Onlinepräsenz vor allem einen mysteriösen Touch hinterlässt. Ihr Sound bewegt sich wellenartig zwischen innen und außen, Intimität und Selbstreflexion – die Stimme dient als zentraler Vermittler. Die Atmosphären und Worte sind dabei wie ein kurzer Blick nach innen. Mit Ada Karlbauer sprach ROSA ANSCHÜTZ nun über Monologe, das Archivieren von Erinnerung durch Sound und das Herumschwirren um ein Thema.

Aus welcher Motivation heraus haben Sie begonnen, Musik zu produzieren ?

Rosa Anschütz: Das Musikmachen war schon immer da, seit ich denken kann. Mit dem Produzieren hat das so vor zwei Jahren angefangen, da ich die Möglichkeit bekommen hatte, in einem guten Studio Aufnahmen zu machen. Ich bin mir sicher, das hat meinen Arbeitsprozess sehr unterstützt und geformt. Ich bin eigentlich Berlinerin, lebe und studiere aber in Wien, wo ich auch die ersten Skizzen aufnehme und im Studio der Universität für angewandte Kunst manchmal bis vier Uhr morgens jamme. Vieles entsteht spontan, ohne groß darüber nachzudenken. Vor allem jene Tracks, die ich mit dem modularen Synthie aufnehme, sind eine reine Suche nach einem guten Sound.

Der Sound nimmt sich Zeit, fordert die Hörerinnen und Hörer durch Subtilitäten. Welche Atmosphären möchten Sie durch die Musik hervorrufen?

Rosa Anschütz: Mir ist es wichtig, Klangteppiche zu erzeugen, eine Masse an verschiedenen Stimmen und Stimmungen. Die wird an die Zuhörerinnen und Zuhörer herangespült wie eine Welle und irgendwann bricht sie. Die Musik ist für mich der ehrlichste Zugang zu mir selbst, Konzerte sind für mich sehr intim und besonders. Es geht auch viel um Erlebtes und Beobachtetes, das verarbeitet wird. Ich finde, meine Texte sind wie einen Monolog mit mir selbst. Ich glaube, ich verhandle vor allem nur mit mir und anderen.

Die Soundästhetik lässt insgesamt sofort an Wave, Dark Wave und ähnliche Subgenres denken. Wie prägend sind diese musikalischen Historien konkret?

Rosa Anschütz: Schon sehr prägend. In Berlin habe ich im Alter von 15 Dark Wave und Post-Punk für mich entdeckt und mich auch in einem sehr prägenden Umfeld von Musikerinnen und Musikern aufgehalten. Es war nur eine Frage der Zeit für mich, auch in die Richtung musikalisch zu gehen, obwohl ich meine Musik nie nur einem Genre entsprechend angehe, das finde ich dann auch wieder langweilig.

„Musik ist für mich der ehrlichste Zugang zu mir selbst”

Welche Rolle spielt Romantik als musikalischer Gestus bzw. Melancholie als Pose?

Rosa Anschütz: Ich kann von mir sagen, dass ich ein sehr sensibler Mensch bin, aber eher selten in romantischer Stimmung schwelge und das dann auch mit Musik ausdrücken möchte. Tiefe findet man auch in Trauer oder Schmerz wieder und das finde ich interessanter festzuhalten. Generell ist eines der stärksten Dinge, die Musik kann, eine Stimmung festzuhalten und einem die Möglichkeit zu bieten, sich das später noch einmal anzuhören und sich genau zu erinnern, wie man sich gefühlt hat.

Welche zeitgenössischen musikalischen Entwicklungen, Trends, Hypes verfolgen Sie besonders?

Rosa Anschütz: Ich höre eher weniger gehypte Musik oder Trends, sondern vielmehr das, was zufällig bei mir ankommt. Auch kann ich mich in Hysterie oder Hype stimmungsmäßig gar nicht wiederfinden.

Sie hatten in den vergangenen Jahren Auftritte in Japan, Deutschland und Österreich. Wie nehmen Sie diese internationalen Szenen im Vergleich wahr?

Rosa Anschütz: Es ist schwer, Orte zu vergleichen, da eine Stadt auch nicht immer ihrem Land entspricht. So habe ich Tokio völlig anders wahrgenommen als Kyoto oder Kanazawa. Genauso entspricht Berlin für mich nicht Deutschland. Ich denke, eine Musikszene kann sich überall bilden. Hier in Wien ist es auf jeden Fall beschaulicher als in Berlin und die Noise- und Modularszene ist super.

Was sind Ihre Gedanken zur Körperlichkeit bei Konzerten?

Rosa Anschütz: Sehr wichtig. Bewegung und Sport entspannen und sind auch notwendig, um mich wohlzufühlen. Je mehr ich meinen Körper spüre, desto mehr habe ich eine Präsenz auf der Bühne

Ein wiederkehrendes visuelles Leitmotiv ist die Wespe, und zwar bei den Live-Shows als auch als auditive Referenz und bei digitalen Mixen.

Rosa Anschütz: Für mich ist die Wespe ein sehr elegantes Tier, das aber durchaus gefährlich wird, wenn es Angst bekommt und zusticht. Die Musik ist ähnlich aufgebaut. Es wird um ein Thema herumgeschwirrt und wenn es wehtut, dann wird es auch beim Namen genannt, es wird also zugestochen. Wespen sind ständig um uns herum und haben eigentlich immer unsere volle Aufmerksamkeit, wenn sie uns sehr nahekommen. Das finde ich toll.

Kürzlich erschien auf SoundCloud das Preview der kommenden EP „Knit of the Gallows“. Was wird hier verhandelt?

Rosa Anschütz: Das ist eine Andeutung, könnte man sagen. Hinter „Knit of the Gallows“ steckt ein noch größeres Projekt, das ist noch längst nicht fertig. Es ist schon viel geplant, ich arbeite momentan mit mehreren Musikern zusammen und mache Aufnahmen. An dem Solo-Zeug wird auch weitergefeilt. Ich denke, man hört da nicht auf, Schritte zu machen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Ada Karlbauer

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