„[…] ein gewisses Faible für Detail-Kram […]“ – LISTEN TO LEENA im mica-Interview

Die Frontfrau und Songwriterin LUCIA LEENA wird samt einem Quartett an Musikern zu LISTEN TO LEENA. Auf dem neuen, zweiten Album „Pendulum“ (Kleio Records) hat die Band ihren eigenen Stil eindrucksvoll gefunden: eine Fusion aus Singer-Songwriter, Soul und Pop. LUCIA LEENA (Gitarre und Gesang), JAKOB MAYR (Posaune und Trompete) und FELIPE RAMOS (Bass) sprachen mit Sebastian J. Götzendorfer über die Symbiose von Musik und Tanz, Kontrollverlust, Stimmverlust und darüber, warum „Pendulum“ (KLEIO RECORDS) genau deswegen der Höhepunkt ihrer bisherigen Schaffensphase ist.

Wenn Sie selbst nicht Teil dieser Band wären, warum würden Sie einer Freundin bzw. einem Freund das Album „Pendulum“ als beste Neuveröffentlichung im Bereich Indie-Pop empfehlen?

Lucia Leena: Ich würde sagen: „Hör dir das an, denn da passiert interessante Musik. Die Band verbindet zwei Elemente: hippen Synth-Scheiß und nostalgische Posaunen-Klänge!“

Jakob Mayr: Ich empfehle Freundinnen und Freunden eher selten Musikveröffentlichungen, als Verkäufer tue ich mir daher schwer.

„[…] hipper Synth-Scheiß und nostalgische Posaunen-Klänge.“

Im Hinblick auf den Kontrast, der gerade schon angesprochen wurde, fällt beim Hören des Albums generell auf, dass es einerseits analog und akustisch klingt und andererseits digital und elektronisch. Wie ist es zu diesem Spagat gekommen?

Lucia Leena: Das war eine ganz bewusste Entscheidung, denn unser erstes Album war wirklich à la „band in a room“ und beinahe ohne Produktionselemente. Das waren fünf Menschen, die in einem Studio standen und aufgenommen wurden. Bei „Pendulum“ hingegen hat uns interessiert, wie man Soundvorstellungen und Ideen ausloten kann, wenn das Studio der Beginn des kreativen Prozesses ist und nicht nur der Abschluss. Wir wollten wissen, wie wir klingen, wenn wir uns einem richtig ausgedehnten Produktionsprozess hingeben. Herbert Pirker – unser Produzent – wurde auch genau dafür ins Boot geholt und hat wahnsinnig viel zum Endprodukt beigetragen.

Felipe Ramos: Bei vielen Prozessen, die der Produzent innehat, wussten wir gar nicht, wie stark sich die auswirken können – wenn man ihnen diesen Raum zugesteht. Beispielsweise kann man bei der Post-Produktion irrsinnig viel machen.

Lucia Leena: Auch der Prozess des Arrangements war stark von ihm beeinflusst. Hätte mir im Vorhinein jemand gesagt, wie viel Einfluss er dann auf unsere Musik nehmen würde, hätte ich eher gesagt: „Nein, danke. So läuft das nicht.“ Denn man will ja alles selbst machen. Letzten Endes haben wir gelernt, etwas Kontrolle abzugeben.

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Jakob Mayr: Er hat tatsächlich radikal eingegriffen.

Felipe Ramos: Ja, aber trotz dieses radikalen Eingriffs hat er die Band als solche respektiert und wir sind immer noch eindeutig als Listen to Leena zu erkennen.

Lucia Leena: Herbert Pirker ist quasi radikal sensibel.

Genau diese Herangehensweise ist ja das Produzieren im eigentlichen Sinne – ein Produzent, der das Album verbessern und auch das Beste aus einer Band herausholen will.

Lucia Leena: Ja, genau. Wir hatten im Vorfeld natürlich auch viele Gespräche, wie wir uns gewisse Dinge vorstellen, was gar nicht geht, welche Musik wir mögen, welcher Sound von welchem Album uns gefällt etc.

Jakob Mayr: Eine Vorstellung von uns war auch, dass man zur Musik besser tanzen können und es mehr Groove geben soll – gerade im Vergleich zum ersten Album. Bei der Instrumentierung äußert sich das beispielsweise in einer stärkeren Rolle der Bässe. Bei manchen Vorschlägen hatte ich anfangs tatsächlich das Gefühl, gewisse Sounds seien Fehler für unsere Band und erst nach ein oder zwei Monaten wurde mir klar, dass das eigentlich perfekt passt. Wie gesagt, wir mussten lernen zu vertrauen.

„[…] alles hatte auf einmal mehr Energie!“

Apropos Groove: Lucia Leena, neben der Musik beschäftigen Sie sich auch viel mit Tanz u. a. als Schülerin von Doris Uhlich. Wie beeinflusst hier eine Kunstform zwischen Musik und Tanz die andere und umgekehrt?

Lucia Leena: Das Tanzen hat mich beim Songwriting massiv beeinflusst. Die Entdeckung der Körperlichkeit und des Tanzens für mich ist nämlich aus einer Krise entstanden – ich hatte einen Stimmverlust. Ich hatte das Gefühl, das Singen wäre nichts mehr für mich und ich müsste mich umorientieren. Wenn die Identität an einer Tätigkeit hängt und diese plötzlich körperlich nicht mehr möglich ist, führt das schon dazu, gewisse Dinge zu hinterfragen. Da ist dann das Interesse für das Tanzen entstanden. Ich ging zu einem Workshop mit Doris Uhlich und plötzlich habe ich jeden Tag zu Hause getanzt. Ich habe dadurch auch völlig andere Musik gehört als sonst und alles hatte auf einmal mehr Energie! Generell hörte ich durch das Tanzen wieder viel mehr Musik. Es hat rundum hochenergetische Kreativprozesse im Songwriting ausgelöst. Vorher gab es dieses ruhige, melancholische Songwriting allein an der Gitarre. Es entstehen ganz einfach andere Songs.

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In den Credits sind Sie als alleinige Songwriterin angeführt, obwohl es sich um eine fünfköpfige Band handelt. Wie genau entsteht bei Listen to Leena ein Song?

Lucia Leena: Tatsächlich schreibe ich die Songs allein, produziere Demos und schicke diese dann an die Jungs. Daraufhin folgt ein langer, gemeinsamer Prozess. So gibt es manchmal Songs, die sehr nahe an der Ursprungsidee sind, und andere Songs, die weiter weg davon sind.

Jakob Mayr: Der Kern von Gesang und Lyrics bleibt eigentlich trotzdem immer gleich wie bei den Demos. Wir überlegen eher, was für eine Rolle ein jeder in dem Song hat, welche Ideen gut sind, was man spielen oder auch einmal nicht spielen kann.

Es fällt beim Anhören des Albums – im Vergleich zu vielen anderen Pop-Produktionen – positiv auf, dass die Instrumentierung sehr detailverliebt und ausgetüftelt ist.

Lucia Leena: Das war irgendwie schon immer unser Ding. Das entsteht ganz natürlich aus genau dieser Mischung von uns fünf Menschen.

Felipe Ramos: Es gab nie die bewusste Idee, dass Listen to Leena so oder so klingen muss. Wir haben einfach immer versucht, das Beste aus einem Song rauszuholen. In unserem Fall führte das immer zu vielen Details.

Lucia Leena: Es liegt auch an unseren Persönlichkeiten, die alle ein gewisses Faible für Detail-Kram haben. Uns wird selten etwas zu langwierig.

Es gibt diese Anekdote zu „Pendulum“, dass Sie, Lucia Leena, eine lange Zugfahrt von New York nach New Orleans und wieder zurück unternommen haben, welche das ganze Album geformt hat.

Lucia Leena: Diese Zugfahrt entstand durch ein Solokonzert in New York, das ich kurzerhand zu einer Reise auserkoren habe. Es war gar nicht so sehr so, dass etwa New York und New Orleans als Orte an sich so prägend für die Musik waren. 30 Stunden in einem Zug sind jedoch eine lange Zeit. Man ist lange allein und es ist ein spezieller Zustand, der weit weg ist vom restlichen Leben. Ich empfinde diesen Zustand gewissermaßen als puren Luxus zum Schreiben, weil er mich so produktiv und kreativ macht. So ist dann im Handumdrehen die Hälfte des Albums entstanden.

Das Feature von Willi Resetarits bei „Her Way“ ist vermutlich erst später entstanden. Wie kam es dazu?

Felipe Ramos: Willi Resetarits hatte eine Konzertreihe in einem Hotel organisiert und unser Klavierspieler Simon hat uns dort reingebracht. Irgendwann wollten wir vor Ort auch eine Nummer mit ihm spielen, was geklappt hat. Das habe ich danach natürlich auch mal unserem Produzenten erzählt und der meinte, wir müssten Willi Resetarits unbedingt als Gast auf unser Album bringen. Dann haben wir ihn diesbezüglich kontaktiert und es hat zum Glück funktioniert.

Lucia Leena: Lustigerweise war eigentlich das ganze Album zu dem Zeitpunkt bereits fertig, aber bei „Her Way“ ist es sich gerade eben noch ausgegangen, ein neues Element zu integrieren. Die ganze Begegnung mit Willi Resetarits beim Aufnehmen – bei ihm zu Hause im Wohnzimmer – war wirklich eine sehr schöne, sie war geprägt von gegenseitigem Respekt, dem Essen von Torten und vom Musizieren.

Was sind Ihre Zukunftspläne?

Lucia Leena: Jetzt werden wir erst mal unsere Release-Tour für das Album mit voller Kraft vorantreiben und für das Frühjahr ist auch schon wieder ein Single-Release geplant.

Felipe Ramos: Wir suchen intensiv unseren Platz in der Musikszene. Es gibt sicher genug Leute, die uns hören wollen, und auch jene, die das nicht wollen.

Lucia Leena: Was auch okay ist [lacht].

Felipe Ramos: Das Motto jetzt gerade ist einfach „Out into the world!“.

Herzlichen Dank für das Gespräch!  

Sebastian J. Götzendorfer

 

Termine:
12. Oktober 2018: Tam, Graz
13. Oktober 2018: Container 25, Wolfsberg
17. Oktober 2018: b72, Wien
18. Oktober 2018: Stadtwerkstatt, Linz
25. Oktober 2018: Local Bühne, Freistadt
26. Oktober 2018: OKH, Vöcklabruck
27. November 2018: Musikwerkstatt, Wels

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