ZELDA WEBER wird als “the next big thing” im heimischen Soul gehandelt. Zu Recht, denn ihr brandneues Album „Crude” bietet weit mehr als nur Musik, die von Retro-Charme lebt. „Crude” (Monkey Music) ist Soul auf der Höhe der Zeit. Dringlich, abwechslungsreich und vor allem eines: Persönlich. Zeldas Stimme ist mal druckvoll, mal nimmt sie sich gekonnt zurück. Erstaunlich, wie sie dabei vor allem auch die leisen Töne meisterlich beherrscht. Kurz vor ihrer CD-Präsentation sprach sie mit Markus Deisenberger über Abgründe, Aretha Franklin und den Ort, an dem sie ehrlich sein kann.
Du bist in Köln geboren. Würdest du sagen, du bist eine “Kölsche Frohnatur” im klassischen Sinne?
Zelda Weber: Die machen dort gerne Party. Darauf spielst du wohl an. Köln ist ja nicht unbedingt eine schöne Stadt, aber die Leute sind sehr nett. Ich weiß nicht, ob ich mich unbedingt als Kölnerin bezeichnen würde. Ich bin ja auch keine Wienerin, ich bin in die Steiermark gekommen, als ich fünf Jahre alt war. Ich bin immer dort, wo ich gerade bin, aber ich mag den trockenen kölschen Witz ganz gerne. Einen Witz, den nicht alle verstehen. Das mag ich. Ich hab´ ein paar Leute, bei denen ich den dann auspacken kann.
Das Album kommt nun in der Fastenzeit raus und nicht im Karneval.
Zelda Weber: Es ist aber auch kein Karnevalsalbum, oder?
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Überhaupt nicht. Die Single „Go!” geht richtig nach vorne, es finden sich dann aber doch auch sehr traurige Titel darauf. Was sind deine Themen?
Zelda Weber: Ich bin einfach nur ehrlich am Klavier. Das ist der Ort, wo ich das tun kann, was ich tun will. Und man ist halt nicht nur glücklich. Gerade wenn ich allein bin, habe ich das Bedürfnis zu reden und dann entstehen die Songs.
„Collusion” ist ein sehr trauriger, dafür umso schönerer Titel. Worum geht es?
Zelda Weber: Darum, dass die Leute zu wenig miteinander reden. Ich habe damals mitbekommen, wie sich zwei Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg etwas verschwiegen haben. Oft wäre es, wenn man nur einmal die Wahrheit auf den Tisch legen würde, viel einfacher. Davon handelt der Song.
Von mangelnder Aufrichtigkeit also?
Zelda Weber: Wenn die beiden zusammenkamen, schwiegen sie und sulzten komisch herum. Dass man ehrlich sein und auch mal schlechte Dinge ansprechen darf – gerade in Freundschaften und Beziehungen -, ist ungemein wichtig. Dass es einfacher wäre, wenn man miteinander redet, als ständig nur drumherum, und so den Ballast immer weiter mit sich herumträgt.
Schön, dass du mit Ehrlichkeit beginnst. Gerade im Genre des neuen Soul oder auch Retro-Soul gibt es oft Alben, finde ich, die echt gut sind, und trotzdem beschleicht einen das Gefühl, das alles so schon mal gehört zu haben. Es wirkt zwar authentisch, aber nicht unbedingt ehrlich. Bei deinem Album geht es mir anders: Ich habe das Gefühl, du meinst jede Note so, wie du sie singst – ein Gefühl, das sich dem Hörer einprägt und das er nicht mehr loswird.
Zelda Weber: Genau deshalb mache ich Musik. Ich mache nicht Musik, um Musik zu machen. Ich mache Musik, um mich auszudrücken. Ich habe mich auch nicht nie dezidiert dazu entschieden, Soul zu machen. Es ist einfach so geworden, wie es sich angefühlt hat.
Als Teenager gab es sicher Naheliegenderes, um musikalisch anzudocken als Billie Holiday. Wie lief das?
Zelda Weber: Ich habe viel Musik aus den 1950er und 1960er Jahren gehört. Auf Spotify geht das leicht, dass man sich von einem Song zum anderen treiben lässt. Und dann hatte ich noch alte Jazz-Platten von meinem Opa. Mir hat das einfach gefallen, weil ich das Gefühl hatte, da redet jemand wirklich, da erzählt jemand von sich und ich lerne durch die Musik jemanden kennen. Das finde ich das Schöne an Musik: Wenn ich jemanden kennenlernen kann. Wenn ich das Gefühl habe, da ist jemand, der mit mir redet. Da ist jemand, der mich versteht.
Ich mag das: Geschichten anzuhören, Geschichten, die jemand über sein Leben erzählt. In der Musik lässt sich das, was in einem Leben passiert, ja auch ganz anders rüberbringen. Aus der Kombination aus Melodie und Geschichten wird etwas ganz Eigenes.
In deinen Texten spielt das Zwischenmenschliche eine bedeutende Rolle. Kann man das so sagen?
Zelda Weber: Ich bin ein sehr sensibler, manchmal zu sensibler Mensch. Und wenn die Gefühle zu groß werden, kann ich nur damit umgehen, indem ich Musik draus mache.
In „Go!”, habe ich gelesen, geht es um die „Flucht ins eigene Leben”. Das klingt erst mal gut, ist aber erklärungsbedürftig. Was genau ist damit gemeint?
Zelda Weber: Ich war am Land immer ein wenig der Fremdkörper. Es hat einfach lange nicht gepasst und ich hab´ mich nicht so wohlgefühlt. Ich hatte die Musik, ja, und dass ich das in Wien machen kann, mein eigenes Leben in die Hand nehmen und es selbst gestalten kann, ist ein Geschenk. Ohne mir anhören zu müssen, wie es sein sollte. Ich darf in den Songs sagen, was ich will, ohne darüber nachdenken zu müssen, ob irgendetwas vielleicht nicht den Normen entspricht.
War es am Land denn so konservativ?
Zelda Weber: Ich will das gar nicht schlechtreden. Das sind auch alles nette Menschen, aber halt nicht unbedingt mein Schlag. Ich ging in eine sehr konservative und sehr christliche Schule, aber bin halt nicht religiös.
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Da warst du aber sicher nicht die einzige, oder?
Zelda Weber: Nein, ich hatte schon meine Leute, aber es ist trotzdem immer mitgeschwungen. Es gab keinen Ausbruch. Es gab keinen Ort, an dem man sich ausleben konnte. Ich glaube auch, dass es eine ganz andere Seite von Fürstenfeld gibt, ich habe sie halt nur nicht mitbekommen. Gelebt habe ich in Burgau. Das ist ein netter Ort in einer netten Gegend, aber ich bin einfach ein Stadtmensch.
Die Langeweile, die einen in einer Dorfgemeinschaft umfängt, kann auch eine positive Wirkung haben: Es bleibt einem nichts übrig, als Musik zu machen…
Zelda Weber: Langweilig ist mir nie. Aber das stimmt natürlich: Wenn es nichts gibt, dann konzentriere ich mich auf die Musik. Nur laut sein durfte man halt nicht. Jetzt muss ich mich in Wien mit den Nachbarn darauf einigen, dass ich Klavier spiele. In meiner letzten Wohnung klopfte ständig jemand mit dem Besenstiel.
Zu mir hat ein berühmter Musiker mal gesagt: Wenn du ein Instrument wirklich gut lernen willst – und die Stimme ist ein Instrument – dann musst du wirklich viel lernen und dann das Meiste davon wieder vergessen. Wie war das bei dir?
Zelda Weber: Das ist nicht so meine Philosophie, nein. Ich glaube, es steckt was in dir, und das versuchst du rauszuholen. Und das ist dann auch das, was du am besten kannst. Also: Einfach mal tun und schauen, was passiert.
Aber es gab sicher auch Leute, von denen du dir etwas abgeschaut hat, oder?
Zelda Weber: Ja, klar. Am meisten durchs Anhören von Musik. Was ich toll fand und was ich können wollte.
Zum Beispiel?
Zelda Weber: Ich fand Aretha Franklin immer toll, weil sie auch in der Höhe noch so eine tolle Stimme hat. Diese Inbrunst und das Rausschreien von Emotion.
Ist solch eine Meisterschaft nicht auch einschüchternd?
Zelda Weber: Nein, weil ich niemals Aretha sein werde. Ich will auch gar nicht klingen wie sie. Aber dieses sich einer Situation total Hingeben, einem Song verfallen und die Umwelt nicht mehr mitbekommen, weil man so drin ist – das fand ich immer toll. Die ist irgendwann in ihrer ganz eigenen Welt.
Und sie kann es immer noch: Es gibt diesen Auftritt zu Ehren Carole Kings.
Zelda Weber: Du meinst den, wo sie im langen Pelzmantel kommt und “Natural Woman” singt?
Genau den.
Zelda Weber: Mega. Unfassbar gut. Du merkst: Das steckt einfach in ihr. Das Alter spielt keine Rolle.
Hat dich der Retro Soul des Daptone-Labels mit Sharon Jones und anderen beeinflusst?
Zelda Weber: Ich höre nicht nur Soul, ich höre durch die Bank. Ich mag auch Musk, die draufhaut. Punk. Alles, was eine gewisse Dringlichkeit hat. Das muss nicht unbedingt Soul sein.
Apropos Dringlichkeit: Du wirst gerade als das nächste große Ding gehandelt. Ist das befreiend oder verspürst du doch auch einen gewissen Druck?
Zelda Weber: Ich sehe das als ein Marketing-Ding und will mir das gar nicht zu sehr aufbinden, “the next big thing” zu sein. Ich mache einfach das, was ich mache, und schau, was dabei rauskommt.
Wie kommst du zu deiner Band?
Zelda Weber: Das sind alles Musiker:innen, die ich bei Jam Sessions in Wien, im Loop und bei Frau Mayer, kennengelernt habe. Anfangs war ich solo unterwegs, dann kamen knapp vor meinem ersten Auftritt Mina am Bass und Magda am Piano dazu. Seitdem gibt es uns. Heute stehen wir zu fünft auf der Bühne.
Die Produktion ist echt fett, braucht keinen internationalen Vergleich zu scheuen. Wer sind die Verantwortlichen und wie bist du zu ihnen gekommen?
Zelda Weber: Zu Bob Gutdeutsch bin ich über Walter Gröbchen gekommen, zu dem ich davor über zwei Demo-CDs – nur Klavier und Stimme – kam, die meine Eltern einfach Leuten in die Hand gedrückt haben. Walla Mauritz von Novaks Kapelle fand das so cool, dass er eine CD an Walter Gröbchen weitergab. Und über Walter Gröbchen kam ich schließlich zu Bob Gutdeutsch. Gemeinsam haben wir das halbe Album gemacht, nur hatte er irgendwann keine Zeit mehr, weil er Soko Donau machen musste. Das war sehr schade, weil die Zusammenarbeit mit ihm super war. Einen Song habe ich daraufhin mit Fiaker Studios („Collusion”) gemacht und einen mit Martin Wagner („The Truth”). Ja, und dann habe ich wieder jemanden gesucht. Bei meinem ersten Auftritt habe ich mich mit der Veranstalterin gut verstanden. Die gab mir die Nummer von Patrick Pulsinger. Mit ihm haben wir die Songs mit der Live-Band gemacht.
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Interessant, weil das Album trotz völlig unterschiedlicher Produzenten wie aus einem Guss klingt
Zelda Weber: Danke. Ja, so bastelt man sich´s halt zusammen
Wird es live so wie auf Platte klingen oder anders?
Zelda Weber: Live darf es sich immer noch weiterentwickeln. Songs verändern sich.
Ein Album ist für dich also nur eine Momentaufnahme?
Zelda Weber: Ich finde, ein Song ist nie fertig. Das Gefühl zum Thema ändert sich je nach Lebenslage, und deshalb verändert sich auch ein Song immer weiter. Ein Gefühl, das ganz frisch ist, eine Geschichte, die ganz frisch ist, nimmt man ganz anders wahr als wenn man sie später, mit mehr Distanz und Lebenserfahrung, noch mal betrachtet.
Ich habe gelesen, du liebst Neuanfänge?
Zelda Weber: Ja. Wenn ich zu lange wo bin, verspüre ich den unwiderstehlichen Drang, etwas von Neuem zu beginnen. Sich anders vorzustellen und groß zu denken, macht Spaß. Wien war so ein Neuanfang. Am Anfang war ich die ganze Zeit in der Stadt unterwegs. In letzter Zeit bin im Jahrestakt umgezogen, und nach jedem Umzug sucht man sich da wieder seine Welt zusammen. So eine Stadt kann ja vieles sein.
Müssen wir uns also sorgen, dass du Wien bald wieder verlässt?
Zelda Weber: Nein, ich bleib erst mal. Ich fühle mich in Wien sehr wohl. Jetzt hab´ ich das Album fertig, das ist ja auch ein Neuanfang. Und der Frühling kommt, ein weiterer Neuanfang. Während der Wartezeit auf das Album habe ich ein paar neue Songs geschrieben. Ich weiß noch nicht, in welche Richtung es geht, vielleicht wird es ein bisschen elektronischer, vielleicht aber auch nicht. Ich will mich noch nicht festlegen, etwas ausprobieren. Es macht Spaß darüber nachzudenken.
Worum geht es in “The Truth”?
Zelda Weber: Das ist mein intensivster Song. Da ging es mir nicht gut, es taten sich Abgründe auf. Im Song geht es um den Punkt im Leben, wo man nicht gern zugibt, dass sich einen der Abgrund auftut, dass die Traurigkeit und das Versinken in einer dunkleren Welt auch ein Teil des Lebens sind. Es fällt mir immer noch schwer, das live zu singen. Genau dadurch ist sie aber auch eine meiner liebsten Nummern. Da übermannt es mich dann auch mal. Und auch wenn es mir gerade gut geht, erinnere ich mich daran, wie schlecht es mir mal ging und wie schnell man das wieder verdrängt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Markus Deisenberger
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Zelda Weber Albumpräsentation
7.3. Radiokulturhaus Wien
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