Eine konzentrierte künstlerische Auseinandersetzung schafft besondere Glücksgefühle – Alexander Moosbrugger im Porträt

Vor einigen Jahren hat Alexander Moosbrugger seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin verlegt. Das tat seiner Komponistenkarriere gut, denn im benachbarten Ausland finden sich seine Werke immer öfters auf Festivalprogrammen. Im vergangenen Jahr erhielt Alexander Moosbrugger die Möglichkeit, beim „International Gugak Workshop“ in Südkorea einen Workshop zu besuchen. Die koreanische Musik und vor allem die Zeitgestalten dieser Musik haben nachhaltig auf die kompositorischen Ausdrucksformen des Komponisten gewirkt.

Impulse aus Südkorea

In der koreanischen Musik werden kleine musikalische Ereigniseinheiten in vielfältiger Weise variiert und bis in kleinste Details rhythmisch und musikalisch modifiziert und im Hinblick auf emotionale Nuancierungen ausgedeutet. Dabei ist die Musik hinsichtlich ihrer Zeitgestaltung eng mit Sprachmelodie und Atemzyklus verwoben. Vor allem diese Beobachtungen haben Alexander Moosbruggers Interesse geweckt und sein eigenes Schaffen maßgeblich erweitert sowie seine bisherige musikalische Welt komplettiert.

Die Wurzeln kennen

Alexander Moosbrugger ist ein unermüdlicher Forscher, der Entdeckungen aus der Vergangenheit für seine eigene kompositorische Arbeit fruchtbar macht. Neben der Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Werken, deren Partituren er analysiert, findet er oft auch in alten Quellen bisher Unentdecktes. Derzeit liegen auf seinem Schreibtisch die Schriften des Musikgelehrten Marchettus de Padua, der im 14. Jahrhundert die Ganztöne nicht wie heute üblich lediglich in zwei Halbtöne geteilt hat, sondern in fünf.

Weiters studiert Alexander Moosbrugger derzeit die Kompositionsstudien von Thomas Attwood, einem britischen Komponisten, der bei Wolfgang Amadeus Mozart über zwei Jahre hinweg Kompositionsunterricht erhalten hat. Diese Studien wurden musikwissenschaftlich hervorragend aufbereitet und geben nun Einblicke in den kompositorischen Werdegang eines Komponisten, der vom Meister Mozart persönlich unterrichtet worden ist. Das Wissen um die Ursprünge und Wurzeln des eigenen kompositorischen Ausdrucks sind Alexander Moosbrugger wichtig. Vor allem auch deshalb, weil er den Zuhörenden erfahrbar machen möchte, dass heutzutage niemand das Rad neu erfindet, sondern auf bereits vorhandenem Wissen aufbaut.

Maßgeschneiderte Programme und Experimente

Als Organist genießt Alexander Moosbrugger einen hervorragenden Ruf. Neben seiner Spielart fällt auch die durchdachte Programmgestaltung auf. Jeweils dem Instrument und seiner Farbe entsprechend, wählt der Organist genau jene Stücke, die für das Instrument maßgeschneidert wirken. Kürzlich hat in Berlin ein Konzert stattgefunden, bei dem der Organist mit Musikerkollegen sowie analogen Synthesizern, Turntables und Live-Electronics sowie Video improvisiert hat. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit war so spannend, dass Alexander Moosbrugger diese Arbeit, bei der man „fast wie ein Löwenbändiger in Aktion sein muss“, fortsetzen wird.

Die Stimmung macht die Farbe

Sein besonderes Interesse gilt den Stimmungen der Orgeln. Auf einer Orgel ist die Lautstärke jedes einzelnen Tones mehr oder weniger vorgegeben. Umso bedeutender ist der Zusammenklang der Stimmen. Die Obertonreihe und das Zusammenklingen der Töne miteinander beruht auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die seit Jahrhunderten die Musikgelehrten beschäftigen. Im Wesentlichen geht es dabei um einen kleinen Differenzton. Wenn man sieben Oktaven oder zwölf Quinten übereinander schichtet, landet man nicht beim selben Ton, sondern es bildet sich eine Differenz von einem kleinen Tonschritt (das pythagoreische Komma). Diese Differenz muss vor allem bei Tasteninstrumenten ausgeglichen werden. Dafür wurden unterschiedliche Stimmungsmodelle entwickelt. Jedes einzelne Modell stellt jedoch einen Kompromiss dar, weil man gewissermaßen jeden Ton ein klein wenig „verstimmt“.

Das Zusammenwirken der Töne

Zahlreiche Musiktheoretiker und Komponisten haben sich in der Vergangenheit und beschäftigen sich auch in der Gegenwart mit der sogenannten „reinen Stimmung“ und wie man zwei zusammen erklingende Töne mikrotonal aufspalten kann. Genau diese Thematik fasziniert auch Alexander Moosbrugger und er setzt sich in seinen Kompositionen eingehend damit auseinander. Im Werk „Jemand sagt >bleib<“, einer Suite in fünf Gedanken für zwei Bassklarinetten und Konfettikanonen, ist ein originär entworfenes Stimmungsmodell vorgestellt. In „Zwei Linien“ für Violine und Violoncello flossen historische Temperaturen (Werckmeister III und IV) ein, eingesetzt als Symbole, die der Musik einen ganz eigenen Charme und eine charakteristische Farbe verleihen. Auch Bearbeitungen historischer Kompositionen finden sich in der Werkliste von Alexander Moosbrugger. Beispielsweise hat er ein Stück aus dem „Livre d’orgue“ von Nicolas de Grigny für Ensemble instrumentiert und dabei sehr genau auf reine Terzenbildungen geachtet.

Stipendium für Venedig

Vom deutschen Kulturministerium hat Alexander Moosbrugger kürzlich ein Stipendium erhalten, das ihm einen mehrmonatigen Studienaufenthalt in Venedig ermöglicht. Weil Stipendien meistens nationalstaatlich vergeben werden, ist es bemerkenswert, dass gerade Alexander Moosbrugger das in Deutschland zu vergebende Stipendium zuerkannt worden ist. Für die Zeit in Venedig hat sich der stets wissbegierige Komponist schon ein Forschungsthema vorgenommen. Dort findet er Zeit und Gelegenheit, sich mit dem Paragone, das ist der Wettstreit der Künste in der Renaissance und im Frühbarock, auseinander zu setzen. Dieser Disput hatte einen direkten Einfluss auf die Künstler der Zeit.

In diesem Zusammenhang betont Alexander Moosbrugger, dass ihm auch gegenwärtig ein Diskurs zwischen Künstlern als notwendig erscheinen würde. Festivals könnten dafür den geeigneten Rahmen bieten. Doch allzu oft wird oberflächlich gearbeitet und ein Etikettenschwindel betrieben, der keine nachhaltigen Auswirkungen auf inspirierte Künstler hat.

Vorhaben und Aufträge

Während der kommenden Monate hat Alexander Moosbrugger zahlreiche Vorhaben. In Vorarlberg ist er im Rahmen der Hohenemser Chor- und Orgeltage mit einem Orgelkonzert zu erleben. Das Werk „Jemand sagt >bleib<“ ist im Dezember im Feldkircher Palais Liechtenstein zu hören. Vor seinem Venedigaufenthalt konzertiert er im Französischen Dom in Berlin. Das Ensemble Phönix aus Basel spielt im Frühling die Uraufführung des Auftragswerkes in London. Folgeaufführungen finden in Krems, Bern und Basel statt. Als nächstes entsteht ein Werk für den Kontrabassisten Theo Nabicht und die Geigerin Susanne Zapf, das im April 2013 in Berlin und der Stadt Brandenburg präsentiert wird. Und im Auftrag von Alfred Knüsel komponiert Alexander Moosbrugger ein neues Werk, das in Luzern erstmals aufgeführt werden soll.
Silvia Thurner

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, im Oktober 2012 erschienen.

Factbox:
Freitag, 7. Dezember, Palais Liechtenstein Feldkirch. 17:30 Uhr
Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm, Kontrabassklarinette.

Foto: Katja Hiendlmayer

https://phace.at/project/alexander-moosbrugger/
http://www.musikdokumentation-vorarlberg.at