„Eine Europa-und-drüber-hinaus-Reise der Streichmusik“. MESSIS CELLOGRUPPE rund um Evelyn Fink-Mennel stellt ihre erste CD vor

Messis Cellogruppe – welch ungewöhnlicher Name für eine Band. Wer daraus schließt, dass hier Cellistinnen und Cellisten miteinander musizieren, die von einer unbeherrschbaren Sammelleidenschaft geplagt oder gar mit dem berühmten Fußballer verbandelt sind, liegt falsch. Den außergewöhnlichen Bandnamen verdankt das Bregenzerwälder Streicherkollektiv, bestehend aus sechs Geigen, zwei Celli und einem Kontrabass, dem Schwarzenberger Pfarrer Josef Senn. Er bedankte sich nämlich nach einer Messgestaltung bei „der Cellogruppe“ für die schöne Musik.

Viel gemeinsames Musizieren ohne Noten, stets geleitet vom gegenseitigen Aufeinander-Hören, gemeinsamen Singen und dem Nachspielen von Gesungenem prägt den Sound von Messis Cellogruppe auf unverwechselbare Weise. Während der Coronazeit kam der umtriebigen Pädagogin, Musikantin, kreativen Mentorin und Ensembleleiterin Evelyn Fink-Mennel die Idee, die Bandmitglieder Cäcilia Dorner, Julia Jackel, Pia Mennel, Cornelius Nenning, Irma-Maria Troy (Violine), Miriam Dorner, Maria Knauseder (Violoncello) und Lena Simeoni (Kontrabass) ins Studio zu bitten und das gemeinsam über die Jahre erarbeitete Repertoire auf einer CD zu dokumentieren.

Wurzeln schlagen und Kreise ziehen

Evelyn Fink-Mennel unterrichtet am Vorarlberger Landeskonservatorium sowie an der Rheintalischen Musikschule in Lustenau. Seit Jahren organisiert sie unter anderem die zwei renommierten Musikwerkstätten im Rahmen des Festivals Glatt&Verkehrt in Niederösterreich und Radix beim Walserherbst. Die Wurzeln von Messis Cellogruppe gehen auf die Musikwerkstatt Glatt&Verkehrt zurück, als die Musikpädagogin einige ihrer Schülerinnen, die sie im Bregenzerwald im Kinderstreichorchester mit dem vielsagenden Namen Sägewerk zusammengeführt hatte, mit nach Göttweig nahm. Dorthin brachten herausragende Persönlichkeiten der internationalen und österreichischen Volksmusikszene, wie der dänische Folkgeiger Harald Haugaard oder der Wiener Tanzgeiger Rudi Pietsch Stücke mit, die das Repertoire der Messis in alle Himmelsrichtungen erweiterten.

Den Horizont erweitern und die eigene Peergroup sein

Evelyn Fink-Mennel hat eine besondere Gabe, junge Menschen zu motivieren und ihnen ein musikalisches Qualitätsbewusstsein zu vermitteln. Selbst wurde sie in der Volksmusik sozialisiert, ein Studium in Wien erweiterte den musikalischen Horizont, verbunden mit ihrem Elan und ihrer Kreativität entwickelt sie mit „ihren“ jungen Leuten einen ganz eigenen Sound. Diesen hätten sie nicht nur von anderen gelernt, führt die Ensembleleiterin und Pädagogin aus, denn die Messis seien auch ihre eigene Peergroup, sie lernen voneinander.

Den individuellen Klang der Tunes machen auch spezielle Arrangements aus. Verbindungslinien sind in vielen Musikstücken über alle Genres hinweg zu finden. Ein Werk mit dem originellen Titel „Telefrauen und Telemänner“ nimmt beispielsweise Bezug auf den Barockkomponisten Georg Philipp Telemann und führt diese mit Tanzmusik aus dem Montafon zusammen. In „Kraut und Rüben“ wird fantasievoll eine Goldbergvariation von J. S. Bach in einen Kinderreim übergeführt, der dann den Weg in eine groovige Battle findet. „So lebt die Musik plötzlich über zeitliche und scheinbar stilistische Grenzen hinweg in ganz neuen musikalischen Verwandtschaftsverhältnissen. Es gehört zum Profil von Messis, Stücke neu zu arrangieren, Vertrautes zu überdenken und in neue Kontexte zu stellen“, merkt Evelyn Fink-Mennel an.

Musizieren ohne Noten macht den Groove

Zuhörende erleben die Messis nie mit Notenblättern vor ihren Gesichtern. Diese Freiheit macht es möglich, sehr spontan als Band auf musikalische Impulse, das Publikum und Situationen zu reagieren. Sie seien eine eingespielte Truppe, unterstreicht die Leiterin, und wenn man ohne Noten arbeite, könne man das Wissen, so wie es geistig, motorisch und durch Spielerfahrung memoriert ist, ein Leben lang und stets unmittelbar abrufen.

Dass die jungen Menschen Visionen in Form von Spiel- und Auftrittserfahrungen brauchen, sieht Evelyn Fink-Mennel als Auftrag. Deshalb haben die „Messis“ bereits mehrere Tourneen nach Dänemark und England sowie ins Wiener Konzerthaus unternommen. Grenzen auch musikalisch zu überschreiten, ist dabei ein großes Anliegen. Denn gerade bei den Tourneen relativieren sich eingeführte Meinungen und erkennen die Jugendlichen den musikalischen Wert auch der eigenen Tradition. Was uns zu Hause vielfach schon als zu bekannt, zu abgespielt vorkommt, begeistert andernorts das Publikum und es wird von ihm auch eingefordert. „Ein schönes Erlebnis hatten wir 2017 in England“, erzählt Evelyn Fink-Mennel. „Im englischen Torquay wollten die Menschen nicht hören, wie wir englische oder irische Musik spielen, die wir ja auch im Programm haben. Dort wurde gefragt: Wo kommt ihr her und wie klingt’s bei euch? In einem Pub haben wir dann Walzer, Galopps, Schleunige und Jodler aus der alpinen Musiklandschaft gespielt und gesungen. Der Pubbetreiber ist auf uns zugekommen und hat geschwärmt, wie cool und freudig unsere Musik sei, denn die englische Musik sei oft in Moll und hätte eine vielfach traurige Grundstimmung. Diese vergleichende Sichtweise macht was in den Köpfen der Musikerinnen und untermauert die kommunikativen Fähigkeiten von Volksmusiken als Dialekte verschiedener Landstriche.“

Alle Rollen spielen

Auf der CD von Messis Cellogruppe begeistert nicht nur die Vitalität der eingespielten Tunes, sondern auch der Gesamtklang der Band. Singen und Jodeln sind selbstverständlich mit dem Musizieren verbunden und dienen als wichtige Gestaltungselemente, die gut und gerne in Arrangements eingebaut werden. „Wir spielen, wir singen, wir tun beides unmittelbar gemeinsam, dann legen wir die Instrumente weg und singen a capella oder jodeln. Es soll, es muss, musikalisch ein weiter Kosmos sein“.

Liveauftritte bei verschiedensten Anlässen sind für Messis Cellogruppe essentiell bedeutend, denn nur auf der Bühne erlernen die Musikantinnen und Musikanten den Reiz und die Bedingungen des spontanen Kommunizierens. Diese Erfahrungen könne man nicht im Klassenzimmer machen. „Die Leute lernen dort das ‚Flexibel-werden‘“, so die Ensembleleiterin, „fällt eine tragende Stimme aus, so muss schon einmal jemand diese Rolle unmittelbar übernehmen. Weil wir ohne Noten lernen und jeder in der Gruppe in der Einstudierungsphase das Stück als Gesamtes kennenlernt, können die Ensemblemitglieder hier relativ schnell reagieren. Also die fehlende zweite Stimme ergänzen, die Bassfunktion oder eine Füllstimme übernehmen oder erfinden. Diesen Rollentausch lernt man vor allem in der Anwendung, im Tun, und meistens in einer Art ,Notsituation‘, weil es auch nur dann gefordert ist.“

Evelyn Fink-Mennels Engagements auf vielen Ebenen lassen die Idee von Messis Cellogruppe an mehreren Orten des Landes auf- und weiterleben. So musizieren unter ihrer Leitung auf dieselbe Art und Weise die Kons-Fiddler am Vorarlberger Landeskonservatorium, die Fiddle-Kids an der Rheintalischen Musikschule und die Teilnehmenden der Kinder-Fiddleklasse bei der Radix-Musikwerkstatt sowie der Sommer-Fiddle-School im Bregenzerwald.

Musikpädagoginnen und -pädagogen aufrütteln

Diese Art des Tuns und Wirkens könnte die herkömmliche Musikerziehung an den Musikschulen, aber auch an den Pflichtschulen aufrütteln und methodisch ergänzen. Frühe Förderungen und das selbstverständliche Musizieren und Singen ohne Noten sind Qualitäten, die leider an den wenigstens Orten praktiziert werden. Eine Vorreiterstellung nimmt diesbezüglich die Rheintalische Musikschule in Lustenau ein, wo die Direktorin Doris Glatter-Götz eine Klasse für das Musizieren ohne Noten eingerichtet hat. Inzwischen haben die Fiddle-Kids aus Lustenau bereits bei einer CD-Produktion mitgewirkt und im Mai 2022 unternehmen sie gemeinsam mit den Kons-Fiddlern die erste Reise nach Luxemburg, wo sie beim European-Youth-Music-Festival Remix 22 teilnehmen.

Messis Cellogruppe lebt vor und das frisch eingespielte Album „… fast live!“ lässt Musikbegeisterte miterleben, zu welchen Höhenflügen ein lebendiger Musikschulunterricht führen kann. Nachahmerinnen und Nachahmer wären in der heimischen Musikszene sehr willkommen.

Silvia Thurner

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im September 2021 erschienen.

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Die CD mit informativem Booklet ist bei Behmann Papier/Egg, Musikladen Feldkirch, Vorarlberg Museum Bregenz, MEPUR Dornbirn Stadt erhältlich.

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Evelyn Fink-Mennel